Interview mit S.E. Bischof Bernard Fellay

Donnerstag, den 12. Dezember 2013 um 10:05 Uhr

 

pius.info veröffentlicht das Interview mit S.E. Bischof Bernard Fellay, Generaloberer der Priesterbruderschaft St. Pius X., das dieser Ende November der Nachrichtenagentur der DICI gegeben hat und dort Anfang Dezember in Französisch und Englisch veröffentlicht wurde. Das Interview wurde auf Französisch auch als Video veröffentlicht.

 

Die Kirche durch die Messe wieder aufbauen

Der Amtsantritt eines neuen Papstes

Der Amtsantritt eines neuen Papstes kann wie das Zurücksetzen des Kilometerzählers auf Null angesehen werden. Insbesondere bei einem Papst, der sich durch sein Handeln, seine Äußerungen und seine Interventionen von seinen Vorgängern unterscheidet und in frappierendem Gegensatz zu ihnen steht. Das kann die Menschen dazu veranlassen, das vorangegangene Pontifikat zu vergessen, was in gewisser Hinsicht auch so geschehen ist. Zumindest was den eher konservativen bzw. reformierenden Kurs von Papst Benedikt XVI. betrifft. Es steht außer Frage, dass die ersten Eingriffe des Papstes viel Unklarheit verursacht haben, ja geradezu einen Widerspruch, zumindest einen Kontrast zum reformierenden Kurs.

 

Ein Beispiel: die Franziskaner der Immakulata

Ihre Spiritualität richtet sich nach den Leitlinien des Pater Maximilian Kolbe.

Das ist sehr interessant, weil Maximilian Kolbe einen Kampf für die Immakulata fordert, einen Kampf durch die Immakulata, den Sieg Gottes über die Feinde Gottes - und dieser Begriff ist hier tatsächlich angebracht - namentlich die Freimaurer. Das ist äußerst interessant zu beobachten. Dieser Kampf gegen die Welt, gegen den Geist der Welt brachte sie in unsere Nähe, sozusagen naturgemäß, weil die Beteiligung am Kampf gegen die Welt doch irgendwo das Kreuz mit sich bringt. Darin eingeschlossen sind die ewigen Prinzipien der Kirche: was man die christlichen Gesinnung nennt. Diese christliche Gesinnung wird in der alten Messe, in der tridentinischen Messe, hervorragend ausgedrückt. Als Benedikt XVI. sein Motu Proprio veröffentlichte, wodurch die Messe aufs Neue allgemein zur Verfügung stand, hat sich deswegen diese Ordensgemeinschaft während ihres Kapitels, d.h. durch eine Entscheidung der gesamten Ordensgemeinschaft, dazu entschlossen, zur alten Messe zurückzukehren, und zwar vollumfänglich. Dabei war ihnen bewußt, dass sie vor einer Menge Probleme stehen würden - da sie ja über Gemeinden verfügen -, dass diese Probleme jedoch nicht unüberwindlich seien. Manche von ihnen begannen auch, bestimmte Fragen bezüglich des Konzils aufzuwerfen.

Das führte dazu, dass einige Querulanten - eigentlich nur eine Handvoll, wenn man ihre Zahl bedenkt (es gibt insgesamt ungefähr 300 Priester und Brüder) -, also vielleicht ein Duzend, in Rom Protest einlegten: „Sie versuchen uns die alte Messe aufzuzwingen, sie gehen gegen das Konzil an.“ Das rief eine heftige Reaktion von römischer Seite hervor, schon während des Pontifikats von Benedikt XVI. - das muss klargestellt werden. Die Beschlüsse, die disziplinären Maßnahmen wurden allerdings unter Papst Franziskus vorgenommen. Diese beinhalten u.a. das Verbot für alle Ordensmitglieder, die alte Messe zu zelebrieren, mit ein paar Ausnahmen und Genehmigungen, eventuell hier und da … Dies steht im direkten Widerspruch zum Motu Proprio, das von einem Recht spricht: Dass die Priester das Recht haben, die alte Messe zu zelebrieren und es deshalb keiner Genehmigung bedarf, weder vom Ordinarius noch vom Heiligen Stuhl selbst. Darum ist diese Sache ziemlich schockierend. Das ist zweifellos ein Signal.

