Besuche aus einer anderen Welt

Offenbarungen an Fulla Horak

Das Buch entstand in Zusammenarbeit mit dem Neffen von Fulla Horak, dem polnischen Priester Dr. Tomasz Horak, Nowy Swieów. Bischof Twardowski von Lemberg hat 1939 dem Druck des Buches zugestimmt und in einem Presseartikel positiv über die Mystikerin geurteilt. Titel der polnischen Original‑Ausgabe: Heilige Frau

Druckerei Piotr Pyz & Co., Warschau, 1939, Deutsche Übersetzung: Waldemar Piotrowski

4. Auflage 1999 Verlag Claus P. Clausen, Druck: Verlagsdruckerei Josef Kral, 93326 Abensberg

 

Für dich, heilige Herrin

Und du weißt ...

Zu Deiner Ehre, mein geliebter König — aus meiner grenzenlosen Liebe zu Dir und auf deutliche Weisung meiner heiligen Herrin — habe ich mich nun durchgerungen, meine persönlichsten Geheimnisse und Anliegen zu veröffentlichen. Auch weiß ich, daß Deine Gnade, die mir durch meine geliebte Heilige mehrfach übermittelt worden ist, nicht für mich allein bestimmt war, sondern für alle, die voller Sehnsucht sind und Dich nicht finden können, o Jesus! Demütigst bitte ich Dich: Mach, daß dieses Buch, mit großer Überwindung eines menschlichen Herzens erkauft, in den Seelen der Kaltherzigen und Zweifelnden die Flamme wahrer Liebe entzünden möge!

Fulla Horak

 

Vorwort

Die Autorin dieses Buches, das 1939 in Polen erschien, wurde 1909 in Lemberg in Galizien geboren. Die weltoffene Atmosphäre dieser Stadt prägte in besonderer Weise ihren Charakter, und der Einfluß des Elternhauses bereitete sie für ihr späteres Leben vor. Schon in früher Jugend äußerte sich in vielen Dingen ihr ganz besonders ausgeprägter Verstand, mit dem sie alles, was ihr begegnete, kritisch analysierte und prüfte.

Aufgrund dieser Veranlagung verlor sie in früher Jugend für lange Zeit den Glauben. Daß dann jedoch der Glaube neu in ihr entstand und ihr gesamtes bisheriges Denken vollkommen veränderte, läßt sich nur als Geschenk Gottes erklären. In ihrem Buch „Besuche aus einer anderen Welt“ schildert Fulla Horak die wunderbaren Ereignisse, die dazu führten, daß sie zutiefst gläubig wurde.

1944 wurde Fulla Horak infolge ihrer Untergrundarbeit gegen die sowjetische Besatzungsmacht in Polen verhaftet und verbrachte unter härtesten Arbeitsbedingungen über zwölf Jahre ihres Lebens in sibirischen Konzentrationslagern. Daß sie dies alles — und dazu eine schwere Operation ohne Narkose — überlebte, war für sie, wie sie selbst sagt, nur möglich, „weil meine unsichtbaren Freunde immer bei mir waren.“

Nach ihrer Rückkehr aus Sibirien wohnte Fulla Horak bis zu ihrem Tode am 9. März 1994 bei ihrer Schwester in Zakopane, die, obwohl sie selbst fünf Jahre lang in sibirischer Gefangenschaft verbrachte, die Pflege ihrer Schwester übernahm, da diese bis zuletzt schwer leidend blieb. Dessen ungeachtet wurde die kleine Wohnung der zwei Schwestern zunehmend Treffpunkt für Menschen aus allen Schichten der Bevölkerung, die Rat und Hilfe von Fulla Horak erbaten und erhielten. Alle Leiden hatten bei ihr bewirkt, daß sie ganz ungewöhnliche geistige Energien und Kräfte ausstrahlte.

Pfarrer Tomasz Horak

Inhalt

1. Kapitel: Wer in der Finsternis wandelt, weiß nicht, wohin er geht

2. Kapitel: Suchet, so werdet ihr finden

3. Kapitel: Da wurden ihnen die Augen aufgetan

4. Kapitel: Auch ihr sollt bereit sein

5. Kapitel: Und ich habe die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, ihnen gegeben

6. Kapite: Suchet zuerst das Reich Gottes, dann wird euch all dies hinzugegeben werden.

7. Kapitel: Herr, lehre uns beten

1. Kapitel

„Wer in der Finsternis wandelt, weiß nicht, wohin er geht ...“ (Joh 12, 35)

Fragmente aus handschriftlichen Aufzeichnungen und Notizen sowie Auszüge aus Briefen an Mutter Helena vom Orden Sacre Cœur, aus denen hervorgeht, in welchem geistigen Zustand sich Fulla Horak befand, bevor die hl. Magdalena‑Sofia ihr das erste Mal erschien.

***

„Was ist das, Mutter, die Wahrheit? Mein Herz fühlt sich so kalt an, als wäre da in meiner Brust ein Eiskeller, während gleichzeitig ein unersättlicher, brennender Hunger mich innerlich aufreibt. Die anderen sind mir überlegen — alle, denn sie fühlen sich nicht so herrenlos wie ich. Die meisten leben sogar in Frieden, denn sie bleiben verschont von dieser verzehrenden Flamme Sehnsucht, die im Innern frißt.“

***

„Noch nie habe ich es fertiggebracht, mehrere Jahre lang gleich zu bleiben. Ich bin so erschöpft; kaum mache ich die Augen auf, bin ich auf der Suche nach neuen Formen meiner selbst; gezwungen, immer wieder in den nie enden wollenden Kreislauf einzusteigen.

***

Mutter! Ich war doch wie Lehm, warum hast du mich nicht geformt, daß ich jemand bin? Egal ob jung, alt, häßlich oder schön, wenn ich nur wirklich wäre! Ich habe gedacht, Mutter, daß du mich von Enttäuschungen, von Bösem fernhalten und mir Glauben geben würdest.

Mutter! Was ist das, der Glaube? Ein Herz, so übervoll, daß es Lichtstrahlen in die Unendlichkeit aussendet? Ist es das?

Früher dachte ich, daß ich den Menschen Gutes tun werde. So wollte ich beginnen. Ich nahm an, daß, selbst wenn alle meine Auffassungen in Trümmer fallen, ich aus diesen Trümmern noch einen starken Menschen formen kann.

***

Man muß stark sein, um den Schwächeren zu helfen. Die Menschen aber sind schwach. Sie lügen und betrügen. Und doch — auf dem Grund ihres Wesens schlummert eine Erwartung, die vielleicht eines Tages aufwacht, um ihr Ziel zu finden. Die Menschheit befindet sich noch im Chaos, ich glaube aber, daß sie alle Voraussetzungen in sich birgt, um das Königreich Gottes auf Erden zu errichten. Sich danach zu sehnen, sehen, wie es entsteht, ihm entgegengehen, fühlen, wie es von Liebe erstrahlt — das ist Glaube!

„Ich habe keine Zeit mehr, zu warten, denn alles in mir sehnt sich nach Nichtsein. Wer könnte es einem müde gewordenen Menschen übelnehmen, daß er sich schon mittags schlafen legen und nicht erst die Nacht abwarten möchte? Selbst Gott könnte dies nicht tadeln. Meine Seele würde gern irgendein Schlafmittel nehmen und dessen erste barmherzige Wirkung spüren. Denn — wozu überhaupt leben? Wozu bin ich?“

***

 „Das Erbarmen mit allen, das ich nach deinem Willen, Mutter, haben sollte, erscheint mir überflüssig. Was nützt den Menschen das Mitleid, wenn man ihnen doch nicht helfen kann?“

***

„Was erstickt unsere tiefsten Empfindungen, läßt auf den Lippen die Worte gefrieren, entstellt alles, was wir sagen wollen und erlaubt nicht, uns anders als durch Phrasen und mehr oder minder bittere Ironie auszudrücken? Als wollten wir uns an unseren eigenen Gefühlen rächen — für den Schmerz, sie nicht zeigen zu können.

Im Menschen gibt es keine Ganzheit. Er ist fast nie ganz ehrlich, noch ist er ganz falsch. Und immer diese seltsame Angst, jemand könnte seine verborgenen Gefühle erraten. Daß sie so übermächtig sind.“

***

„Ich weiß zur Zeit gar nichts. Nichts — nur schwach gelangt in mein Hirn das Bewußtsein, daß ich so, wie ich bin, nicht existieren kann. Wahnsinniges Verlangen erschlägt in mir jegliche Erkenntnis. Man darf die Ordnung der Dinge nicht bekämpfen. Es ist zwecklos, sich von allem, was außen ist, lossagen zu wollen. Man kann nicht mit sich selbst brechen.“

„Gott — wenn er denn existierte — müßte die Menschen lieben. Hätte er sie sonst erschaffen? Er würde zweifellos nicht existieren, wenn er nicht ein Wesen hätte, das er glücklich machen könnte, und wenn ihm alle Dinge der Welt genauso gleichgültig wären wie mir.

Menschliche Fehltritte, die äußerlich wahrnehmbaren Einzelheiten eines beliebigen Lebens, dieser immer wieder beginnende Kampf mit häufigen und schmerzlichen Niederlagen, der Kampf mit den eigenen Tränen und der Reue, der Kampf mit dem aufrichtigen und ungebändigten Wollen — was bedeutet das alles? Wie bedauernswert ist doch die menschliche Natur!

Ich frage mich, ob du dir vorstellen kannst, Mutter, daß, wenn Gott zu mir käme, ich offen wäre und zuließe, daß ich von ihm ganz erfüllt wäre? Könnte ich ihn spüren, wäre mein Herz erleichtert, die Last, die es erdrückt, würde abfließen, und ich würde unaussprechliche Dinge entdecken. Dieses elende irdische Leben ist niemals zufriedenstellend. Immer ist es Schmerz, Entbehrungsqual, bittere Sehnsucht, verzweifelte Lüge. Dann aber — gäbe es immerwährende Freude, das Wunder der vollkommenen Erfüllung. Um alles zu wissen, alles zu verstehen und um das Leben zu spüren, genügt es mir nicht, mich selbst zu durchleben. Tränen machen das Herz auch nicht wissend.

Ein fühlendes Herz zu haben, ist das Glück? Schließlich, Mutter, was weißt du schon über mein Herz? Mein einziger Freund ist — die Trauer. Ich bin innerlich völlig einsam, und mit diesen Worten schmücke ich diese Einsamkeit nur aus. Verstehst du das, Mutter? Nichts — außer dem Widerhall meines eigenen Rufens ins Leere.“

***

„Früher war ich ganz in die Welt der Musik vertieft. Ich erlebte sie wahrhaft und innig, Musik war meine Nahrung. Mein Herz empfand jedoch eine ganz andere Melodie, die ich nicht hören konnte. Deshalb hat mich auch keine Art von Musik jemals beruhigt. Sie regte mich stets maßlos auf, folterte mich, irgend etwas in mir wand sich in unfaßbaren Schmerzen. Kennst du das, Mutter? Hast du jemals so eine ,andere Melodie' gesucht?“

***

„Der Kopf zerspringt mir vor lauter Gedanken, mein Herz zieht sich zusammen, und mir fehlen die Kräfte. Ideale? Christentum? In der heutigen Zeit, wo der tägliche Hunger zu den gemeinsten Verbrechen treibt, wo Väter ihre eigenen Kinder verkaufen, wo Müttern die Nahrung fehlt — wie könnte man die so verhärteten Herzen rühren, wenn weder Feuer noch Reinheit in ihnen sind? O, wenn ich die Macht hätte etwas zu bewirken — wenigstens für einen Tag! Für diesen Wunsch kann Gott mir doch nicht böse sein.“

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Ich würde gern an Gott glauben. Vielleicht ist Gott — unser Gewissen? Und unser Herz? Und der Instinkt, niemandem Unrecht zu tun, weder einem Menschen, noch einem Tier? Gott — ist vielleicht unser reines Leben?

Wie lächerlich und ohne Ziel ist dieses ewige Suchen — durch alles hindurch und gegen alles. Die fragende, hartnäckige, kraftlose, trotzige Stimme des Menschen ... Was für ein schreckliches Spielzeug hat sich der ausgedacht, der uns erschuf! Warum kommt nichts heran? Geht nichts vorbei? Alles ist! Und über allem dieses brennende Verlangen nach der ungeahnten, und doch spürbaren — Ewigkeit.“

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„Religionen? Gott? Was für seltsame Dinge ... Wie leicht trennen wir uns davon und wie lange suchen wir es dann wieder. Was muß man nicht alles tun, um das Gleichgewicht zu erlangen. Und wofür? Nur um eines Tages aufs neue festzustellen, daß alles Märchen sind ...

Soll so der Glaube aussehen?“

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Manchmal geschieht mit mir etwas Seltsames. Als würde sich ein Vorhang öffnen ... Ich kann es nicht beschreiben, aber ich weiß, daß es wichtig ist. Dann erhebt sich in mir etwas Ewiges — das Zeit hat und schaut. Dieser Blick weiß um die Nichtigkeit meiner ganzen Tage.“

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Der letzte Funke in mir erlischt, und ich bin nicht mehr fähig, ihn neu zu entfachen. Ich greife nach verschiedenen Interessen, kann sie aber nicht halten. Wozu und für wen?“

Wie erreicht man die vollkommene, bedingungslose Liebe? Jede andere nämlich erscheint mir dunkel und begrenzt. Man muß ein Ideal haben. Wenn man keines hat, verliert man an Lebenskraft. Wie kommt man zur Harmonie zwischen dem inneren und dem äußeren Leben?“

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Man kann möglicherweise in einem künstlichen Rausch leben, aber im Augenblick des Erwachens muß man wissen, daß dies ein enormer, törichter Betrug ist. Wenn ich den Sinn des Lebens nicht verstehen kann, sollte ich nicht denken — sondern leben. Ich bin doch nicht die einzige, die sucht. Es gibt keine Wissenschaft, die Antworten bereithält. Der ernste Ton der Gelehrsamkeit sagt gar nichts. Die Wissenschaft ist wichtig und präzise, aber nicht, wenn es um das Leben selbst geht. Diese bedauernswerte großartige Wissenschaft! Ihre absolute Schönheit heißt Mathematik.

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„Ich lese gerade Kant. Er behauptet, daß es unmöglich sei, die Existenz Gottes nachzuweisen. Aber wozu schreibe ich das eigentlich? Was geht mich das an? Ich kann die Welt sowieso nicht ändern. Ich werde ins Kino gehen. In einem guten Film braucht man ganze zwei Stunden lang nicht zu denken.“

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Wie schade, Mutter, daß ich nicht dahinterkommen kann, wie du dein Leben im Kloster verstehst ... Für Gott selbst und nur für ihn? Hältst du gewaltsam am Glauben fest, weil es so besser für die Menschheit, für das Volk und überhaupt ist ...? Welche Rolle spielt Gott im Leben von Menschen wie du? Dein Leben ist entweder edle Einbildung — oder die Wahrheit. Einbildung wenn du stets nach Vollkommenheit strebst, wenn du dich für die gegenwärtigen und zukünftigen Menschen aufopferst und selbst an den Sinn dessen nicht glaubst. Wahrheit — wenn du dasselbe für Gott tust. Es geht mir hier nicht um die Redensart, es geht um alles! Glaubst du wirklich so, Mutter, daß nichts und niemand deine Überzeugung widerlegen könnte, auch nicht für einen Augenblick? Denn wenn du zweifelst, Mutter, wie könnte ich dann glauben?

Für mich ist keine Liebe jemals ausreichend. Ich muß ungeheuer viel lieben. Nach Möglichkeit alles! Wie schade, Mutter, daß du mir nicht den Weg zeigen kannst, der zu allem führt.“

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Es stimmt nicht, daß ich nicht weiß, wonach ich suche! Das Ziel ist klar. Sogar sehr klar. Hell erleuchtet und im Bewußtsein verankert. Leider lockert sich unablässig das Band, das uns miteinander verbindet. Irgend etwas stellt sich mir ständig, bei jedem Schritt, in den Weg. Werde ich niemals dort ankommen?“

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„Ich denke daran, auf eine Insel mit Aussätzigen zu fahren. Das habe ich bisher vor dir geheimgehalten, Mutter. Man wird so leicht einer bloßen Pose beschuldigt. Ich mache mir nicht vor, mutig zu sein oder Mitleid mit diesen Kranken zu haben. An sie denke ich gar nicht. Aber vielleicht finde ich dort, im übergroßen menschlichen Elend, mein Herz wieder.“

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„Die gewöhnliche menschliche Liebe zu zweit erfüllt niemals unsere Bedürfnisse. In so einer Liebe möchte man alles an sich reißen — und sogar noch mehr. Aber das „alles“ gehört uns nicht. Man gibt nicht, was einem nicht gehört. Man darf es auch von niemand anderem fordern. Liebe muß selbstlos sein. Sogar die Liebe zu Gott — wenn sie nur die Belohnung zum Ziel hat — sättigt nicht. Es muß Liebe ohne Berechnung geben. Die Liebe zur Liebe. Eine tiefe, von Herzen kommende Unfähigkeit, anders zu handeln. Denn: Ist es möglich, Hingabe einzuschränken? Aus diesem Grunde weiß ich, daß ich mit Gott nicht anfangen kann ohne die Verpflichtung, ihn kennenzulernen.“

***

„Zdzisia ist gestorben, und ich fühle keinen Schmerz. Ich weine nicht. Auf dem Friedhof ruhen so viele Kinder ... Tut es dir weh, Mutter, daß Christus gelitten hat?“ ... „O Gott! Wie ich dich hasse, daß du nicht da bist!“

2. Kapitel

„Suchet, so werdet ihr finden...“ (Lk 11, 9)

Im selben Jahr wurde ich schwer krank und dachte sogar an die Möglichkeit des Todes. Ich konnte dennoch die Mauer, die mich von Gott trennte, nicht einreißen.

Wieder gesund geworden, hörte ich auf, ständig auf jede Regung in mir zu achten. Ich sah ein, daß so ein Ringen mit sich selbst zu nichts führt und begann, wieder normal am Leben teilzunehmen.

Nach und nach kehrte dann auch meine Begeisterung für das Musikstudium zurück. Tonleitern und Passagen beruhigten meine Nerven. Ich suchte in der Musik nicht mehr das, was sie mir nicht geben konnte, ich empfand sie nun als Wohltat für mein Gehör, weniger für meine Seele.

Ich begann auch, wieder mehr unter Menschen zu gehen. Ich hoffte, mich selbst zwischen den anderen zu verlieren oder mich zumindest zwingen zu können, ihren Alltag mitzuerleben.

Ich bemühte mich redlich, nach außen die Anzeichen von Sorglosigkeit zu zeigen, die ich meistens bei Leuten beobachtete, die „das Leben leicht nehmen“. Ich nahm an, daß, wenn ich mir nur diese äußeren Anzeichen aneigne, der ihnen normalerweise vorausgehende Zustand automatisch in mir entstehen würde. Unzählige Stunden habe ich mit dem Hören von Jazzmusik in Bars und Cafés verbracht! Meine Augen haben unzählige Filme gesehen! Es gab den Strand, es gab Ferienheime, Lokale, Konditoreien, Theater ... Innerlich war ich jedoch weiterhin einsam, und vielleicht hat sich aus diesem Grunde die Beobachtungsgabe besonders stark in mir entwickelt. Darüber hinaus war es leicht für mich, in fremden Seelen herumzuwirtschaften, weil die Menschen sich mir gerne anvertrauten. Mit der Zeit brachte ich es fertig, ein wenig mehr Nachsicht ihnen gegenüber zu empfinden und den Haß, der früher in meinen Blicken und Worten war, in Humor umzuwandeln.

Ich konnte damals auch aus der Nähe beobachten, wie die Menschen die Liebe erleben. Wie sie sich freiwillig eine rosarote Brille aufsetzten und in diesem halbbewußten, künstlichen Rauschzustand verharrten. Es wunderte mich, daß ein Mensch voller Fehler und Eigenarten das Herz und die Gedanken eines anderen so ganz einnehmen kann. Worum ging es ihnen eigentlich? Wozu brauchten sie diese gegenseitige schweigende Abmachung: „Ich belüge dich und du mich ... ?“ Was hatten sie nur davon? Einen kurzen, mehr oder minder starken Glücksrausch, viele Sorgen, viel Qual und immer wieder Enttäuschungen. Ich konnte nicht begreifen, warum sie, aus Erfahrung nicht klug geworden, sich immer wieder darauf einließen und dabei zwangsläufig ihren einzigen Reichtum, das Herz, nach und nach in immer wieder neuen Gefühlen aufreiben mußten.

Ich schaute mich aufmerksam um, ob ich unter ihnen wohl einen finde, der satt ist. Ich fand nur Unbefriedigte und Übersättigte. Ich selbst blieb dabei hungrig, denn nach dieser Kost wollte ich niemals greifen. Allzu deutlich spürte ich, daß es noch eine andere geben muß. Ich wußte nur nicht, wer den Schlüssel zu dem Speicher besitzt, in dem diese wirkliche Nahrung wartet. Die, die auf mich zukamen und sich nach bestem Willen um mich bemühten, besaßen ihn nicht ... ihre Gefühle erschienen mir wie eine Parodie dessen, auf das ich standhaft wartete und das ich nicht einmal vor mir selbst hätte beim Namen nennen können.

Ein Mensch konnte es nicht sein! Ein Mensch, auch wenn er noch so vollkommen ist, stellt im Grunde nicht viel mehr dar als ein anderer.

Der Mensch — als Ideal — existierte für mich nicht. Er war nur ein Geschöpf, also mußte die Macht, die ihn erschaffen hat, größer, vollkommener sein. Mich interessierte nicht die Maschine, sondern ihr Erfinder! Wo war er? Wie konnte er den von ihm geschaffenen Mechanismus ohne Wartung und Aufsicht zurücklassen? Ich lauerte sozusagen auf den Zeitpunkt, an dem er sich neben seinem Werk zeigte. Ich hatte Angst, diesen Moment zu verpassen, und wollte meine Aufmerksamkeit deshalb nicht mit Unwichtigem ablenken. Eines weiß ich genau: Die Gewißheit, mein ganzes Leben lang umsonst gewartet zu haben, hätte ich leichter ertragen können als den Gedanken, daß mir seine Gegenwart entgangen sein könnte.

Aus diesem Grunde wollte ich mich auch niemals an einen Menschen binden. Ich fühlte mich gebunden an etwas, das — obwohl unbekannt, ungenannt und fremd — mich verpflichtete.

Ich konnte nicht verstehen, daß die Menschen so leben können, wie sie leben. Daß sie damit zufrieden sind. Es war doch nicht einer von ihnen wirklich glücklich! Warum, wo sie doch wußten, daß dies nicht die Erfüllung ist, nahmen sie es als Erfüllung?

In dieser Zeit hatte ich Kontakt zu Menschen, die spiritistische Sitzungen veranstalteten. Vergeblich habe ich auf eine Sensation gehofft. Da wackelten die Tische, klopften Namen und Zahlen aus, ab und zu auch ein häßliches Wort ... Das Medium schlief ein, es war lange dunkel, dann spürte irgend jemand irgend etwas, behauptete manchmal, etwas zu sehen ... Ich habe niemals etwas gesehen oder gespürt, außer, daß diese Versuche wie ein Umherirren in einer dunklen Sackgasse waren und zu nichts führten. Also ließ ich die Seancen sein und wunderte mich, daß die Menschen nicht aufhörten, sich etwas davon zu erhoffen.

Dann begann ich Bergwanderungen zu unternehmen. Eine Weile kam es mir vor, als könnte ich in der gewaltigen, bedrohlichen Strenge der Bergwelt endlich Frieden und Ruhe finden, als käme ich einer wunderbaren, geheimnisvollen Wahrheit immer näher und näher.

Als ich dann aber wieder hinabstieg und zu den Menschen kam, verflogen diese Eindrücke schnell wieder. Die Wahrheit war hier auch nirgends zu finden! Es gab Gewohnheiten, Täuschungen, Heuchelei ... Ich lernte junge Menschen kennen, die sonntags eifrig zur Kirche gingen und von denen ich wußte, daß ihr Alltagsleben wohl noch weiter von Gott entfernt war und ihn noch mehr beleidigte als das meine. Es bereitete mir ein bösartiges und schmerzliches Vergnügen, diese Damen in religiöse Gespräche zu ziehen. Wie schwach und empfindlich war der Glaube in ihren freigiebigen, heißen Herzen! Wie leicht ließen sich seine zarten Wurzeln ausheben. Für gewöhnlich kam man ohne gewichtige Argumente aus. Ein überlegenes Lächeln, spöttische Nachsicht, manchmal nur ein Scherz oder ein ironisches Anheben der Brauen — es reichte aus, daß sie sich, erschrocken und beschämt über ihren Mangel an Standhaftigkeit, auf der ganzen Linie zurückzogen. Es tat mir weh und freute mich zugleich. Wenn doch die Leute wenigstens den Mut hätten zu bekennen, daß sie nicht glauben! Was soll dieses unwürdige, ängstliche Getue? Was soll dieses Sichverstecken hinter Äußerlichkeiten und Normen? Vor wem? Für wen?

In dieser Zeit kam in mir der Gedanke an Selbstmord auf, immer häufiger, immer deutlicher, aus der Tiefe meines Wesens. Es war nicht nur Verzweiflung, die mir diesen Ausweg zuflüsterte. Vielmehr war es Überdruß, Widerwille, etwas, das man fast mit Logik bezeichnen könnte. Ich prüfte diese Möglichkeit kühl, sachlich, so wie man als rational denkender Mensch über die Berufswahl nachdenkt. Ich erinnere mich noch, wie ich listige Berechnungen anstellte: Falls „dort“ nur „das Nichts“ ist — würde ich es sowieso nie erfahren. Falls es aber wirklich ein „Alles“ gibt, wäre ich alle meine Zweifel los. Ich wüßte endlich die Wahrheit!

Im Herbst hörte ich, wie jemand von dem Wunder in Tschenstochau erzählte. Damals sagte ich mir: Wenn die Menschen von diesem Bild Gnade empfangen und diese sich segensreich auf ihre Gesundheit oder materielle Dinge auswirkt, warum sollte ich nicht versuchen, dort um Licht für meine Seele zu bitten? Obwohl ich nicht gläubig war, entschloß ich mich, alle nur möglichen empfohlenen Mittel auszuschöpfen, damit ich mir später nichts vorzuwerfen hatte und um mir selbst den Beweis für meinen guten Willen zu erbringen.

Die Fanfaren bei der Enthüllung des Bildes, die betende Menge, das schwarze Gesicht über dem Altar — all das machte auf mich nicht den geringsten Eindruck. Die Bekenntnisse erschienen mir wie geschmacklose Reklamesprüche und der von der Kanzel mahnende Priester heuchlerisch. Ich war entsetzt über das absolute Fehlen jeglicher Gemütsregung in mir.

Und da stellte ich der Mutter Gottes ein Ultimatum — kühl, sachlich und klar: Wenn ich in den nächsten drei Monaten — einfach so, ohne Wunder, ohne Erschütterungen, ohne daß irgendwas Ungewöhnliches geschehen sollte, den Glauben und die innere Gewißheit erlangte, daß Gott existiert — wollte ich geloben, dem Himmel bis an mein Lebensende zu dienen. Gleichzeitig beschloß ich, diese drei Monate lang täglich das Gebet zu sprechen: „Gedenke, o gütigste Jungfrau Maria ...“ und alles zu tun, was den Vorschriften der katholischen Kirche entspricht.

In Lemberg ging ich dann zur Beichte mit demselben guten Willen, wenn auch ohne Glauben, und schilderte dem Priester wahrheitsgetreu meine inneren Konflikte. Ungeachtet dessen erlaubte er mir, die hl. Kommunion zu empfangen.

Nach drei Monaten, in denen ich alle Bedingungen dieses einseitigen Vertrages eingehalten hatte, veränderte sich jedoch nichts. Ich stand weiterhin vor einer Leere und war beladen mit Fragen und Problemen. Entmutigt versuchte ich nicht einmal mehr, sie zu formulieren. Wozu? Wenn sich doch sowieso niemand um eine Antwort scherte.

Aus der Zeit dieses Versuchs von Jasna Gora ist mir nur das vom Beichtvater empfohlene kurze Gebet geblieben, das ich täglich halb bewußt wiederholte: „Gott! Wenn es dich gibt, schenke mir Licht!“

3. Kapitel

„Da wurden ihnen die Augen aufgetan“ (Lk 24, 31)

10. August 1935. Sechs Uhr nachmittags. Im großen Salon sitzen einige zufällig versammelte Personen und trinken Kaffee. Die Gespräche drehen sich um allgemeine, hier und da auch um persönliche Themen. Eine der Damen erzählt vom glücklichen Ausgang irgendeiner wichtigen Angelegenheit und sagt abschließend:

„Das verdanke ich alles der Mutter Gottes von Tschenstochau. Ich habe sie inständig und voller Vertrauen um Hilfe gebeten, und sie hat mich nicht im Stich gelassen.“ Ich hatte meine eigenen Erfahrungen noch in lebhafter Erinnerung und unterbrach sie heftig:

„Was macht sie so sicher, daß gerade s i e Ihnen geholfen hat? Offensichtlich sollte es so kommen. Woher wissen Sie, ob das alles nicht auch ohne ihr Gebet geschehen wäre? Ich verstehe nicht, wie man vom Himmel Segen wie Manna erwarten kann, wenn man zu einem Bild betet! Ich glaube gar nicht an die Existenz einer Mutter Gottes!“

Daraufhin entwickelte sich eine unerwartet lebhafte Diskussion über religiöse Themen. Mit einer Sicherheit, die keinen Widerspruch duldete, verkündete ich mein gottloses Credo und attackierte besonders das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis.

Je mehr ich redete, um so sicherer wurde ich mir meiner selbst und meiner Überzeugung. Gleichzeitig jedoch verspürte ich — durch den ganzen Stolz auf meine intellektuelle Überlegenheit hindurch, die es mir ermöglichte, die schüchternen Argumente der anderen so leicht und vernichtend zu schlagen, eine wachsende Verachtung für den Wankelmut ihrer Auffassungen, für den Mangel an Eifer, den sie bei ihrer Argumentation an den Tag legten, für die fade Halbherzigkeit eines solchen Glaubens.

Die einzige Person, die sich nicht an der Diskussion beteiligte, war eben diese Dame, die von der unlängst erfahrenen Gnade erzählt hatte.

Erst als ich schon völlig sicher war, daß ich alle überzeugt hätte und dieses Thema erschöpft sei, hörte ich überrascht ihre Worte voller Mitgefühl und Güte: „Gott! Wie unglücklich müssen sie sein, daß sie nicht glauben!“

Tief getroffen von dem Mitleid in ihrer Stimme und zugleich überrascht von der unerwarteten Wendung des Gesprächs, fragte ich gereizt: „Und sie glauben? — „Ich glaube!“, antwortete sie freudig.

Zum ersten Mal in meinem Leben hörte ich jemanden diese Worte so kraftvoll, mit solcher Ergriffenheit und Leidenschaft aussprechen. Seit Jahren wünschte ich mir sehnlich, sie so aussprechen zu können. Erregt durch das vorangegangene Gespräch und nun noch bis ins Mark erschüttert, konnte ich mich nicht mehr beherrschen: Ich brach in Tränen aus — plötzlich, heftig. Weinen erfaßte meinen ganzen Körper. Jeder Nerv, jedes kleinste Teilchen meines Wesens wurde von einer Wehmut geschüttelt, die ich nicht verstand. Die Ursache für diesen Ausbruch ging darin verloren, so wie alles um mich herum, nur dieses hemmungslose, herzzerreißende Weinen blieb.

Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat. Durch die Benommenheit, durch das rauschende Hämmern des Blutes in meinen Ohren drangen schließlich einige unzusammenhängende Worte in mein Bewußtsein, über irgendein Licht über mir. Danach hörte ich, daß alle davon sprachen; von einem Licht, das über meinem Kopf erschienen sei. Überzeugt, daß sie mich mit diesem kindlichen Scherz nur zur Besinnung bringen wollten und zugleich beschämt über die Schwäche, der ich mich in ihrer Gegenwart hingegeben hatte, sprang ich vom Sofa auf, um ins Nebenzimmer zu flüchten. Als ich durch den Salon lief, hörte ich noch die erstaunten Rufe der anderen, daß sich dieses Licht mit mir vorwärtsbewege und mit mir hinausgehe. Dann machte ich die Tür hinter mir zu.

Auf einem Sofa liegend, bemühte ich mich um Fassung. Vor allem wollte ich so schnell wie möglich dieses Haus verlassen, in dem ich mich so blamiert hatte. Nie hatte mich jemand bis dahin auch nicht in den schwersten Stunden weinen gesehen. Ich war jedoch nicht imstande, mich zu regen.

Ich fühlte, wie ein starker, heißer Strom durch meinen ganzen Körper hindurchströmte, Wellen von irgend etwas überwältigend Süßem, etwas, das zwar in mir entstand, aber von außerhalb stammte und mir fremd war, wie aufgezwungen. In dem Maße, in dem sich die Wärme in mir ausbreitete, erfaßten mich Frieden und Ruhe. Ein wunderbarer, tiefer Friede. Ich spürte nach dem heftigen Weinen, nach dieser Erschütterung, nach dieser Aufregung keinerlei Erschöpfung. Als ob ich mir das, was vorher geschehen war, nur eingebildet hätte, und die Wirklichkeit einzig und allein darin bestand, daß ich mich nun ruhig und behaglich fühlte.

Ich ging hinaus, ohne mich von jemandem zu verabschieden. Den ganzen Weg hindurch spürte ich in mir diese fremde, durchdringende Kraft und dieses Glücksgefühl; nach außen jedoch war ich inzwischen völlig beherrscht. Zu Hause merkte niemand etwas von der inneren Erschütterung, die ich gerade durchlebt hatte.

Damals ist mir überhaupt erst deutlich bewußt geworden, wie sehr jeder einzelne Mensch sein Leben allein für sich lebt. Wie wenig die anderen von ihm wissen. Und wie gut es ist, daß man seine Erlebnisse so ausschließlich für sich allein behalten kann.

Als ich dann nach zehn Uhr beim Schlafengehen mein gewohntes Gebet sprach: „Gott! Wenn es dich gibt, schenke mir Licht!“, mußte ich wieder weinen. Da ich diese Gemütsbewegung nicht verstehen konnte, sah ich in ihr ein Zeichen dafür, daß sich meine Nerven in einem sehr schlechten Zustand befinden müßten und dies bestimmt der Anfang von Hysterie sei. Da wurde ich erneut von jener seltsamen Woge überströmt, die so deutlich von außen kam und fremd war, daß mir der Gedanke an eine Heilbehandlung mit Elektroschocks kam.

Gleichzeitig fühlte ich, daß hinter mir jemand war. Ich sah mich um und erblickte auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers, nicht weit vom Fenster, eine Gestalt. Durch die ununterbrochen über mein Gesicht fließenden Tränen konnte ich sie nicht genau erkennen. Ich hätte sie auch nicht mit Worten beschreiben können. Ich wußte nur, daß sie da war.

Ich war weder überrascht noch erschrocken. Es war mir nur, als ob dieser starke Strom mich erhebt und ich im nächsten Augenblick aufhören würde zu existieren. Ich weiß nicht, wie lange das gedauert hat. Ich weiß auch nicht mehr, was danach geschah. Ich konnte nicht anders als einschlafen.

Als ich am nächsten Morgen meine Augen öffnete, war ich mir absolut sicher, daß das, woran ich mich erinnerte, kein Traum und auch keine Einbildung gewesen sein kann. Ich glaubte, daß mir eine Seele erschienen ist, um mir den Beweis für ein Leben nach dem Tod zu erbringen und um mich um ein Gebet zu bitten. Zur gleichen Zeit bemerkte ich in mir einen unanfechtbaren — und ich weiß nicht, wann entstandenen — Glauben an ein zukünftiges Leben. Nichts konnte diese innere Gewißheit mehr ins Wanken bringen. Ich wußte!

Die nächsten drei Tage betete ich deshalb ununterbrochen für diese Seele. Da ich nicht mehr an das Beten gewöhnt war, erinnerte ich mich nur noch an „Vater unser“, „Herr, gib ihr die ewige Ruhe“ und „Gedenke, o gütigste Jungfrau Maria“, und diese drei Gebete betete ich ständig im Wechsel.

Am Dienstag abend, als ich wieder zum Gebet niederkniete, erfaßte mich erneut dieses mir schon bekannte Gefühl von Glück und Getragenwerden, und da erblickte ich, dieses Mal nicht mehr durch Tränen hindurch, sondern deutlich und leibhaftig, eine Nonne in der Tracht des Ordens Sacre Cœur; jung und sehr schön, sie lächelte mich sanft an. Um sie herum sah ich weder ein Licht noch irgend etwas, das auch nur im geringsten ungewöhnlich gewesen wäre, und doch fühlte ich mich ganz und auf wohltuende Weise durchstrahlt von einer Helligkeit, die von ihr ausging.

Ich kannte sie nicht. Trotzdem erschien sie mir nicht fremd. Ich wagte nicht, mich zu rühren oder einen Laut von mir zu geben, obwohl ich nicht erschrocken war. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, mich gewundert zu haben.

„Ich grüße dich!“, fing sie als erste zu sprechen an, „Du sollst das Kloster aufsuchen. Dort bin ich ständig unter euch. Komm zu Besuch ins Kloster“, sagte sie mit Nachdruck. „Am Samstag komme ich wieder. Lebe wohl ...“ Bevor sie wieder verschwand, fragte ich schnell, ich weiß bis heute nicht, warum, ob sie die Mutter Oberin aus dem Kloster Sacre Cœur in Lemberg kenne. Die fremde Nonne lächelte bedeutungsvoll und erwiderte: „Ich kenne sie alle. Lebe wohl...“ Wie und wann sie ging, konnte ich nicht erkennen. Ich wußte nur, daß sie vorher da war und dann nicht mehr.

17.08.1935

Am Samstagabend erschien sie mir erneut. Sie sagte: „Sei gegrüßt! Du gehörst zu uns, deshalb möchte ich dir sagen, daß du wichtige Aufgaben zu erfüllen hast.“

„Ich kann nicht! Ich bin zu nichts fähig ich schaffe es nicht!“

„Wir werden dir helfen. Gott hat dir die überaus wertvolle Gabe des Verstandes gegeben.“

„Aber was soll ich denn tun? Und wie?“

„Du wirst fühlen, was du tun sollst. Du mußt Taten vollbringen, und andere werden dir in allem helfen.“

„Aber ich habe doch so viele Sünden begangen?“

„Beruhige dich. Ich und ein bestimmter belgischer Staatsmann sind bei dir und betreuen dich. Gott hat dir erlaubt, dich zu freuen. Jetzt gehe ich, mein liebes Kind ... Mein liebes Kind“, wiederholte sie mit Sanftmut, „ich komme erst am ersten Samstag im Oktober wieder.“

Als ich hörte, daß ich sie erst in sechs Wochen wiedersehen sollte, fing ich an zu weinen. Die Nonne blieb noch eine Weile neben mir stehen, und dann, so wie beim ersten Mal, ging sie nicht, sondern hörte einfach auf da zu sein.

Bis heute kann ich nicht verstehen, wie es möglich ist, daß ein Mensch, der so nüchtern, kühl und vorsichtig ist wie ich, ein fremdes, unbekanntes Wesen vom ersten Augenblick an so liebgewinnen und ihm blind vertrauen kann, nur weil es diese einfachen Worte „mein liebes Kind“ zu mir sagte. Ich analysierte überhaupt nicht mehr! Von ganzem Herzen liebte ich diese Stimme, dieses Lächeln, diese gütigen dunklen Augen, und der Gedanke, sie so lange nicht wiederzusehen, ließ neue Tränen über mein Gesicht fließen.

Von diesem Tage an änderte sich mein Verhältnis zur Welt radikal. All das, was mir vorher schwierig und problematisch erschien, was mich ärgerte oder schmerzte — es hörte auf wichtig zu sein! Ich hatte jetzt etwas, worauf ich warten konnte, hatte mein großes, wunderbares Geheimnis; ich wußte, wofür ich lebte — wenigstens bis zum fünften Oktober!

Der erste Mensch, dem ich von diesen Ereignissen erzählte, war meine Freundin Bucia. Sie freute sich mit mir und für mich, äußerte aber keinerlei Vermutungen in Bezug auf die Person meiner Nonne. Erst als ich später Mutter Helena von Sacre Cœur — an die ich all die vorher beigefügten Briefe geschrieben hatte — von dem, was mir geschah, erzählte, rief diese aus: „Das kann nur unsere heilige Mutter sein, und der belgische Staatsmann — es ist Kardinal Mercier!“

Da ich so gut wie nichts über die heilige Stifterin des Klosters Sacre Cœur wußte, gab mir Mutter Helena ein kleines Bild von ihr und ein Buch mit dem Titel „Das innere Leben der hl. Magdalena‑Sofia Barat“. Ich konnte mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, daß dieses Bildnis mit den strengen, harten Gesichtszügen meine schöne Nonne darstellen sollte. Mutter Helena irrte sich bestimmt. Die, die ich kannte, konnte demnach nicht die hl. Magdalena‑Sofia sein. Zwischen ihr und dem Bildchen gab es nicht die geringste Ähnlichkeit.

Um Gewißheit zu haben, mußte ich bis Oktober warten. Ich war überglücklich, als dieser Tag endlich herankam. Da bei mir zu Hause ständig irgend jemand in mein Zimmer hereinplatzte, mußte ich Bucias Gastfreundschaft in Anspruch nehmen. Bucia war sowieso die meiste Zeit außer Haus, bei ihr konnte ich allein sein und mich konzentrieren, und ich wartete.

„Sei gegrüßt“, sagte meine Nonne und stand plötzlich neben mir. „Ich bin gekommen, weil ich dir nahelegen möchte, dich dem „Heiligsten Herzen des Herrn Jesus“ zuzuwenden. Lies in dem Buch „Das innere Leben der heiligen Magdalena‑Sofia“ ab Seite 118 vier Blätter und ab Seite 145 sieben Blätter. Daraus lernst du die Liebe zum Kreuz und von dort bekommst du die Gaben des Hl. Geistes. Schlag das Buch gleich auf und sieh nach.“

Ich hatte das Buch bei mir und schlug die genannten Seiten auf. So sehr ich den Worten meiner Nonne auch absoluten Glauben schenkte, so sehr war ich doch verwundert, als ich das, was sie mir gerade gesagt hatte, auf diesen Seiten las.

„Bist du die heilige Magdalena‑Sofia?“, fragte ich. Wie amüsiert durch meine vermeintliche Neugier, lachte sie bestätigend.

Wer dieses Lächeln nie gesehen hat, kann sich nicht vorstellen, wie bezaubernd es war.

„Warum haben die im Kloster bloß so häßliche Bilder!“, rief ich aus. „Ich habe es schon lange gekannt und mochte es nie. Heilige Mutter, ich konnte mich bis jetzt nicht überwinden, deinen Lebenslauf zu lesen, so sehr hat mich dein Abbild abgeschreckt.“

Du wirst mich einmal ähnlicher malen und ein Buch über mich schreiben. Ich werde dir dabei helfen.“

„Ich und über eine Heilige schreiben? Und meine Sünden?“

„Hab' keine Angst. Gott vergibt dir deine Sünden. Bitte Herrn Jesus um Verzeihung, sobald du spürst, daß du dazu bereit bist.“

„Wie soll ich ihn um Verzeihung bitten?“

„Durch eine Beichte“

Ich hätte beinahe abgelehnt, wenn ich sie nur nicht so geliebt hätte. Aber ich wollte ihr nicht weh tun und schwieg.

„Du bist stark, Fulla. Ich werde immer bei dir sein, und du verhalte dich stets so, als würdest du mich sehen. Gott hat dich auserwählt, mein liebes Kind. Deine Aufgabe kommt dir vielleicht zunächst schwierig vor; du sollst andere für die Liebe zum Herzen Jesu fähig machen.“

„Ich habe Angst, heilige Mutter, daß ich das vielleicht nicht schaffe.“ „Du brauchst keine Angst zu haben, ich bin stets mit dir. In zwei Sonntagen komme ich wieder. Ich fühle mich wohl bei dir. Gute Nacht, ich drücke dich an mein Herz.“

Ich wußte, daß meine geliebte Heilige mich nun verläßt, wie jedesmal, und fing an zu weinen.

