Gedanken zur Ausrufung des Jahres der Barmherzigkeit

Am 11.04.2015 , einen Tag vor dem Barmherzigkeitssonntag, erließ Papst Franziskus eine Bulle in dem er ein Jahr der Barmherzigkeit anordnete. Inhaltlich gleicht diese Bulle eher einer Enzyklika oder einem Lehrschreiben, den einer päpstlichen Rechtsanordnung. Aber sie liest sich recht flüssig und geht fast wie Öl herunter. Aber stimmt dieser erste Eindruck wirklich? Hält das Schreiben einer kritischen Hinterfragung der konkreten Fragen stand ? und was steht (zum Thema) nicht darin, was eigentlich aus unserem Glaubensverständnis gesagt werden müsste?

An wen richtet sich das Schreiben und entspricht es dem, was wir als Norm kennen?

Wie im Text der Enzyklika steht, ist Barmherzigkeit, Misericordia (Latein) oder Eleos (Griechisch) ein Schlüsselwort.

Es eint die großen Weltreligionen. Barmherzigkeit ist der kleinste gemeinsame Nenner der Weltreligionen.

Franziskus beginnt seine Bulle mit den Worten:: „Jesus Christus ist das Antlitz der Barmherzigkeit des Vaters. Das Geheimnis des christlichen Glaubens scheint in diesem Satz auf den Punkt gebracht zu sein. In Jesus von Nazareth ist die Barmherzigkeit des Vaters lebendig und sichtbar geworden und hat ihren Höhepunkt gefunden.“

Zweifels ohne erscheint dieser Satz beim ersten Lesen nicht falsch, aber er ist unvollkommen und sagt nur eine Teilwahrheit und nicht die volle Wahrheit. Denn er erwähnt nicht den Sühnetod Christi als Urquell der Barmherzigkeit. Dafür kann ich nur einen erkennbaren Grund erkennen : der Sühnetod Christi als Quell und Zeichen der Barmherzigkeit des dreieinigen Gottes, ist einmal interreligiös nicht vermittelbar und zudem ein Zeichen, dem widersprochen wird. Es ist für einen Papst unverständlich, dass er zu diesem für unser Verständnis entscheidenden Sachverhalt, dem Sühnetod Christi, in seiner Bulle nichts schreibt und seine Herde in die Irre führt. Die wichtigsten Glaubensinhalte werden so kryptogam. Ich halte dieses für den Schlüssel zu Einordnung der Bulle. Ein weiteres Beispiel für die Verkürzung der Wahrheit.

„Die Barmherzigkeit übersteigt stets das Maß der Sünde, und niemand kann der verzeihenden Liebe Gottes Grenzen setzen.“ Auch hier gilt wieder:

Ja, aber sie setzt die Reue und die Bitte um Vergebung voraus. Jede Sünde setzt die Entscheidung des freien Willens gegen Gottes Gebot voraus.

Die verzeihende Liebe Gottes setzt aber auch voraus, dass der Mensch sich von der falschen Entscheidung seines freien Willens abkehrt und Gott um die Verzeihung bittet.

Auch wird die Barmherzigkeit Gottes als nahezu grenzenlos dargestellt. Es wird nicht gesagt, dass die Barmherzigkeit dort endet, wo der Mensch im Wissen und in Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit weiter sündigt, also bei Sünden wider den Heiligen Geist.

Die von mir befürchtete Zielsetzung der Bulle bzw. des Lehrschreibens erkennen wir aus dem nachfolgenden Zitat:

„Die Barmherzigkeit ist auch über die Grenzen der Kirche hinaus bedeutsam. Sie verbindet uns mit dem Judentum und dem Islam.“

Hier soll der kleinste gemeinsame Nenner der Weltreligionen erarbeitet werden. Das Schlüsselwort ist Barmherzigkeit.

Dies sind einige Gedanken zur päpstlichen Bulle. Sie sollen zeigen, wie verzerrt die Wahrheit heute erscheint.

Mir erscheint es beim Lesen dieser Bulle und anderer Perlen so, als müsse ich die Wahrheit in einem Zerrspiegel betrachten.

Ich bin hier nur auf inhaltliche Ungereimtheiten der Bulle eingegangen. Die äußere Form der Bulle würde zu einer weiteren interessanten Diskussion führen mit den Fragen, wer erlässt die Bulle, an welchen Adressaten wendet sie sich und mit wessen Autorität wurde die Bulle geschrieben. Warum wurde sie nicht am Barmherzigkeitssonntag erlassen, sondern (ohne Not) einen Tag früher?

Gottes Segen

D.F.