Quelle: http://chiesa.espresso.repubblica.it/articolo/1351131?eng=y&refresh_ce

 

Die Katholische Scheidung - Sandro Magister schreibt Klartext.

Sandro Magister kann sich als akkreditierungsloser Vaticanist erlauben, Klartext zu sprechen, und das tut er bei www. chiesa bzgl. der Motu Proprio zur Annullierungsbeschleunigung.

"Die von Papst Franziskus gewollte Reform der Eheprozedur wird die Zahlen von einigen Tausend Ungültigkeitserklärungen zu vielen Millionen anwachsen lassen. Sehr einfach erreichbar, sogar innerhalb von 45 Tagen. Die Familiensynode wird im Oktober in einer bereits veränderten Landschaft eröffnet werden."

"ES IST VERBOTEN, ES SCHEIDUNG ZU NENNEN. ABER ES SIEHT GANZ SICHER SO AUS"

Je mehr Tage vergehen, desto klarer wird, wie revolutionär die Auswirkung der beiden von Papst Franziskus am 8.September veröffentlichten Motu Proprio - das zweite für die Kirchen des östlich-katholischen Ritus- zur Reform der Eheannullierungsfälle ist.

Es ist der Papst selbst, der in der Einleitung des Dokumentes die Gründe für diese Reform präsentiert.

"Die enorme Zahl von Gläubigen, die - obwohl sie ihrem Gewissen folgen wollen - zu oft durch die juristischen Strukturen der Kirche abgewiesen werden."

Bei der offiziellen Präsentation der Motu Proprio wandelte der Präsident der Kommission, die die Reform ausgearbeitet hat, Msgr. Pio V. Pinto, Dekan der Rota Romana , die Ursache in das Ziel um:

"Um von der restriktiven Zahl einiger tausend Nichtigkeitserklärungen zu der enormen Zahl von Unglücklichen zu gelangen, die eine Ungültigkeitserklärung erreichen könnten, aber vom bestehenden System übergangen werden."

Franziskus ist seit einiger Zeit absolut davon überzeugt, daß mindestens die Hälfte der Ehen, die weltweit in der Kirche geschlossen werden, ungültig sind. Das sagte er bei einer Pressekonferenz auf dem Rückflug von Rio de Janeiro. Er sagte es auch zu Kardinal Kasper - wie der in einem Interview am 7. Mai 20113 in Commonweal sagte.

Und deshalb gehören auch diese Gläubigen, die in der Erwartung der Ungültigkeit ihrer Ehe unbeachtet blieben - und werden von Pinto so auch präseniert - zu DEN ARMEN, die im Mittelpunkt dieses Pontifikates stehen. Millionen, Abermillionen von Unglücklichen, die auf die ihnen zustehende Hilfe warten.

Die von Jorge M. Bergoglio gewollte Reform der Prozedur zielt genau darauf ab: diesen unendlichen Massen einen schnellen und leichten Zugang zur Nichtigkeitsanerkennung ihrer Ehen zu verschaffen.

Die Synode im vergangenen Oktober (s. § 48 der Schluss-Relatio) hat ihre allgemeine Unterstützung für eine Verbesserung der Prozedur ausgesprochen. Aber eine nicht geringe Zahl von Vätern sagte, daß sie gegen die eine oder andere von den verschiedenen Seiten vorgeschlagenen Reformen seien. Die allerdings genau die sind, die man jetzt in den Motu Proprio findet.

 

DIE REGULÄRE PROZEDUR

Die Reform bildet zwei Haupttypen des Ehe-Prozesses ab. Da ist einmal die ordentliche Form und dann die - ganz neue -, die die "kürzere" genannt wird.

Bei der Ordentlichen Prozedur ist die wichtigste Erneuerung die Abschaffung des obligatorischen Doppelurteils zur Nichtigkeitserklärung. Es wird nur eines benötigt - wie bereits vorher in experimenteller Form in den Jahren 1971- 1983 in den Kirchengerichten der USA angewendet. Eine Konzession, die nach einer Flut von Nichtigkeitserklärungen durch die Gerichte und wegen ihres daraus resultierenden schlechten Rufes als "katholische Scheidung" widerrufen wurde.

Eine einzelne Erklärung - ohne Appellationsmöglichkeit - verringert die Dauer der ordentlichen Prozedur auf ungefähr 1 Jahr.