20.10.1935

„Friede sei mit dir“, sagte sie zu mir, „warum bist du so traurig?“ „Weil ich immer deutlicher mein ganzes Elend sehe.“

„Du hast schon große Fortschritte im Guten gemacht. Und nun höre zu, Fulla: Vor längerer Zeit starb in Lemberg Pater Adam, ein Dominikaner. Wenn du einmal aufmerksam und inständig eine hl. Messe in seinem Sinne mitfeiern würdest, wäre er von den Qualen des Fegefeuers erlöst, die er gerade durchleidet. Nachher könnte er dir geistig sehr helfen. Machst du es?“ — „Ja, das mache ich.“

„Pater Adam hat viele Fehler gemacht, aber weil er sein ganzes Leben lang als Mönch die Mutter Gottes verehrt hat und jeden Samstag ein Licht vor ihrem Bild anzündete, wurde er, während seine Seele im Fegefeuer dunkle Qualen durchlebte, belohnt. Als in der Welt gerade ein Samstag war, erhellte ihm die Mutter Gottes diese bedrückende Dunkelheit, so wie er es damals mit seinem Licht samstags getan hat. Ich möchte dir heute das Wesen der Liebe erklären.“

„Du bist meine Liebe!“

„Wann wirst du den lieben Herrn Jesus in dein Herz einladen?“

„Ich kenne den Herrn Jesus nicht und liebe ihn nicht. Ich liebe dich.“ „Du wirst ihn lieben.“ Ich brach in Tränen aus.

„Ich will außer dir niemanden lieben“, wiederholte ich weinend.

„Weine nicht. Die Quelle der Liebe befindet sich im Herzen, nicht im Kopf. Das betrifft unsere Mitmenschen. Denke nachher darüber nach. Weine nicht. Hole Papier und Bleistift. Mach' kein Licht. Schreibe.“ Da ich mich nicht beherrschen konnte, sagte sie: „Beruhige dich und komm her zu mir. Nicht von dieser Seite. Setz dich näher zu mir. Beruhige dich.“

Ich setzte mich mit einem Heft auf den Knien, und plötzlich begann der Bleistift sich von selbst auf dem Papier zu bewegen. Ich hielt ihn nur fest. Ich wußte nicht, was er schrieb, weil ich kein Diktat hörte. „Mach' Licht und lies es dir durch. Morgen mittag komme ich zu dir. Jetzt gehe ich, mein liebes Kind. Lebe wohl.“

In dem Heft las ich: „Achte auf deine Gesundheit. Halte dich nicht immer zu lange in der Kirche auf. Sei herzlich zu den Guten, und habe für alle ein mildes Wort.“

Als sie weg war, schrieb ich Wort für Wort unser ganzes Gespräch auf. Damit mir nichts verlorenging, tat ich es im übrigen dann jedesmal. Am Montag ging ich in die Kirche der Dominikaner und betete so inständig und so gut wie ich nur konnte, als ob ich all die verlorenen Jahre im Gebet nachholen wollte; die ganze Messe hindurch auf den Knien.

Ich tat es weder aus Liebe zu Gott noch aus Pflicht, nicht einmal für meine geliebte Heilige — einzig und allein aus dem leidenschaftlichen Glauben heraus, daß ich diesen Dienst der seit langem leidenden Seele des Pater Adam erweise. Wenn mir nicht die Warnung eingefallen wäre, nicht zu lange in der Kirche zu verweilen, wäre ich dort bis zum Nachmittag geblieben.

Heute Mittag sollte meine Heilige zu mir kommen. Damals sah ich sie zum ersten Mal bei Tageslicht. Sie trug ausnahmsweise keine Tracht, nur weiße Schleier. Sie ist nicht sehr groß und geht mir bis zu den Augenbrauen. Sie sieht sehr gut aus und hat wunderschöne Augen. Sie sind nicht braun und nicht schwarz, sondern in einem sehr dunklen stahlgrauen Ton.

„Ich will deiner Seele Frieden und Ruhe einflößen. Liebe mich immer genauso. Ich bin ein Geschöpf Gottes. Zu allererst und am höchsten achte Gott, seinen Sohn und seine gebenedeite Mutter. Es tut gut, mit Gott zu leben und alle Sorgen an ihn abzugeben. Ich möchte dir bei der Vorbereitung auf die Beichte helfen. Fühlst du in deiner Seele, daß du ein Geschöpf Gottes mehr liebst als Gott?“

„Ja. Ich liebe dich mehr als Gott!“

„Das ist Sünde. Sobald es dir bewußt ist, darfst du absolut nicht mehr auf diesem Weg weitergehen und Ketzerei verbreiten.

Jeder heilige Tag muß durch eine hl. Messe und gute Taten geheiligt werden.

Hab Achtung vor den Sorgen, die sich deine Eltern um dich machen. Du darfst gute Regungen weder in deiner Seele noch in der Seele eines anderen zerschlagen.

Vermeide Unkeuschheit, sei es in Gedanken, Worten oder Taten. Benachteilige die Armen nicht.

Rede nicht schlecht über andere Menschen. Laß dich nicht von Begierden beherrschen. Faste jeden Freitag und an anderen Fasttagen für unseren Herrn Jesus.

Büße damit für alle Sünden, die du begangenen hast, um in schweren Zeiten nicht klagen zu müssen. Bekenne, was in deiner Seele unwürdig ist. Ich helfe dir.

Nach der ersten Beichte und hl. Kommunion gehe einen Monat lang nicht zu den hl. Sakramenten. Das gilt als Buße für die zu Unrecht empfangene hl. Kommunion in Zeiten des Unglaubens. Ich liebe dich und weiß, daß du mich liebst. Du bist empfindlich und kannst nicht so lange — besonders nicht im Winter — in der Kirche knien. Im November mußt du aufpassen, daß du dich nicht erkältest.

Fulla! Sei nur bloß nicht traurig. Ich komme den ganzen November nicht, erst wieder am 8. Dezember. Dann werde ich genauso wieder vor dir stehen. Diese Woche, bevor du zur Beichte gehst, werde ich noch einmal mit dir sprechen.“

Nach diesen Worten sah ich um meinen Kopf herum einen heiligen Lichtkreis und ihre weißen Hände berührten mich.

„Sei nicht traurig, Fulla. Im Schein der Liebe unseres Herrn Jesus ist es hell, behaglich, freudig und heiter. Du wirst sehen, es wird dir gefallen, Fulla. Sorge dich um nichts. Alle guten Gedanken wird dir unser Herr Jesus eingeben, wenn du ihn einen Monat lang nicht verlierst. Er sagt dir alles.

Fulla, sei nicht zu stolz. Wenn man in der Welt lebt, muß man mit der Welt leben. Wenn du vollkommen selbständig sein willst, mußt du dich oft mit Schwierigkeiten herumschlagen und gegen sie ankämpfen; du mußt dich um alles selbst sorgen. Schließe dich anderen Menschen an. Schade, daß du so wenig spielst. Gott mag Musik, Lieder gefallen ihm.“

„Ich möchte ein Lied über dich schreiben.

„Du wirst ein geistliches Lied schreiben. Ich helfe dir, aber ich kann das nicht für dich tun. Gott hat andere Pläne. Du wirst ein Lied mit einem zweifachen Gebet schreiben, und es wird Gott doppelt gefallen. Ein Lied ist doppelt so viel wert wie ein Gebet ohne Melodie. Schau dir deine Seele an, Fulla. Siehst du?“

Ich spürte meine Seele, sie war erfüllt mit göttlichen Gaben, und ich sah, daß jede Gabe von der Gnade Gottes und meinem guten Willen abhängig ist und bis ins Unendliche vermehrt werden kann.

Jeder Mensch soll eine Aufgabe erfüllen. Du spürst, daß Gott dir Talent gegeben hat. Aus Dankbarkeit mußt du ihm die Früchte dieses Talents zeigen. Du wirst mein Bild malen, aber noch nicht jetzt. Wenn du in Gesellschaft von Jugendlichen und Kindern bist, erzähle ihnen von mir. Ich liebe die Jugend und werde sie anhören. Ich bin aufgrund meiner eigenen Verdienste hergekommen und bringe dir bei, mit Gott zu sprechen. Unser Herr Jesus wird sich freuen, wenn er in deiner Seele wohnen kann. Sei beherrscht in deiner Rede. Ich komme diese Woche noch einmal wieder und dann erst im Dezember.“

Meine Heilige küßte mich. Ich habe es ganz normal gespürt, so wie man den Kuß eines Lebewesens spürt.

Samstag, 26.10.1935

„Ich grüße dich“, sagte meine Heilige strahlend und mit einem freudigen Lächeln. „Du bist gut vorbereitet. Alles ist gut.“

„Verzeih' mir, meine heilige Mutter, wenn ich dich seit dem letzten Mal durch irgend etwas traurig gestimmt haben sollte.“

„Nein. Du hast mir viel Freude bereitet. Und jetzt hör' zu: Deine Mutter grämt sich über dich. Wenn du kannst und magst — du mußt aber nicht — sag ihr, daß du zur Beichte gehst und sie um Verzeihung bittest. Es geht nicht um großartige Entschuldigungen, sondern um einen Akt der Demut, darum, sich zu überwinden.“

„Gut, heilige Mutter.“

„Ich bin gerührt, aber denke daran, du mußt nicht. Hör' mir zu, Kleines. Der heiligsten Jungfrau Maria gebühren große Hochachtung und Liebe. Ich weiß, daß du sie noch nicht lieben kannst, aber sie wird dir dieses Verständnis eingeben. Sie besitzt die höchste Tugend. Kein anderer Heiliger war so tugendhaft. Darüber hinaus ist das der Gipfel der Weisheit, mit dem Willen Gottes einverstanden zu sein, von der Kindheit an bis zum Tod. Die heiligste Jungfrau Maria war ganz rein, leuchtend und weiß. Sie hat Gutes getan. Sie wollte nicht mit ihrem Verstand ergründen und nahm von Gott alles an, so wie man Blumen annimmt — ohne Bedenken — und deshalb ist sie besonders heilig. Fulla! Ich werde immer bei dir sein, werde dich niemals verlassen. Deshalb sollst du viel Ruhe in deinem Herzen und in deiner Seele haben. Liebe getrost Gott und alles, was man lieben soll. Gott lieben muß man auch durch Arbeit, nicht nur in der Kirche. Man muß ihn überall spüren. Ich weiß, daß du das nicht kannst. Gib deine ganze Mühsal an Gott ab. Das ist das vollkommenste Gebet.“

„Heilige Mutter, warum leuchten deine Hände?“, fragte ich, als ich plötzlich deutlich sah, daß ihre Hände hell durchstrahlt waren.

„Weil sie Gutes getan haben und heilig sind. Ich habe bewirkt, Fulla, daß du unseren Herrn Jesus die ganze Zeit bei dir haben wirst, bis ich wiederkomme. Er ist jetzt schon bei dir und bleibt in dir. Achte auf deine Gesundheit. Du vergißt täglich für einige Stunden, daß du auf der Welt lebst. Halte dich nicht so lange in der Kirche auf. Man kann Gott nie zu sehr lieben, man muß ihn jedoch überall lieben.“

„Das ist doch meine einzige Freude, wenn ich dich nicht sehe — die Kirche!“

„Von Zeit zu Zeit muß man sich diese göttlichen Annehmlichkeiten versagen, um gewöhnliche Dinge zu tun. Ich freue mich, daß du meine Ratschläge dankbar annimmst. Weine nicht. Ich werde dich morgen segnen, und ich segne dich jetzt.“ Ich kniete nieder, und meine Heilige legte ihre beiden Hände auf meinen Kopf. Ich verspürte deutlich ihr Gewicht.

„Du hast Hunger, Kleines. Geh' jetzt und iß zu Mittag.“ „Noch nicht. Bitte, noch ein Weilchen!“

„Sehne dich nicht nach mir. Ich werde immer bei dir sein. Fühlst du, Fulla, daß ich deine Nerven heile und beruhige? Ich pflege dich physisch. Bist du zufrieden mit deiner Pflegerin?“, fragte sie mit dem allerliebsten Lächeln. „Sprich noch nicht zu den Menschen über die inneren Freuden. Man soll nicht darüber sprechen, denn es wäre möglich, daß die Menschen unseren Herrn Jesus verspotten. Siehst du, es ist doch gar nicht so schwer, sich von schlechten Angewohnheiten zu lösen. Der Mensch schafft sich nämlich für gewöhnlich selbst seine eigene Begriffswelt und schreitet in ihr — dabei kann man sich auch eine andere, schönere und göttliche schaffen.

„Mutter ... heiliges Mütterchen ... gibt es irgend ein gutes Buch über dich?“'

„Nein. In keinem Buch hat man jemals aufgeschrieben, wie es in meiner Seele aussah. Unbeholfen habe ich Jesus und der Mutter Gottes nachgeeifert und ein wenig ist es mir auch gelungen.“

„Heiliges Mütterchen! Ich liebe dich!“

„Liebe nur, liebe... Die Heiligen lieben heißt, durch ihre Verdienste Hilfe zu bekommen. Heilige beschützen euch vor bösen Dingen.“

„Heiliges Mütterchen, zu welchem Priester soll ich beichten gehen?“ „Ich kann dir keinen Priester aussuchen. Man kann in jeder Kirche einen schwachen Geistlichen antreffen. Du kennst dich aus in Physiognomien, also entscheide selbst. Bete kurz vorher. Ich bin zufrieden mit dir, Fulla. Freue dich, daß du uns nahe bist. Fürchte dich nicht und bereue aufrichtig.“

„Heiliges Mütterchen, vergibst du mir meine Sünden?“

„Sei nicht töricht, Fulla! Kein Heiliger, nicht einmal die Mutter Gottes kann das. Ich prophezeie dir für die Zukunft vollkommene Reinheit von Sünden. Du warst in deiner Seele niemals darauf eingestellt, Sünden zu erkennen.“

Sie kam erneut auf mich zu und legte ihre Hände auf meinen Kopf. „Ich liebe dich, Fulla, mein liebes Kind. Geh', ich werde stets in deiner Nähe sein. Wir werden beide achtgeben, daß unser Herr Jesus dein Herz nicht verläßt. Lebe wohl.“

Dreimal küßte mich meine hl. Mutter und berührte mein Haar. Im nächsten Augenblick erhob sie sich, hell und leicht in die Luft — mit dem Finger auf ihren Lippen zum Zeichen des Schweigens — und verschwand.

Nur dieses eine Mal habe ich sie so verschwinden sehen.

Als ich wieder zu Hause war, begann ich mit mir selbst zu kämpfen. Sich bei meiner Mutter entschuldigen! Ich soll hingehen, bekennen, daß ich zur Beichte gehe und dieses Wort herauswürgen: Vergib mir. Mein ganzes trotziges, stolzes Wesen lehnte sich dagegen auf. Ich will nicht! Ich will nicht! Es hat doch überhaupt keine Mißverständnisse zwischen uns gegeben. Es ist doch nicht meine Schuld, daß meine Mutter sich über mich ärgert. Wozu also?

Nach dem Mittagessen hatte ich Unterricht in der Stadt. Um den Augenblick der Entscheidung hinauszuzögern, nahm ich mir vor, mir erst nach meiner Rückkehr endgültig zu überlegen, ob ich mich dem füge oder nicht. Während des ganzen Unterrichts rang ich mit mir selbst. Schließlich, da ich alles tun wollte, was meine geliebte Betreuerin mir aufgetragen hatte, beschloß ich, mich zu überwinden. Ich stand schon vor unserer Wohnungstür, als mir plötzlich einfiel, daß meine heilige Mutter deutlich zu mir gesagt hat: „Du mußt nicht“. Diesen Akt der Dernut hatte sie demnach nicht von mir verlangt, sondern ihn mir nur empfohlen. Sie überließ es meiner Einsicht und meinem Willen. Und ich wollte mit meiner ganzen Kraft nicht.

Ich kehrte auf dem Absatz um und lief wie befreit von dieser mich erdrückenden Last zur Kirche der hl. Maria‑Magdalena.

Die Freude jedoch, mit der ich der Beichte entgegensah, verging mir irgendwie. Irgend etwas in mir war nicht so, wie es sein sollte. Ein Schatten fiel auf mein Herz, ein schlechter Geschmack oder Trauer trübte meine bisherige Ruhe. Sollte man sich vielleicht doch überwinden? Es war doch möglich, daß ich nur deshalb keinen eindeutigen Befehl erhalten hatte, weil es auf meine eigene Entscheidung ankam? Vielleicht legte meine hl. Mutter Wert darauf? Mein bezauberndes, teures, liebstes, heiliges Mütterlein!

Ich machte auf der Stelle kehrt und rannte, als ob ich Angst hätte, es mir wieder anders zu überlegen, zurück nach Hause. Ich weiß noch, daß ich irgendwo am Rande meines Bewußtseins die vage Hoffnung hegte, meine Mutter zu Hause nicht anzutreffen.

Sie war jedoch da. Ohne jegliche Einleitung trat ich zu ihr hin und stieß in einem Atemzug aus:

„Ich gehe heute zur Beichte. Verzeih' mir ...“ und fing an zu weinen. Meine Mutter fing ebenfalls zu weinen an.

Das war die größte Überwindung meines Lebens. Niemand, der nicht ich ist, wird je verstehen, warum. Ich bin mir jedoch völlig sicher, daß dieser Akt so manchen meiner Fehltritte wieder gutgemacht hat.

Am selben Abend beichtete ich in der Kirche der Dominikaner‑Patres. Es kam mir vor, als würde ich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich beichten. Ich erwähnte mit keinem Wort die Gnade, die mir widerfahren war, und schilderte ganz einfach den bisherigen Zustand meiner gottlosen, trotzigen, forschenden und rebellischen Seele. Ich bekannte mich dazu, daß ich andere voller Wut vom Glauben abgehalten hatte, aus Verzweiflung darüber, daß ich selber keinen hatte. Ich beichtete meinen Hochmut und die Unnachgiebigkeit meines verstockten Herzens. Zu meiner Entlastung konnte ich nur einen einzigen Punkt anführen — obwohl ich es damals schon ausschließlich für göttliche Gnade und Fügung hielt — daß ich schon immer, seit meiner Kindheit, eine unüberwindliche Abscheu vor üblen und schmutzigen Dingen hatte.

Am nächsten Tag, genau am Christ‑Königs‑Fest, empfing ich während einer Messe in der Kirche der hl. Maria‑Magdalena die hl. Kommunion. Das tat ich auf ausdrückliche Weisung meines hl. Mütterchens, und mein einziger Wunsch war, Gott so würdevoll wie möglich aufzunehmen, denn ich glaubte bereits bedingungslos an seine Gegenwart in dem heiligsten Sakrament. Ich erwartete ihn nicht gefühlsmäßig, sondern mit meinem besten Willen, tief durchdrungen von dem Ernst dieses Augenblicks.

Als ich zu meiner Gebetsbank zurückgekehrt war, mein Gesicht mit den Händen bedeckte und zu beten anfing — da wurde ich plötzlich von einem unerklärlichen Wirbel erfaßt, gegen den ich mich nicht wehren konnte. Ich fühlte, daß ich keine Kontrolle über meinen Körper hatte und verlor jegliches Bewußtsein für Raum und Zeit. Es war mir, als ob ich fliege und fliege, in einen sicheren, behaglichen Abgrund, und als ich anhielt, spürte ich deutlich und ohne Zweifel, daß zwischen mir und Herrn Jesus kein Abstand mehr war. Ich verspürte eine Liebe zu ihm, die mit nichts verglichen werden könnte. Ich hatte keinen Körper mehr und keine Seele; ich bestand nur noch ganz aus meinem Herzen und fühlte, wie sein heiligstes Herz das meine umgab.

Ich weiß absolut nicht, wie lange das gedauert hat. Sehr langsam kehrte danach mein Bewußtsein wieder zu mir zurück. Ich war voller Glück, denn ich hatte die Gegenwart Jesu Christi erfahren. Ich kann mich nicht erinnern, daß sonst noch etwas in mir gewesen wäre. Ich wußte, es gab keine größere Kraft als die, mit welcher Gott mich mit sich verbunden hatte. Ich fühlte, daß meine Seele unwiderruflich ihm gehört und wußte, daß mein Leben ausschließlich auf einer von ihm vorgezeichneten Linie verlaufen konnte. Und ich wollte es auch nicht anders.

Nach diesem Tage war es für mich eine Tortur, nicht wieder die hl. Kommunion empfangen zu können. Ich hatte diese Buße akzeptiert, ohne zu wissen, was sie für mich bedeuten würde. Als ich dann sah, wie die anderen jeden Morgen zum Tisch des Herrn traten, mußte ich weinen. Mein Verlangen war so groß, daß ich mich manchmal nicht beherrschen konnte und von der Gebetsbank aufstand, um voll unaussprechlicher Sehnsucht an den Altar heranzutreten. Wie glücklich waren doch diese Menschen! Wie ich sie beneidete!

Erst nachdem zwei Wochen vergangen waren, wurde mir die volle Gültigkeit dieser Buße bewußt, und ich lernte, diese vorübergehende Abstinenz ergeben zu ertragen.

Trotz der Befürchtung, mich lächerlich zu machen, die irgendwo in der Tiefe meines Wesens lauerte, fing ich an, die abendlichen Rosenkranzandachten zu besuchen. Ich konnte damals echte Frömmigkeit und Bigotterie gedanklich nicht voneinander trennen.

Einmal, als ich vor dem Altar kniete und das gemeinsame Rosenkranzgebet unbeholfen betete, erblickte ich in der Kirche eine meiner Schülerinnen, die meine früheren religiösen Ansichten kannte und sich auch nicht selbst durch besondere Frömmigkeit auszeichnete. Mir wurde heiß. Ich fühlte, wie ich errötete und verlegen wurde. Bevor ich noch denken konnte, verdeckte ich schnell den Rosenkranz und wollte so tun, als ob ich an dieser gemeinsamen Andacht überhaupt nicht beteiligt wäre. In diesem Augenblick erinnerte ich mich an unseren Herrn Jesus und an mein heiliges Mütterchen. Da wurde mir erneut heiß, nicht aufgrund der peinlichen Situation, sondern vor Scham und Reue.

Ostentativ fing ich an, die Perlen des Rosenkranzes zu verschieben und hatte nur noch den einen Wunsch, daß mich meine Schülerin so sehen sollte. Ich wollte auf diese Weise das, was ich gerade getan hatte, wiedergutmachen und widerrufen. Aber als ich mich dann umsah, war sie nicht mehr in der Kirche.

Die Reue, die mich in diesem Augenblick erfaßte, kann ich nicht beschreiben! Es war mir, als ob ich unseren Herrn Jesus und mein hl. Mütterlein verraten hätte! Wie gut konnte ich Petrus verstehen, der, nachdem er Christus verleugnet hatte, „bitterlich weinte“. Ich war so unglücklich! Es nützte mir nichts, daß ich in der nächsten Unterrichtsstunde diese Schülerin bewußt auf mein nunmehr verändertes Verhältnis zur Religion ansprach, das Gefühl der Schuld lastete schwer auf mir, und ich dachte, ich hätte mich durch diese Tat freiwillig von meinem so sehr geliebten König entfernt. Um ihn zu entschädigen, nahm ich dann umso intensiver an den Abendandachten teil.

Ich kannte überhaupt keine Kirchenlieder und hatte auch keine Stimme zum Singen. Da ich das wußte und eitel war, hatte ich vorher nie versucht zu singen. Danach wurde es mir jedoch zur größten Pflicht! Mit der ganzen Kraft meiner Kehle und dem ganzen Atem meiner Lunge machte ich es den anderen nach und paßte mich mit meiner Stimme ihrem Gesang an. Es störte mich absolut nicht, daß ich kaum jedes zehnte Wort des Textes kannte. Mit bedeutungslosen Silben füllte ich die Lücken aus und sang für die ganze Kirche. Es war mir vollkommen gleichgültig, ob ich bei den Betschwestern damit Entsetzen über meine Stimme oder Bewunderung für meinen Eifer erweckte! Von ganzem Herzen wünschte ich nur, daß mich mein Gott hörte, mit meiner ganzen Kraft und Leidenschaft wollte ich sein Lob aus mir herausschreien.

Ich konnte auch nicht ruhig bleiben bei der Vorstellung seiner Leiden. Sooft ich im Vorraum der Kirche am Kruzifix vorbeiging, schöpfte ich aus dem Weihwasserbecken Weihwasser mit meinen Händen und wusch damit die Wunden an der Seite, an den Händen und Füßen des Gekreuzigten. Der Anblick der Dornenkrone bereitete mir richtige physische Schmerzen; da sie jedoch befestigt war, konnte ich sie nicht abnehmen. Ich mußte manchmal warten, bis alle aus der Kirche hinausgegangen waren, denn ich wollte nicht, daß mich jemand bei diesem leidenschaftlichen Werk des Mitleids und der Liebe beobachtete. Ich dachte ständig an die Warnung meiner hl. Mutter, daß unser Herr Jesus sich aus meinem Herzen entfernen könnte. Schon bei dem Gedanken, ich könnte ihn durch die kleinste Sünde beleidigen, zitterte ich. Wenn man Gott liebt, gibt es keine große oder kleine Sünde. Es gibt nur die Sünde. Während dieser Zeit wurde mein Gewissen, aus geradezu übertriebener Befürchtung, so empfindlich, daß ich bei den gewöhnlichsten Tätigkeiten Gefahren witterte. Ich betete unaufhörlich — laut, wenn ich allein war, in Gedanken, wenn ich mich unter Menschen befand, beim Gehen, Essen, Reden, bei der Arbeit, sogar im Schlaf blieb ich mit meinem Herzen bei meinem Herrn Jesus.

Ungeschickt, weil ich darin keine Erfahrung hatte, begann ich gute Taten zu vollbringen. Angefangen mit unüberlegt großzügigem Austeilen von Almosen bis hin zum Malen von Festtagsgrußkarten für wohltätige Lotterien, deren Erlös freilich in keinem Verhältnis zu dem geleisteten Aufwand an Zeit und Mühe stand, bemühte ich mich auf jede erdenkliche Weise, den Menschen zu helfen. An einem kalten, regnerischen Abend sah ich auf der Straße einen jungen Menschen, der zwei schwere Koffer schleppte. Ich sah, wie er alle paar Schritte stehenblieb und sich schwer atmend etwas ausruhte. Bevor mir der Gedanke kam, daß ihm die von einer jungen, unbekannten Person angebotene Hilfe vielleicht unangenehm sein könnte, fragte ich ihn, ob ich die Koffer mit ihm zusammen tragen dürfe. Er lehnte natürlich ab und damals wußte ich nicht, warum.

Da ich die lange Abwesenheit meiner geliebten hl. Mutter nicht ertragen konnte und große Sehnsucht nach ihrem Anblick hatte, zeichnete ich sie auf jedem Papierfetzen, auf Heftumschlägen, auf dem gewachsten Tischtuch und sogar auf dem Marmor des kleinen Tisches in der Konditorei. Es bereitete mir manchmal große Mühe, diese Bildnisse wieder wegzuwischen, wenn ich mal eines beim Weggehen nicht zurücklassen wollte.

Ich machte mich daran, das kleine Bildchen von Mutter Helena mit Aquarellfarben größer zu malen. Obwohl, wie nicht anders zu erwarten, nur ein Geschmiere dabei herauskam, entschloß ich mich, da ich keine anderes Abbild meines hl. Mütterchens besaß, dieses weihen zu lassen. Dem Priester, den ich darum bat, gefiel mein Bild trotzdem so gut, daß ich ihm ein zweites malte. Das war dann schon eine Komposition von „höherem Grad“, denn neben meiner hl. Mutter war auch noch der Herr Jesus darauf zu sehen. Da jedoch die Kartonunterlage nicht groß genug war und mir erst kurz vor der Fertigstellung einfiel, auch noch Jesus dazuzumalen, mußte sich seine Gestalt mit den Ausmaßen einer Puppe zufriedengeben. Ich tröstete mich dann mit dem Gedanken, daß er sich, wenn er wolle, der hl. Magdalena‑Sofia in jeder Größe zeigen könne... Später, als ich dann schon ein authentisches Abbild meiner liebsten Heiligen besaß, wie sehr schämte ich mich meiner Schmierereien von früher.

8.12.1935

An diesem Tag ging ich wieder zu den hl. Sakramenten, nachdem ich bei Pfarrer N. gebeichtet hatte, und mit großer Sehnsucht erwartete ich den heiligen Besuch. Meine geliebte Betreuerin erschien mit einem freudigen Lächeln. In beiden Händen trug sie ein bläuliches Licht, von dem sich einzelne Strahlen lösten und in meinen Kopf eindrangen.

„Du darfst meine Hände küssen“, sagte sie und streckte beide Hände aus, die ich dann küßte. Sie beugte sich herab und küßte mich auf den Kopf. „Ich habe dir heilende Strahlen in meinen Fingern mitgebracht. Ich bin zufrieden mit dir und unser Herr Jesus ist es auch. Ich möchte bei deinem ganzen Enthusiasmus nur eine Sache richtigstellen. Du achtest den Samstag als den Tag, an dem ich bis jetzt meistens zu dir kam. Die Mutter Gottes schenkt mir ihre große Gunst. In ihrer Güte erlaubt sie mir, an ihrem Tag auf der Erde zu wirken. Der Samstag ist in Wirklichkeit der Tag der Mutter Gottes. Das wollte ich dir vor allem sagen. Und jetzt hör' zu: Ich werde an jedem Samstag, den ganzen Tag lang, bei dir sein. Du wirst mich nicht ständig sehen, aber du wirst oft spüren, was ich dir sagen will, und schnell eine Antwort finden. Fulla! Ich vertraue dir. Freust du dich? Du bist jetzt schon auf dem richtigen Weg. Du hast dem Herzen Jesu viel gegeben, und für jedes deiner Geschenke wird er sich mit einer Gabe erkenntlich zeigen. Ich danke dir, Fulla, daß du mich nicht enttäuscht hast. Vieles hing von dir ab. Du wirst noch einige Fehler an dir erkennen. Im Grunde deiner Seele hast du hin und wieder Lust, alles gründlich zu untersuchen. Ich will dich nicht tadeln, aber man muß mit dem menschlichen Verstand nicht alles erforschen. Ich liebe alle deine Malereien und Zeichnungen. Du mußt deine Hand noch etwas üben, und die Liebe wird dann alle Fehler beseitigen. Je mehr du liebst, desto schöner kannst du mich malen. Ich verhelfe dir zu zwei verschiedenen authentischen Abbildungen von mir. Ein Kind wie du sollte zuhören und stets auf seine Seele und seine Gesundheit achten. Es ist mein Wunsch, daß du täglich mit jemandem zusammen kurz betest ...“

„Ich möchte wissen, meine hl. Mutter, ob ich es jemals in meinem Leben schaffe, etwas zu deiner Ehre zu tun. Sag' mir, was kommt!“

„Das sage ich nicht. Ich weiß alles, was in Zukunft sein wird, aber ich kann es dir nicht verraten. So viele meiner Bestrebungen sind nicht durchgeführt worden. Mit der Zeit wird jedoch alles erfüllt. Am Samstag werde ich dir ein kurzes Gebet diktieren, das du täglich beten kannst. Ich bin dir näher als deine leibliche Mutter. Ich mag es, wenn du dich mit allem an mich wendest. Sei nur geduldig. Es kommt alles. Fulla, es kommt alles. Aber merke dir: Nicht einmal Gott, geschweige denn ein Heiliger, kann einem Menschen seinen Willen aufzwingen. In deinem Herzen muß sich alles herauskristallisieren und reifen ...“

„Und wenn ich sterbe, hl. Mütterchen, werde ich dann bestimmt bei dir sein?“

„Gerade deswegen bin ich zu dir gekommen. Kraft schöpft man im Herzen Jesu. Wenn es um irdische Dinge geht, darf der Mensch nicht stolz und selbstsicher sein, was aber heilige Dinge betrifft, muß man ein hohes Maß anlegen und nach dem Höchsten streben.“

Wie könnte ich Maryla helfen, heiliges Mütterchen?“

„Ich sage dir nur soviel, daß sie ein edler Mensch mit einer guten Seele ist. Sie hat sehr wenig Unreines, ist aber furchtbar bedrückt durch irdische Dinge. Gott denkt an sie, und sie wird zu ihm gehören. Das Herz unseres Herrn Jesus wartet darauf, daß sie zu ihm zurückkehrt, aber ihr Wille ist nicht stark genug. Wenn du ihr helfen willst, Fulla, nimm sie sonntags mit in eine stille hl. Messe, bei der kein Andrang herrscht, denn das schreckt sie ab. Gott legt auf sie und auf andere große und kleine Kreuze. Anstatt sie sich zunutze zu machen, lassen die Menschen freiwillig immer größere Sünden in ihre Seelen ein. Sie wissen nicht, daß die Sünde die Gnade Gottes nicht zuläßt...“

Meine hl. Mutter! Ich möchte über dich schreiben!“

Jedes Wort, jedes Aufleuchten, mußt du aufschreiben und daraus entsteht dann ein wunderschönes Ganzes. Sogar wenn du nachts aufwachst — du sollst jedoch schlafen! — schreibe. Naturgemäß hast du dann größere Ruhe, der Geist ist klarer und heilige Seelen haben dann Zutritt. Wenn du an deine Arbeit und an das Schreiben denkst, sei dein allererster Gedanke die Liebe zu Gott und zu den Menschen. Fulla, du bist noch ein wenig trotzig!“

„Heiliges Mütterlein, ist im Leben etwas vorbestimmt?“

„Jeder Mensch ist anders und hat seine eigene Bestimmung, aber die Menschen verstehen ihre Bestimmung falsch. Bestimmung bedeutet nicht, daß Gott den einen auf den Weg der Sünde, den anderen auf einen heiligen Weg, den dritten auf den Weg des Ruhms schickt. Schon das kleine Kind, wenn es auf die Welt kommt, hat alles in seiner Seele. Die ganze Macht, nicht den Willen. Du, Fulla, kannst sehr viel Gutes oder auch sehr viel Schlechtes tun. Nichts Mittelmäßiges. Das ist deine Bestimmung. Wenn du später andere Menschen betrachtest, wirst du sehen, daß sie wie ohne Bestimmung auf ihrem Weg gehen.“ „Nimm du nur meinen Willen, liebste hl. Mutter! Ich will nur das tun, was du von mir verlangst.“

„Nein. Niemand, nicht einmal Gott, kann einem Menschen seinen freien Willen nehmen. Das wäre Unrecht. Und jetzt noch eins: Warum ärgerst du dich und weinst, wenn du einen sündigen Priester siehst? Bete für ihn. Jesus hat Judas bei sich gehabt und gab ihm sein Blut. Er tat ihm leid, und er wollte ihn mit Liebe erweichen. Wenn ein Mensch auch nur ein bißchen liebt, dann kehrt er immer zu ihm zurück. Jesus betrachtet die menschlichen Sünden nicht als Richter, sondern als Lamm. Am stärksten schmerzt ihn der Unglaube. Unser Herr Jesus ist in höchstem Maße barmherzig. Wenn er mich nicht geschickt hätte, wäre ich nicht zu dir gekommen. Nichts geschieht ohne den Willen Gottes. Fulla! Die Mutter Gottes liebt dich, und auch du wirst sie sehr lieben. Du wirst sehen, wie sehr sich die Mutter Gottes von allen anderen Heiligen unterscheidet. Wenn ein Mensch sich, sei es auch nur in Gedanken, an den Himmel wendet, bittet die Mutter Gottes für ihn bei unserem Herrn Jesus, ohne auf Sünden zu achten. So sehr tun Tränen ihr weh. Sie ist so rein, daß sie keinen Schmutz sehen kann und nicht sehen will. Sie sieht nur die Absicht und die Tränen. Wenn es dein Wunsch ist, sie zu lieben, mußt du zum Kind werden, mußt du alles andere abwerfen und dich voll Vertrauen unter ihren Mantel flüchten.“

Bei diesen Worten hörte ich den beschleunigten Atem meines hl. Mütterleins. Ich sah, wie sich ihr Gesicht veränderte, sie sich dann zu mir beugte und meinen Kopf berührte ...

„Und jetzt werde ich dir etwas Schlimmes über dich sagen.“ sie drohte mir dabei scherzhaft mit dem Finger. „Du freust dich über das Unglück anderer.“

Ich wußte, daß die Heilige von einer bestimmten Jüdin sprach, die sehr gekünstelt auftrat und über die ich manchmal lachte. Diese Person zeichnete sich dadurch aus, daß ihr ständig und auf jeden Schritt irgendein „Unglück“ passierte, das nicht der Rede wert war und über das sie völlig ernsthaft berichtete.

„Es täte dir doch leid, wenn sie ein wirkliches Unglück treffen würde... Wenn du es wie ich machen willst, dann tue es auch, Fulla. Merke dir nur, wer etwas für Gott tut, der muß fürchterliche Schwierigkeiten überwinden. Wenn er davor zurückschreckt, kann Jesus ihm nicht helfen. Im Himmel herrschte große Freude über Fulla! Du hast Jesus aufgenommen und wolltest ihn nicht wieder loslassen. Ich will dich nicht loben, sondern will dich stärken. Ich sorge für dich, nicht wahr? Und bringe dich immer zu Bett. Bist du zufrieden mit mir?“, fragte sie und lachte verschmitzt. „Du bist meine Patientin, und bitte, sei folgsam und ergeben. Ach ja, Fulla. Wie war das mit deiner Buße? Ich weiß, daß du zwei Wochen lang große Sehnsucht hattest und dich dann ein bißchen daran gewöhntest. Jetzt, Fulla, gebe ich dir nichts auf. Wenn du möchtest und kannst, empfange unseren Herrn Jesus. Er erlaubt es. Und er erlaubt es nicht nur, sondern bittet darum, in deiner Seele zu sein. Seine Liebe ist groß! Er war es, der dich verändern wollte. Dein Verlangen nach Liebe war ebenso groß. Du hast schmerzhaft nach einem Ideal gesucht und warst verzweifelt. Und jetzt frage ich dich, Fulla — antworte vollkommen ehrlich, wie deiner lebenden Freundin, denn jetzt hört unser Herr Jesus zu, welche Liebe ist die glücklichere? Denn siehst du, jede Liebe kostet Kraft. Die Blume der Liebe wächst aus einem einzigen Kelch heraus, denn die Liebe hat eine einzige Quelle. Jede Liebe zehrt, nur die eine geht nach links, die andere nach rechts ...“ Meine hl. Mutter zeichnete mir das in der Luft mit leuchtenden Linien.

„Die, die sich nach links wendet, bringt eine faule Frucht und führt zu nichts. Aus der rechten entsteht ewiges Glück. Links — sieh her: (Ich sah in der Luft die Umrisse zweier Gestalten) du siehst bezaubernde Lippen, beim Lächeln weiße Zähne und im Schatten der Wimpern trübe Augen. Beide sind so schön wie Blumen und darin liegt eine große Kraft, aber dann verdirbt alles, wird schmutzig und abstoßend. Die Liebe, die sich nach rechts wendet — die andere Blume — wirkt nicht von vornherein so anziehend. Dafür wird sie von Augenblick zu Augenblick schöner, größer, wächst, entwickelt sich, und ihre Frucht, anstatt nach unten zu fallen und auf der Erde zu verfaulen wie die andere, erhebt sich in die Höhe. Sieh nur, wie sie strahlt.“

Ich sah eine kleine Pflanze, die offensichtlich wuchs und sich entwickelte. Dann ihre Blüte und schließlich eine ganz und gar durchstrahlte, leuchtende Frucht, die sich in die Höhe erhob und verschwand.

„Fulla! Du bist von allen Menschen der glücklichste. Weißt du, daß es unserem Herrn Jesus hilft, wenn du seine Wunden auswäschst? Was du jetzt durchlebst, nennt man Offenbarung.“

Nach diesen Worten war ich über alle Maßen erstaunt. Bis dahin dachte ich, daß nur Heilige Offenbarungen haben.

15.12.1935

Dieses Mal forderte mich mein heiliges Mütterchen gleich bei ihrem Erscheinen auf, Papier und Bleistift zu nehmen und diktierte mir auf die gewohnte Weise „unhörbar“ das folgende Gebet:

Heiligstes Herz unseres Herrn Jesus, du ewige Flamme der Liebe Gottes, wir flehen dich durch deine ergebene Dienerin, die hl. Magdalena‑Sofia, an, laß uns ein wenig teilhaben an ihrem Verständnis deiner göttlichen Lehre von der Liebe zu Gott und zu den Menschen. Erlaube uns gemeinsam mit deiner geliebten Heiligen, deinen blutigen Spuren zu folgen, die tägliche Last des Kreuzes lautlos und ergeben zu tragen. Weise uns den Weg der Demut, auf dem deine reine Mutter, die heiligste Jungfrau Maria, gewandelt ist. Möge die Flamme der Liebe, die von deinem heiligsten Herzen ausgeht, schon bald die ganze Welt umfassen, trösten und beruhigen.“

21.12.1935

An diesem Tag erschien mir mein hl. Mütterchen in der Mitte des Zimmers, und langsam, Schritt für Schritt, kam sie näher. Ich sah, wie sich die Falten ihrer Tracht beim Gehen bewegten. Da ich an diesem Tag ausgesprochen niedergeschlagen und traurig war, wollte sie mich anscheinend erfreuen und sagte im voraus: „Fulla! Es wird eine Freude kommen, die noch kein Mensch auf der Erde erfahren hat. Und jetzt nimm einen Bleistift und schreibe!“ Nach Beendigung des Diktats, das ich während des Schreibens wieder nicht hörte, las ich wie folgt:

„Ich liebe dich beständig und sehe, daß du mich liebst, mein Kind, sehe, wie du kämpfen mußt — aber leider, Fulla — hast du noch deine irdische Hülle und mußt oftmals eine Niederlage erdulden. Warum willst du so auf der Stelle, in einem einzigen Moment, deine Gestalt und deine menschliche Natur fast völlig verändern? Du solltest die Last des Lebens nicht in diesem Maße spüren, da ich dir doch helfe. Gehe freudig weiter, was auch geschieht. Denke stets daran, daß du nicht allein bist und jemand sich um dich sorgt, jemand, der jetzt mehr vermag als damals, als er auf der Erde war. Du vergißt zu oft, daß du noch in der Welt lebst. Verschmähe nicht die Freundschaft von Menschen. Du kannst und solltest aus dem, was die Menschen dir bieten, das Beste herausnehmen, das, was dir deine so schön geschaffene Seele diktiert. Laß alles hinter dir, was die Sünde fördern könnte. Suche dir immer das Schönste aus, damit Jesus es lächelnd betrachten kann. Ich vertraue dir so sehr, und auch du solltest es glauben, daß fast alles, was Gott dir gegeben hat, von erster Güte ist. Früher wolltest du, noch unbewußt, diese Gaben ruinieren und entstellen, jetzt aber kannst du es nicht mehr, weil dir erlaubt wurde, so vieles zu kennen und zu wissen.

Fulla! Mach dir keine Sorgen darüber, was die Geistlichen sagen werden und wie sie sich dazu stellen. Du gehe überall mit reinem Herzen hin, Kleines, nimm die Demut vom höchsten Herrn an und mach dir um den Rest keine Gedanken. Ich weiß, was dir fehlt, weiß, was du herzlich gern loswerden möchtest, genauso wie ich weiß, was du dir wünschst. Sei ruhig und besonnen. Größere Bauten brauchen eine längere Bauzeit als kleine Häuschen. Du siehst selbst, wie sich deine eigene Natur auf wunderbare Weise durch das Wirken des heiligsten Herzens verändert. Sieh dich in der Vergangenheit an. Siehst du? Der ganze künstlich angebrachte Panzer auf deiner Seele ist in Stücke zerbrochen und niemand kann ihn wieder zusammenfügen. Erlaube unserem Herrn Jesus zu wirken. Für dich bleibt noch so viel zu tun. Du mußt selbst, mit deinem eigenen Willen, lernen zu leben.

Merke dir, Fulla, viele Heilige, und selbst unser Herr Jesus — als sie noch in der Welt unter Menschen lebten, nahmen Anteil an den menschlichen Sorgen, an ihrer Trauer und an ihren Hochzeiten, brachten ihnen Hilfe und Frieden. Durch die Menschen verewigten die Heiligen ihre Tugenden und die Tugenden ihrer Nächsten.