 

Die Neuausrichtung der Kirche

„Ende des Zwischenspiels.“ Diesen Slogan verkündete so mancher Progressive beim Amtsantritt von Papst Franziskus. Ich denke jedenfalls, dass es für die, die man Progressisten nennt, genau das war, was sie wollten. Mit anderen Worten, nach der Amtszeit Benedikt XVI. wollten sie sein Pontifikat der Vergessenheit anheim fallen lassen, samt dessen Initiativen, die darauf abzielten, was auch immer geschieht den Zustand durch einige Korrekturen zu heilen - ob man hier von „Wiederaufbau“ reden kann? Jedenfalls gab es zumindest teilweise den Wunsch, die Kirche aus der Katastrophe, in der sie sich befindet, herauszuführen.

Der Papst tritt an mit anderen Standpunkten und geht dabei nahezu auf alles los. Jedem war damit klar: Benedikt XVI. ist vergessen! Es war zwecklos zu sagen: „Aber nein! Sie kämpfen doch den gleichen Kampf - Benedikt und Franziskus - den gleichen Kampf!“ Die Gesinnung ist offensichtlich überhaupt nicht die gleiche. Die Betrachtungsweise, die Definition der Probleme, die die Kirche betreffen, ist nicht die gleiche! Diese Idee, Reformen einzuführen, die noch weitreichender sind als alles jemals Dagewesene. Man hat jedenfalls nicht den Eindruck, dass sie rein kosmetischer Art sein werden, diese Reformen von Papst Franziskus!

Wie wird sich das dann auf die Kirche auswirken? Das ist sehr schwer zu sagen.

 

Ein Klima der Verwirrung

Der Antritt des neuen Papstes lässt das vergessen, was ihm vorausging, als ob man bei Null beginnen würde. Dabei gibt es viele Überraschungen, auch viele Angriffe, weil er durch seine Worte geradezu jeden irritiert hat, nicht nur uns, sondern überhaupt alle Konservativen. Zu Fragen der Moral hat er unfassbare Positionen eingenommen, wie etwa bei dem Thema Homosexuelle: „Wer bin ich, zu richten?“ „Nun, als erstes einmal: Der Papst!“ Er ist der oberste Richter hier auf Erden.

Wenn es also jemanden gibt, der richten darf, der richten muss und Gottes Gesetz der Welt darlegt, dann ist das auf jeden Fall er! Was der Papst persönlich denkt, interessiert uns nicht. Wir erwarten von ihm, die Stimme Christi zu sein und somit die Stimme Gottes; der uns wiedergibt, was Gott gesagt hat! Und Gott hat nicht gesagt: „Wer bin ich, zu richten?“

Er hat wahrlich etwas anderes gesagt: Sehen Sie, die Verurteilungen, die wir in den Schriften des Heiligen Paulus finden, und nicht nur jene des Alten Testaments - denken Sie an Sodom und Gomorrha - sind wirklich eindeutig. Der Heilige Paulus und die Apokalypse sprechen sich mit großem Nachdruck gegen all das Widernatürliche aus. Deshalb vermitteln Aussagen wie diese, selbst wenn sie später „korrektverdeutlicht“ werden, den Eindruck, dass über viele Themen alles und das Gegenteil von allem gesagt wurde.

Das erzeugt ein Klima der Verwirrung; die Menschen sind aus dem Gleichgewicht geworfen: notwendigerweise erwarten sie Klarheit in Dingen der Moral, und mehr noch in Glaubensfragen; diese beiden Bereiche sind miteinander verbunden. Glauben und Moral sind die zwei Lehrbereiche der Kirche, wo sich auf Unfehlbarkeit berufen werden kann. Und auf einmal sehen wir einen Papst, der Unklarheit verursacht.

Das geht noch viel weiter: während eines Interviews mit den Jesuiten greift der Papst jene an, die Klarheit wünschen. Unglaublich! Er verwendet nicht das Wort Klarheit. Er benutzt das Wort Sicherheit; jene, die lehrmäßige Sicherheit wollen. Natürlich wollen wir das! Wenn man mit den Worten Gottes selbst zu tun hat, unseres Herrn, der sagt, dass nicht ein einmal ein Jota weggelassen werden darf, da ist es besser präzise zu sein!