Es werden darüber hinaus in jeder Diözese der Welt Kirchengerichte eingerichtet werden müssen, keine kleine oder unbedeutende Sache. Ein Ziel, von dem die Kirche heute sehr weit entfernt ist, hauptsächlich wegen des Mangels an Kirchenmännern und Laien, die Experten im Kirchenrecht sind.

Aber da ist noch eine andere, wichtigere Erneuerung, die im neuen Canon 1678, § 1 präsentiert wird, und die den entsprechenden Canon 1536 §2 des bestehenden Kanonischen Gesetzes ersetzen wird.

Im ersetzten Canon heißt es: "den Aussagen der Parteien kann keine volle Bedeutung zugemessen werden, wenn nicht andere Beweise vorliegen, die sie gründlich unterstützen" - dagegen steht im neuen Canon: "die Aussagen der Parteien haben volle Beweiskraft und müssen vom Richter als solche betrachtet werden, wenn keine gegenteiligen Aussagen vorliegen, die ihnen widersprechen".

Hierin kann man sehen, daß die Subjektivität der Aussage der Person aufgewertet wird, die den Antrag auf Ungültigkeitserklärung gestellt hat. Sie läßt sich mit der offiziellen Darstellung der Motu Proprio durch Msgr. Pinto und dem Sekretär der Kommission, der er vorsteht, Msgr. Alejandroi W. Bunge sehr gut in Einklang bringen - im Hinblick auf die Hauptmotivation, die nach ihrem Urteil viele Katholiken dazu bringen wird, in Zukunft in Massen an die Ehetribunale zu appellieren..

Die Ungültigkeit wird aus Gewissensgründen beantragt, z.B. um die Sakramente der Kirche zu leben oder in einer perfekten und glücklichen zweiten Verbindung im Gegensatz zur ersten ( Hollywood läßt grüßen)

Es ist deshalb leicht vorherzusehen, daß die langanhaltende Kontroverse über die Kommunion für die wiederverheirateten Geschiedenen zwischen diesen Fakten aufgerieben wird und durch den unbegrenzten und praktisch unfehlbaren Rückgriff auf die Ungültigkeitserklärung der ersten Ehe ersetzt werden wird.

 

DIE KÜRZERE PROZEDUR

Die größte Erneuerung der von Franziskus gewollten Reform jedoch ist die "die kürzere" genannte Prozedur.

Wirklich sehr kurz.

Nach dem neuen Canon kann sie innerhalb einer Spanne von 45 Tagen beginnen und enden- mit dem Ortsbischof als alleinigem und endgültigen Richter.

Einspruch gegen die verkürzte Prozedur ist in den Fällen erlaubt, in denen die Ungültigkeit der Ehe mit nur teilweise überzeugenden Argumenten begründet wird."

Aber da ist mehr. Einspruch gegen diese Prozedur ist nicht nur erlaubt, es wird sogar dazu ermutigt, wenn man die Aufzählung der Situationen in Artikel 14, §1 der Prozessregeln sieht, die dem Motu Proprio beigefügt sind,

Der Artikel lautet:

"Unter den Umständen, die zu einer Handhabung der Nichtigkeitserklärungssache mit der kürzeren Prozedur (...) berechtigen, sind z.B.

- das Fehlen des Glaubens, das einen Konsens oder einen Irrtum, der den Willen bestimmt, simulieren kann

- die Kürze des ehelichen Zusammenlebens

- Abtreibung, um die Procreation zu verhindern

- stures Festhalten an einer außerehelichen Beziehung zur Zeit der Hochzeit oder unmittelbar danach

- das bösartige Verheimlichen von Sterilität oder schweren ansteckenden Krankheiten oder Kindern aus früheren Beziehungen oder Haft

- Gründe für die Ehe, die völlig außerhalb des Ehelebens liegen oder in der unerwarteten Schwangerschaft der Frau liegen

- physische Gewalt, um den Konsens zu erzielen

- ein durch medizinische Dokumente bestätigter Mangel an Vernunft

Die Liste ist in ihrer unzusammenhängenden Vielfalt erstaunlich. Sie beinhaltet Umstände wie körperliche Gewalt zur Erzwingung des Konsens, die jetzt schon Nichtigkeitsgrund sind,

Aber sie schließt auch andere ein, wie die Kürze des ehelichen Zusammenlebens, die auf gar keine Weise ein Eheungültigkeitsdekret stützen können.