Manchmal fühlst du in deiner Seele eine Leere, trotz der Anwesenheit unseres Herrn Jesus. Kleines — überlege — du bist in der Verbannung, im Tal der Tränen und der Buße. Du und alle anderen Menschen auf der Welt, ihr befindet euch probeweise auf einer Irrfahrt, aber diese dauert nur kurz! Das geht vorbei. Hier wird die Leere nicht ausgefüllt, sondern der Himmel füllt die Seele nach Gottes gerechtem Urteil. Bleibe dem heiligsten Herzen beständig nahe, Fulla. Nichts soll dich von ihm trennen, weder bei Tag noch bei Nacht, trage es überall mit dir, liebe und vertraue ihm. Sei getrost. Handle langsam und sprich nicht zu viel. Sei wie immer. Wir gehen zusammen. Also fasse Mut und Vertrauen zu mir.“

Auf meine Klage über die Gefühllosigkeit, die mich zeitweise befällt, antwortete sie:

„Selbst die Heiligen hatten es an sich, daß sie nicht immer und in jedem Augenblick glühend bei der Sache waren. Man kann sich nicht auf der Stelle ändern. Du möchtest auf einmal in die Vollkommenheit hineinpassen wie ein Schlüssel ins Schloß. Ich will, daß du du selbst bleibst. In letzter Zeit bist du etwas aus dem Gleichgewicht geraten, du brauchst mehr Selbstsicherheit und Elan. Ich bin ununterbrochen bei dir, dessen kannst du sicher sein. Zu zweit geht alles besser als allein. Wenn dir einmal etwas nicht gelingt, freue ich mich, daß mein Kind trotzdem weitergeht. Nach jedem Mißerfolg reiche ich dir die Hand. Mir ist während meines Lebens nicht viel gelungen, erst nach meinem Tod. Was ich aufbaute, haben andere zerstört. Akzeptiere also demütig alle Schwierigkeiten. War ich nicht demütig, da ich zu dir auf die Erde kam? Sorge dich nicht darüber, daß du zu wenig gute Taten vollbringen könntest. Du strebst nach dem Außergewöhnlichen. Die Gelegenheiten für große Dinge werden noch kommen. Du möchtest gerne alle Möglichkeiten für dich selbst beanspruchen, dabei muß es doch auch für die anderen reichen. Manchmal ist es genug, zu sagen: ,Jesus, ich liebe dich!' Ein Gebet, ein guter Blick, nicht klagen, wenn etwas nicht gelingt, auch das sind gute Taten. Ich könnte vieles für dich bewirken, dir alle Trauer nehmen, dir bestimmte Dinge nahebringen, aber ich werde es nicht tun, weil ich dich liebe. Unser Herr Jesus hat es schließlich für dich so bestimmt und ich bestärke dich in deiner Ausdauer. Ich werde dir nicht von der Seite weichen, auch wenn du dich zeitweise abwenden solltest. Das wird jedoch nicht geschehen, ich sage das nur so.“

24.12.1935

Während der Weihnachtsmesse, als die Krippe mit dem Jesuskind enthüllt wurde, verspürte ich eine durchdringende Freude in meinem Herzen. Die mir dargereichte Hostie war erfüllt von einem seltsamen Schein, und nach ihrer Einnahme hatte ich das Gefühl, daß das Licht, das ich mit ihr zusammen aufgenommen hatte, warm war.

Es geschah manchmal auch danach, daß die Hostie in dem Augenblick, als der Priester sich vom Altar abwandte und „Ecce Agnus Dei ...“ sprach, in meinen Augen verschwand und ich an ihrer Stelle den Kopf Jesu Christi erblickte, schön und strahlend. Diese Erscheinung näherte sich mir dann zusammen mit dem Priester und verharrte über dem Kelch, bis ich die hl. Kommunion empfing.

28.12.1935

„Fulla“, sagte meine geliebte hl. Mutter an diesem Abend, „du hast eine kontemplative Seele und darin bist du mir ähnlich. Manche deiner Eigenschaften wären für mich nützlich gewesen. Wenn ich noch einmal leben würde, würde ich anders an die Gründung eines Klosters herangehen. Gleich zu Anfang übergab ich Gott meinen freien Willen und konnte mich dann dem, was er mir durch die Menschen zukommen ließ, nicht widersetzen. Deshalb brachte ich vieles nicht zu Ende, und vieles geschah gegen meine Absicht.“

30.12.1935

Auf die Frage von Mutter Helena, was meine hl. Mutter über das Kloster zu sagen hätte, brachte ich nach Sacre Cœur das folgende, mir so diktierte Schreiben:

„Es ist der Wunsch der hl. Mutter, daß ihre Töchter den Herrn Jesus genau kennenlernen wollen. Das ist möglich und für jede erreichbar, wenn sie gläubig und ernsthaft täglich einige Augenblicke freiwillig der Meditation über die Liebe seines Herzens opfert.

Oh, wenn ihr Frauen doch euren Willen kraftvoll auf den heiligen Weg der Wahrheit und Liebe Gottes richten wolltet, in kurzer Zeit würden sich dann Familien, Städte, Staaten — die ganze Welt verändern. Von der Liebe unseres Herrn Jesus geht die Liebe zum Nächsten aus, und in der reinen Atmosphäre der Liebe verliert sich jegliches Übel. Gebt euch daran und liebt das heiligste Herz, dann lernt die anderen zu lieben, und ihr werdet bereits hier, auf unserer Erde, die königlichen Gaben schauen. Seht euch um, wie zur Zeit jeder klagt, verzweifelt, wie Trübsal und Elend sich überall ausbreiten.

Warum ist es so? Es ist so, weil ihr alle vergessen habt, an wessen Stelle und für wen sich unser Gottmensch ans Kreuz nageln ließ. Ihr habt vergessen, daß er euch — die Menschen — liebte. Ihr wißt nicht mehr, was er euch lehrte. Ihr lehnt seine Liebe ab. Jetzt ist es an der Zeit, sich dies alles ins Gedächtnis zurückzurufen. Krempelt die Ärmel auf, um Gott im Guten zu dienen. Eure hl. Mutter wird euch vieles erleichtern und aufzeigen. Sie kann es mit Leichtigkeit, aus dem Bereich der Liebe Gottes heraus, in dem sie wohnt. Durch Gottes Erbarmen kann sie euch zu Hilfe kommen. Wenn ihr nur euren guten Willen entsprechend ausrichtet. Die in der Reihenfolge vierte Mutter Oberin hat viele Dinge ausgeführt, die der heiligen Mutter nicht gegeben waren.“

1.1.1936

„Heute wollen wir uns nur unterhalten“, sagte mein hl. Mütterchen und nahm meine beiden Hände in ihre.

„Darf ich dir Fragen stellen?

„Gut, mein Kleines. Die Menschen wissen so wenig. Sie haben das, was unser Herr Jesus ihnen über Liebe und Güte sagte, nicht angenommen. Wenn Gott der Herr einem von euch etwas von den Geheimnissen offenbart, sollte dieser auch andere damit veredeln, besonders die Geistlichen. Irgendwann, Fulla, wirst du etwas Wunderbares leisten können, und es wird deine Seele erfreuen. Aber noch nicht jetzt.“

„Die Menschen glauben so wenig an Wunder. Sie wollen es genau wissen und forschen.“

„Nicht einmal die weisesten unter den Menschen können die göttichen Geheimnisse ergründen. Gott tut nämlich was er will, und der Mensch hat den freien Willen, zu glauben oder nicht zu glauben. Er sollte sich jedoch verbeugen und sagen: Gott! Du bist groß!“

„Mütterchen, tut der Tod weh?“

„Nein. Der Körper verspürt keine Schmerzen. Der Geist hält sich in der ersten Zeit noch in der Nähe der Erde auf und die Sünden, die nicht vergeben sind, tun ihm weh.“

„Und wenn jemand verwirrt stirbt, weiß er nach seinem Tode, wer er war?“

„Ja. Und der Gedanke an sein vergangenes Leiden ist ihm eine Freude, denn es verringert das Leiden nach dem Tode.“

„Warum werden die Menschen wahnsinnig?“

„Gott nimmt ihnen zeitweise den Verstand, damit sie anderen schrecklichen Dingen entgehen oder damit sie nicht in der Sünde steckenbleiben. Während ihres Lebens leidet ihre Seele nur in den Augenblicken, in denen die Kranken bei vollem Bewußtsein sind.“

„Und was ist mit Träumen?“

„Im Schlaf entfernt sich die Seele zum Teil ins Jenseits. Sie läßt den Körper niemals erfahren, wo sie war. Es gibt armselige Geister, die dem Menschen während dieser Zeit, nur so zum Spaß, phantastische Träume eingeben, die oft gar keine Bedeutung haben. Es kommt vor, daß sie ihm üble und sündige Bilder unterschieben. Wenn sich dieser Mensch im wachen Zustand, bei vollem Bewußtsein, dagegen wehrt, kommt ihm die Seele, die nie den Kontakt zum Körper verloren hat, schnellstens zu Hilfe. Die volle Anwesenheit der Seele gibt ihm die Kraft, seinen im Schlaf ohnmächtigen Willen wieder zu beherrschen. Dasselbe geschieht, wenn der Mensch im Schlaf von schrecklichen, quälenden Visionen erdrückt wird. Dunkle Mächte wollen auf diese Weise die seelischen Abwehrkräfte des Menschen zu ihren Gunsten schwächen. Es gibt jedoch auch Träume, die eine wichtige Bedeutung haben oder prophetisch sind. Diese Träume werden von Gott eingegeben und gefördert.“

„Welche Bedeutung haben Behinderungen?“

„Jeder Behinderte weiß nach seinem Tode genau, warum er behindert war und vor welchen Dingen Gott ihn durch die Behinderung zu beschützen suchte.“

„Liebste hl. Mutter, magst du Maschinen?“

„Aha! Du willst eine Schreibmaschine haben. Ja, man muß mit der Zeit gehen, aber mit der Hand kann man auch vieles schreiben. Ich habe alles mit der Hand geschrieben. Ich mag keine Maschinen. Die Mechanisierung des Lebens, diese nichtswürdige menschliche Überheblichkeit und das Gewinnstreben, mir gefällt das alles nicht. Irgendwer denkt sich eine Maschine aus, setzt einen Mechanismus zusammen und nimmt den Handwerkern die Arbeit ab. Einmal reich geworden, benutzt er diesen Reichtum oft für schlechte und nichtssagende Zwecke. Auf diese Weise verlieren die einen ihre Arbeit, während die anderen die minderwertige und unvollkommene Qualität der Erzeugnisse beklagen. Ich mag keine Maschinen. Denk' nur, wie sinnlos sie sind. Bei der herrschenden Arbeitslosigkeit zerbrechen sich die Leute den Kopf über die Konstruktion eines Roboters, der wiederum für sie die Arbeit machen soll. Fulla, du bist erschöpft. Ich werde dein Gehirn etwas erfrischen, damit du wieder klarer denken kannst.“

Bei diesen Worten schöpfte mein hl. Mütterchen irgendein hellblaues Licht aus der Luft. Ich spürte, wie dieses Licht in meinen Kopf einfloß. „Fühlst du dich jetzt besser, Fulla? Denke nicht ständig an mich. Manchmal hältst du mich mit deinen Gedanken gewaltsam fest, so daß ich nicht so einfach fortgehen kann. Wenn du über mich sprichst, achte darauf, daß deine Worte nicht nur von deiner Begeisterung diktiert sind. Stell' dir vor, wenn ein Professor, der die Mutter Gottes liebt, während einer Vorlesung über Religion ständig ,Mutter Gottes, ich liebe dich, Mutter Gottes, ich liebe dich' sagen würde, würden ihn alle für verrückt halten. Bei wichtigeren Tätigkeiten sage nur: ,Hl. Mütterchen, ich komme und möchte bei dir sein, ich gebe mir Mühe, hilf mir' — das reicht.“

„Falls ich malen sollte, welchen Zeitpunkt aus dem Leben unseres Herrn Jesus sollte ich dafür wählen?“

„Am schönsten sieht unser Herr Jesus vor seinem Leiden aus. Sieh nur.“

Ich sah seine wunderschöne, helle Gestalt in einem weißen Gewand und Sandalen. Er war groß und stand aufrecht. Dann löste er sich auf, und ich erblickte die Mutter Gottes. Sie war groß, hatte eine klassische, etwas zu lange Nase, ovale dunkelbraune Augen, einen kleinen Mund, und ihr Gesichtsausdruck war sehr ernst und aufmerksam. Sie trug einen hellblauen Mantel und ein weißes Kleid mit hoher Taille.

„Wirst du sie so in Erinnerung behalten?“

Nachher sprachen wir über die Heiligen, über den Papst und die Priester. Meine heilige Mutter antwortete mir auf alle Fragen.

„Sei behutsam im Umgang mit den Menschen. Du wirst damit gut zurechtkommen, denn unser Herr Jesus schenkt dir die Fähigkeit zu erkennen, was gut ist. Er verlangt nicht viel, aber man muß ihm jeden Gedanken, jede Arbeit weihen. Arbeit sollte wie ein Gebet verrichtet werden. Die Liebe, die vom Himmel kommt, ist die einzige vollkommene und beiderseitige Liebe, bedenke aber: Diese Liebe verpflichtet. Lies gute, aber nicht nur religiöse Bücher. Philosophie führt zu nichts. Die Philosophen bekämpfen sich gegenseitig, jeder von ihnen schöpft von seinem Vorgänger und gibt den eigenen Werken dann nur eine neue Form. Bücher, die den Menschen etwas gute Heiterkeit bringen, sind besser.“

2.1.1936

Ich habe in der Zeitung gelesen, daß irgendein Verbrecher gehängt worden ist. Daraufhin fragte ich meine hl. Mutter, ob er nun verdammt sei. Sie erklärte mir, daß Jesus Christus nicht so urteile, wie wir es hier tun. Eine Sünde kann schwer oder leicht sein, es kommt auf den an, der sie begeht. Unser Herr Jesus sieht den psychischen Zustand eines Sünders, erwägt erbliche Belastungen, die Umwelt, die Umstände, summiert alles und spricht dann erst das Urteil.

Ich durchlebte jetzt eine seltsame Phase. Nach Jahren des Wartens, der Sehnsucht und Leere, war ich jetzt bis auf den Grund meiner Seele berauscht durch all das Wunderbare, das auf mich zugekommen war. Ich war sehr verwirrt, überrascht, und ich liebte so sehr, daß ich nicht anders als mit dem Herzen an diese Dinge herangehen konnte. Der Weg, den ich gehen sollte, um mein Ziel zu erreichen, war so wundervoll, daß ich eben dieses Ziel vergaß. Schmachtend gab ich mich meinen inneren Erlebnissen hin und genoß die Glückseligkeit und unaussprechliche Wonne, die zeitweise meine Einsicht, daß es eigentlich so nicht sein sollte, verdeckte. Ich wollte immer nur haben und haben und haben; nichts anderes als diese Gefühle, ohne etwas dafür zu geben. Es war deshalb meine Schuld, daß die Dankbarkeit, Bewunderung, Liebe und Verehrung, die ich für meine so geliebte Heilige empfand, statt mich vorwärtszubringen, meinen inneren Fortschritt und die beabsichtigte Selbstaufgabe nun zu erschweren begannen. Ich verlor mich selbst in dieser Liebe. Ich hatte damals noch nicht begriffen, daß Gott sich in seiner Barmherzigkeit denen, die für ihn auf irgend etwas in ihrem Leben verzichten oder für ihn dem Leben selbst entsagen, mit eben diesen unbeschreiblichen inneren Zuständen der Glückseligkeit auf dem beschwerlichen und langen Weg der Vervollkommnung — für die ganze Entsagung — erkenntlich zeigen will. Es war mir noch nicht bewußt, daß all die Freuden des Geistes, die dem Menschen nur helfen und ihn erquicken sollen, nicht etwa das Ziel sind! Sie sollen für ihn nur das sein, was für den in glühender Hitze beim Bau einer Landstraße beschäftigten Arbeiter ein Schluck frisches, kühles Wasser ist. Ich wußte damals noch nicht, daß man beim Arbeiten nicht nur an dieses Wasser denken darf. Daß man die Belohnung und Erfrischung nicht zu sich nehmen darf, ohne zu arbeiten. Das habe ich alles nicht verstanden und aus diesem Grunde diktierte mir meine hl. Mutter am 4. Januar folgende Worte:

„Ich möchte dir dringend sagen, daß du noch einmal von dir aus ein Opfer bringen mußt, wenn du mein geliebtes Kind sein willst. Ich komme nicht deshalb so oft, damit du steckenbleibst. Man muß nicht steckenbleiben! Du mußt dein Gleichgewicht wiedererlangen, das heißt, du mußt dir folgendes bewußt machen: Bei jedem Eintreten in eine neue Sphäre, eine Sphäre der Vervollkommnung des Geistes, mußt du fühlen und spüren, was unser Herr Jesus von dir fordert. Vor einigen Tagen war ich bei dir und spürte Erschöpfung. Ich verspürte deine Erschöpfung. Ich muß dich zum Ausruhen bewegen. Fulla, mein liebes Kind! Ich verhelfe dir zu mehr innerer Ruhe. Die Gegenwart unseres Herrn Jesus wirkt in einem Menschen völlig anders, auch wenn sie uns bei Tag und bei Nacht zieht, und die Sache verhält sich anders, wenn ständig und ohne Unterlaß irgendein bereits verstorbenes Wesen, auch wenn es eine heilige Nonne ist, deine Gedanken, deine Seele und dein Herz ausfüllt. Ich wünsche mir, daß du diese Angelegenheit, so gut es geht, für dich in Ordnung bringst, und zwar in der nächsten Woche. Aus diesem Grunde werde ich solange nicht herkommen. Solltest du es nicht selbst schaffen, wäre ich gezwungen, dir die entsprechenden Stunden für alles zu bestimmen. Den Rest sage ich dir abends.“

4. 1.1936, abends

„Du kannst doch denken und überlegen. Ich weiß, du hast mich soweit verstanden, daß du schon am Sonntag anfangen kannst, meine Wünsche für diese Woche zu erfüllen.

Außerdem sage ich dir noch, daß alle menschliche Intelligenz auf der Welt zwei grundsätzliche Kraftanstrengungen unternehmen sollte für das ewige Leben: Sie soll nur Gott den Herrn wirklich lieben! Weiter nichts! (Der hl. Augustin hat das gut verstanden) Der Kraftaufwand für das irdische Leben ist schwieriger, komplizierter. Die Welt — das sind die Menschen. Man muß mit Güte und Freundlichkeit an sie herantreten, mit Verständnis und Vergebung, mit viel Zeit und großzügig, ohne Dankbarkeit zu erwarten, mit Rat und Hilfe, mit der Kunst, Streit und Zwiespalt zu schlichten, ihre Trauer und Verzweiflung zu mildern.

Beim Eintritt in die Existenz, Fulla, braucht man unbedingt Glauben, Energie, Geduld und Verständnis. Darüber hinaus Klugheit, die Kunst, zu gefallen, Selbstsicherheit und Gesundheit. Vergiß nicht, mein Kind, daß es noch andere sehr wichtige Dinge gibt wie Pünktlichkeit, Pflichtbewußtsein und Vertiefung des Fachwissens. Die vorgenannten Eigenschaften können unterstützt werden durch Regelmäßigkeit beim Schlafen, Essen und beim Vergnügen. Ja, Fulla. Man muß gegen Widerstände ankämpfen. So und nicht anders ist die Welt erschaffen. Man darf aus falscher Furcht vor dem Unbekannten nicht flüchten und faulenzen. Das ist der verkehrte Weg der Faulheit, die die Sünde fördert. Wenn du eine Arbeit gern machst, betest du damit zu Gott. Gott der Herr kennt und sieht dich. Bleibe ihm gegenüber stets ein Kind. Hier brauchst du weder Klugheit noch Philosophie. Diese sind für die Menschen. Gib Gott nur Liebe.“

Die nächste Woche hindurch setzte ich all meinen Willen und mein Herz ein, um meiner Heiligen zu gehorchen. Um in mir die unpassende Gier nach inneren Eindrücken auszurotten, beschloß ich, diese ganze Woche lang auf die Freuden zu verzichten, die der Gedanke an sie, das Betrachten ihres Abbildes, die Erinnerung an ihre Worte für mich bedeuten. Ich bemühte mich nur das zu tun, was meinem Herrn Jesus, also auch ihr, gefallen könnte. Mit größter Anstrengung unterwarf ich mich der äußeren und inneren Disziplin und erlaubte mir nicht die kleinste Abweichung.

Die ersten drei Tage hindurch weinte ich zwar, benannte aber auch vor mir selbst nicht den Grund für diese Tränen. Obwohl ich in dieser Hinsicht keine Bedenken hatte, rief ich mein hl. Mütterlein nicht ein einziges Mal bewußt um Hilfe an.

Nach einer Woche schaffte ich es schließlich, die Sehnsucht und die fruchtlosen Versenkungen in die eigenen Erlebnisse zu beherrschen. Dadurch, daß ich mir meinen vorhergehenden Fehler bewußt machte und mich davon überzeugte, daß man diesen Fehler in sich bekämpfen kann, erlangte ich einerseits die Freude durch den Sieg, andererseits jedoch hatte ich nun doppelt so viel Verantwortung für alle meine zukünftigen Verfehlungen.

11.1.1936

An diesem Tag kam, nach einer ganzen Woche der Abwesenheit, meine Heilige wieder zu mir. Gleich zu Anfang sagte sie, sie werde mir beibringen, Menschen zu heilen.

„Je größer deine physischen und geistigen Kräfte, desto mehr wird es dir gelingen, verschiedene Krankheiten durch Berührung zu heilen. Erzähle im Kloster noch nichts davon. Du wirst selbst fühlen, wann du damit anfangen kannst. Weißt du, unser Herr Jesus wollte nicht immer Wunder vollbringen und die Heiligen konnten es nicht immer. Wenn du sie um Hilfe bittest, wirst du wissen, ob du sie auch bekommst. Fulla, geh' etwas eher zu Bett.“

12.1.1936

In der Nacht waren zwei seltsame Gestalten bei mir. Ich fühlte, daß es böse Geister sind und fürchtete mich vor ihnen. Ich wußte nicht, was sie von mir wollten. In mir verkrampfte sich alles aus unfaßbarer Angst. Ich begann deshalb, inständig zu beten, damit sie verschwanden.

Morgens, auf dem Weg zur Kirche, überlegte ich, daß ich bestimmt etliche Sünden begangen habe und aus diesem Grunde heute nicht zur hl. Kommunion gehen sollte. Als ich in der Kirche ankam, war ich nicht fähig, zu beten. Es war mir, als ob Jesus Christus sich von mir abgewandt hätte, als ob meine Gebete dumm, nichtig und nutzlos seien. Irgendeine unheimliche Kraft hinderte mich daran, an die Kommunionbank heranzutreten. Ich verließ deshalb die Kirche, irrte bis zur Mittagszeit durch die Straßen und konnte mich nicht beruhigen. Mit erschreckender Klarheit wurde mir meine ganze Unvollkommenheit, wurden mir meine Fehler und Schwächen bewußt. Ich wußte zwar, daß die Gnade Gottes für jeden Hilfe bereithält, konnte sie jedoch nicht rufen. Und anstatt mir Mühe zu geben, diese plötzliche geistige Ohnmacht zu überwinden, verfiel ich ihr immer tiefer. Meine Verzweiflung kannte keine Grenzen, als ich dachte, daß meine geliebte hl. Mutter möglicherweise niemals mehr zu mir käme, weil ich Jesus Christus nicht empfangen habe. Sie kam jedoch noch am selben Abend und diktierte mir die folgenden Worte:

„Der Weg, der zu unserem Herrn Jesus führt, ist immer gerade. Ich wußte, daß du gut erschaffen bist, nur war die künstliche Kruste schon zu dick geworden, und deine Seele konnte nicht mehr atmen. Ich kam, beobachtete dich mit der Liebe Jesu Christi, und jetzt werfe ich den wertlosen Plunder, der sich in dir angehäuft hat, weg. Man muß immer vorwärts gehen — nie stehenbleiben; denn dieses Stehenbleiben ist eine unnatürliche Anstrengung. Mögen deine Schritte ausgeglichen sein, wie die Schritte unseres Meisters, wie jede seiner Zuwendungen an bedauernswerte Menschen. Deine Liebe sei gut und aufrichtig, wie die Liebe, die ich für das Glück eines geliebten Wesens empfinde. Jede Regung deines Herzens und jede deiner Taten sollen unseren Herrn Jesus und dich selbst erfreuen. Wo Güte herrscht, da gibt es keine Traurigkeit und keine Verzweiflung. Merke dir, Fulla, wenn dein Wille so ist, daß du aufrichtig danach strebst, mit deinen Taten ganz Gott dem Herrn zu gefallen, wirst du dieses Ziel sicher erreichen.

Zuweilen fühlt der Mensch sich trotz seiner ganzen Mühe erbärmlich, unfähig und so klein, daß er sich schämt, ernsthaft zu denken. Solch ein Zustand stammt für gewöhnlich von Gott und ist oft eine Reaktion auf sehr großes Selbstvertrauen. In solchen Augenblicken sollte man sich nicht um Ungewöhnliches bemühen, denn auch das Gewohnte kann mißlingen. Man soll das gleiche tun wie ein Kind, wenn es sich schämt und müde ist: entspannen und sogar schlafen. Erst später soll man darüber nachdenken und sich fragen, warum wollte mich der gute Jesus an meine Mittelmäßigkeit erinnern? Du wirst immer feststellen, daß der Mensch noch unvollkommen ist. Ich weiß, daß du mein Kommen heiß ersehnst. Möge also diese, in ihrer Art einzige geistige Visite für dich, mein Kind, von Vorteil sein. Ich war zufrieden mit dir, auch wenn du mich nicht richtig verstanden hast. Vielleicht sollte ich dir das erklären. Nimm zu diesem Zweck ein Notizheft und schreibe darin jeden Tag systematisch auf, welchen Gewinn du aus der Erkenntnis von Wahrheit hattest.

Ist diese Erkenntnis hilfreich oder störend im praktischen Leben?

Ist es schwierig, den Nächsten zu lieben?

Ist es möglich, gut zu sein?

Was bedeutet für dich Demut?

Sollte man arbeiten, und warum?

Wie soll man die herzliche Zuwendung eines Mitmenschen schätzen?

Welchen Nutzen bringt die Herrschaft über sich selbst und sein ,Ich'?

Wann benötigt man Stolz und Ehrgeiz?

Du kannst eigene Fragen hinzufügen und sie mir beantworten. Ich werde an jedem Samstag begradigen, was dir verändert vorkommt. Schreibe nur dann, wenn der richtige Zeitpunkt dafür da ist, d. h. wenn es dir leicht fällt, zu denken. Schreibe nicht viel, nur direkt, ehrlich, wahrhaft und nicht ausschweifend. Denke so, mein Kind: In vier Monaten bin ich ein neues Wesen, ein Kind Gottes. Die heiligste Mutter nimmt ein williges Kind an die Hand und führt es, wenn es sich nicht losreißt, belehrt es — wenn es wissen will, rettet es, wenn es ihr vertraut, heilt es, — wenn es krank ist, erheitert es, wenn es traurig ist, stärkt es, wenn es schwach ist, bittet ihren Sohn um Vergebung, wenn es sündigt ...

Liebe die Mutter Gottes, schmiege dich an sie. Sie hat dich und deine Absichten in Tschenstochau gesehen. Sie hat schon früher dein Gebet gehört: ,Gedenke, o gütigste ...' Um alle Gaben für dich bitte ich zuerst sie, die uns aus Liebe ihren Sohn geopfert hat.

Manchmal bist du wie ein Kind. Mach dir keine Gedanken darüber, ob mir das eine oder das andere gefällt. Ich schätze deine guten Absichten, dein leidenschaftliches Herz und die Liebe, die du schon gut ausgerichtet hast. Gott ist gerecht und treu. Er enttäuscht niemals. Am Ende krönt er jede kleinste Mühe, die man ihm erwiesen hat, mit gutem Lohn und hoher Ehre. Wahrscheinlich werden wir uns wohl fühlen miteinander. Gott ist groß und allmächtig und besiegt alle bösen Mächte. Ich verabschiede mich von dir, mein Kleines. Sei ruhig und schweigsam.“

16.1.1936

Gegen zwölf Uhr in der Nacht wurde ich plötzlich wach. Mit überraschender, gewaltiger Kraft erfaßte mich die Liebe zu meinem Herrn Jesus. Ich fühlte, daß ich ihn über alles liebe — über alles! Es war nicht mehr der Gedanke an Liebe, sondern es war die Liebe selbst – lebendig, flammend — und ich empfand sie mit meinem ganzen Wesen.

Und da sah ich, in ungeahnter, geradezu unrealer Ferne, die Gestalt Christi. Sie war verschwommen und aschgrau. Ich strebte zu ihr, mit einer Sehnsucht, die schmerzlich und zugleich wunderbar süß, einer Sehnsucht, die überwältigend war, die meine Seele aus mir herauszuschleppen schien.

Jesus der Herr näherte sich langsam. Er schwebte von weitem heran, immer klarer, heller und näher.

Gleichzeitig verspürte ich, wie mich eine Welle von durchdringender Hitze und Ohnmacht erfaßte, zuerst an den Füßen. Ich erstarrte, je mehr sich Jesus mir näherte. Dieses Gefühl kann man nicht beschreiben. Ein freudiges und vertrauensvolles Sterben, ein wundersam süßes Erstarren, etwas, das man nur mit einem höchst wonnevollen, höchst süßen, unendlich beglückenden Tod vergleichen könnte.

Mein Herr Jesus war mir schon ganz nah. Ich sah sein leuchtendes, ernstes, wunderschönes Gesicht. Mir war, als müßte dieser Rausch aus Liebe, Sehnsucht und Verzückung mich jeden Augenblick erschlagen, mich blenden und vernichten. Ich spürte meinen Körper nicht mehr. Es gab weder das Licht, noch gab es mich, noch dieses heilige, leuchtende Gesicht ganz in meiner Nähe.

Und dann wußte ich nichts mehr von mir. Was seit diesem Zeitpunkt mit meinem Bewußtsein geschah, könnte ich nur als eine seltsam unpersönliche, höchst glückliche, höchst erfreuliche und vollkommene Vereinigung mit Jesus Christus umschreiben.

Es gab nur ihn — aber irgend etwas wußte noch, daß er da war ...

18.1.1936

Meine hl. Mutter teilte mir mit, das, was ich letzte Nacht erlebt hatte, eine Ekstase war, und daß wir beide für eine Weile im heiligsten Herzen Jesu geweilt hätten. Unser Herr Jesus schenkt dann eine Ekstase, wenn in der Seele nicht der Schatten einer sündigen Absicht zu finden ist.

„Fulla! Fürchte dich nicht vor Problemen. Ich mußte auch mit ihnen fertig werden. Ich hatte zu vielen Dingen nicht den Mut, das weiß ich jetzt. Ich vollbrachte viele Wunder und hatte einen intensiven Kontakt zum Jenseits, aber ich schwieg. Was das Schweigen betrifft, mache ich dir keine besonderen Auflagen.“

Ich besuchte jetzt oft das Kloster. Ich wußte, daß die Nonnen stets mit großem Interesse den Erzählungen über ihre hl. Stifterin entgegensahen. Ich erinnerte mich daran, wieviel Güte und Geduld Mutter Helena mir stets erwiesen hatte, und erzählte ihr deshalb besonders häufig und ausführlich von meinem hl. Mütterchen. Sie nahm alles ergriffen und gläubig auf, fragte mich nach Einzelheiten und bat sogar ab und zu, ich solle meiner Heiligen diese oder jene Frage von ihr stellen.

Seit langem lag mir schon eine bestimmte Sache auf dem Herzen und ich beschloß endlich, sie zur Sprache zu bringen. Seit dem Erscheinen meines hl. Mütterchens, seit dem Tage, als ich sie so lieben lernte, schmerzte mich die Tatsache, daß man im allgemeinen so wenig über sie sprach und wußte. In keiner unserer Kirchen stand ihr Altar. Als ich in Buchläden nach der Lebensgeschichte der hl. Magdalena‑Sofia fragte, sagte man mir, daß man außer dem „Inneren Leben“ nichts da habe und in dem Geschäft mit Devotionalien fragte man mich, als ich um Bilder von ihr bat, ob eine Heilige mit diesem Namen überhaupt existiere. Dabei wurde die hl. Magdalena‑Sofia in demselben Jahr heiliggesprochen wie die hl. Teresia vom Kinde Jesu! Nur konnten die Karmeliter einige Jahre später dafür sorgen, daß ihre „kleine große Heilige“ bereits in der ganzen Welt bekannt war. Wieviel Liebe und Dankbarkeit hat sie mit ihrem „Rosenregen“ für Gott erwirkt! Und mein heiliges Mütterlein? Wie konnte sie erhören, wenn sie nicht gebeten wurde? Wie konnte sie vermitteln, ohne daß man sie anrief? Dabei hatte sie den so innigen Wunsch, die Seelen dem heiligsten Herzen nahezubringen!

Als ich im Kloster dieses für mich so dringende Anliegen vorstellte und meine Idee von der Herausgabe von Bildern nach einem Originalfoto, das ich inzwischen erstanden hatte, äußerte, wurde das Ganze wärmstens aufgenommen und erörtert. Es zeigte sich leider, daß die Mittel des Klosters die Kosten einer Reproduktion nicht decken konnten. Mir war diese Sache jedoch so wichtig, daß ich mit größter Freude für das erste Honorar, das ich für meinen Unterricht erhielt, eine größere Anzahl Bilder machen ließ. Auf ihrer Rückseite stand, gemäß der deutlichen Anweisung meines heiliges Mütterchens, das Gebet, das sie mir am 15. Dezember diktiert hatte.

Alle, an die ich diese kleinen Bilder später austeilte, begegneten meiner Heiligen äußerst herzlich und vertrauensvoll. Nur einmal wurde ich mit der Frage überrascht, aus welcher Sphäre die hl. Magdalena‑Sofia wohl herkomme. Darauf ließ sie selbst mich antworten, sie komme etwa aus derselben Sphäre wie unser Herr Jesus. Ein anderes Mal äußerte jemand Bedenken, ob eine Heilige, die so demütig gelebt habe, nach ihrem Tod überhaupt bekannt und berühmt werden wolle. Die Antwort meiner hl. Mutter lautete: ,Jesus der Herr war in höchstem Maße demütig ...“

Im allgemeinen jedoch wurde mein hl. Mütterlein so aufgenommen, als hätte man schon seit langem auf sie gewartet.

19.1.1936

Ich grüße dich, mein liebes Kind! Sei in meiner Gegenwart stets ganz gelöst und ruhig. Du hast alle Fragen begriffen, die ich dir gestellt habe. Dir fehlt nur noch etwas mehr Ruhe bei deinen Aktivitäten. Du möchtest mir manchmal zu schnell, manchmal auf eine allzu kindliche Weise zu Gefallen sein, und es gibt da kleine Mißverständnisse. Das macht aber nichts. Aus deinen guten Absichten entsteht niemals Schlechtes.

Ich sagte dir bereits, was du machen sollst, wenn du jemandem sein Leiden erleichtern willst, aber jetzt sage ich dir: Warte damit lieber noch, bis du genau verstanden hast, wie du es tun sollst, Fulla.

Du bist selbst darauf gekommen, auf welche zwei Fragen es mir am meisten ankommt: Demut und Nächstenliebe. Denke darüber nach. Das wird für dich von großem Vorteil sein. Man muß den Unterschied zwischen wahrer Menschenfreundlichkeit und vorübergehendem Enthusiasmus, zwischen Schwäche und Sentimentalität erkennen. Denke daran, die größte Sanftmut lehrt uns der Herr Jesus. Die Schwester der Sanftmut ist die Demut. Beide haben ihren Ursprung im Herzen. Fulla, du warst mir ja so nah letzten Donnerstag. Wir waren beide gleichzeitig für eine Weile glücklich in dem heiligsten Herzen. Das Glück, das du erfahren hast, hat die heiligste Mutter für dich erbeten. Liebe sie dafür.

Ich bin bei dir und segne dich, liebes Kind. Du bist jetzt schon nicht schlecht und willst immer noch besser werden. Du sollst dir deshalb keine schlechten Dinge einreden. Du bist nur so sehr anders als alle anderen. Irgendwann wirst du erfahren, warum es so ist ...

Es gibt Menschen, die sehr selten etwas Gutes tun, und da sie auch nicht viel Schlechtes tun, sind sie damit zufrieden. Sie ähneln einem verwilderten Baum, der keine Frucht und keinen Nutzen bringt. Wie angenehm und nützlich ist dagegen ein schöner Apfelbaum, der die volle Last der Früchte trägt. Würde man ihn verurteilen, selbst wenn einige seiner Früchte faul oder wurmstichig wären? So ist es, Kleines. Gott sieht, wieviel Gutes der Mensch in seiner Seele gespeichert hat, wenn sie aber leer ist oder nur Schlechtes enthält, was könnten wir dann Gott geben? Gottes Barmherzigkeit ist groß, auch für den schlimmsten Sünder, aber ,die Barmherzigen werden Barmherzigkeit erlangen'. Es ist nicht nötig, eifrig nach guten Taten Ausschau zu halten. Wenn sie sich jedoch von selbst zeigen und anbieten, soll man sie vollbringen. Der Friede und die Gnade des heiligsten Herzens sei mit euch...“

21.1.1936

„Ich grüße dich wieder, mein liebes Kind! Das Pflänzchen der Demut, das Gott so gern hat, ist in deiner Seele aufgegangen und entwickelt sich. Pflege es gut. Das Herz unseres Herrn hat deine Seele mit himmlischem Lichtschein erhellt. Du hast die Wahrheit gesehen, hast vieles verstanden und bist demütig. Unser Herr Jesus hat sich das schon seit langem gewünscht. Wer aus Liebe zu Gott Demut annimmt, den wird Gott zur Größe erheben. Was du auch immer von Gott empfängst, das bewahre und behüte, auf daß es nicht verkommt.

Ich will, daß du in dieser Woche über das Leiden meditierst. Du gehst zu Zosia X., und sobald ihr allein seid, lies ihr alles vor, was ich dir heute sage. Es ist nur für sie bestimmt. Man darf es nicht herumerzählen. Ihre Leiden sind manchmal sehr groß; sie könnte damit nicht nur ihre eigene Schuld abbüßen, sondern auch den Seelen einiger ihrer verstorbenen Verwandten eine große Hilfe sein und Erlösung bringen. Sie kann leiden. Mögen Glaube und Liebe ihr helfen, daß sie es schafft, diese Leiden Gott zu opfern, für sich und andere. Jesus liebt sie, und sie hat das richtige Verständnis für Liebe. Sie wäre in diesem Gefühl fähig, sich ganz zu opfern, für einen armseligen Menschen: Der gute Herr Jesus ist ihr nah — liebt sie — wartet. Er liebt sie — also schickt er dem schwachen Kind Leiden, erschüttert die Seele, weckt sie, ruft die Vergangenheit in ihr Gedächtnis zurück. Er ebnet den Weg zum heiligsten Herzen. Weißt du, mein Kind, du hast Zosia das Bild von mir gegeben, sie schätzt es und ist gläubig, und deshalb werde ich ihr zu Hilfe kommen. Ich werde rechtzeitig zu ihr zurückkommen und ihr ein Schreiben dalassen, das nur sie allein lesen soll. Erzähle ihr ein bißchen, Fulla, wie meine Besuche bei dir aussehen. Ich möchte ihr verlassenes Herz trösten, ihr etwas Freude schenken. Nimm sie bei der Hand, beruhige ihre Nerven in meinem Namen, und mögen die Ruhe und der Friede ihr dann erhalten bleiben.

Wer meine Hilfe wünscht, soll das kleine Bild von mir weihen und über seinem Bett aufhängen. Dann soll er sich mit seinen Problemen vertrauensvoll an mich wenden. Meditiere eine Woche lang über das Leiden, Fulla. Denke daran und schreibe alles auf, was dir dazu einfällt. Am Donnerstag um elf Uhr in der Nacht komme ich wieder. Falls dir dann noch etwas unklar ist, werde ich es dir am Sonntag vormittag erklären. Lebe wohl, ich gebe dir Ruhe und bringe dich dem heiligsten Herzen näher!“

23.1.1936

Meine hl. Mütterlein ließ mich meine geliebte, verstorbene Zdzisia sehen. Sie kam aus dem Kreis der Freude, schön und glücklich. „Tante Fulla,“ sagte sie, „der Himmel ist der Erde nah ...“ — und entschwand. Dann fragte mich meine hl. Mutter: „Wenn der Herr Jesus mich dir wegnehmen würde, würdest du ihn dann noch genauso lieben?“ Mir stockte der Atem. Ich schwieg. „Liebe ihn um seinetwillen — nicht für mich.“

25.1.1936

Ich hatte seit dem Morgen schlechte Laune und schämte mich dessen. Darum flehte ich mein hl. Mütterchen an, sie möge nicht zu mir kommen, denn ich war nicht nur dessen unwürdig, sondern auch schlecht. Sie kam trotzdem in der Nacht, drückte mich zärtlich an sich, beruhigte meine Nerven.

Als ich jedoch am nächsten Morgen wach wurde, war meine Stimmung noch mehr gesunken, und nach dem Empfang der hl. Kommunion bekam ich Zweifel, ob es berechtigt gewesen war, sie zu empfangen. Ich geriet in Verzweiflung. Bestürzt und voll Wehmut über mein eigenes Elend wünschte ich, Gott möge meine Seele auslöschen, daß nicht eine Spur mehr von ihr zurückbliebe. Als meine hl. Mutter am Abend wieder zu mir kam und sah, daß ich, von Trauer erdrückt, nicht sprechen konnte, diktierte sie mir:

„Ich grüße dich wie eine Mutter, mein liebes Kind, und muß dich tadeln. Merke dir, Fulla, du wurdest zur Existenz geschaffen und gehörst Gott dem Vater, und nichts und niemand kann deine Seele vernichten. Die Seele ist beständig und ewig, der Mensch kann sie nur freiwillig einem bösen Geist überlassen.