 

Ein Papst mit geringerer Glaubwürdigkeit

Es ist schwierig, zu einer Einschätzung seiner Worte zu gelangen, weil wenig später schon, oder beinahe gleichzeitig, findet man wieder Worte über den Glauben, über Glaubenspunkte, über Punkte der Moral, die sehr klar sind und die Sünde, den Teufel verurteilen; Aussagen, die sehr eindringlich und sehr deutlich darlegen, dass niemand ohne echte Reue über seine Sünden in den Himmel kommen kann, niemand Gnade vom lieben Gott erwarten kann, wenn er nicht aufrichtig seine Sünden bereut.

Das sind alles Mahnungen, über die wir sehr froh sind - dringend erforderliche Mahnungen! Leider haben sie jedoch aufgrund der entgegengesetzten Äußerungen einen Großteil ihrer Wirkung bereits eingebüßt.

Ich denke, was zu den unseligsten Dingen an diesen Aussagen zählt ist die Tatsache, dass sie seine Glaubwürdigkeit untergraben haben. Sie haben dem Papst viel an Glaubwürdigkeit geraubt, so dass die Aussagen, die er jetzt oder in Zukunft über wichtige Themen zu machen hat, nicht anders als all die anderen bewertet werden. Man wird sagen: „Er versucht, allen zu gefallen: einen Schritt nach rechts, einen Schritt nach links.“ Ich hoffe, ich liege da falsch, aber man gewinnt den Eindruck, dass das einer der Grundzüge dieses Pontifikats sein wird.

Je höher jemand in ein Amt bestimmt wird, desto umsichtiger muss er in seinen Aussagen sein, und dies gilt insbesondere für die Worte des Papstes. Ich meine, er redet zu viel. Deshalb werden seine Aussagen konfus, vulgär, wohl im tieferen Sinne des Wortes. Non decet: es ziemt sich nicht; so sollte sich ein Papst nicht verhalten.

Man kann nicht mehr sagen, was Privatmeinung und was Lehre ist ... Und schon kommt es zu Verwechslungen. „Ja, aber es ist der Papst, der das sagt!“ Nun ist der Papst aber keine Privatperson. Natürlich kann er als Theologe sprechen, aber trotzdem spricht er auch als Papst! Die Zeitungen werden dann nicht sagen: „Das ist die Privatmeinung des Papstes“, sondern eher: „Der das sagt, ist der Papst; die Kirche denkt so.“

 

Der Papst, ein Mann der Tat

Ich denke, dass ich wohl noch keine Synthese vorlegen kann. Ich sehe viele grundverschiedene Elemente, ich sehe einen Mann der Tat. Dies ist der Primat der Tat, da gibt es keinen Zweifel, das ist kein Mann der Doktrin. Zu mir hat ein Argentinier gesagt: „Ihr Europäer werdet euch sehr schwer tun, seine Persönlichkeit zu verstehen, weil Papst Franziskus kein Mann der Lehre, sondern der Tat, der Praxis ist. Er ist ein äußerst pragmatischer Mann, sehr praxisnah.“

Das erkennt man in seinen Predigten. Er ist den Menschen sehr nah und das ist es wohl, was ihn so beliebt macht. Weil das, was er sagt, jeden betrifft. Zugleich irritiert er alle ein bisschen, aber er ist sehr praxisnah. Da gibt es nicht viel Theorie. Man sieht das deutlich: Das ist Aktion, schlicht und einfach.

Das ist das, was man sieht. Aber wie wird sich das auf die Kirche auswirken? Welche Folgen wird das für die gesamte Kirche haben? Ist es nur ein Schrei in der Wüste, ohne jede Wirkung, oder wird vielmehr ein Teil der Kirche, der progressive Teil, davon profitieren? Man spürt, dass der gerne einen Nutzen daraus ziehen würde.

Bereits jetzt - bei der Analyse der Situation der Kirche - ist bemerkenswert, wie unbedachte Worte gesprochen werden, einige daraus Schlussfolgerungen ziehen und daraufhin dann eine „Klarstellung“ erfolgt (ein Versuch, die Lehre zu kitten). Es hat bereits ein oder zwei markante Klarstellungen gegeben - Interventionen durch den Präfekten der Glaubenskongregation, der die Punkte, die durch den Papst in Unordnung gerieten, nochmals ganz deutlich und entschieden formuliert hat.