Und sie enthält noch eine andere Situation: das Fehlen des Glaubens, das, obwohl es so schwer zu beurteilen ist, immer mehr als neuer Universalschlüssel zur Nichtigkeit erklärt wird.

Und dennoch werden alle diese Umstände als gleichrangig aufgelistet, gemeinsam mit einem finalen "etc", das das Hinzufügen beliebiger anderer Beispiele ermöglicht.

Aber außer daß sie in ihrer Zusammensetzung heterogen ist, scheint die Liste auch irreführend zu sein.

Sie listet Umstände auf, die einfach von sich aus den Zugang zur kürzeren Prozedur erlauben.

Aber es ist auch sehr leicht, die Liste als eine Liste von Fällen zu interpretieren, die es ermöglichen, die Annullierung zu erhalten.

Viele Paare haben einen der aufgezählten Umstände erlebt- z.B: Schwangerschaft vor der Ehe- und es ist daher natürlich, daß in ihnen die Überzeugung entsteht, daß auf Antrag ihre Ehe aufgelöst werden kann, wenn sie den Druck sehen, den die Kirche - genau wegen dieser Umstände - ausübt, indem sie den Rückgriff auf den Annullierungsprozesse vorschlägt - und noch dazu den schnellen.

Kurz gesagt: wenn das hinzukommt, wird in jeder Diözese eine vorbereitende Beratungsinstanz eingerichtet werden müssen, die jene, die als passend angesehen werden, "auf die Schiene" setzt, weil einmal im Gang - die Nichtigkeitserklärung praktisch garantiert ist.

Das bedeutet nach dem allgemeinen Verständnis: Scheidung, wie Papst Franziskus selbst vorherzusehen und zu fürchten scheint, wenn er in der Einleitung des Motu Proprio schreibt:

"Es ist mir nicht entgangen, wie sehr ein verkürztes Urteil das Prinzip der Unauflöslichkeit der Ehe gefährden kann."

Und er fährt fort:

"Genau aus diesem Grund habe ich entschieden, daß der Richter einer solchen Prozedur der Bischof selbst sein soll, der Kraft seines pastoralen Amtes zusammen mit Petrus der größte Garant der Katholischen Einheit in Glauben und Disziplin ist."

Msgr. Pinto gab bei der öffentlichen Präsentation der Reform jedoch zu, daß ein Bischof mit Millionen Gläubigen in seiner Diözese nicht den Annullierungsentscheidungen für alle Gläubigen, die danach verlangen, vorsitzen kann.

Noch darf man übersehen, daß da wenige, sehr wenige Bischöfe sind, die in solchen Fällen mit der nötigen juristischen Kompetenz als Richter agieren können.

 

WIE IM OSTEN

In weniger als einem Jahr improvisiert und vorsätzlich vor dem kommenden Treffen der Familiensynode veröffentlicht, erweist sich die von Papst Franziskus beschlossene Revolution der Eheprozesse als Koloss auf tönernen Füßen, deren Implementierung ein langer und schwieriger Prozess zu werden verspricht, die aber bereits unmittelbare Wirkungen auf die öffentliche Meinung innerhalb und außerhalb der Kirche gezeigt hat.

Der Haupteffekt ist die weitverbreitete Überzeugung, daß jetzt sogar die Katholische Kirche Platz gemacht hat für die Scheidung und die Segnung zweiter Ehen.

Bei der offiziellen Präsentation der Reform hat Bischof Dimitrios Salachas, apostolischer Exarch der Griechisch-Katholischen Kirche nach byzantinischem Ritus, auf diese andere Neuerung des Motu Proprio hingewiesen.

"Mir scheint, daß dieses das erste Mal ist, daß ein päpstliches Dokument juristischer Natur auf die patristischen Prinzipien der pastoralen Barmherzigkeit, in den Orientalischen Kirchen "oikonomeia" genannt, zurückgreift, um ein Problem wie die Ungültigkeit einer Ehe anzugehen."

Augenscheinlich hatte Papst Franziskus dieses Resultat im Sinn, als er vor 2 Jahren während des Fluges von Rio de Janeiro nach Rom sagte:

"Die Orthodoxen folgen der Theologie der "oikonomeia", wie sie es nennen, und sie geben eine zweite Chance zu heiraten, sie erlauben das. Ich glaube, daß wir dieses Problem studieren müssen."

Quelle: www. chiesa, Sandro Magister