Ich bin doch so sichtbar zu dir gekommen und habe dir schon so oft gesagt, daß ich mit deinem Einverständnis eine gute Mutter für dich sein will. Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, was eine gute Mutter ist, Kleines? Wenn eine Mutter gut ist, muß auch das Kind gut sein. Es muß ihr vertrauen, sie lieben und ihr gehorchen. Du wirst selbst sehen, daß es dir immer zum Guten gereicht. Du verstehst deine gute Mutter noch nicht ganz, sie will dir nicht die Tränen in die Augen treiben, will deine Natur und deinen Charakter nicht ändern, sie möchte dir nur das Herz erwärmen, ähnlich dem heiligsten Herzen, damit es dir leichter fällt, alle überflüssigen Hemmungen abzuwerfen, die dir bei deinem Streben nach Vollkommenheit und Reinheit deiner seelischen Kräfte und deiner Sinne im Wege stehen. Auf diesem neuen Weg zu dem wahren Ziel hast du schon einen großen Schritt vorwärts getan. Geh' nicht wieder zurück, liebes Kind! Der Fall von oben ist leichter. So eine Fahrt zurück, das ist ein halsbrecherischer und gefährlicher Weg. Nachher ist es beschwerlich und langwierig, wieder umzukehren. Unser Herr Jesus liebt dich, wir lieben dich beide, aber ein böser Geist wünscht deinen Untergang. Sei nicht trotzig, Kind. Der böse Geist nutzt jede Gelegenheit, dich von der himmlischen Gnade zu trennen, er läßt dich deine Seele in einem trostlosen Zustand sehen, damit du am Ende aufgibst und den verlierst, der den Himmel für dich geöffnet hat. Vertraue, wie immer, auf unseren Herrn Jesus, und nage nicht an deiner eigenen Seele. Es ist eine große Anmaßung, wegen eines Sturzes gleich zu verzweifeln, während der barmherzige König bei dir zu Gast ist. Es ist verständlich, wenn die Sorge um das liebste, heiligste Herz dich plagt, aber woher kommt diese Wehmut? Wer war denn jemals ohne Sünde auf der Welt, außer Jesus und seiner Mutter? Ich bin um deinetwillen zu dir gekommen. Wohin und zu wem wolltest du dich flüchten? Versuch' jetzt erst einmal eine Weile allein zu gehen, aber achte auf dich. Solange du durch eigene Bemühungen nicht wenigstens einen deiner Fehler losgeworden bist, solange werden meine Besuche bei dir kürzer sein. Ich bereite dir Unannehmlichkeiten. Ertrage geduldig diese Buße und dann bist du befreit. Vertraue mir. Es fällt mir schwer, dich zu bestrafen, ich tue das nur zu deinem Besten. Ich verabschiede mich von dir und empfehle dich der heiligsten Mutter.“

Als ich vor Gram über meine Schuld und die mir auferlegte Strafe heftig weinte, wartete mein hl. Mütterlein eine Weile und diktierte mir dann:

„Morgen wirst du mich besser verstehen und dich beruhigen, weil du mich liebst. Dein Schmerz beunruhigt deine Nerven und deshalb bringe ich dir als Geschenk für morgen, daß du Frieden hast und demütig über die Liebe Jesu Christi und deine eigene nachdenken kannst. Du wirst sehen, wie all die böse Macht angesichts der Fülle von Liebe für dich und dein ewiges Glück schmilzt. Sieh dir an, wie groß die Liebe Gottes des Schöpfers zu den Menschen ist, welch großes Glück der Herr denen, die ihn lieben, bereitet hat. Für deinen starken Herrn Jesus ist es nicht wichtig, daß du auf diese irdische und kindliche Art mit dir selbst kämpfst. Es ist gut, wenn du schnell wieder umkehrst und dich der bösen Macht nicht unterwirfst. Mein Herz ist erfüllt von Liebe zu dir, zu deinem Gelingen, zu dem Abwenden schlechter Einflüsse, zu allem, was dich angeht. Ich liebe dich von Herzen und leide mit dir, wenn deine Seele sich selbst bekämpft. Jetzt mußt du erst einmal ruhig, überlegt, gut und fleißig sein. Ich war dir nicht böse, ich fühlte nur die Trauer und den Schmerz unseres Herrn Jesus, verursacht durch deine Hartnäckigkeit. Mach ihn nicht traurig, Fulla! Und wenn es dir gelingt, dann vermehre nicht deine Schuld durch deinen Widerstand und widersetze dich nicht seiner heiligen Gnade. Laß uns das heiligste Herz lieben, das uns auf ewig liebt.“

Inzwischen war ich zum ständigen Beichtkind des Priesters X geworden. Er wußte von meinen Visionen, denn ich sprach gelegentlich bei der Beichte davon. Er zeigte sich lebhaft interessiert und sehr zugetan. Er erlaubte mir, von seiner Bibliothek Gebrauch zu machen und ermunterte mich zur literarischen Arbeit im religiösen Bereich.

Als er jedoch alle meine Notizen zu diesen Visionen von mir verlangte, lehnte ich — da ich von meiner lieben hl. Mutter keine eindeutigen Weisungen darüber erhalten hatte — mit der Begründung ab, daß ich als sein Beichtkind nur verpflichtet sei, ihm meine Sünden und Zweifel zu bekennen. Da ich mich ständig, bei fast jedem Schritt, in der Obhut meiner geliebten hl. Mutter wußte und ihre Ratschläge und Hinweise nutzte, die sich sowohl auf das geistige Leben als auch auf alltägliche Dinge bezogen, verspürte ich überhaupt nicht die Notwendigkeit, die zuweilen heilsame und wohltuende Erleichterung in Anspruch zu nehmen, die man hat, wenn man alle seine Erlebnisse mit dem Beichtvater teilt. Hochwürden X akzeptierte meinen Standpunkt und wir berührten dieses Thema dann nur noch ab und zu außerhalb des Beichtstuhls.

Ungefähr zu dieser Zeit sagte mir mein hl. Mütterlein auch, daß mein belgischer Betreuer wirklich Kardinal Mercier sei. „Lange hat er bei den Menschen und bei seinen Zöglingen nach einer Natur wie deiner gesucht“, fügte sie hinzu. Und als ich sie dann bat, mir mehr über ihn zu erzählen, hörte ich: „Er möchte das nicht. Er will, daß du dich selbst bemühst, etwas über sein Leben zu erfahren. Er versprach, dir dabei zu helfen. Wende dich an die Ossolineum‑Bibliothek.“ Das erste Buch, das ich dort erhielt, waren seine „Hirtenbriefe“. Ich wußte, daß ich darin das Bild des Autors fände. An die subtile Schönheit meiner geliebten hl. Mutter gewöhnt, fürchtete ich — ganz menschlich und etwas kindlich — sein Aussehen könnte mich enttäuschen. Ich zögerte deshalb mit dem Umblättern, als ich mich jedoch überwunden hatte und zum ersten Mal in dieses würdevolle, intelligente und schöne Gesicht sah, verspürte ich diesen mir bereits bekannten wunderbaren, außergewöhnlich starken Strom, der mich ganz ergriff. Heftige Erregung schnürte mir die Kehle zu. Wenn die Leute im Lesesaal nicht gewesen wären, hätte ich losgeweint. Fieberhaft begann ich das Vorwort zu lesen. O Gott! Dieser große Held des letzten Krieges, Patriot, Soldat und Priester, dieser Gelehrte, Führer und großartige Staatsmann, Stolz der Kirche und Belgiens, dabei demütigster Diener der höchsten Gnadenüberbringerin — er war mein Betreuer! Ich sollte ihn sehen und mit ihm sprechen, wie mit meinem hl. Mütterlein!

Als ich an diesem Tag eine Straße überquerte, fuhr ein Autofahrer mit hoher Geschwindigkeit beinahe auf den Gehsteig auf, direkt vor mir. Mein hl. Mütterchen ergriff meine Hand und rettete mich in letzter Minute. Ich sah sie einen Augenblick lang völlig deutlich und verspürte einen starken Stoß nach rückwärts.

22.2.1936, Mein Geburtstag

„Ich komme gleich bei deinem Eintritt in das neue Lebensjahr zu dir, damit du mit mir zusammen die neue und schönste Phase deines Lebens beginnen kannst. Die nächsten beiden Jahre werden die wichtigsten für dich sein. Es wird eine Zeit der Erschütterungen und des Erwachens deiner Seele sein. Du sollst keine Dämme aufstellen. Vertiefe deine Tugenden, die bereits sehr schön keimen, sei stets aktiv und bereit, denn du hast in diesem Jahr viel zu tun. Es ist ein Jahr des Umbruchs. Zwei größere Probleme kommen auf dich zu. Sie werden dich etwas niederdrücken, sei aber ganz ruhig, denn ich bin stets bei dir und gemeinsam, praktisch Hand in Hand, werden wir die dunklen Zeiten überstehen. Andererseits kommt mehr Freude auf dich zu, als du es erwartest. Du sollst mutig vorwärtsgehen, Fulla, sollst neue Bekanntschaften schließen, achte auf dein Äußeres, also auf deine Kleidung, dein Verhalten. Dies alles kommt dir sehr zugute.

Das Band der Liebe, das uns miteinander verbindet, ist unzerreißbar. Das Ende und der Anfang befinden sich im heiligsten Herzen Jesu. Mein und Gottes geliebtes Kind! Der Segen Gottes fließe auf deine ergebene Seele und dein Herz herab. Wenn Jesus Christus, unser geliebter Erlöser, morgen in deine Seele eingeht, möge er sie erleuchten, erwärmen und mit Liebe füllen. Möge er dich nicht einen Augenblick lang verlassen, nicht nur das nächste Jahr über, sondern dein ganzes Leben hindurch. Ich wünsche dir, daß der Heilige Geist, den du im Sakrament der Firmung empfangen wirst, dir keine der sieben Gaben versagen möge. Die heiligste Mutter möge dir gnädig erlauben, sie besser kennenzulernen, und möge sie geneigt sein, dir etwas von ihren heiligen Tugenden zukommen zu lassen. Ich liebe dich, mein liebes Kind, und werde nicht aufhören, für dich zu sorgen. Aber denke daran, Fulla, daß dein Wille hierbei wichtiger ist als alle meine Wünsche, wichtiger sogar als meine ganze Liebe. Du mußt wollen, glauben und lieben; liebe den weiten Himmel, liebe die Erde und die Menschen, die Werke des Schöpfers, tue Gutes, verbreite Heiterkeit, Freude, Linderung. Ich wünsche dir außerdem, daß du mir mehr und mehr gefallen mögest, denn dann wirst du auch all denen gefallen, die du brauchst.“

23.2.1936

„Die Fastenzeit naht heran. Unser Herr Jesus durchleidet den Kreuzweg und sieht, wie seine unermeßliche Liebe in die Herzen der Menschen eingeht.

Wehmütige Ruhe und Stille erfülle die Seelen derer, die ihn lieben. Was können wir dem Herrn geben — ihm, der sein überaus heiliges Blut bis zum letzten Tropfen hergab, um uns vor der ewigen Verdammnis zu retten? Laßt uns, die wir ihn lieben, ihm unsere liebenden Herzen darbringen. Wir wollen keinen Lärm machen, denn der gute König leidet. Laßt uns ruhig werden in allem, im Sehen, im Hören, im Essen, im Sprechen, und am meisten im Sündigen. Damit geben wir unserem geliebten Jesus viel, wir geben auch für jene Unglücklichen, die sich durch ihren Willen zum bösen Tun verleiten ließen. Dadurch lindern wir sein seelisches Leid. Die heiligsten Augen unseres Herrn werden sich an unserer Liebe erfreuen, wenn sie sehen, daß wir ausdauernd und wachsam sind und nicht einschlafen. Das Herz unseres Herrn Jesus fühlt, lebt und belohnt. Sein Leiden und Kreuz mögen beständig in unserem Bewußtsein bleiben, die ganze Fastenzeit hindurch. Laßt uns die Reue für unsere Sünden und für die Sünden unserer Mitmenschen Jesus Christus geben. Geben wir ihm unsere eigenen reinen Seelen und erwarten wir so, lautlos, die Auferstehung!

Du und Bucia, ihr sollt die ganze Fastenzeit hindurch täglich das Gebet „Der du für uns gelitten hast“ sprechen. Danach, wenn ihr beide wieder unter Menschen seid, verhaltet euch leise, ernsthaft, ruhig. Du sollst nicht hungern, Fulla, nur nach der Vorschrift fasten. Bucia soll, zum Gedenken an die fünf Wunden Jesu Christi, an Freitagen nicht mehr als fünf Zigaretten rauchen, sie soll keine Kaffeebohnen kauen und freitags zum Abendbrot die ungeliebte Polenta essen.

Und nun, Kleines, sage ich dir, welches Opfer du unserem Herrn Jesus aus Liebe bringen kannst. Du kannst wählen: Entweder du verzichtest die ganze Fastenzeit hindurch auf meine Besuche oder du schenkst ihm jede Woche an drei Tagen (Mittwoch, Freitag, Samstag) ein mehrstündiges absolutes Schweigen. Suche dir das aus, mit was du auf eine größere Annehmlichkeit verzichtest. Jesus Christus wird dieses Opfer schätzen. Unabhängig von deinem Entschluß werde ich bei sehr wichtigen Angelegenheiten an Sonntagen hier sein.

Geh' zu den Bußandachten ins Kloster. Verzichte in dieser Zeit auf Gedichte und auf jede erfreuliche Arbeit. Ich empfehle euch dem leidenden Erlöser. Begleitet ihn auf seinem Leidensweg und erwartet mit ihm die Auferstehung von den Toten.“

25.2.1936

„Habe ich mich denn für immer von dir verabschiedet, mein geliebtes, weinendes Kind? Denke daran, wie lange wir beide noch zusammen sein werden — ganze Ewigkeiten. Können wir denn nicht die wenigen Augenblicke Jesus Christus ganz opfern? Laß uns beide gleichzeitig dieses Opfer bringen, dann können wir zusammen zu Füßen unseres geliebten Erlösers und seiner heiligsten Mutter sein.

Unsere Herzen werden sein heiliges Opfer miterleben und wir wissen, daß die Augen des Gemarterten auf uns ruhen und unsere aufrichtige Reue und Buße sehen werden und dann werden wir in unseren Seelen seine Stimme vernehmen, die voll Barmherzigkeit spricht: Wahrlich, ich sage dir, noch heute wirst du mit mir im Paradiese sein.

Kleines, weißt du überhaupt, wie die göttliche Güte und Barmherzigkeit aussieht? Der Erlöser selbst wird dir seine heiligen Arme entgegenstrecken, wenn du nach dieser kurzen irdischen Wanderung einschläfst, um für die Ewigkeit aufzuwachen. Das ist die einzige und größte Wahrheit. Ich sage es dir, damit du sicher weißt, daß das von allen Menschen eifrig angestrebte Glück nur hier, in Jesus Christus, zu finden ist.

Beruhige dich jetzt und bestärke die anderen im Glauben, so gut du kannst, höre auf deine innere Stimme, die dir sagt, wie man die kalten, gleichgültigen und scheinbar bösen Herzen erwärmen und entflammen kann. Beklage dich nicht über die Gaben, die du vom Herrn erhalten hast. Je mehr du gibst, desto mehr wirst du erhalten. Sehne dich nicht nach mir, sondern nach denen, die sich törichterweise von der Wahrheit und vom himmlischen Glück entfernen, hilf dem Erlöser, einige verlorene Schäfchen wiederzufinden. Nach der Auferstehungsfeier werde ich dich lächelnd begrüßen und sehen, wie mein geliebtes Kind innen und außen aussieht. Lebe wohl.“

1.3.1936

„Fulla“, fragte mich mein hl. Mütterchen, „möchtest du in ein Kloster eintreten?“ „Muß das unbedingt sein?“ „Nein, ich möchte nur wissen, welcher Orden dir am ehesten gefallen würde.“ „Gar keiner.“ „Der heilige Franziskus von Assisi hat auch keinen passenden Orden gefunden und gründete deshalb einen neuen. Hast du nie an so etwas gedacht?“ „Niemals, aber ich fühle, was für ein Orden das sein müßte.“ „Erzähle!“ Meine Antwort enthielt in Kürze ungefähr Folgendes:

„Es müßte ein weltlicher Orden sein, für Menschen aus allen Schichten, Menschen mit absolut gutem Willen. Der gute Wille würde in allem, vor allem und über allem gültig sein. Die Lehre Jesu Christi sollte in die Tat umgesetzt werden. Jeder würde bei sich selbst beginnen.

Es wäre eine mächtige Gesellschaft nach dem Muster der Freimaurer, genauso verpflichtend, und sie müßte den Freimaurern die göttliche Lehre entgegenstellen. Zur Werbung für den neuen Orden würde ich vor allem Künstler verpflichten. Genauso wie zu Zeiten der Fremdherrschaft Künstler und Dichter die nationalen Bestrebungen durch ihre Werke zu entfachen wußten, so sollten auch in der heutigen Zeit Kunst und Literatur das menschliche Denken zur Erweckung des Geistes hinführen. Äußeres Zeichen der Zugehörigkeit zu diesem Orden wäre nur ein kleines Abzeichen, und zum Beweis der gültigen Mitgliedschaft müßte jeder die göttlichen Gebote ernsthaft und gründlich einhalten.“

„Richtig, Fulla! Ein Kloster besteht nicht aus Mauern. Es ist durchaus möglich, die passenden Leute um sich zu versammeln und zu arbeiten. Jesus Christus hatte nur zwölf Apostel. Klöster entstehen meistens durch Offenbarungen. Notiere alles, was dir in diesem Zusammenhang in den Sinn kommt. Wenn die Zeit dafür reif ist, werde ich dir helfen. Dein Wirken unter den Menschen wird dadurch erleichtert, daß du zu keinem Orden gehörst. Dadurch hast du größere Freiheit und kommst leichter mit anderen Menschen zusammen. Darüber hinaus ist es für dich einfach, direkten Kontakt zum Himmel herzustellen. Verdirb dir das nicht. Möge dir diese Fähigkeit für immer erhalten bleiben. Sie ist selten.“

„Selten? Und Therese Neumann? Mütterchen, hat Therese wirkliche Wundmale?“

„Stigmata kommen allein von Gott. Ein böser Geist kann keine Stigmatisation bewirken. Er kann zuweilen eine Ekstase bringen, niemals jedoch Stigmata. Im Gegensatz zur Ekstase der Liebe, die von Jesus kommt, erzeugt der böse Geist manchmal eine entgegengesetzte Ekstase (Rußland, Mexiko). Ihre Ursache ist der Haß auf Gott.“

„Warum gibt es den bösen Geist? Ich möchte ihn vernichten!“

„Jeder sollte und kann den bösen Geist in sich vernichten.“

Als mein hl. Mütterchen schon weggehen sollte, fragte ich: „Was würde geschehen, wenn ich dich festhielte und nicht wieder in den Himmel ließe?“

„Du würdest es nicht schaffen. Die Majestät der Heiligkeit ist so gewaltig, daß sie lähmt. Du könntest dich nicht von der Stelle rühren wenn du so etwas tun wolltest. Heiligkeit durchdringt den Menschen ganz bis in die Tiefe, und sie beglückt ihn.“

„Wie ist es möglich, mein hl. Mütterchen, daß ich dich sehe, wo du doch ein Geist bist? Ich habe dich berührt und fühlte den rauhen Stoff deiner Tracht, wie geschieht das?“

„Siehst du, Fulla! Es wäre möglich gewesen, daß du nur meine Stimme hörst. Noch andere Möglichkeiten wären, dir im Traum zu erscheinen, wie ich es manchmal tue, oder nur einige Anweisungen zu diktieren. Unser Herr Jesus erlaubt mir jedoch, so, wie du mich jetzt siehst, zu dir zu kommen. Damit du mich mit deinen Sinnen wahrnehmen kannst. Ich schöpfe aus der Luft die Atome der Materie, die zur Herstellung meiner Gestalt notwendig sind, und wenn ich gehe, zerstreue ich sie wieder. Ich könnte dir als kleines Kind erscheinen, als junges Mädchen, als Erwachsene oder als alte Frau. Nach dem Willen Gottes ist uns alles möglich. Für uns existieren weder Raum noch Zeit. Alles ist einfach und leicht.“

„Sehen die Heiligen im Himmel so aus wie auf der Erde zum Zeitpunkt ihres Todes?“

„Nein. Im Himmel ist niemand alt. Wir sind alle jung und schön. Wir haben alle das Alter Christi. Allein die Kinder bleiben Kinder und halten sich im hellen Kreis der Freude auf.“

„Heiliges Mütterchen, was bedeutet: ,Du gehörst zu uns'? Das hast du mir bei deinem zweiten Besuch gesagt.“

„Das bedeutet, Fulla, daß du die Möglichkeit hast, zu uns, in unseren Kreis der göttlichen Liebe zu gelangen, aber es ist ein schwieriger und weiter Weg. Das soll dich jedoch nicht abschrecken. In 15 Jahren könnte ein Mensch für sich selbst nicht das erarbeiten, was ich innerhalb einer Woche — ob es dir bewußt ist oder nicht — in deine Seele einfließen lasse. Du mußt stark sein. Viele Menschen werden in Zukunft zu dir kommen und dich um Rat oder ein Gebet bitten. Sie werden dich bitten, Kranke zu besuchen. Du kannst dich ihnen unbesorgt nähern, sogar den ansteckend Kranken. Dir wird niemals etwas geschehen. Du sollst jedoch nicht überall hingehen, wohin man dich bittet. Du wirst wissen, wann du ablehnen sollst. Zwinge mich niemals jemandem auf, solange du nicht einen innigen Glauben bemerkst. Es werden zuweilen auch Menschen zu dir kommen, die keinen guten Willen haben. Sie werden nichts erreichen. Viele werden jedoch von der durch dich wirkenden Gnade des heiligsten Herzens erfrischt, gestärkt, geheilt und Gott näher gebracht. Du wirst fähig sein, in den Seelen zu lesen, und das schon bei der ersten Zusammenkunft. Du wirst die Gnade besitzen, den Wert eines Priesters herauszuspüren, oft sogar, wenn du ihn nur ansiehst. Sprich deine Werturteile nicht aus. Sie sind für dich bestimmt. Ich gehe jetzt, mein liebes Kind. Behalte alles im Gedächtnis, was ich dir gesagt habe. Ich sehe deinen guten Willen.“ Und plötzlich sagte sie mit einem überraschenden Lächeln: „Manchmal möchtest du mir auf kindliche Art so sehr gefallen — wie ein Kind seiner Puppe ...“

12.3.1936

„Du bist mein geliebtes Kind, deshalb kann ich dir auch, wie eine Mutter, zu jeder Zeit sagen, was ich nicht an dir sehen möchte. Du mußt wissen: Wenn du so mager bist, hast du keine guten Nerven und es könnte dir, selbst bei deinem guten Willen, an Kraft zum Durchhalten fehlen. Man muß seinem Mütterchen gehorchen, denn bedenke selbst:

Wenn ein Kind eine gute Mutter hat und ihr viel Sorgen bereitet, ist es mit Sicherheit leidend. Das wollte ich dich wissen lassen, denn ich will, daß du mir gesund bleibst und dich ordentlich ernährst.

Behindere mich nicht an deiner Pflege. Achte auf deine Gesundheit. Du mußt deinen linken Schuh zum Schuster bringen, er ist undicht. Ich erwarte, daß du für unseren Herrn Jesus gesund, stark, fröhlich und normal bist. Willst du das auch, Fulla? Ich weiß, du liebst mich und wirst mir keinen Kummer bereiten. Ich segne deinen Kopf und dein Herz.“

17.3.1936

„Sei gegrüßt! Ich bin bei dir, wache und liebe ... Du siehst, was wirkliche und heilige Liebe vermag. Ich bin schon eher gekommen, als ich es angekündigt hatte, denn du machst trotz einiger Zweifel rasche Fortschritte und erreichst meine Pläne. Das ist gut.

Du mußt nicht denken, Fulla, daß deine Liebe zu mir kleiner wird, wenn du noch andere himmlische Wesen lieben lernst. Im Gegenteil! Liebe alle Bewohner des Himmels so sehr du kannst, und du wirst sehen, daß ein einziges leidenschaftliches Herz dafür ausreicht. In den nächsten Tagen will die kleine heilige Theresia zu dir kommen.

Während der Bußandachten wirst du dich im Hause meiner Töchter wohl fühlen. Ich werde mit dir sein. Denke daran, daß man dich dort aufmerksam beobachtet. Dränge mich niemandem auf. Bemühe dich jederzeit, unserem Herrn Jesus zu gefallen, selbst dann, wenn er dich mit Widrigkeiten prüfen will. Denke an deine Mitmenschen, wie du es bis jetzt tust, dann wird Jesus auch an dich denken. Ich lasse dich unter dem Kreuz.“

Für die dreitägige Dauer der geschlossenen Exerzitien wohnte ich im Kloster. Während des Unterrichts erschien mir, sooft Hochwürden X. das heiligste Sakrament beim Namen nannte, in der Luft eine leuchtende Hostie, und ich geriet in Verzückung, so daß ich mir nachher nur mit Mühe bewußt machen konnte, wo ich war und was um mich herum geschah. Ich wollte nicht, daß es jemand bemerkte und versuchte diese Zustände so gut ich konnte zu verbergen. Die Häufigkeit dieser Ekstasen verzehrte meine Kräfte. Während der hl. Kommunion konnte ich mich nicht mehr beherrschen, ich merkte zeitweise nicht einmal, daß ich weinte, bis ich Tränen auf meinen Händen spürte.

Während dieser drei Tage schrieb ich, nach deutlicher Anweisung meiner geliebten hl. Mutter, den Kreuzweg auf.

5.4.1936, Palmsonntag

An diesem Tage erschien mir mein hl. Mütterlein nur kurz, und sie diktierte:

„Der Friede Christi sei mit dir. Es sind nicht viele Worte nötig, du versicherst dich nämlich immer mehr der Tatsache, daß wahre Freude, Zufriedenheit und wahrer Friede im Herrn sind. Verteile großzügig die Gaben, die unser Herr Jesus in deine Seele legt, an deine Mitmenschen. Das lohnt sich und wird dir hundertfach zurückerstattet.

Sooft du nur kannst, schreibe, schreibe! Vergeude keine Zeit. Deine Stationen sind traurige Gedichte über die Tragödie des Gottmenschen, aus denen viele, die schwankend sind, das Glück der Erlösung für sich entnehmen. Gut, daß du sie der ehrwürdigen Mutter gewidmet hast. Denke daran, du sollst dem Kloster nicht ausweichen.

Heute kommt Kardinal Mercier zu dir. Begrüße deinen Betreuer herzlich. In Kürze wird Gott zulassen, daß auch auf der Erde bekannt wird, daß er ein großer Heiliger ist. Dein Betreuer wird dir mehr und mehr vertraut sein und dich die Liebe zu der heiligsten Mutter lehren, welche deine Stimme bereits vernommen hatte, bevor das Licht des Glaubens in deiner Seele war. Zu jener Zeit schon hat sie ihren Sohn gebeten, sein Augenmerk auf dich zu richten, und auf die Fürsprache seiner Mutter hin vertraute er mir dich als mein Kind an. Du siehst, Fulla, wie die heiligste Mutter dein Flehen erhört hat. Ihrem gnädigen Herzen entgeht nicht der kleinste innige Seufzer. Sie liebt dich. Und wenn sie zu mir über eine dich betreffende Sache spricht, sagt sie immer: ,Unser geliebtes Kind'. Ja, unser geliebtes Kind! Du hast zwei liebende Mütter, und beide lieben dich so, wie man nur im Himmel lieben kann.

Dein Betreuer hat es gern, wenn du Kardinal zu ihm sagst, sobald er dir jedoch vertraut ist, kannst du ihn Freund oder ,Deza' nennen ...“

Nachdem mein hl. Mütterchen gegangen war, suchte ich in mir fieberhaft nach Worten, mit denen ich zu meinem Betreuer beten könnte. Bevor ich sie fand, stand plötzlich eine hohe Gestalt vor mir — nicht die eines alten Mannes, wie ich vermutet hatte, sondern ein noch junger Mensch mit freundlichem Blick und gewinnendem Lächeln. Als ich ihn sah, verstand ich mit einem Mal, warum mein hl. Mütterchen mir gesagt hatte, ich solle ihn Freund nennen. Er kam mir so bekannt, so vertraut, so gut vor!

Ich fühlte keinerlei Befangenheit und wußte sofort, daß es mir sehr leicht fallen würde, ihn „Deza“ zu nennen. Er trug eine glatte schwarze Soutane, und seine gesamte Gestalt strahlte eine solche Pracht aus, daß ich trotz meiner Unerschrockenheit tief beeindruckt war. Deswegen kann ich mich auch nicht mehr genau an seine ersten Worte erinnern. Ich weiß nur noch, daß er irgend etwas davon sagte, daß ich dann und wann nicht einmal gegen mich selbst aufrichtig wäre. Danach diktierte er mir auf die gleiche Weise wie mein hl. Mütterchen die folgenden Worte:

„Meine teure Freundin! Nach nahezu einem Jahr der Verbindung mit der geistigen Welt bist du soweit gereift, daß du dich nicht vor unbefugten Menschen des Umgangs mit lichten und heiligen Geistern rühmen wirst.

Als dein Deza noch bei den Menschen lebte, war er sehr aktiv. Er arbeitete, mühte sich, führte Krieg, strauchelte auch bisweilen, am Ende jedoch kam er bei Gott und der Mutter Gottes an. Vor einem Jahr nahm ich dich, Fulla, in meine Obhut, und seitdem wache ich über dir aus dem Kreis der Weisheit heraus, in dem ich wohne. Die Menschen haben für gewöhnlich ihren Vorteil im Sinn, und es paßt nicht in ihre Köpfe, daß der Umgang mit reinen Geistern ihnen etwas bringen könnte. Dabei kann er so vieles bringen! Denn was kann der Mensch wohl besseres erlangen als tiefe, reine Befriedigung? Schau, Fulla! Ich habe als Priester die heiligste Mutter von ganzem Herzen lieben gelernt, ich war ständig bemüht, ihr meine Treue und Verehrung zu beweisen und ihr zu Füßen zu liegen. Schon auf der Erde ist sie mir erschienen, und hier darf ich meine geliebte Himmelskönigin zu jeder Zeit schauen. Sie hat mich durch mein Leben geführt. Groß ist die Macht Mariens, der Höchsten der Heiligen. Ihr heiliger Wille ist Befehl, denke immer daran.

Dein hl. Mütterlein ist mein geliebtes Mädchen. Wir wurden zusammengeführt, weil wir beide uns für ähnliche Dinge begeistern und ähnliches anstreben. Du gehörst zu uns, und dein Wille ist auf uns gerichtet. Wenn du ihn nicht unachtsam abwendest, wirst du hier ankommen. Ich werde dich öfter besuchen und Fragen beantworten, die geistige Dinge betreffen. Ich werde dir noch viel Unbekanntes aufdecken. Auf Wiedersehen, meine Freundin, ich lasse dir einen Lichtstreifen zurück.“

13.4.1936

„Ich war bei dir, Kleines, als du mit L. über die Lehre Jesu Christi und über seine Apostel debattiert hast. Es ist gut, daß du die Mission Jesu auf Erden verstehst und liebst, wenn du sie aber genauer verstehen willst, mußt du tiefer in die Unermeßlichkeit der göttlichen Liebe eindringen. Der Mensch ist weder mit seinem menschlichen Verstand noch mit seiner ganzen Kraft fähig zu reformieren, was ganze Jahrhunderte aufgebaut und angesammelt haben. Er ist jedoch auf der Suche nach dem Guten, er tastet im dunkeln, findet oftmals eine täuschende Imitation, glaubt an sie, freut sich darüber und sucht aufs neue. ,Suchet, so werdet ihr finden'. Wer demnach sucht, handelt richtig, denn er findet.

Unser Herr Jesus, Gott‑Mensch, verkündete den Menschen die Wahrheit, aber wie tat er es? Nicht durch Terror, nicht durch strengen Befehl, sondern auf liebevollste, herzlichste, sanfteste Weise. Er gab ein selbstloses Beispiel an Brüderlichkeit und unermeßlicher Nächstenliebe. Er liebte die Armen und Arbeitenden, also kam er ihnen nahe. Er aß mit ihnen, reinigte sie von dem Schmutz der Seele und des Körpers, brachte ihnen Freude und linderte ihr Leid. Er tat Gutes ohne Widerwillen. Sein göttliches Wesen folgte Jesus bei jedem Schritt. Wunderbare Taten, die oftmals leider auf Blindheit in den kalten und berechnenden Herzen der Menschen trafen. Er griff sie nicht an. Er ließ sich nicht von Zorn hinreißen, stellte keine Drohungen auf, wandte sich nicht ab, sondern fuhr fort, Gutes zu tun. Er wußte, daß sie vom Vater einen freien Willen erhalten hatten, das heißt, das Recht zu wählen, und deshalb, mein liebes Kind, dürfen wir nichts erzwingen, wenn wir Jünger Jesu sein wollen. Wir dürfen die Lehre Jesu Christi lediglich weiterführen, seinem Willen gemäß, also sanft, herzlich, so weit wir es verstehen und im Guten handeln können. Auf diese Art können wir den anderen die Lehre Jesu Christi näherbringen, den Weg der gegenseitigen Liebe und Hilfe.

Fulla, mein geliebtes Kind! Du brauchst dich vor nichts zu fürchten, wenn in allen deinen Taten Gott ist. Ich habe dir irgendwann schon einmal gesagt, daß du beständig im Herzen Gottes sein wirst, auf diese Worte kannst du dich fest stützen. Mögen die Dinge, die man dir jetzt vorwerfen will und die meinen Ansichten widersprechen, niemals in deine Seele eindringen. Denke stets daran, Kleines: Die irdische Pilgerfahrt hat ein Ende, das ewige Leben wiederum — es währt ewig. Die Momente trügerischer, sündhafter Freude sind sehr kurz, und was kommt nach der Sünde? Die Sünde als Tätigkeit dauert mitunter kaum einige Minuten, denen jedoch kontinuierlich und lange Zeit hindurch schmerzhafte, unangenehme und sehr traurige Dinge folgen. Sage es den Menschen, Liebes, daß sich Sünde nicht einmal für die Ungläubigen lohnt! Und ein frommer Mensch verletzt, wenn er fällt, seine eigene Seele noch empfindlicher, weil er weiß, welches Unrecht er Gott zugefügt hat, der dem Menschen die Gnade der Barmherzigkeit schenkt und ihm ewiges Glück bereitet.

Ich weiß, liebes Kind, daß viele die Absicht haben, in deiner Seele Verwirrung anzurichten. Das soll dich nicht abschrecken. Wenn sie dich ausstoßen wollen, überlege gut und gehe in dich, damit du dich bis zum nächsten Besuch bei Bekannten selbst bestärken kannst. Du merkst schon, Fulla, ein Mensch muß sehr umsichtig handeln. Unter Freunden solltest du dich unbefangen und fröhlich verhalten, zugleich jedoch so maßvoll, daß dein Beispiel den Seelen anderer immer einen kleinen Nutzen und dir selbst Freude im heiligsten Herzen Jesu einbringt.

Das Gebet zur heiligsten Jungfrau Maria wird dich lehren und dich darin bestärken, umsichtig mit Menschen umzugehen und zu sprechen. Es ist gut, mein Kind, daß du den lieben Herrn Jesus für lange Zeit in dein Herz eingeladen hast. Liebe ihn, sei fröhlich und laß ihn nie mehr fort von dir. Du wirst dich niemals in dem göttlichen Erlöser täuschen. Er wird dich ebenfalls in seine Wohnung einladen, dann wirst du sehen, welchen Empfang der König denen bereitet, die ihn lieben. Die heiligste Mutter hat mir versprochen, ihren heiligen Mantel schützend um dich zu legen. Ihre Liebe wird es dir ermöglichen, den Weg der Aufopferung für den Nächsten zu gehen und Tugenden zu erwerben, die ihr gefallen. Wenn du deine Seele genau ergründest und dabei jede Verfehlung auf deinem neuen Weg bemerkst, so denke daran, Fulla, daß du dich damit, statt ungeduldig oder verbittert zu werden, sofort an die heiligste Jungfrau Maria wenden sollst. Ihr liebendes Herz wird dir stets deine Unzulänglichkeiten offenbaren und dir zeigen, wie du eben diese loswerden kannst. Du sollst Maria lieben und täglich, ihren ganzen kommenden Monat Mai hindurch, zu ihr beten, ihr deine Wünsche und deinen Dank darbringen. Opfere ihr ein wenig von deinem Kummer, und du wirst selbst sehen, wie sie ist, diese heiligste Mutter!“

Antwort auf die Frage der Mutter Helena zu einigen Mädchen:

„Jeder Erzieher weiß, wie wundersam und empfindlich der psychische Zustand heranwachsender Mädchen ist. Die einen stürzen sich in Aktivitäten, wollen am liebsten alles ändern, so gestalten, wie es ihnen die eigene, ungestüme Phantasie eingibt. Andere verhalten sich geheimnisvoll, traurig, verschlossen und wie ausgelöscht ... Mit den letzteren hat man es schwieriger. All diesen Mädchen muß man viel Güte und Herzlichkeit entgegenbringen, und man muß in ihnen Vertrauen erwecken, denn ohne Vertrauen ist es nicht möglich, irgend etwas für ihre geistige Entwicklung zu tun. Wahrscheinlich ist Mutter Helena bei den Mädchen die beliebteste und anerkannteste unter den Nonnen. Deshalb wird es für sie leicht sein, ihnen näherzukommen und so, ganz beiläufig, eine oder zwei von ihnen zum Plaudern einzuladen. Sie sind fast alle verschieden, jede hat andere grundlegende Fehler, eine von ihnen ist sogar einem Laster verfallen. Zwei andere, sonst recht humorvoll, sind dabei, durch falsche Informationen ihren Glauben zu verlieren. Eine ist hochmütig, trotzig, kaltherzig, übertreibt leicht, ist aber sehr begabt. An jede von ihnen muß man anders herantreten. Alle sind sie begierig auf neue Eindrücke. Man muß sie zum Arbeiten anspornen, zuweilen sogar auffordern, freiwillig etwas über ihre Pflicht hinaus zu tun. Man soll ihre vertraulichen Bekenntnisse anhören, keinerlei Strenge zeigen, sie nüchtern und sachlich auf ihre Fehler und deren Konsequenzen aufmerksam machen. Güte und Umsicht wird sie alle retten, denn keine von ihnen ist absolut schlecht. Ich empfehle Mutter Helena unserem Herrn Jesus und der heiligsten Mutter.“

Antwort auf die Frage der ehrwürdigen Mutter über die Ernennung einer Novizin: „Sage der ehrwürdigen Mutter, mein Kind, daß bei dieser Novizin die Berufung ins Kloster nicht ganz rein und nicht göttlich ist (wie übrigens auch bei vielen anderen nicht). Sie ist jetzt von der Atmosphäre unseres Ordens begeistert, das ist ein menschlicher Instinkt. Das kann man nicht verurteilen, denn viele ihrer Vorgängerinnen mit gleichen Neigungen haben sich dann ihrer weltlichen Eigenschaften in hohem Maße entledigt. Danach waren sie für unsere Mission sehr nützlich. Die ehrwürdige Mutter muß die Novizin aus zwei Gründen aufmerksam beobachten: Sie muß ihren Gesundheitszustand genau kennen und dann feststellen, welchen geistigen Gewinn sie dem Kloster durch ihren Bildungsstand, ihre pädagogischen Fähigkeiten usw. bringen kann. Stellt sich heraus, daß das Kloster keine Vorteile durch sie hätte, dann sollte man ihren Platz für andere Seelen freimachen, die von Gott solche Gaben erhalten haben, wie z. B. außerordentliche Gutherzigkeit. Heiterkeit des Geistes und Besonnenheit oder sonstige außergewöhnliche geistige Fähigkeiten in Verbindung mit Charakterstärke. Andere junge Frauen, auch wenn sie fromm und eifrig bei der Sache sind, eignen sich eher für andere Klöster. Es ist gut, daß die ehrwürdige Mutter ihr Vertrauen in mich setzt. Wenn sie noch ein besonderes Problem hat, soll sie es mir ehrlich sagen und sich im übrigen weiterhin so umsichtig, zurückhaltend und diskret verhalten wie bisher. Möge das heiligste Herz ihr mehr Kraft und Gesundheit schenken und auf alle unsere Häuser reichlich Segen herabfließen lassen.“

Als mich mein hl. Mütterchen das nächste Mal aufforderte, Heft und Bleistift zu nehmen, wehte plötzlich ein kalter Wind durch das Zimmer. Ich sah noch, wie die Lampe von diesem Luftzug heftig zu beben anfing, dann wurden meine Augen von irgend etwas verdeckt. Irgend jemand riß mir das Heft aus der Hand und ich bekam einen fürchterlichen Schrecken.

Ich hörte die beruhigende Stimme meiner geliebten hl. Mutter. Gleichzeitig sprach allerdings noch jemand:

„Schreibe nicht! Wirf das hin! Du kannst auf diesem Weg nicht durchhalten. Du hast doch Religion und Glauben verspottet. Für dich gibt es ein anderes Leben.“

Ich war nicht fähig, meine Augen zu öffnen und hatte Angst, mich über das Heft zu beugen. Da erreichten mich die süßen Worte meiner geliebten hl. Mutter:

„Dir wird nichts geschehen. Ich bin bei dir, höre auf mich!“ Ich beruhigte mich sofort und öffnete die Augen. Als ich mich nach dem Heft bücken wollte, fand ich es unverhofft wieder auf meinen Knien. In dem Augenblick, als ich das Heft schon geöffnet hatte und mit dem Bleistift in der Hand auf das Diktat wartete, sah ich, wie ein Blatt heraus‑ und an drei Stellen quer durchgerissen wurde. Da sagte meine hl. Mutter, daß wir heute nicht mehr schreiben würden und ich mich ein Weilchen hinlegen und etwas ausruhen solle.

Eines Tages eröffnete mir die ehrwürdige Mutter Oberin überraschenderweise, man habe im Kloster beschlossen, daß ich das Gelübde des bedingungslosen Gehorsams gegenüber meinem Beichtvater ablegen solle. Das bedeutete ungefähr soviel: Mein ganzes inneres und äußeres Leben sollte ab sofort seiner ständigen Kontrolle und Direktive anvertraut sein. Alle meine Papiere und Aufzeichnungen, die die Erscheinungen betrafen, sollte ich auf seinen Wunsch vorlegen und ihm abgeben, darüber hinaus hätte ich für alles, was ich auf Weisung der Heiligen tat, noch seine Bewilligung einholen müssen.

Alle Einzelheiten zu dieser Angelegenheit waren bereits vereinbart worden, ohne mich vorher darüber In Kenntnis zu setzen. Ich sollte das Gelübde am nächsten Freitag ablegen, in Anwesenheit einiger Zeugen, vor dem Tabernakel in der Klosterkapelle, um fünf Uhr nachmittags. Ich war sehr überrascht. Da mir die ehrwürdige Mutter eine Woche Bedenkzeit gab, hatte ich genügend Zeit, mein hl. Mütterchen über all das zu befragen. Sie gab mir zur Antwort, daß ich, bevor ich irgendeinen Entschluß faßte, die Meinung und den Rat einiger angesehener Geistlicher einholen solle.

Daraufhin wandte ich mich an das Konsistorium und brachte mein Anliegen dem Kanzler vor, ohne den Namen des Priesters zu nennen. Er hörte mich bis zum Schluß an und sagte, daß ich als weltliche Person nicht verpflichtet sei, so ein Gelübde zu leisten, als Katholikin wiederum müsse ich mindestens einmal im Jahr meine Sünden in einer Beichte bekennen — das wäre alles. Was meine Tätigkeit betraf, bemerkte er, daß man sie erst dann in Frage stellen könne, wenn erwiesen sei, daß sie den Menschen in irgendeiner Weise — körperlich oder seelisch — schaden könnte. Das gleiche sagten auch noch zwei weitere Priester. Angesichts dessen erklärte ich im Kloster, daß in diesem Fall alles von meinem Wollen und von meiner Bereitschaft abhinge und ich aus diesem Grunde dieses Gelübde nicht ablegen würde.

Dasselbe sagte ich auch Hochwürden X. Er sagte daraufhin, daß er dieses Gelübde nur zu meinem Besten gefordert und überdies die volle Verantwortung für alles, was ich in dieser Zeit getan, gesprochen oder geschrieben hätte, auch auf sich genommen hätte. Er empfahl mir nochmal gut darüber nachzudenken. Ich lehnte ab.

„In diesem Fall kannst du nicht länger mein Beichtkind bleiben, es sei denn, du änderst deine Meinung“, sagte er.

Die Haltung des gesamten Klosters mir gegenüber hat sich seit dieser Zeit völlig verändert, einige Nonnen ausgenommen, vor allem die ehrwürdige Mutter, die mir bis zu ihrer Abreise aus Lemberg, d. h. bis Ende Dezember, die gleiche Herzlichkeit und das gleiche Vertrauen wie vorher erwies, nahmen es mir alle sehr übel, daß ich mich der Macht des Beichtvaters entzogen hatte.

Als dann mit dem Frühjahr 1937 das ablehnende Verhalten der Nonnen eine weniger ernste Form anzunehmen begann, fühlte ich mich nicht mehr persönlich verletzt, sondern sicher im Hinblick auf die mir anvertraute Angelegenheit. Da ich mich damals noch nicht genügend beherrschen konnte, schrieb ich der neuen ehrwürdigen Mutter einen Brief, in dem ich erklärte, daß kein Mittel und kein Hindernis mich entmutigen oder davon abhalten könne, die Verehrung der hl. Magdalena‑Sofia weiterhin zu verbreiten und weiterhin die Arbeit zu leisten, die Gott durch sie lenkt.

17.5.1936

„Mein vergrämtes Kind, ich grüße dich! Du weißt, daß eine gute Mutter niemals ihr Kind verläßt. Alles muß nach göttlicher Vorsehung vor sich gehen. Nur durch eigenen Willen weicht der Mensch vom Wege ab oder verirrt sich, am häufigsten aufgrund seines Hochmuts, der weder Besonnenheit noch Demut zuläßt.

Fulla! Wir beobachten alle deine Aktivitäten. Du weißt selbst, daß du in Gottes großer Gunst stehst. Ärgere dich nicht über die, die dir Böses antun. Sie kennen diese göttliche Gnade nicht und können dich deshalb nicht verstehen. Bedauere sie, damit handelst du im Sinne unseres Herrn Jesus. Ich werde stets mit dir sein. Deine Trauer tut mir weh, wir leiden beide darunter. Erhebe deine Augen zum Himmel, mein liebes Kind, dort ist deine Kraftquelle und dein Schutz. Vertraue und glaube, dann werden wir in Kürze beide frohlocken. Sorge dich nicht. Sei stark und besonnen und höre auf deinen Betreuer.“

31.5.1936 Ausgießung des Heiligen Geistes

„Mein teures Kind! Ich komme und grüße dich. Es segne dich die heiligste Dreifaltigkeit, Gott, Sohn und der Heilige Geist.