Es ist fast so, als ob der Präfekt der Glaubenskongregation zensieren oder berichtigen müsste ... das ist schon etwas ungeschickt! Schlussendlich werden die Progressiven ab einem bestimmten Punkt eine andere Tonart anschlagen und sagen, dass dies nicht das ist, was sie erwartet haben. Indes gibt der Papst ihnen eine Hoffnung - eine falsche Hoffnung ...

 

Ein modernistischer Papst?

Ich habe das Wort „Modernist“ verwendet. Ich denke, das wurde nicht von allen verstanden. Vielleicht hätte ich 'ein Modernist in seinem Handeln' sagen sollen. Nochmals, er ist kein Modernist im absoluten, theoretischen Sinne: Ein Mann, der ein in sich vollständig stimmiges System entwickelt; diese Geschlossenheit ist nicht vorhanden.

Es gibt Systeme, wie etwa die evolutionäre Denkweise, die mit dem Tun in klarem Zusammenhang steht. Wenn der Papst sagt, dass er eine Ungenauigkeit in der Lehre will, wenn der Zweifel hereingebracht wird, nicht nur Vagheit, sondern Zweifel, soweit gehend, dass es heißt, dass selbst die großen Führer im Glauben, wie Moses, Raum für Zweifel einräumten... .

Ich weiß nur von einem Zweifel, den Moses hatte: Zu der Zeit, als er zweifelte und gegen den Fels schlug! Deswegen hat Gott ihn bestraft und er konnte nicht in das Gelobte Land einziehen. Nun also, ich glaube nicht, dass dieser Zweifel zu den Verdiensten Moses zählt; die restliche Zeit war er doch recht entschieden in seinen Aussagen ... ohne einen Zweifel.

Sie ist wirklich verwunderlich, diese Vorstellung, dass es in allem Zweifel geben muss; das ist sehr befremdlich! Ich sage jetzt nicht, dass das an Descartes erinnert, aber ... es erzeugt doch eine Stimmung. Und was eine echte Gefahr darstellt ist der Umstand, dass man es in den Zeitungen und Medien dabei belässt... In gewisser Weise ist er der Liebling der Medien, er ist geschätzt, man lobt ihn, man zeigt ihn vor; aber das geht der Sache nicht auf den Grund.

 

Eine unveränderte Situation

Das ist eine Stimmung, die innerhalb der tatsächlichen Situation der Kirche aufkommen ist, aber die Lage selbst hat sich nicht geändert. Wir sind von einem Pontifikat zum nächsten gewechselt und die Situation der Kirche ist dieselbe geblieben. Die Grundzüge bleiben dieselben. An der Oberfläche gibt es Abweichungen: man könnte sagen, dass das Abweichungen sind, die ein wohlbekanntes Thema betreffen! Die grundlegenden Beteuerungen: man findet sie beispielsweise über das Konzil: Das Konzil ist eine neue Auslegung des Evangeliums im Licht der zeitgenössischen bzw. modernen Kultur - der Papst hat beide Begriffe verwendet.

Meines Erachtens sollten wir zunächst wirklich ernsthaft um eine Definition dessen bitten, was zeitgenössische, moderne Kultur ist. Für uns - sowie für jeden Durchschnittssterblichen - ist das ganz einfach die Ablehnung Gottes, ist es „der Tod Gottes.“

Es ist Nietzsche, es ist die Frankfurter Schule, es ist eine nahezu universelle Rebellion gegen Gott. Das sehen wir fast überall. Wir sehen es im Fall der Europäischen Union, die in ihrer Konstitution die Anerkennung ihrer christlichen Wurzeln verweigert. Wir sehen es an allem, was die Medien propagieren, in der Literatur, Philosophie, Kunst: Alles tendiert zum Nihilismus, zur Affirmation des Menschen ohne Gott und sogar zum Aufstand gegen Gott.