Dein Herz wird mit meinem Herzen vereint sein, Kleines. Fühle mit mir. Wir gehen gemeinsam, den Tröster zu empfangen. Von jetzt an wirst du dich nie mehr fürchten, noch deines Glaubens schämen.

Der Heilige Geist ist unsichtbar, und doch erfaßt er dich ganz, er beleuchtet den dunkelsten Winkel deiner Seele. Man muß nur glauben und wollen, lieben, vertrauen und beten. Der Heilige Geist teilt die größten sichtbaren Gaben aus. Öffne dein Herz der Liebe, dann wird deine Seele alle seine Gaben aufnehmen. Du suchtest Gott den Vater — du fandest ihn im Sohn Jesus. Du hast Jesus lieben gelernt und er sendet dir den heiligen Geist als Tröster, damit du weißt, daß sogar die unverständlichsten Worte des heiligen Evangeliums lebendig und leicht zu verstehen sind, sobald jemand sein Herz und seinen Verstand der Wahrheit öffnet, die der Erlöser verkündete.

Welchen Trost bringt Gott, der von seinem Sohn Tröster genannt wird? Keinen anderen als den göttlichen, das Licht der Weisheit Gottes, und jeder, der Jesus liebt und an ihn glaubt, ist dessen wahrhaft würdig. In diesem Sinne, Kleines, denke über meine Worte nach, der Heiligt Geist wird dir erklären, was ich war, als ich auf der Erde lebte. Ich war dem erbärmlichsten Menschen gleich. Du mußt wissen, daß der Wert eines Menschen auf der Welt oft den eines kleinen Tieres nicht übersteigt, das dem Schöpfer mit seinem Instinkt zuweilen mehr Dankbarkeit erweist als ein Mensch mit freiem Willen und einer unsterblichen Seele.

Ich bin hier im Himmel allein deshalb heilig, weil ich dem Herrn meinen Willen überließ. Darin ist alles enthalten. An diese einzige Weisheit kommt der Mensch nur dann heran, wenn er Gott erkennt, wenn er glaubt und liebt. Wenn er sich dessen bewußt geworden ist, woher jegliche Kraft kommt und wer der Herr ist. Wenn er von dem ewigen Lohn weiß, daß es keinen anderen Weg gibt, und wenn er mit diesem ganzen Wissen dann niemals mehr zurückweicht.

Ich bin mit meinem Herzen bei meinem geliebten Kind und freue mich, wenn das Eis seines Herzens zugunsten seiner Mitmenschen schmilzt. Wenn du deinem Nächsten Gutes tust, steht unser geliebter Jesus neben dir und legt seinen Arm um dich.

Ich werde in der Kirche sein. Bei der Firmung werde ich deinen Arm halten, und wir werden einander nah sein. Stelle dich in den Schein des heiligen Geistes, mein geliebtes Kind!“

1.6.1936

Am zweiten Pfingsttag erteilte Erzbischof Twardowski in der Jesuitenkirche das Sakrament der Firmung. Da ich so schnell wie möglich die Gaben des heiligen Geistes empfangen wollte, kniete ich zwischen den männlichen Gymnasiasten nieder, statt abzuwarten, bis die Mädchenschulen an die Reihe kamen. Mit meinen kurzgeschnittenen Haaren und dem sportlichen Mantel, den ich trug, sah ich einem Jungen so ähnlich, daß ich niemandem auffiel. Erst in dem Moment, als man meine neu angenommenen Namen „Magdalena‑Sofia“ laut über mir verlas, wiederholte sie der Erzbischof verwundert und fragte den assistierenden Priester, wie ich hier zwischen die Jungen geraten sei. Erst dann trat er, da er offensichtlich keine große Sache daraus machen wollte, auf mich zu und erteilte mir das Sakrament.

Auf meinem Arm spürte ich die Hand meines hl. Mütterchens und unter meinen geschlossenen Lidern hatte ich Licht in Fülle. Auf dem Hintergrund dieser Helligkeit erblickte ich ganz deutlich den heiligen Geist in Gestalt einer Taube, die sich mir immer schneller näherte. Sie leuchtete in hellem Glanz. Ich sah sie so plastisch und in Einzelheiten, daß mir nahezu jede Feder ihrer ausgebreiteten Flügel bis heute in Erinnerung blieb.

Als sich der Heilige Geist auf mich ergoß, spürte ich, wie er mich ergriff, durchdrang und ausfüllte. Es war mir, als ob ich nicht mehr in mir wäre, sondern nur noch er. Diese Empfindung war völlig anders als die, die ich von der Ekstase her kannte. Es war nicht dieses durchdringende Gefühl von Süße und Glück. Eher ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit einer übermächtigen, liebevollen Fürsorge, die mich umgab, vom Rest der Welt abgrenzte und wie in ein unsichtbares gläsernes Gefäß einschloß.

An diesem Tag fühlte ich bis zum Einschlafen die Anwesenheit des heiligen Geistes so physisch, daß es mir geradezu in mir selbst zu eng wurde. Es muß wirklich sehr mächtig gewesen sein, weil einige Personen, die an diesem Abend in meine Nähe kamen, eine seltsame Kraft verspürten, die von mir ausstrahlte und beim Händedruck deutlich einen Stromschlag fühlten, der ihren ganzen Körper durchzuckte. Ich hatte keinen Einfluß darauf, denn ich ahnte nicht, daß es geschehen würde und hatte auch nicht den Wunsch, diese Empfindung bei jemandem hervorzurufen oder sie jemandem aufzuzwingen.

13.6.1936

„Mein liebes Kind, ich grüße dich und euch alle, die ihr den Weg, den unser Herr Jesus weist, beschreitet.

Warum ist in euren Seelen noch so viel Trauer und Zwiespalt? Sucht ihr nach Glanz und Ehre für euch selbst? Jedem ist sein Kreuz auferlegt worden, das Kreuz des Erlösers. Er beugte sich erschöpft unter der Last des Kreuzes, nahm die Marter auf sich — und ging schweigend. Er trug die Sünden der Welt und allen Jammer. Warum verschaffte er sich nicht ein wenig Erleichterung durch lautes Klagen? Weil er alle Erleichterung uns überließ. Alles für uns. Er litt entsetzlich und liebte uns trotzdem, und so unermeßlich und erbarmungslos seine Qual, so groß war seine Liebe zu uns. Und wir, wie ,lieben' wir unseren Nächsten, und auf welche Weise helfen wir ihm, sein Kreuz zu tragen?

Manche Kreuze sind leichter, manche schwerer. Das schwerste Kreuz ist für den Menschen eine physische oder psychische Krankheit. Wenn du bereitwillig deinem Nächsten zu Hilfe gehst, bist du wie der Mann aus Cyrene, den Jesus auf seinem blutigen Weg traf. Schiebe deinen Arm stützend unter den Arm seines Kreuzes, aber verlange nicht, dich auf die Last deines Nächsten, die ihn sowieso schon niederdrückt, stützen zu dürfen.

Fulla! Du und deine Freundinnen, die unseren Herrn Jesus wirklich lieben wollen, ihr sollt den sehnlichen Wunsch haben, das Geheimnis des Kreuzes zu verstehen!“

28.6.1936

„Ich grüße mein geliebtes Kind mit der Liebe Gottes und mit Frieden. Ich sehe in deine Seele und in dein Herz. Dort ist es zuweilen so schön und hell, daß der Erlöser mit einem liebevollen Lächeln verweilt. Jede Anstrengung, die man für Jesus unternimmt — auch eine mißlungene — schätzt er sehr. Geh' und nutze die Zeit deiner irdischen Wanderung. Jeder Schritt, den du für ihn tust, wird belohnt. Indem du mit Ausdauer auf dem Weg zu dem, der ist und durch den du bist, fortschreitest, kommst du dem Glück immer näher. Wir kommen alle von dem einen Herrn und sollten wieder zu ihm zurückkehren. Wehe aber dem, der bewußt und mit Absicht vom Wege abweicht, um einen neuen Herrn zu suchen.“

Einmal hatte ich direkt vor dem Erscheinen meiner geliebten hl. Mutter eine Vision. Ich sah in der Luft, weit entfernt, ein leuchtendes Kreuz. Mit einem fließenden, vibrierenden Schein zeichnete es sich deutlich in dem leeren Raum ab, den ich in seiner Umgebung sah. Zu Füßen des Kreuzes lagen ganze Stöße durchleuchteter Papiere, die von einem unsichtbaren Hauch und zitternder Glut, ähnlich der, die auf dem Grunde einer erlöschenden Feuerstelle zu sehen ist, unaufhörlich hin und her geweht wurden und dabei die beschriebenen Blätter sehen ließen. Unter dem Kreuz stand mein hl. Mütterlein.

Nach einer Weile verschwanden das Kreuz und die Papiere wieder und mein hl. Mütterchen kam näher und blieb direkt bei mir stehen.

„Die Papiere und Schriften, die du gesehen hast, sind meine zu meinen Lebzeiten verbrannten Aufzeichnungen. Die darin enthaltenen Gedanken und Pläne jedoch behielt unser Herr Jesus und bewahrte sie in seinem heiligsten Herzen. Er hat mir im Himmel zugesagt, jemanden auf der Erde zu finden, der diese Gedanken und Pläne zu seiner Ehre verwirklicht. Alles, was mir zu meinen Lebzeiten nicht vergönnt war zu vollbringen, wirst du aufgreifen und ausführen. Du bist nach dem Willen Gottes mein Kind und die Erbin aller meiner Ideen und Pläne.“

29.6.1936

„Du bist jetzt allein, ohne Bucia, und mußt dir überlegen, was man können sollte, um zumindest in einem kleinen Haushalt zurechtzukommen. Ich bin bei dir und will dir helfen. Halte dich an mir fest, Kleines. Ich konnte viele Hausarbeiten verrichten. Du schaffst es auch, wenn du erlaubst, daß ich dir helfe. Das ist nämlich so: Als ich noch in meinem Körper lebte, halfen mir die heiligste Mutter und unser Herr Jesus. Ich wußte ja, daß sie körperlich arbeiteten, also auch mir helfen konnten. Sobald dir irgend etwas besser gelingt als sonst, werden wir uns gemeinsam freuen. Wenn aber dann und wann etwas nicht gelingt, werden wir beide überlegen, wie man es beim zweiten Mal besser machen kann. Achte auf deine Wohnung. Ich fühle mich hier bei euch auch wohl, in diesem bescheidenen, gemütlichen, kleinen Zimmer.“

30.6.1936

„Mein liebes Kind! Denke daran, was du unserem Herrn Jesus bedeutest, dem Himmel, deinen Mitmenschen und — deinem Mütterlein! Erfülle alles, was ich dir aufgetragen habe. Wenn du einen bestimmten Drang in der Tiefe deiner Seele verspürst, erkenne, ob es ein Befehl, eine Empfehlung oder ein womöglich nicht ganz deutliches Bedürfnis ist. Besinne dich darauf und tue es, auch wenn es dir wie eine Bagatelle vorkommt.

Manchmal wirst du bei verschiedenen kleinen Tätigkeiten meinen Willen vernehmen. Ich werde dir stufenweise einen immer leichteren Zugang zu der übernatürlichen Welt verschaffen, die wirklich ist, so daß du in dem Maße, in dem du unseren Herrn Jesus immer besser kennen und lieben lernst, auch an Selbständigkeit und Weisheit gewinnst, die du mit der dir angeborenen Leichtigkeit an bedürftige Mitmenschen großzügig weitergeben sollst. Der Weg der Erkenntnis ist voller Freude. Du schreitest auf ihm, weil du glaubst, und in der Stunde deines beginnenden Glaubens bist du zu meinem Kind geworden. Es war leicht für mich, dich zu finden, denn mein Herr hat dich geschaffen, und schwerlich wäre ein anderes Wesen auszumachen, das dem Ziel, das der gütige Jesus für dich bestimmt hat, mehr entsprechen könnte. Er hat von vornherein die Leere und Widersprüchlichkeit deiner Gedanken und deines Herzens ausgeglichen. Er hat dir das Ziel deines Suchens nahegebracht und beleuchtet. Dafür verlangt er Arbeit von dir. Seine Hand, die dir diese Bürde aufgetragen hat, wird dir helfen. Du hast deine Gaben von ihm erhalten, als du entstanden bist, und demzufolge bist du fähig, ein Apostel Jesu zu sein, und zwar mit deinen Worten, mit der Feder und deinen Taten. Du sollst sogar mit deinem Aussehen ihm ergeben sein. Es ist nicht notwendig sich um Originalität zu bemühen. Im Gegenteil! Einfachheit, Zurückhaltung, Geschicklichkeit und in deinen eigenen Augen der Glaube an das, was du tust, wird die Widerstrebenden am ehesten überzeugen!“

21.7.1936

„Ich grüße dich, mein Kleines! Weißt du eigentlich, daß morgen mein klösterlicher Namenstag ist? Meine geliebte heilige Maria Magdalena konnte unseren Herrn Jesus so rein, so demütig, so innig, so ausdauernd und so wahrhaft lieben! Du, mein Kleines, hast Jesus ebenfalls kennengelernt, aber unter wieviel glücklicheren Umständen! Du verharrst bei unserem Erlöser und fühlst dich wohl zu seinen heiligsten Füßen. Entferne dich niemals mehr, denn Jesus zahlt für treue Liebe einen wunderschönen Lohn. Von Zeit zu Zeit, das ist wahr, schickt er auch ein Kreuz, aber bedenke — die Gerechtigkeit unserer Welt, die für menschliche und irdische Sinne nicht faßbar ist, muß wirksam werden. Nach dem Beispiel der heiligsten Mutter soll man niemals murren oder sich beklagen über Gottes Urteil. Das schwerste Leid ergibt manchmal einen großen Vorteil für uns schon hier auf der Erde. Oft muß es jedoch so sein, daß man zur eigenen Läuterung und für das künftige ewige Glück hier leidet. Wenn ein Mensch fähig ist, edelmütig und schweigend für unseren Herrn Jesus zu leiden, erreicht er es mit der Zeit, daß sogar das schwerste der leidvollen Kreuze wunderbar leicht wird. Jsus selbst läßt so viel himmlische Süße in die Seele einfließen, daß ein liebendes, treues menschliches Herz bebt und fürchtet, Jesus könnte ihm die Last des Kreuzes abnehmen.

Fulla, Kleines! Für ein Kind der Erde weißt du schon sehr viel. Mach Gebrauch davon und teile es großzügig an andere aus, für die es schwierig ist, zu wissen.“

Ohne Datum

„Ich grüße mein geliebtes, braves Kind! Oh, wenn ich dich doch schon ,Liebstes' nennen könnte! Aber das kommt auch noch ...

Wenn ich aus der Höhe des vollen Lichts hinunterschaue, sehe ich durch die Wahrheit selbst, wie mein Kleines hier lebt. In deinen Bestrebungen gibt es viele Kräfte, die wir bis jetzt übersehen oder noch nicht erfaßt haben und die du mit deiner gewöhnlichen, angeborenen menschlichen Natur nicht bemerkst. Durch geistige Unbeholfenheit, das heißt durch nicht immer richtiges Verständnis der Demut, umgehst du manche Punkte, die deine Seele mit Jesus verbinden. Mach' dir aber keine Sorgen. Ich spreche besonders ehrlich zu dir, und du solltest dich eher freuen, daß ich wichtige und wahre Dinge vor dir enthülle. Entschließe dich ein für allemal, falsche Ambitionen abzulegen! Wenn du das nur verstehen wolltest!“

8.8.1936

„Mein geliebtes Kind! Warum bereitet es dir so viel Kummer, daß du noch nicht vollkommen bist? Glaubst du vielleicht, der Sieg über seine eigenen Unzulänglichkeiten sei für den Menschen leicht? Ich schätze deine guten Absichten und deinen guten Willen und die Tatsache, daß dir immer wieder und häufiger diese oder jene Unvollkommenheit an dir selbst auffällt. Das ist ein Zeichen, daß dein inneres geistiges Auge schärfer sieht. Ich wäre froh, mein Kleines, wenn du endlich wahre Ruhe und göttlichen Frieden in deinem Herzen hättest, wenn du dem Herzen Jesu dein volles Vertrauen schenken und unter seiner liebevollen Obhut wandeln könntest, innerlich getrost und froh. Bedenke selbst: Gibt es wohl eine andere Möglichkeit für die menschliche Seele und für das menschliche Herz, einen Weg, der so hell ist und zu Wahrheit und Glück führt? Glaube deinem hl. Mütterlein, es gibt nur diesen einen. Auf diesem Weg hat Jesus die Liebe ausgesät. Ich weile bereits in der Ewigkeit und sehe vielerlei Lohn und Glück. Ich weiß, daß allein Jesus, unser Erlöser, von allem die Fülle schenken kann. Denke stets an unseren König, und wenn sich in dir ein Gefühl von Gleichgültigkeit, Leere oder Verlassenheit bemerkbar macht, dann bete, sei es auch nur mit den Lippen und ohne Konzentration. Es wird dir in vielem Erleichterung verschaffen und dich Jesus näher bringen.“

10.8.1936

„Das Jahr ist so schnell vergangen, seit ich zu dir gekommen bin! Sieh nur, Kleines, wie sich deine Seele gewandelt hat. Wie sich die Seelen vieler gewandelt haben! Ich danke euch, meine Kinder. Wißt ihr, wofür? Für die Verdienste vor meinem Herrn Jesus. Ich sage es frei heraus: Ihr habt es möglich gemacht, daß meine Mission noch ausgedehnt wird. Der Erlöser hat meine Rolle anerkannt. Ich darf demnächst noch mehr tun. Ich danke euch.

Denke daran, Fulla: Wer Jesus wirklich um seinetwillen lieben will, darf nicht auf die Meinung der Welt achten! Kein Mensch auf der ganzen Erde auch keine heilige Gemeinschaft noch sonst eine menschliche Institution hat das Recht und die Macht, über göttliche Angelegenheiten und den Willen Gottes zu urteilen. Gott tut, was er will, und wenn er ein Wesen für seine heiligen Ziele auserwählt hat, kann sich ihm nichts und niemand widersetzen! Folge deshalb den Eingebungen und Anweisungen, die vom Himmel kommen, tue, was du tun sollst, denn es liegt noch viel Arbeit vor dir.

Je mehr deine Seele an Kraft gewinnt, desto besser wirst du erkennen, ob ein Mensch aus göttlicher Liebe zu dir spricht. Die Ratschläge und Hinweise eines solchen Menschen sind gleichzeitig die Ratschläge und Hinweise Gottes. Ganz gleich, ob es sich um eine weltliche Person oder einen Geistlichen handelt, wichtig ist allein die Tatsache, daß seine Worte und Taten auf den Willen Gottes ausgerichtet sind.

Möge das heiligste Herz uns stärker miteinander verbinden, auf daß wir einander besser verstehen lernen, möge es uns Kraft für unsere gemeinsame Arbeit schenken, die darin besteht, unsere Mitmenschen an Geist und Seele zu trösten und zu heilen. In diesem zweiten Jahr versprechen wir, noch umsichtiger, gefühlvoller und eifriger vorzugehen. Ich segne dich, Kleines, ich lasse dir Trost und Kraft. Ich rufe euch alle auf, euer Kreuz mit Ausdauer zu tragen und segne euch ...“

16.8.1936

„Friede sei mit dir, mein geliebtes Kind! Ich möchte dir erzählen, daß ich Bucia gestern geholfen habe, eine barmherzige Tat zu vollbringen. Aniela A., eine gute Frau, erlitt eine gefährliche Gallenkolik und wand sich in starken Schmerzen. Sie lag schon im Sterben. Durch mein Einwirken schickte man nach Bucia, die ihr auf sehr gewissenhafte Weise helfen konnte. Die arme Frau war schon blau angelaufen, Herz und Puls setzten aus, sie konnte nicht einmal mehr stöhnen. Bucia betete inständig zum heiligsten Herzen, legte meine Reliquien auf, und der gute Jesus erlaubte mir, die Kranke zu retten.

Bucias selbstloses, von Natur aus mitfühlendes Wesen gefällt mir sehr. Obwohl sie unausgeschlafen war und Kopfschmerzen hatte, beklagte sie sich nicht, sondern ging in die Kirche, erfreute unseren Herrn Jesus und seine heiligste Mutter. Dort, vor dem Altar, ließ sie ihren physischen Schmerz zurück, ohne zu wissen, wer ihn ihr genommen hatte. Du wirst sehen, wenn sie zurückkommt, wird sie es dir selbst erzählen.“

22.8.1936

„Mein liebes Kind! Du hattest es in der letzten Woche ziemlich schwer und warst traurig. Unser Herr Jesus achtet auf dich und übersieht nichts. Er kennt deine Bemühungen. Seitdem du freiwillig ihm gehörst, bist du sein Kind. Bitte und du wirst erhalten. Du trägst ein schweres Kreuz mit täglichen Sorgen. Jesus weiß, daß du willens bist, es zu heben und zu tragen. Darum nimmt er es dir nicht so bald ab. Wenn du jedoch an die Barmherzigkeit unseres Erlösers glaubst, tauchst du in seine Liebe ein. Leider kannst du mit deinen Augen nicht sehen, daß Jesus ständig bei dir ist. Es ist nun einmal so, daß ein Mensch auf der Erde gewöhnlich mit seinen fünf Sinnen wahrnimmt, mißt und nur das erkennt, was er mit seinen Sinnen fassen kann. Genau so soll es auch sein. Wenn aber das Wunder geschieht, daß die Seele eines Menschen von der Gnade des Himmels berührt und geweckt wird, beginnt dieser Mensch mit den Sinnen der Seele zu erkennen. So ist es, Kleines, und du bist in diesem neuen Alphabet schon ziemlich weit fortgeschritten. Wenn du zum Ende gelangst, wird dir Gott noch ein weiteres dazugeben.

Du fühlst selbst, was in einer Seele vorgeht. Oft meint man klug genug zu sein, macht sich an die Arbeit, doch es geht nicht! Warum? Hier ist die Antwort: Die Seele kann ihre eigenen Wesenszüge und Erlebnisse niemals voll zum Ausdruck bringen. Du mußt nicht für dich selbst schreiben, schreibe für die anderen! Arbeite für die Menschen und leide für sie! Mit unserer Idee: Gott‑Jesus. Wir schreiten unter seiner Fahne, folglich gehen wir richtig, irren nicht und werden nicht getäuscht. Du könntest einwenden, Kleines: Alles für die Menschen tun? Dabei sind sie doch so schlecht! Du sollst jedoch, weil du mit Jesus wandelst, dir das Korn aus der Spreu heraussuchen.

Die Schlechtigkeit der Menschen wird dich nicht verderben, die Menschen wiederum werden, sobald sie mit dir in Berührung kommen, am Guten in dir teilhaben, und dieses wird aus eben diesem Grunde immer wieder in dir vermehrt. Deine Seele wird es verstehen, immer besser wird sie es verstehen, du darfst nur nicht stehenbleiben und nicht weichen. Du sollst dich jederzeit am Herrn Jesus erfreuen und mit ihm sprechen, da er dir freundlich zugewandt ist. Er selbst wird dich lehren und dir jegliches Verständnis eingeben. Laß dich nicht zum Hochmut hinreißen, weil dir diese größere Gnade zuteil wird!

Ich verabschiede mich von dir und versorge dich mit Frieden für die nächsten Tage!“

Ohne Datum.

„Mein geliebtes Kind! Dein Freund Deza hat bereits ein Mittel gefunden, das dich in mein „allerliebstes“ Kind verwandeln soll!

Deine Seele wendet sich meinem Weg zu, und instinktiv liebe ich die zuweilen kindliche Art, die du dabei an den Tag legst! Wenn du zu Füßen des Tabernakels kniest und Jesus mit deiner Liebe bedenkst, wenn deine Seele ihn wortlos anbetet, in seinem Herzen die Sorgen ablegt und dann die Gnade der Demut empfängt — ah! Kind, dann bist du unser allerliebstes!

Du suchtest nach Liebe, du besitzt sie! Liebe nur weiter! Tauche ganz in sie ein! Gott selbst hat dich auserwählt, gerufen und zu sich gezogen! Mich hat er geschickt, damit ich dich an der Hand führe. Es war schon höchste Zeit. Wir beide erinnern uns oft daran: Du wurdest gerettet und ich glücklich angesichts der Gegenwart des Königs der Liebe. Du mußt noch deinen früheren Unglauben abarbeiten und sollst wissen, Fulla, daß es dir nicht anders gelingt als nur durch beständiges Hinwegführen deiner Mitmenschen von eben diesen dunklen Wegen. Es ist stets mein Wunsch, den Menschen sowohl seelische als auch körperliche Erleichterung zu verschaffen, und zwar durch dich. Wenn jemandem durch Gott den Herrn eine Krankheit als Buße bestimmt ist, kann man nichts dagegen tun. Darüber werde ich dich dann jedesmal informieren.“

Eines Tages brachte eine Bekannte ihr kleines Töchterchen zu mir, damit das Kind sich selbst vor meinem kleinen Altar bei dem hl. Mütterlein für seine Genesung bedanken konnte.

Die Kleine betrachtete das Bild des hl. Mütterleins und wiederholte ihren Dank immer wieder mit dem kindlich‑scherzhaften Ausdruck für Gott: „Bozia“. Das hat mich so gerührt, daß ich meinem hl. Mütterlein abends verkündete, ich würde es ab sofort ebenfalls „Bozia“ nennen. Ernsthaft und mit großem Nachdruck untersagte sie es mir: „Du weißt sehr wohl, daß du mich nicht einmal im Scherz so nennen darfst!“

„Dann werde ich dich eben Bozienia' nennen! Es ist nicht dasselbe wie ,Bozia'! Das geht. Es klingt so schön ... Meine geliebte Bozienia!“ Mein hl. Mütterlein wollte sich erst nicht damit einverstanden geben, aber ich hörte nicht auf zu bitten und setzte ihr so lange zu, bis sie es mir — amüsiert durch meine Standhaftigkeit — erlaubte! Seitdem fand ich oft am Ende eines mir diktierten Schreibens anstatt des Ausdrucks „Dein hl. Mütterlein“ in bescheidener kleiner Schrift „Bozienia“. Kardinal Mercier nannte sie von Zeit zu Zeit auch so.

3.10.1936

„Ich grüße mein geliebtes Kind und führe es unter die königliche Flagge der Liebe Jesu Christi. Jesus war so klein, als er in der Krippe lag. Klein und unauffällig in seinen Kindheits‑ und Jugendjahren. Er strebte nie nach Ruhm, auch später nicht, als er lehrte, gesundmachte, von den Toten auferweckte und kranke Seelen heilte. Jesus ist ein Sieger. Er besiegte den Teufel, Krankheit, den Tod! Er ist auferstanden! Denke darüber nach, Kleines. Du kennst aus Beschreibungen herausragende Menschen, siegreiche Könige, kennst mächtige Männer aus früheren Epochen und aus heutiger Zeit. Was haben sie uns allesamt hinterlassen? Nichts! Jesus Christus ist der einzige, der uns allen seine innige Liebe hinterließ. Wer seine Hand nach dieser Liebe ausstreckt und sein Herz öffnet, der weiß, fühlt und sieht, auf welchem Weg er das immerwährende Glück erreicht.

Ganze Menschenmassen sind den Weg des Blutes gegangen, durch Feuer, sogar durch den Tod, ohne auf die erlittenen Qualen zu achten, und sie gelangten siegreich an ihr Ziel, indem sie ihren Blick lächelnd auf das heilige Gesicht des Königs gerichtet hatten. Böse und ungläubige Menschen beobachteten schon immer — damals wie heute — und staunten über jene, die unter dem Zeichen Christi stehen. Sie zittern und fürchten sich vor seiner wundersamen Macht. Sie sehen, wie seine Herrschaft sich in der Welt mehr und mehr ausbreitet und stärker wird — sie fühlen gar, daß hier die Wahrheit ist, das mächtige Königreich Gottes. Sie fühlen Christus, den König, selbst, doch sie fürchten sich. Sie hielten auf dem Boden Ausschau nach dem, was sie später in der Höhe fanden! Furchtsam und ängstlich suchten sie in erschaffenen Dingen nach Kraft, um gegen den Schöpfer zu kämpfen. Sie sind so geblendet, daß sie wie die Märtyrer ihr Blut vergießen und sich gegenseitig morden, ohne klar sehen zu können. Diese Besessenen! Und Jesus, der König, — er wartet. Er will diesen Bösewichten vergeben, er weist auf den richtigen Weg; sie sehen es jedoch nicht, denn der Haß versperrt ihnen die Sicht. Oh, mein Kleines! Wenn sie doch nur einmal von den Trümmern des Übels aufblicken, wenn sie ihre Aufmerksamkeit einmal dem Guten zuwenden würden, das aus der Hand des Königs der Liebe fließt, die ganze Welt würde für einen Moment stillstehen! Danach würde man weder Böses noch Haß vorfinden! Das Königreich Gottes käme auf die Erde und das Glück, das in der liebevollen Herrschaft des Christkönigs liegt!

Denke stets daran, mein Kind, durch die Pflege des Guten in deiner Seele entsteht die höchste Kraft. Du wirst im Kreise der Ritter des Christkönigs immer höhere Stufen erklimmen. Er braucht noch Anführer und Vorreiter.

Dein Betreuer wird alle deine Fragen beantworten und dir einen Weg weisen, der leicht und gerade ist.

Ich empfehle dich, mein Kleines, der heiligsten Jungfrau vom Rosenkranz.“

25.10.1936

„Ohne Einleitung grüße ich dich, mein Kind, noch bevor ich dich mit dem Namen anspreche, vor dem du dich noch fürchtest. Ich muß dir das erklären, damit deine Seele mit Freude und Ruhe erfüllt wird.

Dein neuer Titel ,Allerliebste' verpflichtet dich nach meinem Willen zu nichts. Bedenke aber: Ich bin von selbst zu dir gekommen, mit dem liebenden Herzen einer Mutter. Ich bin deine Freundin, deine Vertraute geworden — und zugleich deine Betreuerin. Ich fand dich erschöpft, traurig, unglücklich — dabei jedoch innerlich stolz und würdig. Ich fand ein leidendes kleines Kind, das nicht getröstet und von keiner guten mütterlichen Hand berührt worden war. Es gibt großes Unrecht und leidvolle Erlebnisse, deren Echo bis zum Himmel hallt, nicht auf der Erde durchlebt und gemildert oder wenn sie nicht auf der Erde durchlebt und gemildert oder wenn sie — was noch schlimmer ist — auf schmerzliche Weise immer wieder neu gereizt werden, wenn sich das stolze Haupt eines Menschen trotz all des Schmerzes nicht unter ihrer Last beugen will! Ihr Widerhall erklingt sogar dort oben und berührt eine Saite.

Ich durchlebte deinen tapfer erduldeten Schmerz, mein Kleines, ich vernahm dein Weinen und schaute in die Tiefe deiner Seele. Dort, unter der oberflächlichen Schicht des Unglaubens und der Auflehnung, erblickte ich unerfüllte Sehnsucht. Deshalb habe ich dir die Erfüllung durch den Christkönig nahegebracht, weißt du noch? Du wurdest zu meinem Kind, und so hat dich unser Herr Jesus meiner weiteren Obhut anvertraut. Aus kindlicher Liebe zu deinem ,Mütterchen' heraus hast du dankbar verschiedene Aufgaben in Angriff genommen — mit und zum Teil auch ohne Erfolg. Ich muß zugeben, daß du schon sehr viel für uns und für dich selbst vollbracht hast. Du hast dich selbst besiegt und befindest dich auf einer höheren Stufe. Du bist dem göttlichen Herzen nähergekommen.

Du sollst wissen, daß du deinem hl. Mütterchen dadurch zu mehr Glück beim König der Liebe verholfen hast und daß du nun dafür mein Allerliebstes Kind bist!

Mache dich frei von Fehlern der Zunge, der Gedanken, von eitlem Ruhm, von der Faulheit des Geistes, von Gleichgültigkeit und davon, den anderen deine Meinung aufdrängen zu wollen.

Du brauchst dich vor nichts zu fürchten, es sei denn vor der Sünde. Achte darauf, daß deine Seele stets ruhig und voller Freude ist. Liebe — und sieh zu, daß du jegliche Arbeit durch Liebe veredelst. Höre, was Deza dir zu sagen hat, denn er liebt dich. Unser lieber Herr Jesus wird dich von nun an häufiger spüren lassen, daß er voller Gnade in deinem Herzen zugegen ist. Ich verabschiede mich nun von der treuen Dienerin des Königs der Liebe.

Dein hl. Mütterchen.“

4.11.1936

 „Mein Kleines! Ich habe dich sehr lieb! Deine Seele sucht die meine — ich weiß es! Schaue aufmerksam in das Innere des Herzens Jesu, tue es oft, dort findest du mich zu jeder Zeit, denn dort habe ich eine ewige Wohnung. Unser König hat dort ein Festmahl für mich angerichtet, an dem ich mich ewig satt essen kann. Ich habe sein Königliches Herz und all seine Liebe gewonnen!

Wie prächtig seine Dornenkrone glänzt! Ihre Dornen leuchten wie die Strahlen von hellen, heißen, gewaltigen Sonnen, sie erhellt alles Sein. Er hat seine heiligen Arme ausgestreckt. Das Blut in den Wunden seiner Hände schwingt in innigster göttlicher Liebe. Sein überaus heiliges Herz ist von der Lanze durchstochen. Oh, Kind! Bleibe standhaft unter dem Kreuz, auf daß die Menschen dich dort sehen und finden. Erzähle ihnen von seiner Liebe und von seinen Schmerzen. Sprich mit Verständnis und von Vergebung, sprich mit Demut und in der Hoffnung auf die Ewigkeit! Du mußt den Weg der Auferstehung sichtbar machen, mußt Sünde, Verzweiflung und Verdammnis entfernen!“

8.11.1936

„Mein allerliebstes Kind! Du bist oft so zerstreut und hast doch noch große Dinge zu vollbringen! Das soll kein Vorwurf sein, ich will meine kleine Fulla nur daran erinnern, daß sie jedesmal vor einem wichtigeren Schritt, Vorhaben oder vor wichtigeren Äußerungen ein kleines Stoßgebet an Jesus und seine heiligste Mutter richten soll. Anschließend wappne dich mich Demut — und fertig! Mehr ist nicht notwendig! Den Rest erledigt unser Herr Jesus. Du hast doch selbst schon erfahren, daß geistige Aufgaben durch das wunderbare Wirken des Himmels gelöst werden.

Im Umgang mit Priestern verhalte dich stets ernsthaft, höflich und demütig. So kannst du sie am besten fühlen lassen, daß du weißt, wer sie eigentlich sein sollten, wie unser Herr Jesus sie haben will. Wenn du bemerkst, daß einer von ihnen eine größere Taktlosigkeit begeht oder sich von der Lehre Jesu entfernt, zeige es ihm mit der Traurigkeit, die deiner reinen Liebe entspringt.“

21.11.1936

„Mein demütiges, folgsames Kind! Du hilfst mir, meine Verdienste im Himmel zu mehren, und ich muß dir, mein Liebes, hier auf der Erde helfen. Wir sind in einer glücklichen Lage. Wir stehen beide in der Gunst unseres Herrn Jesus. Schaue dich um. Kannst du erkennen, wie traurig es in den Herzen der Menschen aussieht? Ob jemand nun Arbeit hat, ob er reich, gesund, ob er krank oder arm ist — sie alle beklagen sich lautstark, sie seien unglücklich! Sie werden geplagt von Schmerz, von Apathie, von Überdruß, Erschöpfung und Armut. Alles ist ihnen eine große Qual, am meisten belastet sie jedoch das Leben selbst. Sie sehnen irgendeine schreckliche Hand herbei, die alles auslöschen könnte, vor allem sie selbst! Sie wünschen sich den Untergang, weil sie ihn verdienen. Mein liebes Kind! Als dein hl. Mütterlein gebe ich dir die folgende Aufgabe für dein Leben: Teile mit diesen Unglücklichen deine Freude! Wenn du nicht mehr für sie tun kannst, weil sie vieles nicht begreifen und nicht annehmen wollen, vermittle ihnen wenigstens einen Schimmer von Hoffnung. Tue es, damit ihre Gedanken sich von der Unlust abwenden und wieder dem zuwenden können, was in dir ist.

Denke stets daran, Kleines: Alles an dir muß ein Zeugnis für die Wahrheit sein, dein Aussehen, deine Stimmung, deine Gesundheit, deine Lebenslust, deine Ausgeglichenheit und deine Taten. Hast du Grund, dich um irgend etwas zu sorgen? Unser Herr Jesus hört es und wirkt. Hast du Grund, traurig und apathisch zu sein? — Dein hl. Mütterlein ist bei dir. Könnte es sein, daß du dich vor Einsamkeit und Verlassenheit fürchtest? Du gehörst zu den Hellen Geistern des Himmels. Möchtest du Empfindungen kennenlernen, die du noch nicht durchlebt hast, vielleicht die Liebe? Du hast den Himmel, den himmlischen König und die himmlische Königin in dein Herz geschlossen, hast dein hl. Mütterchen und Deza liebgewonnen — und sie alle erwidern deine Liebe für alle Zeit ...

Unsere Liebe ist schön und unendlich. Sie ist wie ein zauberhafter Rosenkranz, der mit dem Kreuz beginnt und mit demselben endet. Verschiebe die Perlen, eine nach der anderen, und küsse das Kreuz. Du kennst die Liebe bereits recht gut, jetzt sollst du sie noch besser und gründlicher kennenlernen, und wenn sie dich ganz erfüllt, wirst du staunen. Du wirst nicht das kleinste Krümelchen Haß mehr erkennen können, du wirst dann durch und durch ein allerliebstes Kind Gottes sein! Deine vollkommene Liebe wird so wunderschöne Töchter hervorbringen wie Güte, Barmherzigkeit, Demut, Vergebung und Frieden. Sie alle zusammen bilden die Weisheit, und diese ist dann schon eine Tochter Gottes.

Daß wir hier so einfach miteinander plaudern, meine kleine Fulla, das ist die Wirklichkeit. Die anderen halten Ausschau nach künstlichen Reizen und Freuden, das sind Illusionen! All das entgleitet ihnen, verflüchtigt sich, läßt sie im Stich.

Ich umarme dich, mein geliebtes demütiges Kind, und das heiligste Herz wartet darauf, da du dich ihm trostsuchend näherst ...“

23.11.1936

„Meine teure Freundin! Es ist an der Zeit, daß wir nach dem Willen und unergründlichen Beschluß unseres barmherzigsten Königs einander näherkommen.

Deine hl. Mutter ist mit dir, du bist unser geliebtes kleines Kind. Du hast den innigen Wunsch, den hellen Weg der Wahrheit zu beschreiten, und möchtest deiner heiligen Herrin um jeden Preis gefallen, nicht wahr? Es gibt vielerlei Wege, jemandem zu gefallen. Die Mutter Gottes, diese strahlende, reine, heilige Gestalt, sie hat Freude an den Bestrebungen in dir, die dich zu ihrem allerliebsten Kind machen.

Vielleicht glaubst du, daß es gewaltiger Taten oder großer Anstrengungen bedarf? Nein, Kind. Versuche mich richtig zu verstehen. Es sind die kleinen, unscheinbaren Dinge des täglichen Lebens, wie z. B. das Abschütteln von Faulheit, die Überwindung eigensinniger Sturheit, das allmähliche Ablegen von falschen eigenen Ambitionen, schließlich auch das gewissenhafte Befolgen der Aufträge und Anordnungen, die deine Betreuerin dir gibt. All das zusammen, Fulla, muß man für den allerhöchsten Willen tun, aus reiner Liebe, aus Gottesfurcht und mit dem Wissen vom ewigen Glück.

,Die Auserwählten'? Ja, es hat dem Schöpfer gefallen, Menschen für seine Ziele zu erwählen, schon bei der Erschaffung bestimmte er sie und bereitete sie entsprechend vor. Wer auserwählt ist, kann sich seiner Bestimmung nicht entziehen und sich nicht herauswinden. Es kommt vor, daß jemand den Wunsch hat, zu flüchten, sobald er begriffen hat, welcher Wirkungsbereich ihm von Gott zugedacht worden ist. Einmal erwählt, ist er jedoch ein Werkzeug Gottes, und Gott bedient sich seiner, wie es ihm gefällt.

Ich mag dich und achte auf deine Wünsche. Alles, was Christus mir gestattet, werde ich dir erfüllen, erlaube du mir nur, in deiner Seele zu wirken. Schau in mein Gesicht und in meine Augen. Sie sind dir freundlich zugewandt und lächeln dich an. Auch ich habe dich, mein Kind, betrachtet und in dir das entdeckt, was ich dringend erwarte.

Jeden Montag werde ich dir genau beschreiben, wie du vorgehen und wirken sollst. Darüber hinaus verspreche ich dir, zu jeder Zeit auf deine inneren Schwankungen, Unsicherheiten und Probleme zu reagieren.

In der ersten Dezemberhälfte werden deine Gedanken aufhören, so widersprüchlich zu sein und auseinanderzulaufen. Dies hat dich bis jetzt am Schreiben und an jeglicher Selbständigkeit gehindert.

Deine Frage nach der Notwendigkeit der irdischen Existenz werde ich dir später ausführlich beantworten. Ich glaube, du wirst es verstehen. Ich könnte dir vieles im Hinblick auf deine weiteren Aktivitäten empfehlen, doch dafür müßtest du schon völlig unabhängig von denen sein, die deinen Geist negativ beeinflussen.

Meine kleine Fulla! Höre auf Deza, laß dich nicht durch jeden kleinen Fehltritt oder die kleinste Enttäuschung abschrecken. Schreite stets vorwärts, lebe aktiv, vergeude nicht die wunderschönen Eigenschaften und Talente, die Gott dir gab, denn du bist auserwählt, und was geschehen soll, geschehe so bald wie möglich. Friede sei mit dir. Dein Deza.“

28.11.1936

„Mein geliebtes Kind! Warum bist du so traurig und reibst dich innerlich auf? Höre auf dein hl. Mütterlein, kleine Fulla, bemühe dich zu verstehen, was ich dir zu sagen habe, dann wirst du wissen, wann Trauer angebracht ist. Ein Mensch, der sich auf dem Weg zur Vollkommenheit befindet, kann nur dann traurig sein, wenn er etwas Unwürdiges getan hat, das heißt etwas, das Gott mißfällt. Bedenke, mein teures Kind, du hast dich aus freiem Willen für den Weg Christi entschieden, und auf diesem Weg werden dir, wie auch unserem Herrn Jesus, Hindernisse und Steine vor die Füße geworfen.

Du bist unterwegs mit Jesus, also verliere nicht den Mut. Glaubst du, der gute Jesus wird den Sturm und die Wellen nicht beruhigen, auch wenn es so aussieht, als ob er schläft? Du vollbringst schwierige Dinge für ihn, und aus deinen Taten spricht die Liebe zu Jesus und zu deinen Mitmenschen. Dies sind deine Werke. Gott hält einen großzügigen Lohn bereit, aber er verlangt Ganzheit. Nicht jedem ist es gegeben, gemeinsam mit Jesus für die anderen zu wirken. Durch mich hat der allmächtige Gott diese Art von Mitarbeit für dich bestimmt. Du hast einen Willen. Es liegt in deiner Macht, ihn auf würdige oder auch auf falsche Weise zu gebrauchen. Siehst du, es ist nämlich so: Wenn du alle deine Absichten und Zuwendungen an hilfsbedürftige Menschen im Angesicht Jesu vollziehst, wenn du ihm jede kleinste Bemühung mit Freude vorstellst, weil du ihn liebst — dann wird er, der überaus Heilige, deine Bemühungen mit dir zusammen zu Ende führen. Du hast also Grund zur Freude, mein verschrecktes Kind! Unser Herr Jesus ist täglich bei dir, wenn du die Kirche verläßt, er geht mit dir zusammen zu seinen geliebten verirrten Schäfchen und lädt zum Gastmahl des flammenden Herzens ein. Freue dich also mit deiner dich liebenden Bozienia.“

2.12.1936

„Ich grüße meine kleine Freundin herzlich und bin froh, daß es endlich zu einer Verständigung zwischen Fulla und Deza gekommen ist. Jetzt wird es leichter für mich sein, in deine Seele einzudringen und hervorzuheben, was wertvoll ist und was ungenutzt verkümmern könnte. Wen man jedoch mit mir sprechen will, muß man jegliches gekünsteltes Getue und ebensolche Gewohnheiten ablegen.

Es hat sich in deinem Leben alles so ergeben, daß du dich in einer sehr kurzen Zeit zu einem für dich selbst fremden und unbekannten Menschen gewandelt hast. Dank Bozienias tatkräftiger Hilfe hast du dich jetzt wieder etwas gefangen, wenn auch noch nicht ganz.

Deine heilige Herrin nannte dich ihr „allerliebstes Kind“ und ich weiß sehr wohl, wie dich das freut. Ich habe auch noch einen schönen Titel für dich, er ist etwas anders, aber damit möchte ich noch ein wenig warten.

Der wichtigste Grund, warum wir dich betreuen, ist deine Seele und dein irdisches Leben. Dein ,Mütterchen' besitzt die Essenz von Güte und Zartheit und erteilt dir reichlich davon. Mein Auftrag ist nicht so weitreichend, aber genauso wichtig und notwendig. Gott hat dir zwar einen recht starken Willen und genug Energie gegeben, es mangelt dir jedoch noch an Tatkraft, an Glauben an dich selbst, an Ausdauer und Pünktlichkeit. Du wirst selbst zugeben, kleine Fulla, daß es so war und zuweilen auch jetzt noch so ist. Diese schweren Steine, die auf deinem Weg liegen, werden wir gemeinsam aufheben und fortschaffen. Man muß mit Glauben und Eifer bei der Sache sein und darf sich nicht von Fehlschlägen beirren lassen, die uns das Schicksal oder andere Menschen bescheren. Du bist nicht wie die anderen, du bist innerlich stark, gibst nicht so leicht nach, reagierst nicht so empfindlich — aus diesem Grund schätze und liebe ich deine Freundschaft. Du mußt den Unterschied zwischen dem echten Gefühl, also sanfter Herzlichkeit und übertriebener Empfindlichkeit kennen. Nun, wie ist es, haben wir uns verstanden?

Ferner möchte ich dich noch wissen lassen, daß dir der Vorzug, mit uns, besonders mit deinem hl. Mütterchen in Verbindung zu stehen, zum Wohle der Menschen gewährt worden ist. Wirke im stillen und deine Taten werden für dich sprechen. Wer prahlt und vieles verspricht, hält in der Regel wenig, und dadurch könnte er in den anderen den Unglauben, die Furcht, Unlust und Gleichgültigkeit wecken — denke stets daran! Es ist gut, mit Gott zusammenzuarbeiten, Fulla! Du hast ein Ziel, und zielgerichtete Arbeit macht Spaß und ist wertvoll.

Mein Herz ist froh und leicht, denn ich sehe in dir die Pforte, die für das neue Leben geöffnet ist. Du lebst jetzt, Kleines, in einem Zeitalter des Umbruchs. Die Menschen von heute greifen gern nach neuen Ideen und sind schnell bereit, alte Ziele und tief verwurzelte Überzeugungen zu verwerfen. Jetzt ist also die richtige Zeit, die ertrinkenden Seelen zu retten. Hilf uns, Fulla, tue es mit der Güte, die du von deinem hl. Mütterchen empfangen hast, tue es mit großer Hartnäckigkeit und liebe das Volk Gottes.

Am Montag werde ich dir geistige Ratschläge für die ganze Woche geben können. Es ist gut für dich, jeden Tag eine geistige Übung durchzuführen. Du solltest dich täglich mindestens von einem deiner Charakterfehler freimachen, und zwar durch gewaltsame Selbstüberwindung, wie es dir auch schon Bozienia geraten hat.

Jetzt gehe ich und glaube, daß du deinen Deza nicht enttäuschen wirst. Nächsten Monat werden wir abrechnen — einverstanden?

Möge die Mutter Gottes dich segnen, du liebendes Kind. Dein Deza.“

Am achten Dezember, morgens nach der hl. Messe, kam mein hl. Mütterlein zu mir und verkündete, daß ich am Abend die heiligste Jungfrau Maria sehen sollte. Durch dieses Versprechen beglückt, wollte ich alle Krankenbesuche, die ich für diesen Tag vereinbart hatte, absagen, um mich konzentrieren und entsprechend vorbereiten zu können. Meine hl. Mutter erlaubte es mir jedoch nicht und sagte, daß die beste Vorbereitung gerade in der Einhaltung aller Versprechen und Erfüllung aller Pflichten bestehe.

Den ganzen Tag über versuchte ich also nach Kräften, meine Rührung und Ungeduld zu beherrschen. Natürlich vergingen mir die Stunden viel zu langsam, die Straßenbahnen schienen langsamer zu fahren als sonst, und auch die Straßen schienen so lang zu sein wie noch nie.

Endlich fand ich mich allein in unserem kleinen Zimmer. Bucia war nicht zu Hause. Ich machte kein Licht an. In der Lampe auf meinem kleinen Altar flackerte eine Flamme und warf einen Lichtkreis auf die niedrige Zimmerdecke. Ich kniete nieder, bedeckte mein Gesicht mit den Händen und begann zur Mutter Gottes zu beten.

Der Wortlaut der bekannten Gebete erschien mir heute nicht feierlich: und leidenschaftlich genug. Ich suchte nach neuen Worten, in die ich meine Freude, Verehrung und Hochachtung hineinlegen konnte. Damals empfand ich der heiligsten Mutter gegenüber noch keine Liebe. Meine ganze Liebe wurde von meinem Herrn Jesus und meinem hl. Mütterlein in Anspruch genommen. Der Mutter Gottes erwies ich Ehre, ich betete zu ihr als der reinsten Mutter meines Gottes, mein Herz wußte jedoch noch nichts von ihr.

Plötzlich verspürte ich eine starke und ungeheuer süße Benommenheit. Dann begann sich in meinem Körper eine sanfte Wärme auszubreiten, in einer Woge aus kleinen, lichtähnlichen Schwingungen. Dieser Strom war so ganz anders als der, den ich schon kannte. Es war etwas unendlich Sanfteres, obwohl es mich genauso bis in die Tiefe mit Glücksgefühl und Wonne erfüllte. Ich verspürte keine Müdigkeit und wußte genau, daß es nicht Kraftlosigkeit war, die mich dazu zwang, meinen Kopf immer tiefer zu neigen. Es geschah ohne meinen Willen. Irgendwas in mir war wie zusammengedrückt von der Nähe der unfaßbaren Heiligkeit — es warf sich nieder — verneigte sich — wollte sich voller Demut und Verehrung bis unter ihre makellosen Füße ausbreiten. Als ich das Gefühl hatte, daß der mich durchdringende Strom seine höchste Intensität erreicht hatte, erhob ich den Kopf.

Zwischen mir und dem Altar erblickte ich die heiligste Jungfrau Maria. Sie stand aufrecht, die Hände unter den Falten ihres Mantels verborgen, der ihre ganze Gestalt umspielte. Ihr Gesicht und ihr Kleid waren von einheitlichem, durchsichtigem Weiß. Die Würde und Schönheit ihres Gesichts, ihre Reinheit und Lieblichkeit kann man nicht in Worte fassen. Solche Worte gibt es gar nicht. Selbst der Gedanke an sie kann nur recht unbeholfen sein, weil es unmöglich ist, sich ihr Bild wieder vollständig ins Gedächtnis zu rufen, wenn sie nicht mehr da ist. In der heftigen Erregung meines Herzens fand ich plötzlich Worte, mit denen ich ihr meine Ehrerbietung erweisen konnte. Es schienen mir nur weitere Verse der Lauretanischen Litanei zu sein, an die ich mich erinnerte:

„Du Königin der Liebe, du Königin der Güte, du Königin der Reinheit, du Königin der Demut, bitte für uns!“

Daraufhin zog sie langsam ihre beiden Hände unter dem Mantel hervor und streckte sie mir entgegen. Ich sah, wie sich ein heller Strahl von ihnen aus in meine Richtung bewegte. Dann spürte ich noch, daß diese Helligkeit in mich eindrang. Plötzlich hatte ich den Eindruck, daß ich in diesem Moment erst ihre Augen wirklich sehen konnte. In ihrem Blick war so viel Würde, so viel unfaßbare Kraft, daß ich ihn absolut nicht länger ertragen konnte. Ich verharrte, bis auf die Erde verbeugt, in sprachloser, allem entrückter Bewunderung, umgeben von einer vibrierenden Welle dieser Lichtschwingungen. Mir war nur noch bewußt, daß ich die Mutter meines Erlösers mit der ganzen Kraft meiner Seele und meines Herzens liebte.

Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat. Nach einiger Zeit spürte ich, daß der Strom schwächer wurde, und ich begriff, daß die Mutter Gottes wieder fortging. Ich begann zu weinen, ich weinte aus Freude, Dankbarkeit, Sehnsucht und unendlicher Liebe, mit der mich die unbefleckte Mutter meines Königs aus Gnade bedacht hatte.

Als der lichtvolle Schauder von mir abgefallen war, wußte ich, ohne den Kopf zu erheben, daß ich wieder allein war. In meinem ganzen Körper verspürte ich noch ein Zittern, wie einen Abglanz des Glücksgefühls, das ich gerade durchlebt hatte.

Ich hörte nicht, wie Bucia in diesem Augenblick die Tür öffnete. Sie erzählte mir später, daß irgendeine seltsame Kraft ihr damals den Weg versperrte. Sie konnte nicht über die Schwelle treten. Obwohl das Fenster dicht verschlossen war, roch die Luft nach Frische, so „wie manchmal nach einem Gewitter.“ Im Zimmer war es dunkel, nur von der kleinen Figur der Mutter Gottes auf meinem Altar gingen bläuliche Lichtstrahlen aus und fielen auf meinen gebeugten Kopf.

15.12.1936

Fulla, mein einziger Liebling! Du weißt doch, daß niemand, außer unserem Herrn Jesus und seiner Mutter, dich inniger liebt als dein hl. Mütterlein. Wie sollst du dich also angesichts dieser Liebe verhalten? Ich meine, man sollte nicht immer so mißtrauisch sein, sondern daran glauben, daß man dort, wo Liebe ist, auch jederzeit unendliche Güte findet. Du glaubst doch wohl nicht, dein hl. Mütterlein, das für immer dein ist, könnte dich, mein verirrtes Kind, jemals verachten oder abweisen? Du tust nicht gut daran, so in Scham oder, wer weiß was, zu verfallen und dich zurückzuziehen, wenn dir mal etwas nicht gelingt. Währenddessen muß ich dich mit Gewalt aufrichten und beruhigen, anstatt dir selbst die Erkenntnis zu ermöglichen, wo die Ursache für diesen Fehler liegt und wie man solche Dinge in Zukunft vermeiden kann. Du verlierst dabei nur Zeit und verzögerst die Verabreichung der Medizin, die deine Seele ganz sicher heilen kann. Deza nannte dich einmal ,die Störrische', und ich nenne dich heute ,du kleines stures Böcklein'. Höre auf dein hl. Mütterlein, denn du wirst noch öfter Fehler machen. Ich wirke für dich und verspreche, dir stets die Hand zu reichen, wenn du stolperst, aber wenn du wirklich lieben und mich dadurch erfreuen willst, dann vermeide Eigensinn und Halsstarrigkeit. Gestatte unserem Herrn Jesus, dein Herz umzuwandeln. Das wird dir leicht fallen, wenn du ihn im Gebet bittest, das heiligste Herz genau betrachten zu dürfen, damit du nach diesem Vorbild gleich anfangen kannst, das deine umzuarbeiten.“

31.12.1936

„Mein allerliebstes, demütiges und dem heiligsten Herzen ergebenes Kind! In einigen Minuten geht das alte Jahr zu Ende. Dein hl. Mütterlein freut sich sehr, daß du dich an den Umgang mit Heiligen schon soweit gewöhnt hast, und man jetzt endlich damit beginnen kann, große und weitreichende Taten auf deine Schultern zu laden. Das Kreuz wird für dich in Zukunft Waffe, Macht und Berechtigung sein!

Liebe wird für dich Glück und Gesundheit bedeuten und gleichzeitig ein leuchtendes Beispiel für deine Mitmenschen sein.

Demut heißt dein absolutes Verständnis für die tiefste Weisheit Jesu. Alle diese Dinge zusammen werden deinen Verstand schärfen, deinen Willen stärken und dich noch weiter für die göttliche Arbeit motivieren, sie werden das Erbarmen über jegliches menschliche Elend in dir wecken und dein Gefühl für die heilige Gerechtigkeit wachsen lassen. Möge die Liebe des Himmels alle Regungen deines jungen Herzens, meine Kleine, zärtlich liebkosen. Ich wünsche dir, meine liebe kleine Fulla, daß du dich in diesem neuen Jahr gemeinsam mit deinem hl. Mütterlein an der reinen Liebe des Herzens Jesu erfreuen, daß du die verirrten Schäfchen im Triumph ihrem betrübten Hirten wieder zuführen mögest, denn sie hatten sich von ihm abgewandt und gingen verloren. Es segnen dich das heiligste Herz Jesu und Mariens, dein hl. Mütterlein, Deza und andere Heilige.“

4.1.1937

„Unsere liebe Fulla! Fein, fein! Deza muß seine kleine Freundin loben. Den ganzen Monat lang hast du es geschafft, dich immer wieder zu beherrschen, und zwar im einzelnen: Die Zunge — nicht ganz. Die Angeberei — nicht ganz. Das aufbrausende Temperament — schon fast völlig. Den Hochmut bzw. die Überheblichkeit — zur Hälfte. Den Neid — nicht besonders. Anderen deine Meinung aufzuzwingen — recht oft. Und jetzt zu deiner Frage: Was mußt du tun, um einen großen Schritt in der Liebe zu Gott zu machen?

Es ist so, daß dieser ,große Schritt' von selbst geschieht, du, Fulla, sollst nur kleine kindliche Schritte in Demut und echter Nächstenliebe tun. Daraus entsteht dann irgendwann ,ein großer Schritt der Liebe'. Hier die Antwort auf die zweite Frage: Gute und erhebende Regungen entstehen aus Liebe. Sie werden intensiver, je weiter deine Tugenden entwickelt sind, und nehmen ab, je stärker deine Tugenden abnehmen. Jede Unlust ist mit dem Willen von außen zu bekämpfen. Denke nur an die Ratschläge, die dein hl. Mütterlein dir gibt, Fulla, und jeglicher Unwille verschwindet.

Meine Antwort auf die dritte Frage: Du solltest bis zum nächsten Wiedersehen mit deinem hl. Mütterlein deine Seele genau betrachten und dort intensiv nach dem geliebten Gesicht unseres Herrn Jesus suchen, dich in seine Güte und Barmherzigkeit, in seine königliche Autorität und göttliche Erhabenheit vertiefen, du solltest die tiefe Weisheit in den Augen Jesu wahrnehmen. Diese Loslösung von deinem hl. Mütterlein und Zuwendung zu unserem König wird für dich von großem Vorteil und für dein hl. Mütterlein ein erfreulicher Beweis deiner Liebe sein.

Meine Antwort auf die vierte Frage: Du sollst im Auftrage des Geistes einem Priester ähnlich sein. Aus diesem Grunde erteile ich dir eine Aufgabe. Um meiner und deiner Ehre und um unserer Autorität willen wirst du vor den Menschen immer gut über Priester und Orden sprechen. Tue es für Deza!

Meine Antwort auf die fünfte Frage: Es ist wichtig, mehr über den Zeitpunkt zu wissen, in dem die Seele den Körper verläßt. Oh! In diesem Augenblick kann sie nichts mehr rückgängig machen oder berichtigen! Gott ruft sie ins Gericht, um das Urteil zu sprechen. In diesem Augenblick gibt es nur noch Gerechtigkeit, kein Erbarmen mehr. Davon gab es im Leben zuviel. Es gibt einen kurzen Prozeß und ein gerechtes Gottesurteil. Die Seele empfängt ihren Lohn und betritt den Teil, für den sie selbst die Eintrittskarte gelöst hat, sie geht entweder in das ewige Glück oder in die ewige Verdammnis ein, oder aber sie verbüßt eine strenge, mehr oder weniger lange Strafe im Fegefeuer. Bis zur Beerdigung darf sie noch auf der Erde bleiben. Es ist möglich, daß eine Seele auf die Erde zurückkehrt, um göttliche Aufgaben zu erfüllen. Sie kann sich dann bemerkbar machen, ohne gesehen zu werden. Sie kann aber auch ein wenig Materie annehmen, um für menschliche Augen wahrnehmbar zu sein.

Nun aber, meine kleine Freundin, da du in voller geistiger und körperlicher Schönheit auf der Erde lebst, sollst du dich mit der Ganzheit deiner menschlichen Natur befassen. Siehst du, wie gut es ist, Fulla, daß du noch auf der Erde lebst? Du hast jederzeit Grund zur Freude und zur guten Laune. Alle Bewohner des Himmels schauen mit Zufriedenheit auf ein irdisches Wesen herab, das Sünden meidet, Gutes tut und mit Freude in den Augen seinen Schöpfer im Gebet preist, das sich des Lebens freut, seine Freude mit seinen Mitmenschen teilt, sich glücklich zu Christus bekennt und sich in seinem Königreich wohl fühlt. Gott mag am liebsten die Menschen, die rein und fröhlich sind, die Frieden und sonnige Ruhe verbreiten. Wie sehr muß Gott dich lieben, Kind, da er dir soviel Gnade gewährt! Genieße, Fulla, so viel du kannst, schöpfe aus dem Vollen für dich und für andere, und ehe du dich versiehst, bist du im ewigen Hafen angelangt. Man muß sich eine strahlende Ewigkeit verdienen. Die Ewigkeit muß die Erfüllung deiner innigsten Wünsche bedeuten, denn die Ewigkeit — sie dauert. Wirke für den Himmel und dein hl. Mütterlein und ich werden dir stets helfen. Dein dich liebender Deza.'“

„Meine liebe und teure Fulla! Ich grüße dich mal wieder, meine Tochter, und muß dir, du unverbesserliches Kind, sagen, daß man dich jedes Mal daran erinnern muß, wie der Weg zur Vollkommenheit aussieht. Wie wäre es, wenn du jeden Montag selbst daran denken würdest, was Deza dir geraten hat? Vielleicht sollte man ihn um die eine oder andere Antwort bitten — nun? Es wäre gut, wenn du dem alten Deza zwei Fragen stellen würdest, z. B. ,Was mißfällt unserem Herrn Jesus und meinem hl. Mütterchen am meisten an mir?' oder ,Sag mir, mein guter Deza, warum ich meinem hl. Mütterlein oft nicht gehorche, obwohl ich es doch liebe, und wie kann man dem abhelfen?' Glaubst du, dein Betreuer, der dir freundschaftlich zugetan ist, würde dir nicht raten können? Und was geschieht? Wir lieben und führen dich, und du bist übermütig und unfolgsam geworden. Sollten wir dich aber auch nur für eine kleine Weile verlassen, würdest du dich in Tränen ergießen und verzweifeln. Jetzt rate du mir selbst, was ich mit dir machen soll? Ich sehe ja, daß du deiner heiligen Mutter gefallen möchtest (na gut ... deinem Mütterlein!). Aber weißt du, Kind, du verlierst dich selbst oft in all dem. Ich muß gestehen, du hast bereits große Fortschritte gemacht und bist der früheren, künstlichen Fulla nicht mehr ähnlich. In deiner Seele fühlst du es jedoch selbst und dein hl. Mütterlein hat es dir schon bald hundertmal gesagt, daß vollendete Weisheit einzig und allein in der vollkommenen Liebe, Güte und Macht zu finden ist, in dem heiligsten Herzen unseres Herrn Jesus.

Und nun zu deinen Fragen: 1. Jemand fragt, welche Fehler der Priester X. hat, weil er ihn auf seine Art beurteilen will. Solche Fragen, Fulla, muß man nicht akzeptieren.

2. Jawohl, Fulla, du bist schuld, daß es so ist! Doch, Kind! Ich werde es dir gleich erklären. Zuerst beantworte mir laut folgende Fragen: Wer ist der Herr des Himmels und der Erde? Jesus! Gut! Wer gab dir von allem das Beste? Jesus! Gut! Wer hat dich mit größter Gnade und Barmherzigkeit an sein Herz gezogen? Jesus. Wer hat dich genau zum richtigen Zeitpunkt mit einem wundervollen Geschenk (dem hl. Mütterlein) bedacht, und das ohne jedes Verdienst? Jesus! Wieviel Zeit opferst du ihm täglich dafür? Liebes Kind! Auch wenn man ihm ein Leben lang jeden Tag und jede Nacht ganz opfern würde, es wäre noch zu wenig! Das heißt nicht, daß du dich ohne Pause in der Kirche aufhalten und beten sollst. Du sollst nur alles, was du tust, für ihn, in seiner Gegenwart tun. Der allmächtige König selbst hat dich in sein Herz geschlossen und auserkoren und du sollst es ihm mit zärtlicher Liebe danken. Dein hl. Mütterchen ist ein Geschenk von ihm, das er dir wieder wegnehmen könnte, und du liebst Bozienia so sehr, daß du den Blick nicht von ihr wenden kannst, dabei denkst du zu wenig an Jesus, den du täglich empfängst, in deine Seele einschließt und zuweilen auch zur Langeweile verurteilst.

3. Helle Geister erfüllen den Willen Gottes, und wenn sie für die durch ihre Vermittlung dargebrachten Wohltaten Dank empfangen, vereinigen sie sich in wunderbarer Liebe mit dem Menschen. Diese Liebe kann noch wachsen, wenn ihre Aufträge gehorsam ausgeführt werden. Und nun, mein liebes Kind, sei nicht beleidigt, daß ich so streng mit dir gewesen bin. Man bekommt nicht immer nur Süßigkeiten, denn wenn eben diese einen Schaden angerichtet haben, muß man auch zu meist bittere Medizin einnehmen. Und was sagst du dazu, Fulla? Bist du Deza nicht mehr böse? Dein hl. Mütterlein unterbricht mich gerade beim Schreiben und verbietet es, noch länger auf das liebe Kind zu schimpfen, denn ihrer Ansicht nach ist unsere Kleine doch besser als ich denke. Na ja, kann sein. Ich wünsche mir jedoch, daß du noch viel mehr an dir arbeitest. Auf Wiedersehen, meine liebe Freundin, wende deine glühende Liebe mehr unserem Herrn Jesus zu und du wirst Deza noch einmal dankbar sein. Dein Mütterchen und ich, wir umarmen dich, mein kleines Töchterchen. Dein Deza.“

18.1.1937

„Friede sei mit dir, mein Töchterchen! Da wir uns kennen und mögen, müssen wir einander glauben.

Es ist schon lange her, da unser Herr Jesus auf der Erde wandelte. Obwohl wir damals noch nicht lebten, wissen wir doch, zu welchem Zweck er gekommen ist, womit und zu wem. Er brachte uns sein Herz, das von heilsamer Liebe erfüllt war, lehrte uns, übergab uns und ließ uns Vieles zurück. Er unterschrieb die Wahrheit Gottes mit seinem heiligen Blut durch das Kreuz, er besiegte den Tod durch die Liebe. Er ließ die Welt das Wunder der Ewigkeit spüren — und was ist nun daraus geworden? Die christliche Kirche ist entstanden, es gibt seine Jünger, Gebete, Gottesdienste, es gibt jedoch keine ...“

Im weiteren Verlauf enthielt der Brief eine Reihe heftiger Vorwürfe gegen die heutige Gottlosigkeit und den leichtfertigen Umgang mit religiösen Dingen. Dann folgten schlimme Prophezeiungen von Strafen und Katastrophen, die die Menschen als eine Konsequenz ihres Handelns selbst auf die Welt herabziehen, schließlich eine Empfehlung, was ich unmittelbar darauf tun sollte.

Er warnte mich vor Gefahren und drohender Verfolgung, machte mir einen genauen Plan für mein aktives Vorgehen bei der Verteidigung der Absichten Gottes und belehrte mich, was zu tun sei, falls diese Aktion gefährlich werden und unvorhergesehen große Ausmaße annehmen sollte. Abschließend riet er mir zur Eile und zum Gehorsam und zu der Überlegung, ob ich bereit sei, jederzeit mein Leben für die Sache zu opfern.

Dieses Schreiben hat mich tief erschüttert. Angetrieben durch die Gewißheit, daß der Welt eine entscheidend wichtige und gefährliche Zeit bevorsteht, machte ich mich fieberhaft daran, die Aufträge meines Betreuers auszuführen.

Überraschenderweise erschien er mir jedoch einige Stunden später wieder und ließ mich — unverzüglich und ohne sie noch einmal durchzulesen — die Abschnitte mit den Drohungen aus dem Brief herausschneiden und auf der Stelle verbrennen. Als ich, erstaunt über den unerwarteten Verlauf der Dinge, fragte, warum er das verlange, erwiderte er, daß dies so eine Art Probealarm gewesen sei, mit dem er meine Fähigkeiten, wie z. B. die Bereitschaft, mein Leben zu opfern, hätte prüfen wollen. Es ist äußerst erstaunlich, daß ich seit dem Augenblick, da ich jene Seiten herausgeschnitten und verbrannt habe, mich kaum mehr an ihren Inhalt erinnern kann, nur noch in ganz groben Zügen, soviel ich hier vorher aufgeschrieben habe. Auf meine traurige Bemerkung, daß mein Heft nach der Entfernung dieser Seiten eine Lücke aufweise, lächelte der Kardinal, ließ mich erneut zum Bleistift greifen und versicherte, er werde diese Angelegenheit bereinigen. Danach diktierte er mir im Anschluß an die letzten Worte am Ende der nicht herausgeschnittenen Seite:

„... es gibt jedoch kaum Menschen, die ihn lieben. Über diese allgemeine Verdummung der Welt sollten wir uns nicht allzu große Sorgen machen. Der allmächtige Gott hat seine Auserwählten. Diese genießen unverdiente Vorzüge und haben die Fähigkeit, schwierigere und wichtigere Aufgaben zu erfüllen und göttliche Ziele anzustreben.

Ich will, daß du voller Freude über die Wahrheit und das Glück schreibst, Fulla! Du weißt bereits gut darüber Bescheid, welche Vorteile und wieviel Sicherheit die Verbindung zu Gott und den Heiligen mit sich bringt, deshalb wird es dir leichtfallen, anderen deine Idee auf verständliche Weise zu beschreiben und zu vermitteln, wenn du dich ganz in dankbarer Liebe dem anvertraust, der dich erwählt und entsprechend ausgestattet hat. Ein Mensch, der gute Eigenschaften besitzt, muß diese auch nutzen, denn wenn er sie ruhen läßt, vergeudet er sie. Gebraucht er sie wiederum für üble Zwecke, zerstört er diese Eigenschaften und sich selbst dazu, darüber hinaus vermehrt er noch das Böse. Der menschliche Geist empfängt seine Vorzüge, damit sein Besitzer die besten Möglichkeiten entwickelt. Nehmen wir z. B. dich, Fulla: Du verzichtest freiwillig auf die Freuden der irdischen Liebe, und dieser Verzicht, diese Reinheit mehrt deine Fähigkeit zur reinen Beobachtung des Lebens. Es fällt dir nicht schwer, einen Menschen, das Leben selbst oder die Ursachen geistiger Armut zu analysieren, dabei kannst du mit vollem Einsatz, da deine Energie durch nichts abgelenkt wird — deine Arbeit aufnehmen und die Wege der Menschen beleuchten, die diese dann schließlich auf die Spur Jesu Christi, zur Wahrheit, führen! Es segnet dich, meine Tochter, dein dich liebender Deza.“

9.2.1937

„Mein geliebtes Kind! Welches Geschenk sollen wir unserem Herrn Jesus in den nächsten sieben Wochen darbringen? Laß uns, meine kleine Fulla, seinen Spuren folgen. Laß uns nachempfinden, was er fühlte, als er sich auf seinen Leidensweg vorbereitete und diesen durchschritt. Wir sollten folgendes näher betrachten: Sein trauriges Antlitz, sein Schweigen, sein Gebet im Garten Gethsemane, seine stille Ergebenheit bei der Auslieferung an die Henker, den verräterischen Kuß von Judas, Jesu' Gehorsam gegenüber dem Gericht, die Verspottung seiner Person, die Dornenkrone, seinen Kreuzgang, seine Kreuzigung, seine Vergebung, seinen Todeskampf und sein Sterben. Wie hat sich der König der Liebe in all dieser Zeit verhalten? Laß uns versuchen, mein Kind, unsere kleinen Schmerzen und Kümmernisse ähnlich wie er, das heißt still und ergeben, zu ertragen. Jesus hat seinen Verrätern und Henkern vergeben, obwohl er unschuldig war — deshalb sollten auch wir unseren Mitmenschen die kleinen Unannehmlichkeiten vergeben, die sie uns bereiten. Laß es uns für ihn tun. Wir können ihm damit, wenn auch nur ein ganz klein wenig, für seine Liebe und für sein Opfer danken. Er selbst wird unsere Gaben mehren und annehmen, als Zeichen dafür, daß wir seine Liebe erwidern. Er wird unsere Seele aufrichten, wenn sie gefallen ist, er wird unser Mann aus Cyrene sein und uns in schwierigen Situationen helfen. Wer könnte den Menschen wohl mehr lieben und verstehen als er, der sein göttliches, unschuldiges Leben für ihn hingab? Wer das verheißene Reich Gottes schon auf Erden und auch später im Himmel besitzen will, wer zu denen gehören will, für die der Gott‑Mensch sein Blut vergossen hat, der muß den Erlöser verstehen und lieben lernen, muß sein Leiden mitfühlen und für das Opfer des heiligsten Blutes bezahlen, damit dieses Blut nicht auf uns, sondern für uns fließt. Die Welt arbeitet daran, immer schrecklichere und härtere Qualen zu erzeugen und diese auf sich herabzuziehen. Die Welt, das sind die Menschen; diese machen sich ihre Katastrophen, Unglücke und Krankheiten selbst, doch die Schuld dafür wollen sie auf Gott abwälzen. Gott tut nur das Gute. Der Mensch allein erzeugt das Böse mit Hilfe Satans, der gern hilft, wenn er gerufen wird. Bete deshalb, meine Kleine, daß die bedauernswerten Menschen, die sich auf dem Irrweg befinden, endlich die Worte unseres Herrn Jesus verstehen und nachsprechen können. Sie forschen, suchen, wühlen oft in dem Blödsinn herum, den irgendein Dummkopf ausgesprochen hat. Die Ärmsten, sie wissen nicht, daß sie durch das Verstehen der Worte Jesu Christi sich selbst und die ganze Welt zu neuem Leben erwecken können! Euer Verstand und euer Wille sind so sehr durch Sünden eingeengt, daß ihr das Reich Gottes mit Gewalt von euch weist, warum nur? Das Reich Gottes, das ist das verlorene Paradies, und zwar hier auf Erden. Ihr könnt es zurückerobern, durch eine einzige leidenschaftliche Willensanstrengung, einen Augenblick lang!

Mögen die Segnungen des heiligsten Herzens auf euch herabfließen Deine Bozienia.“

19.2.1937

„Fulla, du Kind Gottes! Dein Deza, der im Kreise der absoluten Wahrheit weilt, kommt zu dir herab, um sie denen zu bringen, die nach ihr dürsten. Teile deinem forschenden Professor für Naturwissenschaften folgendes über Darwin mit: Wer die Wahrheit erforschen will und seinen Blick dabei nur auf die Erde gerichtet hält, der findet — selbst wenn er auf der Suche nach einer Antwort ganz tief eindringen sollte — Skelette von Affen! Ich selbst bin Schüler so großer Forscher gewesen wie Buffon, Cuvier, Lineusz, Lamarok, Humboldt, Müller, Geoffroy. Zu ihnen schicke ich deinen Professor, damit er sich davon überzeugt — nicht aus religiöser, sondern aus wissenschaftlicher Sicht, daß der Mensch als eine einzelne Gattung existiert. Virhoff erklärte auf dem Münchener Kongreß vor etwa fünfzehn Jahren, man habe einen menschlichen Schädel untersucht, der irgendwo im Torf oder in einer Höhle gefunden worden war, dabei wolle man unbedingt eine affenähnliche Form an ihm entdeckt haben. Man habe nach besonderen Merkmalen gesucht, die auf einen wilden, nicht voll entwickelten Zustand deuten könnten. Leider hätten sich all diese Behauptungen nach näherer Untersuchung als falsch erwiesen. Nicht eines der bei Ausgrabungen gefundenen menschlichen Skelette hätte eine niedere Entwicklungsstufe gezeigt, es sei sogar so, daß unter den derzeitigen Menschen eine bedeutend höhere Anzahl von relativ niedrig entwickelten Personen lebe als zu Zeiten des Urmenschen, von dem hier die Rede ist.

Die Wissenschaft sei letztendlich zu der Überzeugung gelangt, man könne einzig und allein eine Vielfalt der Rassen innerhalb einer einzigen Gattung nachweisen, die alle derselben Herkunft sind. Die Wahrheit ist: Durch direkte Einwirkung Gottes stammen alle Menschen von einem erschaffenen Paar ab. Warum sollen alle Affenarten mit einem Mal in ihrer geistigen Entwicklung stehengeblieben sein? Sie haben sich doch vorher ständig weiterentwickelt und sind soweit gekommen, daß sie sogar ein menschliches Gehirn haben! Sollte die Luft nicht mehr gut genug für sie gewesen sein? Wodurch wurde der vollkommene Stillstand in ihrer Entwicklung verursacht? Es gibt doch keine einzige Affenart, die die Intelligenz eines Menschen hätte. Organisches, pflanzliches Leben ist auf einer Stufe stehengeblieben. Niedrigere Arten von Tieren sind auch so geblieben, wie sie immer waren. Eine Schnecke hat niemals, auch in viertausend Jahren nicht, das Bestreben, ihre Form zu ändern und, sagen wir mal, zu einem Frosch zu werden! Jedes Leben hat seinen Platz! Der Mensch jedoch — da er in seinem eigenen Antlitz keinen Affen erkennen kann — möchte sich zumindest daran erfreuen, daß seine Vorfahren Affen waren! Oh, nicht die Wissenschaft ist es, die ihn in die Irre führt, sondern der Hochmut, der es einem Kleingeist nicht erlaubt, nach Gott zu suchen. Es hat keinen Sinn, im dunkeln herumzutasten. Der Schöpfer verwehrt es niemandem zu suchen, wenn man jedoch finden will, muß man den Weg erleuchten. Die Wissenschaft ist zerbrechlich, zu Tausenden wurden bereits Theorien verworfen; die Offenbarungen Gottes dagegen sind stets dieselben, die Worte Jesu sind lebendig und aktuell, in letzter Zeit gewinnen sie sogar an Farbe und werden immer besser verstanden! Es naht vielleicht eine Zeit, in der die Väter beginnen, ihre Söhne in Würde zu erziehen, da sie selbst sich als Söhne Gottes fühlen. Dann beginnt eine neue, lichtverklärte Epoche. In dem verheißenen Gottesreich werden Söhne und Töchter gleichermaßen glücklich sein. Alles wird hell sein. Der Mensch wird weise, weil er nach der Wahrheit greift. Schluß mit den Fehlern! Wenn alle Forschungen und Theorien ausgeschöpft, alle Versuche fehlgeschlagen sind und nicht zu Zufriedenheit und Glück geführt haben, möge die dunkle Ungewißheit dann weichen! Laßt uns die Augen zur Sonne erheben. Gott! Du hast uns die Sonne gegeben, ihre Strahlen wärmen uns — mach, daß wir deiner Macht und Größe würdig werden! Wir genießen die Gaben, die du allen Menschen gegeben hast, laß uns nicht zu viel verbrauchen, damit es auch noch für andere reicht. Du gabst uns alles aus Liebe, wie ein Vater und auch wir müssen in Liebe unter uns teilen, wie Brüder. Dein göttliches Auge hat uns zum Leben berufen und sieht alles, was wir tun. Wir lehnen endlich die satanische Komödie ab, die aus unserem Hochmut und unserer Habgier entstanden ist. Wir wollen neu geboren werden. Wir glauben an unseren Schöpfer und flehen ihn an um Hilfe! Bei uns selbst wollen wir mit der Umgestaltung beginnen. Du, Herr wirst uns helfen! Dein Reich komme! Es segnet euch Deza.“

Mein Geburtstag, 22.2.1937

„Mein allerliebstes Kind! Dein hl. Mütterlein — für immer dein auf Erden und, wenn es unserem Herrn Jesus gefällt, auch im Himmel — möchte dir reine Freude schenken. Es ist der Geburtstag unserer kleinen Fulla! Deine Seele wurde vor langer Zeit in den Himmeln erschaffen und wird Gott ewig lieben. Hier, in diesem zeitlichen Leben wird jedoch noch so manche ehrliche Träne aus deinen verweinten Augen fließen, möglicherweise auch aus Mitleid für manches Unglück und manchen Schmerz deines Nächsten. Alle deine Tränen werden im Himmel gezählt und registriert. Ich, dein Mütterlein, liebe mein einziges Kind und wünsche ihm viel Freude. Viel Erfolg bei der Suche nach verlorenen Schäfchen, seelisches und körperliches Wohlergehen, am meisten jedoch wünsche ich dir die Liebe unseres Herrn Jesus selbst. Vertraue mir und laß dich durch nichts aus dem Gleichgewicht bringen. Nun möchte Deza dir auch noch Glück wünschen. Dein hl. Mütterlein“

 „Meine kleine Fulla! Nimm Dezas herzliche Glückwünsche entgegen! Erledige alles, was du tust, mit inniger Hingabe und ohne zu zögern. Weine nicht ohne Grund. Die Liebe sei die stärkste deiner Tugenden. Sei mutig in allem, außer in der Sünde. Halte stets für jeden einen guten Rat bereit, achte nicht auf das, was böse oder unaufrichtige Menschen sagen, schreite stets vorwärts, gehe klug und geschickt vor, wenn du Menschen für die Wahrheit Gottes begeistern willst; weise einen Bittenden niemals ab. Erfülle dich ganz mit der leuchtenden Wahrheit Gottes und teile diese großzügig aus. Entferne dich niemals von unserem Herrn Jesus. Das wünscht dir Deza! Meine geliebte Fulla! Ich wünsche mir von Herzen, daß dein hl. Mütterlein in diesem Jahr große Wunder vollbringen möge. Ich wünsche dir, daß jeder, den du triffst, dich gern haben und an die Macht Jesu glauben möge! Das ,Haus der heiligen Mutter' soll endlich gebaut werden. Innige Liebe soll dich und dein hl. Mütterlein auf ewig verbinden. Bleibe stets körperlich und geistig gesund. Ich umarme meine Fulla. Dein Deza.“

2.3.1937

„Fulla, mein kleines opferbereites Kind! Lerne, alles Gott zu weihen. Unser Herr Jesus wird dir von nun an, jeweils am ersten Freitag im Monat, beginnend mit dem nächsten Freitag, eine Ekstase schenken und dich dadurch stark machen. Er hat dich erwählt und vertraut deinem Herzen und deiner Liebe. Was tun die Menschen nicht alles für die trügerische, unbeständige irdische Liebe! Sie opfern ihr Hab und Gut, ihren Frieden, ihre Tugenden, Ehre, Gesundheit und sogar ihr Leben. Ist die reine Liebe zu Jesus nicht die reinste Wahrheit selbst? Diese Liebe sollte als einzige ohne Grenzen sein. Für sie sollte man ungewöhnliche Dinge tun. Kein Opfer ist zu groß für sie. Für diese Liebe sein Leben hinzugeben, heißt, Unsterblichkeit und ewiges Glück zu erlangen. Es ist erfreulich, meine allerliebste Kleine, daß du es mit deinem Eifer schaffst, so viele Menschen dem heiligsten Herzen näherzubringen. Tue es gemeinsam mit mir, bis zu dem Zeitpunkt, da deine Seele erlöst wird und sich im Herzen Jesu ausruhen kann. Dein Mütterchen.“

Seit dieser Zeit erlebe ich regelmäßig am ersten Freitag im Monat, nach meiner Rückkehr von der hl. Messe, eine Ekstase. Im Unterschied zu früheren Ekstasen falle ich nach diesen Freitags‑Ekstasen jedesmal in einen tiefen Schlaf, aus dem ich erst am Abend erwache.

Nach dem Aufwachen befinde ich mich noch lange in einem Zustand der Benommenheit und Entrückung, so daß es mir geradezu körperliche Schmerzen bereitet, wenn jemand spricht oder auch nur anwesend ist. Meine Seele wehrt sich dagegen, in den kargen grauen Alltag zurückzukehren, in dem sie sich befand, bevor sie die absolute Fülle erleben durfte.

Nach so einer Freitags‑Ekstase fühle ich mich jedesmal wie ein frisch aufgeladener Akkumulator. Ich entdecke in mir neue Kraft und fertige, ausgereifte Ideen, die genau so sind, wie ich sie in der gegebenen Situation gerade brauche. Als ich mein hl. Mütterlein danach befragte, antwortete es, daß mir während einer Ekstase von unserem Herrn Jesus selbst all das eingegeben würde, was ich für die Erledigung seine Angelegenheiten innerhalb des nächsten Monats benötige.

Als ich begann, diese Ekstasen zu erleben, erhielt ich wiederholt Offenbarungen, und zwar auf eine Art, die ich nicht beschreiben könnte. Es war so, daß ich nach dem Aufwachen um mich herum verstreute, aus einem Schreibheft herausgerissene Blätter, manchmal auch Papierfetzen oder alte Briefumschläge vorfand, die ich absolut unbewußt beschrieben hatte. Jeder neue Absatz begann mit einem kleinen Kreuz. Ich war durch den veränderten Stil und durch den auffallenden Ernst dieser Worte völlig überrascht und fragte mein hl. Mütterchen, von wem diese Schreiben kämen.

„Von dem, der dir die Ekstasen schenkt“, erwiderte sie.

Sie wies mich an, diese Schreiben sofort aufzubewahren und sagte, ich würde zu gegebener Zeit auf sie zurückgreifen. Erst zwei Jahre später empfahl sie mir, sie zu ordnen und neu zu schreiben. Gleichzeitig wurde es mir streng verboten, in diesem Buch auch nur die kleinste Andeutung über ihren Inhalt zu machen.

Die Offenbarungen enthalten eine Reihe von Vorhersagen für die nächste Zukunft, es ist in ihnen die Rede davon, daß Polen beim Kampf um das Reich Gottes in der Welt eine wichtige Rolle spielen und eine leuchtende Zukunft haben werde, falls es die göttliche Inspiration gehorsam aufgreift und den Weg der Söhne des Lichts wählt. Weiter heißt es, die dritte Epoche des heiligen Geistes stehe bevor, es sei die bemerkenswerteste Epoche in der Geschichte der Welt, in der das Gute und das Böse für immer voneinander getrennt würden und in der „niemand lebt, der nicht durch den Geist lebt“.

Die Vorhersagen eines großartigen, vollkommenen und endgültigen Sieges des Lichts über die Dunkelheit enden mit den folgenden Worten, die die ewige Macht Gottes enthalten: „Die Zeiten sind erfüllt!“

24.3.1937

„Meine liebe Freundin! Mache deinen Kopf frei und höre mir aufmerksam zu, denn ich will mit dir über Dinge von großer Bedeutung sprechen.

Die Kommunikation zwischen Himmel und Erde ist keine normale und alltägliche Angelegenheit und sie ist auch nicht jedem gegeben. Du bist auserwählt, Fulla, bleibe es weiterhin und höre, was Deza dir zu sagen hat:

Auserwählte Menschen, was heißt das? Wer sind jene, die auserwählt sind? Ich will es dir sagen. Ein Mensch geht in den Wald, um Pilze zu suchen. Er sucht den ganzen Wald ab, findet viele, sieht sie sich an, prüft, läßt einige unbeachtet, wählt sorgfältig und bringt schließlich von einigen hundert Pilzen, die er fand, nur zehn mit nach Hause; er nimmt nämlich nur die eßbaren und läßt die anderen zurück. Mögen sie dort weiter wachsen. Bei seiner Suche hat er auch manche Pilze zertreten und vernichtet. So sucht Gott unter den Menschen diejenigen aus, die nützlich sind und die er für seine Ziele gebrauchen kann. Er läßt sie ihren Geist nach oben richten. Er schenkt ihnen Licht, damit sie durchblicken können. Nach und nach erlöst der gnädige Gott den auserwählten Menschen von dem irdischen, materiellen Panzer — der Dummheit.