Wie kann man denn das Evangelium in diesem Licht neu lesen? Das ist einfach nicht möglich; das ist die Quadratur des Kreises! Wir stimmen dieser soeben gegebenen Definition zu und aus ihr ziehen wir Schlüsse, die sich grundlegend von denen des Papst Franziskus unterscheiden. Er geht sogar so weit, die Weiterführung seines Gedankens kundzutun, zu enthüllen, indem er sagt: „Seht doch die schönen Früchte, die wunderbaren Früchte dieses Konzils: Seht doch die Liturgiereform!“

Da überkommt uns natürlich das kalte Grausen! Da die Liturgiereform von seinem direkten Vorgänger als Ursache der Kirchenkrise bezeichnet wurde, ist es schwer zu erkennen und zu verstehen, wie diese jetzt plötzlich als eine der schönsten Früchte des Konzils bezeichnet werden kann! Gewiss ist sie eine Frucht des Konzils, aber wenn das eine schöne Frucht ist, was ist dann schön und gut bzw. böse? Das macht einen ganz konfus!

 

Momentan wird nichts unternommen, um die Kirche zu heilen

Noch ist nichts unternommen worden, um der Situation der Verirrung, des Verfalls in der Kirche, Abhilfe zu schaffen. Rein gar nichts, keine Maßnahmen, die die gesamte Kirche betreffen. Manche werden die Enzyklika über den Glauben nennen. Ich glaube aber nicht, dass man das als wirkungsvolle Maßnahme betrachten kann. Sicher nicht. Das hat keinen Effekt, heilt nicht den kranken, den sterbenskranken mystischen Leib, die sterbende Kirche. Was wird getan, um aus dieser Lage herauszukommen?

Letztendlich nichts; bis jetzt nichts. Worte, ein paar flüchtige Worte, die zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder hinausgehen - manch einer mag vielleicht sagen, ich sei zu hart. Ich weiß nicht. Aber wo konkret sind die Maßnahmen zur Verbesserung. Es gibt keine. Ganz einfach.

 

Der Kirche hat jedoch die Verheißung des ewigen Lebens

Unser Herr hat es ganz deutlich gesagt: „Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwinden!“ Auf diese Worte hin würde man sich liebend gerne an unseren Herrn wenden und zu ihm sagen: „Aber was machst Du denn?! Sieh nur, du lässt Dinge geschehen, die sich gegen dein Versprechen zu richten scheinen!“ Mit anderen Worten, wir sind etwas überrascht über das, was geschieht.

Dabei spreche ich von der Geschichte der Kirche. Diese Worte - davon bin ich überzeugt - sind für die meisten Theologen die Quelle für ihre Äußerungen über die Unmöglichkeit, in der Kirche genau das zu sehen, was wir jetzt sehen. Weil sie es wegen des Versprechens unseres Herrn für absolut unmöglich halten. Ja also, wir werden die Verheißung unseres Herrn nicht leugnen.

Wir möchten eine Erklärung dafür geben, wie dieses Versprechen, das ja unfehlbar ist, in einer Situation, die diesem zu widersprechen scheint, dennoch möglich ist. Es scheint so, dass die Pforten der Hölle diesmal einen beispiellosen Einzug in die Kirche gehalten haben. Ich denke, wir müssen aufpassen; wir dürfen nicht eingleisig denken. Insbesondere bei solchen Worten, prophetischen Worten unseres Herrn, ist es notwendig, bei der eigentlichen Bedeutung zu bleiben. Diese Aussagen sind sehr eindrucksvolle Analogien.

Da ist von einer Wirklichkeit die Rede, die unbestreitbar ist: Die Pforten der Hölle werden nicht siegen. Ein Punkt, und das ist alles. Das heißt aber nicht, dass die Kirche nicht leiden wird. Nun, bis zu welchem Punkt kann das Leiden denn gehen? Hier gibt es Raum für Interpretation; wir müssen wohl oder übel unsere bisherige Sicht etwas erweitern.

Wenn wir an den Heiligen Paulus denken, der über den Sohn des Verderbens berichtet, den andere als Gott verehren werden, der deswegen nicht einfach ein militärischer oder vielleicht auch ziviler Antichrist ist; er ist eine religiöse Person, eine Person, die Menschen versammelt, die ihn verehren, der religiöse Handlungen für sich beansprucht. Und die Greuel der Verwüstung - besteht da ein Zusammenhang?

Ich denke schon. Es bedeutet folglich, dass neben dieser Verlautbarung des Versprechens der Unzerstörbarkeit der Kirche noch die Ankündigung einer furchtbaren Zeit für die Kirche besteht, in der die Menschen sich Fragen stellen werden. Und zwar genau diese Frage: Aber was ist dann mit der Unzerstörbarkeit, dem Versprechen unseres Herrn?