Auch deine Betreuerin (dein hl. Mütterchen) wurde auserwählt. Gott hat es ihr offenbart. Seit dieser Zeit ist ihr Wille auf den Allerhöchsten übergegangen für immer.

Gott ist Vater, Sohn und Geist, ein Wesen in drei Personen. Eine solche Erkenntnis steht nach dem Gesetz Gott allein zu. Es hat diesem Gott jedoch gefallen, die Seele des Menschen bereits in diesem Leben daran teilhaben zu lassen. Durch den Glauben schickt er eine unmittelbare Intuition, die für den Willen zum vollkommenen Glück und somit zu einer segensreichen Vision wird. Diese Dinge werden einem Geschöpf, also dem Menschen, durch völlig unverdiente Hilfe übermittelt und dann hat der auserwählte Mensch schon hier auf der Erde Zugang zu dem, was kein Auge jemals gesehen und kein Ohr jemals gehört hat. Fulla! Ein Mensch, der auserwählt ist, hat nun einen inneren Kampf zu bestehen. Ich liebe dich, Kind, und will dir helfen. Auch mich hat Gott erwählt, und auch ich hatte diesen Kampf zu bestehen, wie übrigens auch unser geliebtes Mütterchen. Bitte dein hl. Mütterchen um ein sonniges Gemüt, damit du schon bald zu denen gehörst, die wissen! Laß es dir ja nicht in den Sinn kommen, ,dein Mütterchen hätte sich jemand anderen als Kind aussuchen sollen', daß du nicht fähig seist und ähnliche Geschichten. Denke daran, daß der Wert eines Menschen bei Gott um so größer ist, je mehr er sich verändert, sich selbst überwindet und neu geboren wird, je mehr er für seine Liebe streitet, wie sehr liebt dich Gott gerade dann, wenn du mit dir selbst unzufrieden bist und Bitterkeit deine Seele erfüllt, während du gemeinsam mit deinem hl. Mütterchen für Jesus arbeitest! Ich sage dir dies alles, meine kleine Fulla, damit du immer besser verstehen kannst. Ich umarme und segne dich, unser einziges Kind. Dein Deza.

28.3.1937

„Meine allerliebste Kleine! Die Zeit vergeht schnell — die Zeit, die wir beide nach dem Willen Gottes haben. Du hast mir vertrauensvoll deine Hand gereicht, hast in himmlischer Höhe Platz genommen und schwimmst an meiner Seite. Ich weiß, daß ich dich verzaubert habe, daß du mir blind vertraust und dich mit geschlossenen Augen führen läßt. Du bist so glücklich mit mir, daß du zuweilen den Wunsch hast, alles stehen und liegen zu lassen; soll es doch weglaufen, aufhören; nichts soll mehr existieren, auch du selbst nicht, mein Kind. Du würdest gern nur noch an mich denken und die Sicherheit genießen, daß du in Liebe mit mir verbunden bist. Stimmt's?

Hier sind die Antworten für diejenigen, die dich etwas gefragt haben Wundert es dich eigentlich nicht, daß so viele Menschen Fragen und große Wünsche haben, daß aber niemand die wichtigste Frage überhaupt stellt? Welches ist wohl die allerwichtigste Frage? Die Frage nach der Wahrheit, die Glück bringt. Sage denen, die fragen, von vornherein, daß einzig und allein in Jesus — im Erkennen seiner Lehre und seiner Liebe — der Schlüssel zu der höchsten Wahrheit liegt.

Wie man aber dort hinkommt, wie man den allerbesten Lehrer zu verstehen lernt, danach fragt niemand. Es scheint auch niemand zu wissen, daß das vollkommene Glück für den Menschen im heiligsten Herzen unseres guten Herrn Jesus liegt. Unser Herr Jesus, ein König von größter Weisheit und Güte, wunderschön im Himmel wie auf Erden. Herr der Liebe, der Opferbereitschaft und der Vergebung!

Welcher König gibt sein Blut und seinen Leib für seine Untertanen hin? Welcher König öffnet seine Arme liebevoll für Verbrecher, für Elende und von der Gesellschaft Verstoßene, gibt sein Leben hin für das Glück all jener? Welcher König steigt zu seinem Untertan hinab, lebt mit ihm, sorgt sich für ihn, liebt ihn uneingeschränkt und überschüttet ihn mit Gnaden und verlangt zum Dank nur das Herz? Welcher König nennt sich seinem Untertan gegenüber Bruder? Jesus — Jesus — Jesus.

Es hat nie vorher jemanden gegeben, es gibt in der heutigen Zeit niemanden, und es wird auch in Zukunft nie wieder jemanden wie Jesus geben. Deshalb ist ein Mensch, wenn er sich ihm in Liebe unterwirft und seinen Willen tut, vollkommen und glücklich, und Jesus liebt ihn. Dieser Mensch ist demütig, vollbringt ohne Widerspruch große Taten für die Ewigkeit, stellt sich selbst, sein ,Ich' und seine eigenen Anschauungen nicht in den Vordergrund. Es ist absolut unumstößlich, daß sich dieser Mensch langsam und beständig verwandelt und zu Christus selbst wird!

Denke daran, Fulla, daß die größten Taten eines Menschen nichts ausrichten, wenn der Mensch sie nicht für Jesus vollbringt. Jesus belehrt uns über das Ziel unserer Bestrebungen, er empfindet für seine Schäfchen reine Liebe und Erbarmen, er gibt ihnen die nötige Kraft und sorgt sogar dafür, daß ihre Seelen vor Begeisterung glühen. Mein Geist ist mit dir! Wir wirken gemeinsam! Die Liebe unseres wunderbaren Königs hat uns auf denselben Weg gewiesen. Es ist möglich, daß du heute noch nicht ganz verstehen kannst, welche Gnade es für dich ist, vom Erlöser selbst ausgezeichnet und ins Vertrauen gezogen worden zu sein. Unser lieber Herr wird dich irgendwann alles begreifen lassen, du mußt dich ihm nur ganz hingeben. Ich, deine hl. Mutter, soll mein geliebtes Kind ganz unserem Herrn Jesus übergeben. Erlaube es! Unser Herr Jesus gibt sich doch auch jeden Tag ganz deiner Seele hin! Es segnet dich deine Bozienia.“

Tag der Magdalena‑Sofia, 25.5.1937

„Meine allerliebste kleine Fulla! Heute komme ich nur ganz kurz zu euch hereingeschwebt, weil Marysia so herzlich darum gebeten hat. Sage ihr, daß sie in Ruhe abwarten und vertrauen soll. Mein Geist weilt bei meinem Grab. In dieser Woche kann ich wegen der Feierlichkeiten in Jette keine Fragen beantworten, erst am nächsten Dienstag wieder. Allen Kindern, die in diesem Jahr ihre Herzen und Seelen vor meinem Bild vertrauensvoll geöffnet und das heiligste Herz durch meine Fürsprache um irgend etwas — was es auch immer sei — gebeten haben, übermittle ich den Segen unseres Herrn Jesus für das ganze laufende Jahr, und ich versichere sie meiner ständigen Obhut und Hilfe. Ich umarme dich, mein einziges Kind. Deine Bozienia.“

26.5.1937

„Meine liebe kleine Freundin! Du möchtest wissen, wie die Mutter Gottes mir erschienen ist? Die heiligste unbefleckte Jungfrau Maria sieht jung, hell und rein aus. Ihre Schönheit ist vollkommen. Ihr Lächeln voller Güte, ihre großen, ovalen Augen blicken freundlich. Ihre Hände streckt sie mir entgegen, als wolle sie mir all die wundervollen Gaben zeigen, um die sich jeder bemühen kann. Ihre zierlichen Füße sind bloß. Ihre ganze Gestalt ist makellos, so wie sie meistens dargestellt wird, nur daß meine Madonna sehr jung und wunderschön ist. Sie ist ganz in Weiß gekleidet, nur ein silbernes Band hebt sich von ihrem Kleid ab, und ein wenig Silber ist auf ihrem Mantel und auf ihrem Kopf zu sehen. Zu ihren Füßen habe ich noch nie eine Schlange bemerkt. Soviel über meine wunderbare, heiligste Jungfrau.

Fulla! Sage all denen, die sich dem übernatürlichen Wirken verschrieben haben, daß ihre Seelen sehr bald die Formen annehmen werden, die ihnen der höchste Herr und Künstler verleiht. Er, der ohne Material und ohne jedes Muster lebendige Welten gemacht hat. Sage ihnen, meine kleine Fulla, daß in ihrer Ergebenheit die Gaben des heiligen Geistes enthalten sind, und diese Gaben sind durch ihre Demut auf sie herabgeflossen. Demut ist die Brücke zum Vater, Sohn und heiligen Geist. Durch sie empfängt der Mensch schöpferische Kraft (Vater), die Kraft der Liebe (Sohn) und das Licht des Verstehens (Hl. Geist).

Siehst du, liebe Fulla, wenn du dich gemeinsam mit deinem Deza an das Schreiben heranwagst, werden Mittelmäßigkeit und Verzagtheit von dir abfallen. Ein gewöhnlicher, kleingeistiger Mensch hat enorme Angst vor Anstrengungen, er hat Angst, nach Höherem zu greifen, Angst vor Veränderungen und Neuanfang, in seinen Leistungen spiegeln sich Feigheit, Häßlichkeit, Unzulänglichkeit. Das gesamte Ausmaß seiner Aufgeblasenheit zeigt sich im Ergebnis seiner wertlosen Arbeit.

Dein Freund Deza wird dir helfen, liebes Kind, daß die Gaben, die du von Gott erhalten hast, also Talent und Geschick, voll zur Geltung kommen. Wichtig sind auch dein Einfluß und dein Wille. Sie müssen den Weg deines hl. Mütterleins gehen und dich mit Liebe erfüllen. Du mußt, liebe Fulla, das Gefühl der Einsamkeit loswerden. Der ruhmreiche König hat dein Herz geöffnet, also stehst du unter seinem Schutz. Du mußt dich selbst ganz klein fühlen, jedoch groß und mächtig durch seine Gegenwart. Weißt du, wer in dir und mit dir ist? Antworte. — Ja, richtig, Jesus! — Ich danke dir, Jesus, daß ich nicht klein, verzagt und allein bin. Du gibst mir Kraft für alles, was ich nach deinem Willen tun soll. Ich will deine Befehle hören. Jeder innere Widerstand gegen dich möge in mir erlöschen! Die Lieblichkeit und Güte meines hl. Mütterchens mögen mir helfen, dir zu dienen, mein guter Erlöser! Die heiligste Mutter Maria möge meine Zuflucht sein. Ihr Herz wird in meinem Herzen Mitgefühl für meine bedrückten und weinenden Mitmenschen wecken!

In der nächsten Woche darf ich mehr schreiben und dir Gelegenheit geben, einen ehrwürdigen Geist kennenzulernen, der dir freundschaftlich zugetan ist.

Ich segne und umarme dich zärtlich, wie dein hl. Mütterchen es tut, mein Töchterchen. Dein Deza.“

31.5.1937

„Unsere allerliebste Fulla! Sage deiner Bekannten, daß es nicht angebracht ist, nach immer neuen Formen der Selbstkasteiung zu suchen oder sich welche auszudenken. Man muß zunächst ernsthaft darüber nachdenken, was Selbstkasteiung bedeutet. Was ist das Ziel der Abtötung des eigenen Fleisches? Wir wollen uns damit Verdienste bei Gott erwerben, unseren Edelmut fordern und unseren Willen stärken, nicht wahr? Die beste und effektivste Selbstkasteiung ist das freiwillige und systematische Ablegen der eigenen Fehler. Es kommt zwar vor, daß Menschen Fehler an sich selbst entdecken, aber es ist eine große Seltenheit, daß jemand alle seine Fehler erkennt. Normalerweise ist es so, daß sogar dem charakterschwächsten Menschen jede kleinste verborgene Unzulänglichkeit an seinen Mitmenschen auffällt. Daran sollten wir denken, wenn uns ein Freund auf unsere Fehler aufmerksam macht; wenn es aber ein Feind tut, sollten wir noch bereitwilliger zuhören, prüfen und Unzulängliches in uns für immer ausrotten. Deine Bekannte sollte mit der Zeit gehen. Sie sollte darüber nachdenken, wieviel Gesundheit, Kraft, Scharfsinn und oft auch Humor erforderlich sind, um unserem Herrn Jesus zu helfen. Die gewissenhafte und pünktliche Erfüllung der eigenen Pflichten ist stets verbunden mit Verzicht, Selbstkasteiung und Opferbereitschaft.

Professor X. gib zur Antwort, Fulla, daß man nicht unbedingt erforschen muß, was Gott nicht offenbart hat, weil nämlich die Köpfe aller weisen Männer und Philosophen dieser Welt zusammen zu klein sind für die höchste Intelligenz des Schöpfers allen Seins. Ebensowenig kann der Kopf eines Menschen, auch wenn er noch so intelligent ist, den göttlichen Verstand fassen. Die größte Aufnahmefähigkeit besitzt der Kopf eines unschuldigen Kindes oder der eines demütigen Greises; denn diese haben die beste plastische Vorstellung von unserem Gott‑Vater, der von allem reichlich austeilt. In den Plänen Gottes kommt die Reinkarnation nicht vor! Das würde dem freien Willen und der Erkenntnis von Gut und Böse widersprechen. Deshalb sind dem Menschen seit der Zeit, als Jesus Christus zu uns kam, alle Möglichkeiten zur Veränderung seiner selbst hier auf der Erde gegeben. Die Liebe ist stark, schön und unsterblich; wer sie annimmt, verändert sich, wird ergeben, demütig, erkennt sein Ziel und geht mit Freude darauf zu — durch Schmerz, Kummer und durch alle Kreuze hindurch, die ihm im Wege stehen! Dein Deza.“

Ich weiß selbst nicht, wie es dazu gekommen ist, daß immer mehr Menschen zu mir kamen und um ein Gebet zur hl. Magdalena‑Sofia, um ihre Fürsprache, ihren Rat oder ihre Hilfe baten. Es wurde mit der Zeit zur Gewohnheit, daß die Menschen mir ihre Fragen und Bitten, von den Bittstellern selbst oder von mir in ihrer Gegenwart auf ein Blatt Papier geschrieben, übergaben, und ich all diese ,Gesuche' dann abends meinem hl. Mütterlein vorlas und entsprechende Antworten erhielt.

Auf nahezu alle Lebensbereiche bezogen sich die Fragen. Angefangen mit seelischer und körperlicher Gesundheit, über materielle Sorgen und Schwierigkeiten, familiäre und berufliche Probleme, bis hin zur naiven und albernen — und deshalb unerfüllten — Bitten um den Tip für eine glückbringende Lotterienummer oder die Empfehlung eines guten Dienstmädchens, mußte ich meiner liebsten Heiligen ganze Litaneien von menschlichen Sorgen und Nöten vorbringen.

Manche ihrer Antworten behandelten das jeweilige Thema so wunderbar und ausführlich, daß ich sie in voller Länge am Ende dieses Buches hinzufüge. Bis dahin führe ich nur die Schreiben auf, die an mich selbst gerichtet sind. Daher diese oftmals großen Lücken zwischen den einzelnen Zeitangaben.

Ich begann, aus verschiedenen Teilen des Landes Briefe mit den unterschiedlichsten Anliegen zu erhalten. Man bat mich um die Zusendung eines Bildes der hl. Magdalena‑Sofia, um einen Gottesdienst, einen Rat oder ein Gebet. Mein hl. Mütterlein diktierte mir freundlichst die Antworten auf alle diese Briefe. Danach erhielt ich stets Berge von Dankesschreiben an sie für die erwiesenen Wohltaten. Kleine silberne und goldene Herzen kamen an, die ich um ihr Bild herum befestigte, und frische Blumen, von dankbaren Menschen zugeschickt, zierten zu jeder Zeit, im Sommer wie im Winter, ihren Altar.

Es geschahen auch Dinge, die rührend komisch waren. Einmal rief jemand an und fragte: „Wohnt dort die hl. Magdalena‑Sofia?“. Ein anderes Mal fragte jemand, ob dort „das Fräulein, bei dem man sich Ablaß holen kann“ wohne. Die Naivität meiner Mitmenschen, gefördert durch zumeist verworrenes Gerede über mich, bedachte mich mit den seltsamsten Beinamen. So sagte man mir einmal, ich sei eine „lebende Reliquie“, ein anderes Mal nannte mich jemand „Heilige der drei Dogmen“. Ich weiß natürlich auch nicht, was er damit meinte.

Einmal erschien bei mir ein sehr ernsthaft wirkender Herr, räusperte sich und erklärte, nun sei aber Schluß mit dieser Verspottung der Menschen, er sei gekommen, um mich zu demaskieren. Ich mußte ihn darum bitten, mich erst am Mittwoch zu demaskieren, da ich gerade keine Zeit hätte. Er kam tatsächlich eine Woche später wieder, hatte aber, als er dann fortging, den Text für ein neuntägiges Gebet, eine Novene und ein Bild meines hl. Mütterchens bei sich.

Ich wurde immer häufiger zu Kranken gerufen. Einigen von ihnen brachte ein Gespräch über mein hl. Mütterchen bereits Linderung, andere beruhigten sich, wenn ich ihre Hände hielt, wieder andere wollten solange keine Medikamente zu sich nehmen, bis ich ihnen versicherte, daß sie helfen würden. Oft begann ich, mit einem Kranken zusammen eine Novene zu beten, und ging dann neun Tage lang zu ihm, um sie mit ihm zu beten.

Es kam dann schließlich so weit, daß ich nie genug Zeit hatte. Ich erteilte ja auch Unterricht, um damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Den Anweisungen meines hl. Mütterchens folgend, wollte ich vollkommen unabhängig sein. Ein Tag war viel zu kurz für mich. Ich hatte keinen Augenblick mehr für mich allein, und auch für die anderen reichten die Stunden oft nicht aus.

Darüber hinaus tat es mir sehr weh, daß ich die ganze Zeit, wenn meine hl. Mutter bei mir war, die Angelegenheiten anderer mit ihr zu besprechen hatte, daß ihre Diktate nur wenige Worte am Ende eines Schreibens für mich selbst enthielten. Als dann zu meiner egoistischen Wehmut noch Erschöpfung hinzukam, weil ich vom frühen Morgen bis oft spät in die Nacht hinein die verschiedensten Bitten und Fragen entgegennehmen, Kranke besuchen oder Briefe beantworten mußte, und im wahrsten Sinne des Wortes weder Zeit zum Essen noch zum Schlafen hatte, verlor ich langsam die Lust und die Freude an dieser Arbeit. Meine hl. Mutter ermunterte mich, liebenswürdig wie immer, durchzuhalten und diese Krise zu überwinden, indem sie mir ins Gedächtnis rief, wieviel Gutes der Himmel durch mich bereits in die Welt gebracht hat. Als ich mich einmal für diese Unlust mit meiner großen Liebe zu ihr entschuldigen wollte und immer wieder trotzig betonte, wie sehr ich sie liebe, antwortete sie in ernstem Ton: „Beweise es!“

Offenbar lag ihr nicht so viel an meinen Worten, sondern wichtiger noch als meine Gefühle waren für sie die Taten, die ich aus Liebe zu ihr vollbrachte.

27.06.1937

„Mein allerliebstes, gehorsames Kind! Ich liebe dich, denn du scheust weder Zeit noch Wege im Einsatz für unseren Herrn Jesus. Durch diesen Dienst läuterst du all deine Fehler und stärkst deine Seele, und damit wiederum zeigst du, daß du ihn liebst. Sei nicht traurig, daß ich für dich nur ein paar Worte zurücklasse. Ich bin mit dir, und auch du sei stets mit mir. Beide müssen wir unseren Nächsten zu Hilfe eilen, denn auf diese Weise ist es leicht, sich selbst aufzugeben. Ich erfreue mich, mein Kleines, an deinem Eifer. Wie liebevoll und gewinnbringend opferst du die Zeit eines jeden Tages für unseren Herrn Jesus, oft gar unter großen Schwierigkeiten! Mach' weiter so, und arbeite hingebungsvoll für den Himmel, denn du bist unser geliebtes Kind und mit hohen Ehren wirst du zu uns zurückkehren. Ich liebe meine kleine Fulla und bedenke sie täglich aufs neue mit der Kraft, Menschen an Jesus heranzuziehen. Deine Bozienia.“

18.08.1937

„Meine teure kleine Freundin! In deiner Seele gärt es bereits und das Ergebnis wird eine höchst wunderbare Verwandlung sein! Wenn sie vollbracht ist, werden wir in unserer kleinen Fulla eine immens starke Festung hier auf Erden haben. Sorge dich nicht und erschrecke nicht darüber, daß nicht alle Pläne durchgeführt werden konnten. Auf unserem Weg treffen wir halt immer wieder auf Dinge, die für Gott wichtiger sind und denen man nicht ausweichen darf. Sie müssen durch dich hindurchgehen, damit sie reifen oder sich schneller herauskristallisieren können. Deza ist stets bei dir, geliebtes Kind. Mal hilft er dir, mal ist er gerührt, mal stolz, oft aber auch vergnügt, manchmal sogar etwas traurig. Letzteres geschieht, wenn Fulla den Mut verliert. Das Ziel der Selbsterneuerung muß systematisch angestrebt werden. Auf dem Wege dorthin muß man die ehemals schönen und göttlichen, inzwischen jedoch fehlerhaften und in Trümmern liegenden Reste der menschlichen Seelen aufrichten, die jahrhundertelang durch teuflische Betörung niedergedrückt und beschädigt wurden. Ich habe dir, Fulla, den Artikel von W. Lutoslawski zukommen lassen; dieser gelangt letztendlich zu Weisheit und Wahrheit. Du kannst noch einmal darüber nachdenken, was er über das kulturelle Gesamtbild und über die menschlichen Bestrebungen in unserer Zeit schreibt. Jeder Mensch, gleich welcher Rasse und Zugehörigkeit, ist durch die Hand des einen Schöpfers erschaffen, und all die Theorien vom Rassismus, Marxismus, Freudianismus u. ä. rücken den Wert des Menschen in ein falsches Licht und schwächen den Willen des Individuums. Du wirst dich, Fulla, selbst davon überzeugen, wie lächerlich menschliche Arroganz und jegliche eigene Ambition sind. Du wirst sehen, indem du stets an der Seite deines hl. Mütterlein, gehst, wie klein der Mensch ist, selbst wenn er jahrzehntelang eifrig gelernt und Diplome errungen hat. Wie unsicher und schwankend sind doch seine Theorien, wenn er sich nicht als Kind Gottes fühlt. Du wirst, sehen, Fulla, wieviel Macht Gott denen gibt, die fühlen, daß es nur ein einziges Licht dort oben gibt, den mächtigen Herrn der Welt Gott.

Zum Glück sind die Ideen, die den Menschen von Dämonen eingegeben waren, nun bald ausgeschöpft. Es ist an der Zeit, daß diese stolzen, ehrgeizigen Köpfe die Nichtigkeit sämtlicher Bemühungen zur Verbesserung der irdischen Existenz erkennen. Es ist an der Zeit, daß sie ihren Blick erheben und im Lichte der Liebe Gottes die Wahrheit erkennen.

Wenn du möchtest, werden wir ein anderes Mal ausführlicher darüber reden. Ich liebe dich, mein Kind, und umarme dich mit dem hl. Mütterlein. Dein Deza.“

23.8.1937

„Mein allerliebstes Kind! Du bleibst in der Nähe deines hl. Mütterchens, solange du das heiligste Herz liebst. Wir werden uns hier auf Erden oft sehen, werden uns im Himmel wiederfinden und für immer zusammen sein, wenn du alle deine Taten und Bestrebungen, jeden deiner Schritte und dein ganzes Herz ihm opferst und darbringst, meine Kleine. Unser Herr Jesus, dein hl. Mütterchen, meine Kleine! So muß es sein. Ich will, daß deine Augen vor Liebe, Freude und Anbetung für ihn glühen, und zwar so stark und fest, daß die Menschen es glauben. Daß sie durch die strahlenden Augen meiner kleinen Fulla hindurch in ihre Seele blicken und dort unseren Herrn Jesus erkennen. Denke stets daran, meine Kleine, die Menschen haben hohe Ansprüche, sie forschen, prüfen, beobachten mißtrauisch. Sie wollen wissen, wie deine fröhlichen Augen dann aussehen, wenn du nervös, wütend, traurig oder in Bedrängnis bist. Möglicherweise wollen sie auch noch wissen, welchen Ausdruck deine Augen in der Stunde des Todes annehmen werden. All dies muß dir stets bewußt sein. Liebe die Menschen nach dem Vorbild unseres Herrn Jesus, liebe sie und bete für sie. Du bist niemals allein. Ist es nicht eine große Gnade, die das heiligste Herz dir gewährt? Ja, meine liebe Kleine, ja! Lerne Kreuz und Freude gleichermaßen zu tragen. Du wirst es deinen Mitmenschen leichter beibringen können, wenn du selbst erfahren hast, wie man es macht. Du hast mir, deinem hl. Mütterlein, erlaubt, dich an die Hand zu nehmen, laß uns gemeinsam für Jesus und seine Lehren eintreten und überall hingehen, wo er uns hinschickt. Auf unserem Weg werden wir die verlorenen Lämmer und Schafe treffen, giftige Schlangen werden uns bedrohen, vielleicht auch siebenköpfige Drachen und andere Ungeheuer, die sich im Schatten verbergen. Zu zweit werden wir sie besser ausfindig machen können. Ich werde dir helfen, meine Kleine. Wir werden alles, was uns auf unserem Weg begegnet, Jesus abgeben. Liebe ihn und bleibe uns in kindlicher Liebe verbunden. Die heiligste unbefleckte Jungfrau liebt dich ebenfalls und nennt dich ihr Kind. Ich segne dein Herz und dein Haupt — deine Bozienia.“

2.9.1937

„Meine allerliebste Kleine! Dein Patron, der heilige Stephan (Fullas richtiger Vorname war Stephani), möge dir für alle Belange, die Jesus betreffen, Kraft und Selbstvertrauen geben. Lerne ihn kennen und lieben. Es wird sehr hilfreich für dich sein, den hl. Stephan in Zeiten der Schwäche und des Zweifelns — die menschlich sind — an deiner Seite zu wissen. Ich, deine hl. Mutter, wünsche dir an deinem Namenstag, daß die geliebten Heiligen dir stets helfen, dich stets erfreuen und belehren mögen, daß sie ihre Kräfte auf dich übertragen mögen, damit meine kleine Fulla gut, süß, lieb, dankbar und klug ist. Möge deine Seele viele Eigenschaften in sich vereinen, die heilig machen. Der heilige Stephan könnte auch einer deiner Betreuer sein, wenn du ihn nur darum bitten wolltest. Es segnet dich, mein Kleines, dein hl. Mütterchen.“

5.9.1937

„Mein teures Kind! Das irdische Leben ist ein Feuer, eine Probe, durch die wir hindurchgehen sollen, um rein zu werden, nicht um zu verbrennen. Jeder Mensch ist berufen, an der Vervollkommnung seiner selbst und seiner Mitmenschen zu arbeiten und das Gute zu suchen, das durch den Willen der ersten Menschen verlorenging. Das, was uns im Wege steht, muß bearbeitet werden. In der Regel geschieht zu jede, Zeit, was Gott will. Es ist gut für uns, Gott unsere zuweilen schwierigen, schmerzlichen oder auf sonstige Art unangenehmen psychischen Zustände als ein Opfer darzubringen, als Buße für alle Unachtsamkeiten oder Fehler. Weißt du, meine Kleine, unser Herr Jesus hält dich nämlich für eine Freundin und läßt dich einen kleinen Teil seiner Last, die ihn von der Krippe bis zum Kreuzestod bedrückte, mittragen. Er wünscht sich sehnlich, daß dein Herz sein heiligstes Herz verstehen möge, und aus diesem Verständnis heraus soll dein Herz in Erbarmen, Güte und Liebe erglühen. Die Seele wird demütig und dem einzigen Herrn ergeben. Der Hochmut, der aus menschlicher Schwachheit entsteht, löst sich auf, und das menschliche Haupt verneigt sich vor der unendlichen Majestät der göttlichen Allmacht, der unermeßlichen Intelligenz und Liebe.

Ich bin bei dir und drücke dein sorgenvolles Köpfchen an mein Herz. Dein Mütterchen.“

15.09.1937

„Meine geliebte Fulla! Hast du in deinem Leben schon einmal intensiv über die Worte Kreuz und Leiden nachgedacht?

Tue es jetzt! Du weißt doch, Kind, daß das Kreuz oder das Leiden zu der Welt gehört. Überall auf der Erde, in jedem kleinsten Winkel, bei jedem Menschen muß es vorhanden sein. Laß' deinen Blick einmal durch alle Schichten der Gesellschaft schweifen: Ob reich oder arm, alt oder jung, die Gesunden und die Kranken, die Guten und die Bösen — jeder muß leiden. Wenn es schon so sein muß, sollte man zu erfahren suchen, wie man es richtig macht, d. h. wie man leiden soll und was uns daraus erwächst. Laß dir, meine kleine Fulla, diese Frage durch den Kopf gehen. Wenn jemand deine Füße in dicke, schwere Ketten legen und das andere Ende der Ketten dann in einen Felsen schlagen würde, was wäre das dann? Du würdest leiden. Wut, Angst und Verzweiflung würden dich erfassen, und wolltest du anfangen dich zu wehren, würde dein Leiden nur noch größer. Durch deine eigene Schuld kämen dann noch physische Schmerzen, schreckliche Depressionen und hilflose Verzweiflung hinzu. Wenn du diese Situation aber gelassen hinnehmen könntest, weil du genau wüßtest, daß es auf keinen Fall anders sein kann, wärst du in der Lage, in Ruhe abzuwarten, was kommen mag. Du könntest dich mit angenehmen Gedanken beschäftigen und sogar eine nützliche Idee zu deiner Rettung entwickeln. Ähnlich verhält es sich mit dem Leiden.

Du mußt auch an unseren Tröster, den heiligen Geist, und an den Wert des Leidens denken. Du bist ein getauftes Kind des Erlösers, der uns, seine Kinder, das Leiden gelehrt hat. Es ist zwar so, daß alle Menschen leiden müssen, aber jene Unglücklichen, die ohne Jesus leben, wehren sich und versuchen mit aller Kraft, ihr Kreuz an ihren Nächsten abzuwälzen. Oft gelingt es ihnen auch, trotzdem leiden sie weiterhin fürchterlich, ohne Hoffnung, fluchend. Damit bauen sie sich ihre eigene, grauenvolle, ewige Zukunft. Wir dagegen, die Kinder des barmherzigen Vaters, leiden auch, nehmen aber unser Kreuz bereitwillig an und wissen, wohin wir es tragen sollen. Wir gehen den Weg, der seit zweitausend Jahren bekannt ist und den die heiligen Füße unseres Herrn vor uns betreten haben. Je heiterer und bereitwilliger wir dem Pfad unseres Erlösers folgen, desto geringer wird unsere Last, Verzweiflung und Traurigkeit. Er selbst hilft uns mit seiner Barmherzigkeit. Es wird für uns immer einfacher, ihm nachzugehen, und schließlich geschieht in uns selbst ein Wunder. Unsere Augen strahlen vor Freude und unsere Seele scheint zu rufen: ,Herr! Es ist mir ganz egal, was mit mir geschieht, wenn ich nur bei dir bin!‘ Das Kreuz erstrahlt in Liebe, Kraft, Barmherzigkeit, Befreiung. Die größte Schuld verblaßt durch das Kreuz. Das Kreuz, deine letzte Lagerstatt auf Erden, o Jesus! Wenn wir es wie Du, nach Golgatha tragen, werden auch wir unseren Geist dem himmlischen Vater anvertrauen. Wir wissen genau, daß der Himmel sich nur dann für uns öffnet, wenn wir unser eigenes Kreuz geduldig tragen. Mache uns fähig, o Jesus, uns unsere Leiden, denen wir nicht entgehen können, zunutze zu machen. Du, unser Erlöser, hast schweigend und geduldig Erniedrigungen, Verrat, Schmach, Trauer, Schmerzen und Verlassenheit auf dich genommen, hast für uns Qualen und den Tod am Kreuz erlitten. Deshalb und zu unserer eigenen Erlösung müssen wir dein Erbarmen und deine Liebe zu begreifen suchen. Mache uns fähig, die auf uns zukommenden schweren Zeiten des Leidens gelassen anzunehmen und zu erleben, denn wir sind schuldig und voller Sünde. Erlaube uns, unsere Seelen reinzuwaschen, o Jesus. Ab jetzt nehmen wir unser Kreuz selbst auf uns, im Vertrauen auf deine gütigste Hilfe. Wir wollen das Verderben von uns wenden! Wir waren Verbrecher, aber jetzt wollen wir von unserem Kreuz auf das deine hinaufsehen und rufen: ,Gedenke unser, o Herr, wenn du im Paradies bist!' Das kannst du denen, die leiden, vorlesen! Dein Deza“

23.9.1937

„Meine liebe kleine Fulla! Du siehst selbst, wie armselig die Menschen sind, wie sehr sie nach guten Worten der Ermunterung dürsten, wie sehr sie die Hilfe des Himmels brauchen. Gib an sie weiter, was du aus den barmherzigsten Händen Jesu empfängst. Du hattest doch schon früher, als du mich noch nicht kanntest, den Wunsch, frei zu werden und ihnen zu helfen. Dieser Wunsch ist im Himmel erhört worden und jetzt kannst du, Kleines, überaus wertvolle göttliche Gaben austeilen. Vergiß nicht, daß das Heilen menschlicher Seelen an erster Stelle steht, denn es gibt auch wirkliche Freunde Gottes, die durch physische Schmerzen ihr Kreuz lieben lernen und bereit sind, für Jesus zu leiden. Kannst du dir vorstellen, was für Qualen den Menschen ihr eigenes Gewissen bereitet? Wenn Gott ihnen durch dich, Kind, das Licht schickt und sie dann endlich den Weg finden, der Falle des bösen Geistes zu entkommen und zum Vater zurückzukehren, denk' nur, wie froh und glücklich sie sein werden, daß ihr Irrweg ein Ende hat! Ja! Es ist großartig, Jesus bei seinem heiligen Werk der Befreiung behilflich zu sein, und wie nah du dem gemarterten Erlöser bist, wie lieb er dich hat, weil du bereitwillig mit ihm zusammenarbeitest! Fürchte dich nicht! Gehe weiter mit Jesus und er wird immer mit dir sein. Dein hl. Mütterlein.“

1.10.1937

„Mein allerliebstes Kind! Du könntest nun dein öffentliches Wirken mit einem Vortrag unter dem Titel ,Der gute Wille' beginnen. Du könntest den anderen eine Reihe von Möglichkeiten schildern, die sich aus dem bewußten guten Willen eines Menschen ergeben. Die Zuhörer sollten während deines Vortrags tief in ihren Seelen fühlen, daß Christus unter ihnen weilt, selbst wenn du mit keinem Wort den, der den besten Willen hat, erwähnen solltest.

Wenn dir das Thema zusagt, können wir es noch ausführlicher bearbeiten. Ich werde dir dabei helfen. Dein Mütterchen.“

31.10.1937

„Meine allerliebste Fulla! ,Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen', sagte unser Herr Jesus. Die Worte des Herrn sind stark und lebendig. Wie kann ein unvollkommener Mensch ihnen kein Vertrauen schenken und sich vor irgend etwas fürchten, während er seinem Nächsten diese Worte des Erlösers ins Gedächtnis ruft? Unser Herr Jesus erwählte Menschen, die einfach und arm im Geiste waren. Er ließ sie ,in die Welt hinausgehen und die Völker lehren'. Also gingen sie, aus Liebe zu ihm und zu den Menschen, und lehrten. Für das Wort des Herrn ließen sie sich ins Gefängnis werfen, die Köpfe abschneiden, kreuzigen, verbrennen, wilden Bestien zum Fraß vorwerfen — und doch — die Worte des Herrn sind lebendig, sie wachsen, gewinnen an Macht! Jesus gewinnt immer wieder neue Freunde, die seine zu Asche verbrannten Worte gehorsam aufnehmen und wiederum hinausgehen und die Völker lehren.

Du, göttliches Kind, dienst der höchsten Wahrheit, der Lehre der brüderlichen Liebe Christi. Laß dein Schwert jedoch in der Scheide stecken, schneide denen, die sehen und doch nicht sehen, die hören und doch nicht hören, nicht die Ohren ab. Die Macht unseres Herrn Jesus und seiner Heiligen ist größer als die Macht der armseligen, geblendeten Mitglieder des Pharisäervolkes, die eher vom Glauben als für den Glauben leben. Du wirst selbst sehen, was unser Herr Jesus für die bereitet hat, die ihn lieben. Empfange alle Segnungen und Stärkungen, mein Kleines, trete leidenschaftlich für die Sache des Christkönigs ein, liebe die Menschen, Freunde wie Feinde gleichermaßen. Für die letzteren bete täglich mit Inbrunst, denn das ist die stärkste Waffe gegen sie, tue ihnen und allen anderen Gutes. Jeden Angriff deiner Feinde bringe dem Herrn zu ihrer Erleuchtung dar. Ich empfehle meine geliebte Kleine dem großen Christkönig. Dein Mütterchen.“

10.11.1937

„Denke stets daran, kleine Fulla, daß die Herzen der Menschen oft eher für zeitliche, irdische Freuden entbrennen als für die reine Freude, die Wahrheit Gottes. Deshalb ermahne ich dich, jederzeit die Sache Gottes im Sinne zu haben. Wenn du geneigt bist, dem Zauber des Erfolges urd der Anerkennung durch die anderen zu erliegen, vergiß nicht, daß dieser irdische Erfolg so brüchig und so veränderlich ist, wie die Herzen der Menschen, ihre Launen und Phantasien. Was du in dir wachsen läßt, meine Kleine, was aus dir hinausstrahlen wird, ist mächtig und unzerstörbar. Du sollst nie mehr innerlich schwanken. Möge unser Herr Jesus sich in deiner Seele wie bei sich zu Hause fühlen, möge er diesen Tempel nie mehr verlassen, auch nicht für einen kurzen Augenblick. Schließe ein Bündnis mit Jesus, zögere nicht, ihm deinen ganzen Willen abzugeben! Dann wird es nicht mehr das schwächliche, irdische Kind sein, das aus dir spricht und beratend wirkt, sondern der geliebte, mächtigste König und Erlöser selbst. Der ganze Himmel liebt dich, hat dich ausgesandt und wird dich einst größer — für ewig — wieder aufnehmen. Denke jede Minute daran. Dein hl. Mütterchen.“

10.12.1937

 „Mein allerliebstes Kind! Hiermit gebe ich dir einen Auftrag: Solange du auf der Erde lebst, wirke an meiner Stelle liebevoll für unseren Herrn Jesus. Gib dir jetzt Mühe! Es kommen nämlich schlimme und schreckliche Zeiten auf euch alle zu! Die Menschen können das Licht des Geistes durch ihren satten Materialismus nicht sehen. Bete deshalb zum heiligen Geist, Kind, daß dieser Materialismus nicht die Seelen beherrsche. Vergiß nicht, Fulla, daß nur die Seele wichtig ist. Sie allein hat ein Recht auf Glück. In der Welt wird es niemand je erreichen. Alle Mühen und Anstrengungen sind vergeblich.

Dein Geist ist in letzter Zeit stumpf geworden. Bete solange, bis Gott dir Trost schickt. Viele Dinge sind vor uns verborgen, wer jedoch den Schöpfer der dauerhaften, höchsten Glückseligkeit durch den Glauben wirklich lieben will, dem offenbart Jesus bereits während seines irdischen Lebens eine Menge ungeahnter Geheimnisse, so daß er direkt aus der Quelle schöpfen kann, soviel er nur will. Es führt nur ein Weg dorthin: Glaube, Demut und Liebe. Wenn dir nicht gut ist — gehe trotzdem! Gehe direkt zu deinem Freund Jesus, wie du es schon vor zwei Jahren getan hast, verneige dich vor der Majestät des Königs der Liebe und empfange den Segen aus der Hand Gottes. Dein Mund spreche der unbefleckten Jungfrau Maria die Worte nach: ,Sieh, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort.' Der kleine Jesus hatte keinen Platz, als er vor zwei Jahrtausenden zu unserem Glück auf die Welt kommen wollte. Sollte er auch jetzt keine Herberge finden? Das Herz der kleinen Fulla wird für ihren Herrn Jesus frei sein. Du wirst ein wenig darin aufräumen und für ihn einen Winkel nett zurechtmachen, damit er sich wohl und behaglich darin fühlt. O, meine Kleine! Wenn du das göttliche Kind in dir wachsen ließest, würde sein Lächeln bald das Deine sein! Seine Größe, Macht, Kraft, Liebe, sein Reichtum, seine Göttlichkeit würden durch dich auf die Welt übergehen, würden die zu Eis gewordenen Herzen und Seelen erwärmen!

Mein Kleines! Liebe das Christkind! Möge es dich segnen, wie auch ich dich segne. Deine Bozienia.“

22.12.1937

„Meine teure Freundin! Du bist dir dessen bewußt, daß man wahre, aufrichtige Freude nur empfinden kann, wenn man vorher durch Leiden hindurchgegangen ist. Wie könnte man die Sonne, ihre Wärme und Helligkeit genießen, wenn sie nicht nach einer kühlen, dunklen Nacht aufgehen würde? Ein Mensch kann sich über die Fertigstellung seines Werkes z. B. nur dann so richtig freuen, wenn es ihn Mühe und Schweiß gekostet hat, wenn er die bei seiner Arbeit aufgetretenen Probleme selbst gelöst und mit der Kraft seines eigenen Willens das angestrebte Ziel erreicht hat. Junge Leute, die Energie, Mut und einen normalen Verstand besitzen, hadern gern mit ihrem Schicksal. Für sie ist es der stärkste Ansporn, wenn sie besonders schwierige und sogar gefährliche Bedingungen vorfinden. Hier auf unserer Erde gibt es halt keinen leichten Weg, wenn es um die Realisierung von wichtigen, neuen und sinnvollen Ideen geht. Es ist von Übel — sogar von besonders großem Übel — wenn jemand den rechten Weg gewählt hat und glaubt, dieser Weg sei eben, man könne problemlos und ohne Kampf das Ziel erreichen. Diese Annahme ist völlig falsch. Es ist nie dagewesen, daß ein herausragender Mensch, der mit Ausdauer auf seinem Weg vorwärts schreitet, mit unverletzten Füßen angekommen wäre. Je größer eine Tat, desto mühseliger der Weg, je reiner eine Idee, desto größer die Steine, die einem vor die Füße geworfen werden. Jesus erstellte den Plan für ein Werk, das überaus wertvoll, unsterblich und erlösend ist, und sie haben ihn gekreuzigt! Seine Göttlichkeit strahlte vor Freude, die Menschheit dagegen war zu Tode betrübt und wand sich in schrecklichen Qualen.