Die Allerseligste Jungfrau ... die berühmten Worte von La Salette, die von Leo XIII. nahezu wortwörtlich wiederholt wurden - das sind keine Offenbarungen, das ist die Kirche und man könnte sagen, die Kirche selbst in offizieller Handlung: Leo XIII. verfasste einen Exorzismus, diesen berühmte Exorzismus' Leo XIII. Später jedoch hat man die eindringlichsten Worte dieses Exorzismus, die ankündigen, dass Satan herrschen und seinen Thron in Rom errichten wird, gestrichen. Einfach so. Deshalb wird der Sitz der Kirche plötzlich zum Sitz des Antichristen werden.

Dies sind die exakten Worte der Seligen Jungfrau: „Rom wird den Glauben verlieren“, „die Verdunkelung der Kirche“. Also sehr drastische Worte, die im Gegensatz zu dem Versprechen stehen. Das heißt nicht, dass das Versprechen null und nichtig ist. Natürlich bleibt es bestehen, aber es schließt nicht aus, dass die Kirche eine Zeit derartigen Leidens durchlebt, dass man dies als Scheintod betrachten könnte.

 

Leiden Christi, Leiden der Kirche

Ich denke, an diesem Punkt sind wir angelangt. Die Frage bleibt: In welchem Maß wird der liebe Gott von seinem mystischen Leib abverlangen, sich dem anzuschließen, dem gleichzutun, was sein physischer Leib - gar bis zum Tode - ertragen musste. Wird es so weit kommen, oder plötzlich aufhören?

Wir hoffen alle, dass es verkürzt wird. Ich glaube, dass der liebe Gott - und das wäre nicht das erste Mal - eingreifen und die Dinge wieder richten wird, in dem Moment, wenn alle denken: Jetzt ist es vorbei. Ich glaube, dass dies einer der Beweise des göttlichen Ursprungs der Kirche sein wird. In dem Moment, wenn alle menschlichen Anstrengungen vorüber, erschöpft sind, mit anderen Worten, wenn alles am Ende ist, dann ist exakt der Zeitpunkt gekommen, an dem Er handeln wird.

So sehe ich das. Und das wird eben ein außerordentliches Zeichen dafür sein, dass diese Kirche die einzige wirklich göttliche ist.

 

Die Haltung der Gläubigen

Vor allem müssen sie den Glauben bewahren. Man kann sagen, das dies die primäre Botschaft des Heiligen Paulus ist; es war auch die Botschaft für die Zeiten der Verfolgung: seid standhaft, state[Latein], haltet durch, bleibt beständig, steht fest im Glauben.

Den Glauben zu bewahren ist nicht nur eine theoretische Sache. Da gibt es so etwas, dass ich als „theoretischen“ Glauben bezeichnen würde: Der Glauben von jemanden, der das Glaubensbekenntnis aufsagen kann, der seinen Katechismus gelernt hat, er kennt ihn, er kann ihn wiedergeben. Natürlich ist diese Art Glauben der Anfang; man muss ihn haben, sonst hat man den Glauben nicht.

Aber dieser Glauben führt noch nicht in den Himmel. Das ist etwas, was man begreifen muss. Der Glaube, über den die Schrift spricht, ist der Glaube, der - um den Fachbegriff zu verwenden - von der Liebe geformt wird. Der Heilige Paulus sprach von dieser Beziehung zwischen Glaube und Liebe, als er zu den Korinthern sagte: „Wenn ich allen Glauben hätte, dass ich Berge versetzen könnte,“ (was nichts geringes ist, da ein Glaube, der Berge in Bewegung setzten kann, nichts ist, was man jeden Tag sieht!) „doch Liebe nicht habe, so bin ich nichts ... ich bin nur ein tönendes Blech oder eine klingende Schelle ....“

Es reicht nicht, großartige Glaubensbekenntnisse abzulegen; es reicht nicht, gegen Irrtümer anzugehen oder sie zu verurteilen. Viele meinen, sie haben ihre christliche Pflicht erfüllt, wenn sie das getan haben, aber das ist ein Irrtum. Ich sage nicht, dass Sie das nicht tun sollen.

Das ist Teil dessen, was zu tun ist. Aber der Glauben, von dem der Heilige Paulus und die Heilige Schrift sprechen, ist der geformte Glauben, mit anderen Worten, der Glauben, der von Liebe durchdrungen ist. Die Liebe gibt dem Glauben Gestalt. Die Liebe ist die Liebe Gottes und somit die Nächstenliebe.

Deshalb geht es um einen Glauben, der sich dem Nächsten, der sich offenkundig im Irrtum befindet, zuwendet und ihn auf die Wahrheit hinweist. Dies jedoch auf eine Art und Weise, dass der Christ durch diese Mahnungen den Glauben säen, jemanden im Glauben wiederherstellen, diese Seele zur Wahrheit zur führen kann. Deswegen ist das kein erbitterter Eifer; es ist vielmehr ein durch die Liebe erwärmter Glauben.

 

Die Standespflicht

Die Gläubigen müssen ihre Standespflichten im Leben erfüllen. Den Glauben bewahren, einen Glauben, der von der Liebe durchdrungen ist, fest in der Liebe verankert ist. Das wird es ihnen ermöglichen, Entmutigung, erbittertem Eifer und Boshaftigkeit zu entgehen und statt dessen die Freude zu erfahren, die christliche Freude, die in dem Wissen besteht, dass Gott uns so sehr liebt, dass er bereit ist, mit uns zu leben, in uns zu leben durch die Gnade.

Das erhellt alles, was geschieht und schenkt Freude, die uns die Probleme vergessen lässt und verhindert, dass diese übermäßig an Bedeutung gewinnen - Probleme die durchaus gravierend sein können. Aber was sind sie im Vergleich zum Himmel, den man durch genau diese Prüfungen gewinnt? Diese Prüfungen sind von Gott bereitet - arrangiert -, nicht um uns zu Fall zu bringen, sondern um uns siegen zu lassen. Gott geht sogar soweit, dass er in uns lebt, wie der Heilige Paulus sagt: „So lebe nun nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir!“ Das ist unglaublich schön! Der Christ ist ein Tabernakel der Heiligsten Dreifaltigkeit, ein Tempel Gottes, ein lebendiger Tempel!

 

Die Rolle der Priesterbruderschaft St. Pius X.

Ihr Hauptanliegen besteht wahrlich in dem, was die Kirche am Leben erhält: Die Messe! Das heilige Messopfer ist in der Tat die tägliche reale Anwendung der Verdienste unseres Herrn Jesus Christus, all dessen, was er am Kreuz verdient, erworben hat, was wahrhaftig die Gesamtheit aller Gnaden für alle Menschen ist, von den ersten, Adam und Eva, bis zu jenen am Ende der Welt. Die Messe ist die beständige Fortführung, die Erneuerung, die Wiedergabe dieses Opfers.

Auf dem Altar geschieht ein Opfer, das mit dem des Kreuzes identisch ist und jeden Tag die Verdienste unseres Herrn, seine Genugtuung, seine Wiedergutmachung den Christen zur Verfügung stellt (im einem weiteren Sinn der Menschheit), um Vergebung für all die Sünden, dieses Meer an tagtäglich begangenen Sünden, und auch die für uns notwendigen Gnaden zu erwirken. Die Messe ist förmlich die Pumpe, welche die am Kreuz verdienten Gnaden über den ganzen mystischen Leib verteilt. Deshalb kann man sagen, dass sie das Herz ist, welches über das Blut alles, was die Zellen brauchen, verteilt. Darum geht es bei der Messe: Sie ist das Herz! Indem wir für dieses Herz Sorge tragen, tragen wir Sorge für das gesamte Leben der Kirche.

 

Die Erneuerung der Kirche durch die Messe

Wenn wir einen Wiederaufbau der Kirche wollen, und das wollen wir ganz gewiss, müssen wir diese Richtung einschlagen. Zur Quelle, und die Quelle ist die Messe. Nicht nur irgendeine Liturgie, sondern was ich meine, ist vielmehr eine in höchstem Maße heilige Liturgie. Eine, die in unvorstellbarem Maße heilig ist. Eine, die über eine einzigartige, vom Heiligen Geist über die Jahrhunderte geformte Heiligkeit verfügt, die von den heiligen Päpsten selbst kunstvoll zusammengesetzt wurde und deswegen eine außerordentliche Tiefe besitzt.

Die neue Messe lässt sich in keiner Weise mit dieser Messe vergleichen. Das sind wirklich zwei verschiedene Welten und ich würde sogar sagen, dass Christen, die auch nur im Geringsten auf die Gnade reagieren, das sehr schnell feststellen. Sehr schnell. Leider beobachten wir heute, dass viele Menschen das nicht einmal mehr verstehen! Aber für mich ist ganz klar, dass die Erneuerung der Kirche hier ihren Anfang nehmen muss. Das ist der Grund, warum ich Papst Benedikt XVI. zu großem Dank verpflichtet bin, weil er die Messe wiedereingesetzt hat. Das war von entscheidender Bedeutung. Es ist von entscheidender Bedeutung.

 

Priesterausbildung

Die Priesterbruderschaft setzt sich für die Messe ein, will diese Messe und unterstützt den, der sie liest, und das kann allein der Priester, sonst niemand. Daher ist das der zentrale Zweck der Priesterbruderschaft: Das Priestertum, der Priester, Priester auszubilden, Priestern zu helfen, ohne jede Einschränkung, niemand wird davon ausgeschlossen, nein! Es ist der Priester, wie ihn unser Herr bestimmt hat. Indem wir ihm genau die Schätze in Erinnerung bringen, die viele heute missachten. Es ist eine Tragödie.

 

Die christliche Gesinnung wiederentdecken

Die Messe ist sogar noch wichtiger. Die Messe ist es, die den Glauben vermitteln wird; sie wird den Glauben nähren. Wenn jemand die Messe ohne Glauben zelebriert, ist das natürlich ein großes Problem. Es geht also nicht darum, Gegensätze zu erzeugen; es geht darum, das wahrhaft zu vereinen, was vereint gehört. Ich denke jedoch - offen gestanden -, dass wir schon allein mit diesen beiden Elementen über gewaltige Mittel für das Überleben der Kirche verfügen.

Es ist klar, dass die Kirche auf verschiedenen Ebenen angegriffen wurde; ich bin aber überzeugt, dass das schwerwiegendste Problem dennoch der Verlust der christlichen Gesinnung bleibt. Die Christen haben versucht, wie die Welt zu werden. So hieß es die ganze Zeit, dass die Absicht des Konzils darin lag, sich der modernen Welt anzupassen. Also, nein - das geht nicht! Wir leben in dieser Welt, deswegen müssen wir uns vieler ihrer Dinge bedienen, die doch ihrer zeitlichen Bedingtheit entsprechend vorübergehen.

Das bleibende Fundament aber ist, dass wir Gott anhängen und ihm dienen, was natürlich den Glauben, die Gnade und die christliche Gesinnung einschließt. Wir wollen in den Himmel kommen. Dafür ist es eben notwendig, die Sünde zu meiden und Gutes zu tun - beides. Solange wir uns nicht auf diese wesentlichen Elemente besinnen, wird die Kirche weiterhin von einem - man kann sagen - tödlichen Virus zugrunde gerichtet, welcher der Virus der modernen Welt, um genau zu sein, der modernen Kultur ist.

 

Der Triumph des unbefleckten Herzens Mariens

„Am Ende wird mein unbeflecktes Herz siegen.“ Das ist eine absolute Aussage; in ihr ist nichts bedingt durch ein vorheriges Geschehen. Und das sind wirklich Worte, die Hoffnung hervorrufen und begründen. Sie sind ein Fels. Da dieser Sieg offenbar in Verbindung mit der Weihe (Russlands) steht, wünschen wir natürlich diese Weihe; das ist völlig normal.

Wie lange werden wir noch warten müssen, bis wir den Vollzug der Weihe, wie sie verlangt wurde, erleben können? Oder wird sich der liebe Gott einmal mehr mit weniger zufrieden geben? Wir wissen es nicht. Wir wissen jedoch, dass am Ende dieser Triumph steht. Und deshalb handelt es sich hier um eine Gewissheit. Gemeint ist keine Glaubensgewissheit, da es sich nicht um eine Glaubensfrage handelt.

Es ist ein Versprechen der allerheiligsten Jungfrau. Und was ihre Versprechen wert sind, wissen wir sehr wohl. Alles. Stat! [es steht fest!]