Vor dem Beispiel Jesu steht jeder Mensch mit all seinen Plänen erbärmlich da. Deshalb können unsere Ideen nicht groß und wichtig sein, sondern allein die, die wir von ihm schöpfen. Wir tun alles nur für uns selbst. Er tut alles für uns! Er kam zu uns und wollte uns helfen, doch die Menschen verstellten ihm den Weg mit Hindernissen, und sie tun es immer noch. Wie sehr wurden die Bedingungen für uns erleichtert, während sie für Gott bis in die heutige Zeit so schwierig geblieben sind! Wandle klaren Blickes und mit Freude, liebes Kind! Dein Einsatz für die Wahrheit wird vom Himmel unterstützt. Du wirst auf deinem Weg wunderschöne Dinge antreffen, die aus der Hand Gottes stammen und dich bestärken sollen. Nimm, was die Vorsehung dir bietet, die Zeit zu wirken ist jetzt. Deine Seele enthält Balsam, er ist zwar nicht sichtbar, doch man kann ihn deutlich fühlen. Gib ihn den Aufrichtigen, auf keinen Fall denen, die nach dem wertlosen Öl der irdischen Verlogenheit greifen. Du weißt, daß unser Planet von Gift durchdrungen ist. Empfange die heilige Inspiration aus dem, was Gott dir offenbart, und gib sie ihm wieder zurück, nachdem du dein ehrliches Bemühen hinzugefügt hast. Arbeite fleißig. Zünde deine Lampe an, sobald du das Öl dafür hast, und dann achte darauf, daß die Flamme nicht erlischt oder andere sie durch den Rauch aus ihren Lampen unsichtbar machen. Verschwende keine Zeit, denn Augenblicke, wie du sie erlebst, sind kostbar und selten. Dein hl. Mütterchen sehnt sich danach, daß du endlich anfängst zu schreiben, um die Menschen damit satt zu machen. Beeile dich, denn jeder neue Augenblick bringt neue Eindrücke mit sich. Unser Herr Jesus und seine heiligste Mutter sind ein überaus würdiges Thema, und sie selbst werden dir beim Schreiben helfen. Dein Deza.“

14.1.1938

„Mein allerliebstes Kind! Denke gut über das nach, was ich dir sage, und vertraue mir. Dein Herz soll nicht ängstlich wie das eines kleinen wehrlosen Häschens sein. Kleine Fulla, du sollst wissen, daß ein Mensch niemals stark sein, niemals Verantwortung auf sich nehmen kann, wenn er nicht selbst Gefahren und Schicksalsschläge erlebt und durchgestanden hat. Gelassenheit muß man sich selbst erarbeiten und von sich aus Ängste überwinden oder direkt im Keim ersticken. Dann kann der Mensch immer seltener überrascht werden, hat sich stets in der Gewalt und ist Herr der jeweiligen Situation. Er kann kühl und sachlich denken und weiß, daß alles in vorgezeichneten Bahnen verläuft und vorbeigeht. Er läßt also in Ruhe alles auf sich zukommen. Du kannst aus meinen Worten einen großen Nutzen ziehen, wenn du deine Nerven behältst und stark machst. Du entwickelst Abwehrkräfte und, was das Wichtigste ist, lernst, heikle Situationen zum Guten zu wenden, auf keinen Fall jedoch zu verschlimmern. Verstehst du, was ich meine? Solange du Vertrauen zu mir hast, bist du mir nah und erfährst meine Hilfe. Ich empfehle dich, mein geliebtes Kind, der heiligsten unbefleckten Jungfrau. Dein hl. Mütterchen.“

17.1.1938

„Liebste Fulla, die du gleichzeitig mein und des Himmels Kind bist! Ich bin bei dir und danke dem liebevollsten Herzen Jesu dafür, daß meine allerliebste Kleine sich immer fester an sein heiligstes Herz bindet und immer größere Fortschritte bei der Vervollkommnung ihrer Seele macht. Dies ist für dich von unermeßlichem Vorteil, und je schöner du innerlich bist, desto mehr kannst du deinen Mitmenschen, die nach Freude und Licht dürsten, von dir austeilen. Du wirst weit und breit kein Thema finden, das sich besser für Gespräche und Bücher eignet, als unser wunderbarer Erlöser. Dein Mütterlein.“

24.1.1938

„Meine süße Kleine! Quäle dich nicht so. Wende dich mit jeder Enttäuschung, mit all deinen Schmerzen und Fehlschlägen an das allerbeste und heiligste Herz Jesu. Du bist so klein und mußt nicht alles allein machen. Aus dem lebendigen Glauben erwächst dir die Gewißheit, daß du im Himmel einen Vater hast, dem du alles, was dir begegnet, anvertrauen solltest. Dann wirst du niemals allein sein und kannst selbst erfahren, was Vertrauen vermag und wie der himmlische Vater seine Kinder unterstützt. Deine Bozienia weicht dir nicht von der Seite, mein trauriges Kleines. Bringe deinem Herrn Jesus alles dar, was dir Ärger bereitet — ich helfe dir, das weißt du. Vergiß nicht, daß Erfolg und Mißerfolg sich in der Welt ständig abwechseln und nach schweren, bedrückenden Zeiten, wie nach einem Unwetter, immer wieder die Sonne scheint und meine kleine Fulla fröhlich macht. Also — Kopf hoch — in Ordnung? Dein Mütterchen.“

Mein Geburtstag — 22.2.1938

„Mein allerliebstes Kind! Mögen die heiligsten Herzen unseres Herrn Jesus und Marias dich stärken. Du hast die Probezeit bestanden, hast viele verirrte Schäfchen ausfindig gemacht und sie Jesus zugeführt. Sieh zu, daß du keines von denen, die du findest und die dir dadurch anvertraut sind, wieder verlierst. Es darf sich auch keines in einem schlechteren Zustand als vorher befinden, wenn du es abgibst. Dein hl. Mütterchen wünscht dir so viel Kraft und Wirkung, wie du brauchst, um mit all den Menschen, die du noch kennenlernst, umgehen zu können und neue Aufgaben zu bewältigen.

Liebe Fulla! Dein nächstes Lebensjahr wird nicht gerade ruhig verlaufen. Du kennst dich zwar schon gut aus in dem, was du tust, aber mit dem kommenden Frühjahr wird noch mehr Neues auf dich zukommen Du wirst gut mit allem fertig. Im Sommer wird dann viel Erfreuliches für dich geschehen, aber sieh zu, daß du dich mit innerem Gleichgewicht, Gelassenheit und Humor wappnest, denn es werden dich auch Schicksalsschläge treffen. Da du nun weißt, was dich erwartet, solltest du mit Leichtigkeit über alles hinwegschweben, um keinen seelischen Schaden zu erleiden. Deza wünscht dir gutes Aussehen und starken Einfluß auf andere Menschen.

Die hl. Theresia wird dir helfen, deine gute Stimmung zu erhalten, noch lange Kind zu bleiben und viel Freude zu erleben. All das sind ihre Wünsche. Der hl. Nikolaus wünscht unserer kleinen Fulla viel Erfolg und Wohlstand, damit sie viel zu verteilen hat. Der hl. Johannes Bosco wünscht dir einen ,lustigen Geist' und Freude, und er verspricht, dir dabei behilflich zu sein. Die hl. Birgitta wünscht unserer lieben Fulla, daß sie sich mit schönen Worten ausdrücken kann und einen engen Kontakt zum Himmel behält, zu ihrem eigenen Vorteil und für andere. Deine Bozienia.“

10.6.1938

„Meine geliebte kleine Fulla! Denke daran, daß es jetzt an der Zeit ist, deinen Vorrat an Kraft und Gesundheit aufzufüllen, denn der alte geht zu Ende. Du und deine Mitmenschen, ihr werdet demnächst viel davon brauchen. Liebe das ewige Leben, das voller Macht, Liebe und Glück erfüllt ist. Alle Wesen, die auf der Erde leben, sollten den Rhythmus der Heiligen erspüren und um Beistand bitten.

Es kommen höchst befremdliche Zeiten auf euch zu! Ihr müßt euch innerlich wappnen, um der Gerechtigkeit und Wahrheit treu zu bleiben und nicht einem Irrglauben zu verfallen. Blicke hinauf zu deinem Schöpfer, meine einzige, kleine, geliebte Freundin, bitte um seinen Segen und wirke! Dein Deza.“

9.11.1938

„Liebe Freundin! Laß uns das Reich Gottes der Erde näherbringen! Die Flammen Christi brennen bereits an vielen Orten der Welt. An ihrem Feuer wärmen sich scharenweise die Herzen, die abgekühlt waren und sich so sehr nach Wärme sehnten. Es gibt Gesandte Gottes, die aussehen wie Dämonen, sie wirken anziehend auf Menschen, verstehen zu imponieren, zu erschrecken oder auch glücklich zu machen. Sie vergessen oft sich selbst und sind ständig um die Seelen und Körper der anderen besorgt. Hier und da erscheint ein Buch, in ernsthafter Absicht, mit Leidenschaft, Glauben und Liebe geschrieben. Es gibt Menschen, die stark sind und ohne Furcht über die Wahrheit sprechen!

Zuweilen vollzieht sich das stille Drama der Marter Christi in einer Stigmatisation. Der allmächtige Gott sendet ständig eine große Anzahl von Menschen aus, die er erwählt hat, die zerstörte Welt zu erneuern. Die letzten Versuche Satans, die Welt zu betören, sind gescheitert. Die Kampfkraft der bösen Mächte nimmt merklich ab, und ihre Anführer ducken sich schon, verstecken sich und gehen dann jämmerlich zugrunde. Sie feiern mit viel Getöse noch ein letztes teuflisches Gelage, ergötzen sich jetzt noch an dem Blut und den Tränen der Gerechten, und doch können sie ihrem Schicksal nicht entrinnen und fühlen es selbst: Die Stunde der Gerechtigkeit Gottes ist nahe. Deshalb beeilen sie sich, mit Bosheit und Dummheit, durch grausamen Egoismus und zynischen Spott, ein höllisches Chaos zu stiften.

Die Bosheit, genährt vom Unrecht, hat die Erde bereits stark ausgehöhlt, und die Menschen geraten immer tiefer hinein in dieses Gefälle des Übels und der Dummheit. Wo soll das hinführen? Zum Untergang oder zur Erlösung? Der Ewige Gott wirkte im Alten Testament durch Propheten, Erscheinungen, durch Strafe und Belohnung. Er wollte das menschliche Gewissen durch verschiedene Plagen, durch Feuer und Sintflut wachrütteln — doch es half nichts! Der böse Wille hatte die Welt fest im Griff. Die unglücklichen Menschen baten flehentlich um einen Erlöser, der dann endlich erschienen ist in menschlicher Gestalt, mit einem Körper ähnlich dem unseren — Jesus, doch wir haben ihm einen unwürdigen Empfang bereitet. ,Der Menschensohn hatte keinen Platz, wohin er sein Haupt legen konnte' — ,Er kam zu den Seinen, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf'.

Trotz der Undankbarkeit der Menschen ,ging er und tat überall Gutes'. Dafür wurde er zum Tod durch das Kreuz verurteilt. Hat Christus uns daraufhin seine barmherzige Liebe etwa entzogen? — Nein! Er ist auferstanden und versprach, uns den heiligen Geist als Tröster zu senden, um das Reich Gottes der Welt endlich nahezubringen. Seit fast zweitausend Jahren erneuert nun Jesus täglich in der hl. Messe sein blutiges Opfer der Marter am Kreuz. Aus Liebe zu uns dehnt Christus sein Opfer bis in die heutige Zeit aus, er gibt sich ganz für uns hin, damit auch wir verstehen und lieben lernen. Die Erlösung der Menschheit von ihren gewohnheitsmäßigen Sünden liegt einzig und allein in diesem glühenden Opfer, in der Liebe Gottes. Lasset uns zum heiligen Geist, unserem Tröster, beten:

,Heiliger Geist, du einziger, ewiger Gott! Wir wollen dich hier auf unserer Erde, die voller Schmerz und Trauer ist, als unseren verheißenen Freund empfangen. Lasse dich herab, zu uns zu kommen und die arme, gebeugte, vom Joch der Sünde erdrückte Menschheit ganz zu durchdringen. Wir wissen uns keinen Rat mehr! Komm uns als Tröster zu Hilfe, erleuchte und stärke uns mit dem Licht der göttlichen Gnade, erneuere in uns die Weisheit, die wir verloren haben! Erwärme unsere Herzen für die wirkliche Liebe, erzeuge in unseren Seelen aufrichtige Gottesfurcht und Frömmigkeit, auf daß jegliche Sünde, jeglicher Undank und alle Irrtümer von uns abfallen und die heilige Dreifaltigkeit — der Vater, der Sohn und der Heilige Geist über uns herrschen möge! Heiliger Geist, unser Tröster, durchdringe uns und erneuere die ganze Erde!'

Ich segne dich, unsere kleine Fulla. Dein Deza.“

10.11.1938

„Fulla, meine geliebte Kleine! Du weißt inzwischen genau, wie das Glück aussieht, das die Welt gibt. Viele Menschen aus allen Gesellschaftsschichten haben dir, hier vor deinem kleinen Altar; ihre Herzen und ihre kranken Seelen geöffnet. Du hast Dinge gesehen und gehört, die alltäglich und andere, die außergewöhnlich sind. Die Menschen, ob arm oder reich, sind gleichermaßen unglücklich, wenn ihnen die Verbindung zum Himmel fehlt. Sie taumeln herum, suchen nach Hilfe, versäumen dabei aber, sich an die Stelle zu wenden, aus der das Licht des Heils kommt. Dadurch wird ihr Kreuz immer schwerer, sein Gewicht erdrückt die Bedauernswerten immer mehr, bis sie voller Verzweiflung nur noch im Selbstmord einen Ausweg sehen.

Du konntest dich davon überzeugen, Kleines, wie trügerisch und falsch die Wege sind, die die Welt zum Glück weist. Wirkliche Erfüllung erlangen die Menschen weder durch Geld noch durch gesellschaftliche Stellung, Schönheit oder Talent. Im Gegenteil — auch all diese Dinge bringen viel Leid und Enttäuschung mit sich. Manche lassen sich vom Glauben überzeugen und werden gerettet, da sie sich an die Quelle wenden, die sie von aller Falschheit reinigt und von der sie dauerhaften Frieden, echte Freude, Licht und Wahrheit empfangen. Wenn sie kommen, sind sie unzufrieden mit sich selbst, traurig und verzweifelt. Dann lernen sie den näher kennen, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Er lindert ihren Schmerz und läßt sie im Lichte der göttlichen Gnade die Wahrheit erkennen. Sie glauben, fassen Vertrauen und werden neu geboren, und wenn sie dann wieder gehen, sind sie innerlich erleuchtet und voller Freude. Diese Menschen wissen, warum sie auf der Welt sind. Sie verbeugen sich voller Demut, sind dankbar und glücklich; sie kennen die Wahrheit. Sie wissen, daß es wichtig ist, das ewige Leben anzustreben, daß Gott der Schöpfer und Spender des ungetrübten Glücks ist.

Sie wissen auch, daß wir hier auf der Erde — wie in einem königlichen Wartesaal — bescheiden und geduldig warten sollen, bis wir an der Reihe sind und der König uns aufruft. Während wir warten, müssen wir außerdem noch aufpassen, daß unsere Kleidung unbeschädigt bleibt und daß die Dienerschaft des Königs von uns nicht die kleinste Unhöflichkeit gegen den König selbst oder sein Gefolge zu hören bekommt. Der Wartende muß eine ganze Reihe schöner und lobenswerter Taten vorweisen können, der König wird darüber unterrichtet. Wer das weiß, kann sich glücklich schätzen. Dieses Wissen kann jeder erwerben, er muß nur mit seinem freien Willen an die Wahrheit herangehen. Wenn so ein Mensch dann dieses irdische Jammertal verläßt, geht er mit Freude, sein Herz und seine Seele sind gefüllt mit den edelsten Taten der Liebe zu Gott und zu den Menschen. Er nimmt kein anderes Vermögen mit – ob Reichtum oder Elend, alles bleibt auf der Erde zurück. Auch von allen geliebten irdischen Wesen und von liebgewordenen Gegenständen muß er sich verabschieden. Nur das, was er durch seinen freien Willen, durch Erfüllung und Verzicht erarbeitet hat, trägt er dann noch bei sich.

Wenn einmal eine Zeit herankommt, in der jeder Mensch auch mit den bescheidensten Verhältnissen zufrieden ist, wenn er, obwohl seine eigene Wohnung primitiv, sein Essen und seine Kleidung einfach sind, nichts weiter wünscht und aus natürlicher menschlicher Herzensgüte das wenige noch mit seinem Nächsten teilt, dann werden die Menschen auch hier schon voller Freude und Gelassenheit und jederzeit bereit sein, dem Ruf Gottes zu folgen. Dein hl. Mütterlein.“

4. Kapitel

„Auch ihr sollt bereit sein.“ (Lk 12, 40)

Alle Informationen über das zukünftige Leben, die ich von meinen heiligen Betreuern erhielt, wurden mir in klarer, verständlicher Form, sozusagen übersetzt in unsere begrenzte menschliche Begriffswelt, übermittelt. Meine Heiligen sagten mir jedoch auch, daß alles, was in der Welt des Geistes geschieht, irgendwie anders vor sich geht, größer und intensiver, unbegreiflich für uns. Es paßt in unseren Verstand, so wie er ist, einfach nicht hinein.

Ebenso wenig wie sich unsere Sinneswahrnehmungen beschreiben lassen, z. B. ein Geruch, eine Farbe oder wie sich etwas anfühlt, kann man einem Menschen den Zustand einer von der Materie befreiten Seele beschreiben. Man kann in diesem Zusammenhang höchstens Vergleiche mit Begriffen aus unserer Sinnes‑ und Vorstellungswelt anstellen. Folglich ist auch alles, was ich über diese Seelenzustände und das zukünftige Leben sagen kann, aus dem für uns Unbegreiflichen übertragen in die unbeholfene Enge unserer Vorstellungen und Begriffe.

Der Tod

Wenn die Seele den Körper verläßt, erlebt der Mensch für einen kurzen Augenblick, den Bruchteil einer Sekunde lang., den eigenen Tod bewußt. Dabei ist es gleich, ob er gerade in tiefer Ohnmacht liegt, ganz plötzlich oder im Schlaf stirbt.

In diesem einen entscheidenden Augenblick fühlt er, auch dann, wenn er sich vorher auf das Sterben vorbereitet, sich den Tod gewünscht hat und ohne Furcht war, ein mit nichts vergleichbares Grauen. Unmittelbar nach dem Tode steht die Seele vor dem höchsten Gericht. Die unerschöpfliche göttliche Barmherzigkeit hat nun ein Ende. Wer die Schwelle vom Leben zum Tod überschritten hat, sieht sich — nackt und allein — vor seine Gerichtsbarkeit gestellt und wartet auf das gerechte Urteil.

Bis zum Zeitpunkt der Beerdigung verbleibt die Seele noch auf der 1,rde. Es sind die letzten Momente vor dem Empfang entweder einer Strafe oder Belohnung, die sie unsichtbar bei den Menschen verbringen darf.

Unter den Worten „bis zum Zeitpunkt der Beendigung“ ist der Zeitraum zu verstehen, der nach dem jeweiligen Brauch und vorgeschriebenen Ritus zwischen dem Tod und der Beerdigung eines Menschen liegen muß. Wird z. B. ein Katholik aufgrund irgendwelcher tragischen Umstände nicht am dritten Tag nach seinem Tode beerdigt, so entfernt sich seine Seele nach Ablauf von drei Tagen auch so von der Erde.

Verwandte und Freunde haben für eine zum Fegefeuer verurteilte Seele nicht die geringste Bedeutung, es sei denn, sie kann auf ihre Hilfe hoffen. Die einzige Form einer derartigen Hilfe ist das Gebet. Diesen Beweis der Liebe oder Freundschaft erhofft und erwartet die Seele des Verstorbenen von den Menschen.

Unbeschreibliche Qualen bereitet einer Seele die Tatsache, daß sie sich den Menschen nicht verständlich machen kann. Sie kann ihnen nicht sagen, daß ihre Tränen und all die Trauer ihr keinerlei Erleichterung oder Nutzen bringen, sondern diesen in seiner Bedeutung ohnehin schon schrecklichen Übergang noch erschweren, daß menschliches Leid nichts ist verglichen mit den Qualen, denen die Seele ausgesetzt ist, wenn die Menschen ihr die einzig mögliche Hilfe verweigern: Gebet und gute Taten.

Oh! Wenn diese Menschen wüßten! Wenn sie doch nachdenken, wenn sie versuchen wollten, die ausweglose, verzweifelte Situation einer solchen Seele nachzuempfinden! So ganz in der Nähe ihrer Lieben zu sein, sie anzuflehen, vergebens an ihr Gewissen und ihr Herz zu appellieren, zu wissen, daß diese letzten Augenblicke des Kontaktes mit der Welt bald unwiederbringlich zu Ende gehen, dieser starke Wunsch, ihren Lieben bei diesem Abschied noch laut zuzurufen, was Sie zu ihrer Rettung benötigt! Oft muß diese Seele jedoch mit ansehen, wie eben diese Lieben sich auf egoistische Weise ganz ihrem eigunen Schmerz hingeben, sich in ihre Trauer hineinsteigern und ihre Köpfe vor dem leeren Körper senken, dessen einziger Zweck nun nicht mehr in ihm weilt!

Wenn die Seele dann enttäuscht feststellen muß, daß sie auf Gebete von denen, die ihr nahestehen, nicht hoffen kann, sucht sie fieberhaft unter den anderen Menschen, sogar unter Fremden, nach jemandem, der für sie betet. Und wenn sie einen solchen Menschen gefunden hat, wie unendlich dankbar kann sie sein! Mit aller Kraft bemüht sie sich, n durch Inspiration in dieser Absicht zu bestärken. Sie bleibt bis zuletzt bei diesem Menschen, ohne auch nur für einen Augenblick zu den ihren zurückzukehren, die sie enttäuscht, traurig gemacht und in vollem Ausmaß den Egoismus der irdischen menschlichen Gefühle gezeigt haben.

Auch bei der Beerdigung ist die Seele meistens noch der Traurigkeit und dem Jammer ihrer Nächsten ausgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt ist Sie zum allerletzten Mal mit der Welt verbunden. Und was muß sie da .vor allem sehen? Ihre nächsten Angehörigen sind verzweifelt über ihre eigene Verzweiflung. Verwandte und Freunde schreiten mehr oder weniger gleichgültig hinter dem Sarg her und machen sich Gedanken darüber, wie sie so schnell wie möglich unbemerkt den Trauerzug verlassen und um die nächste Ecke verschwinden könnten. Die anderen besprechen noch eine Zeitlang ausführlich alle Begleitumstände dieses Todes und gehen dann zu allgemeinen Themen über. Man kann froh sein, wenn sie nicht auch noch schlecht über den Verstorbenen und seine Familie reden! Niemand denkt dabei an ein Gebet. Niemand kommt auf die Idee, für diese oft verzweifelte, erschrockene Seele, die noch in der Nähe verweilt, ganz bewußt zu schweigen oder ihr wenigstens den Weg zum Friedhof zu weihen! Niemand macht sich bewußt, daß sie alles sieht, hört und spürt und daß sie leidet, wie eine Seele nur leiden kann!

Sobald der Verstorbene bestattet ist, reißt jeglicher Kontakt der Seele zur Erde plötzlich ab, und sie begibt sich an den für sie durch das Urteil bestimmten Ort, wo entweder ihre Belohnung oder ihre Buße beginnt.

Vom ersten Augenblick an, nachdem sie ihren Körper verlassen hat, bekommt die Seele einen Eindruck von der unermeßlichen Größe und Macht der Welt, in die sie eingegangen ist, im Gegensatz zu dem Elend und der Geringfügigkeit von allem, was sie hinter sich ließ.

Sie ist auf einmal wie verzaubert. Alles, was sie mit ihrem menschlichen Verstand bis zu diesem Zeitpunkt als real existierend ansah — es existiert eben absolut nicht! All das wiederum, was sie zumeist als unwirklich, unreal und erfunden bezeichnete — es ist die einzige, unabänderliche und ewige Wahrheit!

Da ihr Urteilsvermögen durch nichts mehr getrübt ist, wird ihr nun mit: erschreckender Deutlichkeit bewußt, was sie verdient hat. Die dort herrschende unabänderliche, vollkommene Wahrheit, dieselbe, die dem Menschen auf der Erde oft so unbequem, so weit entfernt und problematisch erschien, wie einfach ist sie nun, da es keinen Ausweg mehr gibt, da man den Blick nicht mehr abwenden kann, wie zu Lebzeiten, um bestimmte Ziele zu erreichen!

Zwischen dem Tod und der Beerdigung weiß die zur Läuterung im Fegefeuer verurteilte Seele die ganze Zeit über genau, daß sie ihre ganze Schuld abbüßen und alle Versäumnisse abarbeiten muß. In der ersten Stufe des Fegefeuers verliert sie dann das Wissen über die Gesamtheit ihres Lebens, die Dauer der Strafe, die sie erwartet und die Beschaffenheit ihres ewigen Lohnes.

Und wie glücklich ist sie, büßen und wiedergutmachen zu dürfen! Sie weiß bereits, wie unverhältnismäßig einfach und leicht selbst das längste und unangenehmste Leben im Vergleich zu einem einzigen kurzen, im Fegefeuer verbrachten Augenblick ist. Mit welcher Freude würde sie wieder auf die Erde zurückgehen, zu dem Elend, zu der Mißachtung, zu all den Krankheiten und Erniedrigungen — und wie gewinnbringend würde sie all dies jetzt erdulden können! Auf der Erde kann man sich zu jeder Zeit Verdienste bei Gott erwerben, man kann sich um seine Gunst und Vergebung bemühen, während man dort nichts mehr für sich tun kann! Die Seele steht der Wahrheit gegenüber und hat zutiefst begriffen, daß sie nun die gerechten Folgen ihrer eigenen Sünden und Nachlässigkeiten vor sich hat. Die Möglichkeit, zu leiden, ist für sie eine Gnade und ein Beweis für Gottes unendliche Güte.

Sie hat jetzt den vollkommenen Überblick über ihre Fehler und erkennt all ihre Nachlässigkeiten, Unzulänglichkeiten, Versäumnisse, sie sieht genau, welche positiven Möglichkeiten sie ungenutzt verstreichen ließ. Es ist ihr auch deutlich bewußt, welche Vorteile sie durch das Ergreifen und Ausnutzen dieser Möglichkeiten erworben hätte. Man stelle sich vor, wie schrecklich jemandem zumute sein muß, der für ein paar Groschen ein Lotterielos abgegeben hat, auf welches dann der Hauptgewinn fällt! Ähnlich qualvoll empfindet die Seele nur ist das Leid, das sie sich selbst zugefügt hat, um vieles härter und schrecklicher. Sie hat freiwillig auf diesen „Hauptgewinn“ verzichtet, der doch eigentlich für uns Menschen das Wichtigste sein müßte.

Sie sieht auch, daß jede, auch die kleinste, vom guten Willen aufgefangene Regung des Herzens zum Guten hin verzeichnet ist. Jede gute Tat und selbst der geringste Sieg über die eigene verdorbene Natur, jede Erhebung der Gedanken zu Gott wurde für sie gewertet, gutgeschrieben und von ihrer Schuld abgezogen.

Die Seele behält nach dem Tode weiterhin die Fähigkeit, zu fühlen. Da sie keinen Körper und keine Sinne mehr hat, kann sie keine physischen Schmerzen empfinden, es verbleiben ihr jedoch moralische Qualen. Über die Intensität und Sensibilität dieser Gefühle kann sich der Mensch nicht einmal andeutungsweise eine Vorstellung machen.

Zum Zeitpunkt des Todes, wenn die körperlichen Augen sich für immer schließen, öffnen sich für immer die Augen der Seele, die durch die ganze Ewigkeit hindurch nie mehr aufhören werden, zu sehen, mag ihnen dieser Blick nun Freude bereiten oder Qualen zufügen.

Es ist für einen Menschen möglich, sich sein Leben lang nicht mit seiner Seele zu befassen und für die irdischen Belange scheint dies nicht von Bedeutung zu sein. Nach dem Tode jedoch gibt es nur noch den Geist und sonst nichts! Genauso, wie zu Lebzeiten der Körper durch kleinste organische Fehler krank wurde, leidet nun die Seele für die geringste Abweichung von der nach göttlichem Plan gezogenen Linie, auf der sie sich hätte bewegen sollen.

Darüber hinaus bewundert sie mit jedem Gedanken, jeder Gefühlsregung die Gerechtigkeit Gottes und wehrt sich auch unter den härtesten Qualen nicht gegen sein Urteil. Deshalb würde sie auch niemals vorzeitig das Fegefeuer verlassen und in die himmlischen Freuden eingehen wollen, selbst wenn sie die Möglichkeit dazu bekäme, denn sie fühlt sich weder würdig noch reif genug dafür.

Ein Mensch, der in Armut lebt, nicht gebildet ist, sich nicht entsprechend kleiden und benehmen kann, würde auch nicht ohne weiteres auf einen Hofball gehen wollen! Und sollte er doch einmal unbemerkt in den Saal hineingeraten, könnte er an dein Fest nicht teilnehmen. Ebenso unwohl würde sich die Seele fühlen, wenn sie in die ewige Glückseligkeit eingehen müßte, bevor sie von ihren Sünden gereinigt und entsprechend reif geworden ist. Im Jenseits trägt man nämlich keine Toupets! Es ist nicht möglich, mehr zu scheinen als man ist, niemand kann und will durch irgendwelche äußerliche Formen etwas vortäuschen. Es gibt keinerlei Umstände, die berücksichtigt werden müßten. Es ist alles einfach nur so, wie es ist. Klar und deutlich sieht jede Seele im Lichte der Wahrheit, die man hier weder verzerren noch zur Seite schieben noch umgehen oder verpassen kann, welchen Reifegrad sie erreicht hat! Diese Wahrheit — sie i s t ! Und außer der Wahrheit existiert absolut n i c h t s .

Das Fegefeuer

Allzu flüchtig, leichtsinnig und sorglos gehen wir im allgemeinen mit Themen um, die mit dem Fegefeuer zu tun haben. Die Leute glauben, dieses Fegefeuer mit glühenden Feuerrosten und Kesseln voller Teer sei eine Erfindung, für Kinder und bigotte Weiber geeignet. Und sie haben recht! Das Fegefeuer ist ganz anders — und viel entsetzlicher als all das, was wir hier auf der Erde mit unseren Sinnen wahrnehmen können. Welch eine schreckliche Überraschung wird es demnach für einen ungläubigen Menschen sein, was seine Seele nach dem Tode alles durchmachen muß! Man denkt so ungern darüber nach. Dabei läßt sich diese Gewißheit nur bis zum Zeitpunkt des Todes verschieben. Gedankenlosigkeit bewahrt den Menschen vor gar nichts. Den Kopf in den Sand zu stecken, ist eine höchst sinnlose Verschwendung von Zeit, die man nützlicher damit verbringen kann, den zu erwartenden Qualen wirksam vorzubeugen. Wozu wohl sonst hätte Gott den Menschen das Geheimnis der Existenz des Fegefeuers verraten? Diese, wenn auch nur allgemein gehaltenen Informationen hätte uns Gott nicht gegeben, wenn sie für das Wohl unserer Seele nicht unbedingt erforderlich wären! Da er sie uns jedoch erteilt hat, wäre es eine anmaßende Dummheit, diesen Vorteil nicht zu nutzen.

Welches sind die Leiden des Fegefeuers? Ungezählt und unvorstellbar ist die Vielfalt dieser Qualen, denn jede Schuld hat ein entsprechendes Gegenstück im jenseitigen Läuterungsprozeß.

Die schlimmste Qual ist für die Seele die Sehnsucht nach Gott, und diese empfindet sie ständig, mit Ausnahme der Zeit in einigen Kreisen des Fegefeuers, in denen es unmöglich ist, sich in Gedanken an Gott zu wenden, was dort wiederum die stärkste Qual für die Seele ist.

in allen übrigen Kreisen zieht es die Seele nach oben, zum Licht, zu Gott hin, und sie leidet, weil es ihr dank ihrer noch nicht verbüßten Schuld unmöglich ist, sich ihm zu nähern. Kein Verlangen, dessen ein menschliches Herz fähig ist, kann mit diesem verglichen werden; es ist das Verlangen einer wissenden, aus der Enge der Sinne bereits befreiten, unsterblichen Seele nach der Rückkehr zu ihrem Schöpfer und Herrn. Gott zieht sie an wie ein gewaltiger Magnet von ungeheurer, überwältigender Kraft. Von der Sehnsucht nach Gott kann sich die Seele nicht befreien, ebenso wie ein kleines, willenloses, blindes Metallteilchen sich nicht von einem Magneten lösen kann, der es mit seinen Polen anzieht. Diese Sehnsucht ist gewissermaßen der Grund, auf dem sich die verschiedenartigsten Arten und Formen der Leiden, Qualen und Zustände einer sich im Reinigungsprozeß befindlichen Seele abzeichnen.

Das Fegefeuer besteht aus unzähligen Kreisen verschiedenster Art. Manche kenne ich nur dem Namen nach, wie z. B. den Kreis des Hungers, der Angst, des Grauens und der Bedrängnis. Über andere habe ich von meinen heiligen Betreuern einiges erfahren. Bei meiner Schilderung des Fegefeuers werde ich die Qual der Sehnsucht zu Gott aussparen, da ja diese Sehnsucht der Grundzustand jeder büßenden Seele ist. Man könnte annehmen, da die Seele in ihrem Reinigungsprozeß in immer höhere und der ewigen Helligkeit nähere Kreise eingeht, die Qual der Sehnsucht würde angesichts der Hoffnung auf ihre nahende Befriedigung abnehmen. Aber nein! Die sich verringernde Entfernung von dieser Helligkeit bewirkt, daß das angestrengte Streben der Seele nach einer Verbindung mit ihr noch verstärkt wird; mit ungeahnter Kraft wird sie von dieser Helligkeit fast an sich gerissen, so daß die Sehnsucht nach Gott im letzten Fegefeuerkreis, wo außer dem Warten keine weiteren Leiden mehr zu erdulden sind, ihre höchste Intensität erreicht.

Der Kreis der Irrungen

Die erste und schrecklichste Fegefeuerstufe ist der Kreis der Irrungen. In dieser Zeit kreist die Seele in der Nähe der Erde umher, hat aber keinerlei Berührungspunkte mehr mit ihr.

Sie weiß weder, was in der Vergangenheit mit ihr los war, noch was in Zukunft mit ihr geschehen wird, sie kennt nur so etwas wie eine geisterhafte, quälende Gegenwart. Ein Ende ihrer gegenwärtigen Qualen sieht sie absolut nicht. Sie versteht überhaupt nichts. Sie weiß nicht, was mit ihr geschieht, wofür, wo, und für wie lange ...

Manchmal trifft sie auf ganze Scharen von anderen, ihr feindlich gesinnten, ebenfalls umherirrenden Seelen, mit denen sie sich nicht verständigen kann, vor denen sie sich fürchtet, denen sie jedoch nicht ausweichen kann. Es gibt für sie weder Rast noch Linderung. Nur die ständige Bewegung — ziellos, rastlos — eine unaufhörliche Suche, ohne zu wissen, wonach, und der Gedanke, daß das, was ist oder vielmehr das, was nicht ist, immer so weitergehen kann.

Das einzige, was für sie existiert, ist das in völliger Einsamkeit gemarterte, verschreckte, verirrte Bewußtsein der eigenen Persönlichkeit, das kein Gefühl für Zeit und Raum hat und weder einen Sinn noch ein Ziel sieht. Es ist die ununterbrochene Suche nach einem entsprechenden Ort und gleichzeitig die ständige Unmöglichkeit, einen solchen Ort zu finden.

In diesem Kreis befinden sich noch einige der Häscher Christi, die nicht für ewig verdammt sind.

Der Kreis der Dunkelheit

In dieser Fegefeuerstufe weiß die Seele immer noch nichts von Gott. Sie hat auch keine Ahnung davon, was sie in Zukunft erwartet. Dafür ist sie jetzt gezwungen, sich fortwährend und mit peinlicher Genauigkeit an ihre Schuld, an alle ihre Sünden, Fehler, Versäumnisse und Nachlässigkeiten zu erinnern. Es wird ihr bewußt, wie jämmerlich und nichtig der damals erzielte Nutzen im Vergleich zu dem jetzigen Verlust ist. Es ist das einzige, was sie versteht. Sie wird gequält von den ständigen Gedanken an Zeiten, in denen sie Böses getan hat, sowie von dem Gefühl ihrer eigenen Machtlosigkeit, da sie jetzt nichts mehr nachholen oder rückgängig machen kann. Durch den Blick auf das Verlorene und auf die Strafe dafür wird sie überwältigt von Reue und Verzweiflung. Ohnmächtige Verzweiflung, Bitterkeit und Wehmut, das Gefühl von Verlassenheit, Abscheu gegen die eigenen Taten; daraus besteht die nie erlöschende Glut, die sie verzehrt.

Der Kreis der Götzenanbeter

Alle jene, die irgendwann einmal gegen das erste Gebot verstoßen und an die höchste Stelle Menschen, die Wissenschaft, eigene Ambitionen, sich selbst oder irgendwelche Gegenstände gesetzt haben, sie haben jetzt das volle Bewußtsein der Existenz eines einzigen Gottes und mit einer verzweifelten, hoffnungslosen Sehnsucht sehnen sie sich nach ihm.

Sie sehen jedoch, wohin sie auch blicken, nur ihre früheren Götzen vor sich. So gern sie jetzt den wirklichen Gott anbeten und preisen würden, sie sehen ihn nicht, sondern erinnern sich ständig an ihre früheren, albernen Ehrenbezeugungen. Sie wollen Gott um Hilfe bitten, müssen sich jedoch damit an jene Götzen wenden, obwohl sie jetzt bereits die ganze Sinnlosigkeit einer solchen Bitte erkennen und verstehen. Sie möchten gern das Licht sehen, das sie irgendwo über sich spüren, aber all das, dem sie früher anstelle von Gott huldigten, schiebt sich wie eine feindliche Wolke vor diese Helligkeit und verdunkelt ihnen die Sicht. Jeder Gedanke an das zu Lebzeiten Versäumte, an die durch eigenen Willen herbeigeführte Verfälschung der Werte vertieft noch ihre Trauer und Qual.

Der Kreis der Mitschuldigen

Hier treffen sich diejenigen wieder, die einander zu Lebzeiten auf irgendeine Weise geholfen haben, zu sündigen. Obwohl ihnen dieses Zusammensein empfindliche Schmerzen bereitet, können sie sich nicht voreinander verstecken und haben einander ständig vor Augen.

Die meisten, die sich hier aufhalten, waren einmal in sündiger Liebe miteinander verbunden. Sie fühlen sich schuldig und durch den jeweils anderen benachteiligt. Sie sind einander böse — und haben gleichzeitig Gewissensbisse. Sie möchten einander gern aus ihrem Gedächtnis streichen, können aber nicht auseinandergehen. Wie elend, abscheulich und schmutzig erscheint ihnen jetzt das, was sie einmal verband' Wie deutlich können sie jetzt den wirklichen Wert eines Menschen erkennen! Sie verstehen absolut nicht, wie sie jemals so blind sein konnten. Wie gern würden sie die ganze Verantwortung auf die Person schieben, die ihnen zu Lebzeiten so vertraut und teuer war! Mit welcher Wut würde einer dem anderen die gemeinsam verübten Missetaten zuschreiben! Dabei können sie sich an jede Einzelheit, jeden Augenblick, jede schmutzige Regung ihres Herzens erinnern. Reue und Scham brennen in ihnen, Gefühle, die sie zu Lebzeiten nicht kannten!

Der Kreis der Erkennung von Konsequenzen

Dies ist eine unsagbar leidvolle Fegefeuerstufe! Wie durch einen geöffneten Vorhang kann die Seele die Erde und selbst die entferntesten Folgen ihrer Vergehen und Fehler beobachten.

Oft sieht sie ihr Lebenswerk in Trümmern liegen, und sie weiß jetzt, daß dies geschehen ist, weil der Grundstein dafür aus Sünde und Lastern bestand.

Sie sieht nun, daß jede Abweichung vom Gesetz Gottes sich an ihren Kindern, Enkeln und Urenkeln rächt. Sie erkennt, welche Früchte das von ihr zu Lebzeiten gepflanzte schlechte Beispiel bringt, wie viele Seelen und Herzen mit dem Unkraut falscher Lehren, Begriffe und Grundsätze bewachsen sind, das sie ausgesät hat.

In diesem Kreis leidet die Seele nicht nur für sich, sondern für alle Sünden, die sie verursacht hat. Sie leidet gerade dadurch, daß sie jetzt alles versteht und mit ansehen muß, welche entferntesten und vielfältigsten Folgen ihre Sünden auf der Erde haben.

Der Kreis der Einsamkeit

In diesem Kreis leiden jene, die zu Lebzeiten in gedankenloser Weise stets nach viel Betriebsamkeit, Lärm und Unterhaltung Ausschau hielten und dadurch niemals Zeit gefunden haben, über den Wert der Seele nachzudenken, jene, die die kurze und kostbare Zeit ihres irdischen Lebens mit Dingen vertrödelten, die leer, nichtig, wertlos und damit auch übel und sündig waren.

In absoluter Einsamkeit grübeln sie jetzt über die traurige Leere der so verlorenen Stunden und Jahre. Gern würden sie jemanden zu sich rufen, ihre Not mit jemandem teilen, fühlen, daß jemand bei ihnen ist ... Von allen Seiten umgibt sie jedoch diese unfaßbare, unendliche, hoffnungslose Leere und Einsamkeit. Es ist, als befänden sie sich in einem leeren Haus ohne Fenster und Türen. Sie wissen auch nicht, ob und wann sie dieses Haus jemals verlassen werden.

Der Kreis des quälenden Lärms

Im Gegensatz zum Kreis der Einsamkeit halten sich hier die Seelen derjenigen auf, die zu ihren Lebzeiten den Menschen stets aus dem Weg gingen oder sie gar verachteten und die den anderen nie etwas von sich gegeben haben. Diejenigen, die sich und anderen dadurch Schaden zufügten, daß sie stets die Einsamkeit suchten und nur ihren eigenen Erlebnissen und Empfindungen Beachtung schenkten. Diejenigen, die z. B. den Gottesdiensten fernblieben, um dem allzu großen Gedränge zu entgehen. Diejenigen, die mit sich selbst geizten und sich stets schweigend zurückzogen, anstatt die Gaben ihres Geistes mit anderen zu teilen. Diejenigen, die sich in die enge, eingeschränkte Welt ihrer eigenen Gedanken und Belange einschlossen, weil sie bequem oder faul waren und keine Lust hatten, ihren Mitmenschen in irgend einer Weise zu dienen. Diejenigen, die ihren Frieden über alles schätzten und von ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung zur Nächstenliebe nichts wissen wollten.

Es sind also die Seelen der Menschen, die eher passiv als aktiv gesündigt haben, Menschen, die scheinbar nichts Böses taten, jedoch auch nicht das Gute vollbrachten, das sie hätten vollbringen können, aus Hochmut, Verachtung, Geiz und egoistischer Liebe zur Bequemlichkeit.

Ihre Seelen befinden sich jetzt in ständiger Unruhe und Bewegung. Nirgends ein ruhiger Winkel, nirgends Einsamkeit! Überall Scharen und Massen von Seelen, die sich nach Ruhe sehnen, während sie sich gleichzeitig gegenseitig ihrer Ruhe berauben. Von allen Seiten Blicke, überall ist jemand, man steht ständig unter Beobachtung. Bewegung. Lärm, Trubel, Trubel, Bewegung und Lärm, ununterbrochene, rastlose Bedrängnis bis zum Überdruß.

Der Kreis des Verlangens

Die Seelen derjenigen, die in Unkeuschheit lebten und ihre körperlichen Bedürfnisse durch Genuß, Entartungen und Wollust zu befriedigen suchten, müssen hier in vollem Bewußtsein der Abscheulichkeit ihrer Taten ständig darüber nachdenken, daß sie sich selbst den Weg zur wahren Quelle des Lebenswassers versperrt haben. In ihnen brennt ein fürchterliches, unauslöschliches Verlangen nach Reinheit. Sie fühlen sich beschmutzt, entehrt, niederträchtig und werden gequält von erstickendem Ekel auf sich selbst. Sie haben den dringenden Wunsch, sich zu waschen, zu reinigen, den Schmutz von sich zu spülen. Und um sie herum ist alles trocken, heiß und feindlich.

Diese Menschen haben zu ihren Lebzeiten aus verschmutzten Quellen getrunken, und nur durch lang andauerndes Leiden können sie sich jetzt reinwaschen, bevor sie aus einer sauberen Quelle trinken dürfen. In diesem Kreis halten sich die Seelen der Menschen auf, die ihr Leben mit Gelüsten und Einbildungen verbrachten, die sich, ständig auf der Suche nach neuen Eindrücken und Erlebnissen, hinter falschen Posen versteckten und mit erfundenen Unglücken prahlten. Sie lebten nur in dem, was sie sich ausgedacht hatten und was ihnen — wie sie meinten — am besten „zu Gesicht stand“.

Hierhin kommen die Seelen der Menschen, die die einfachsten, allgemein gültigen Regeln des wirklichen Lebens nicht kennen und beachten wollten. Sie haben sich eigene, künstliche, unpassende Regeln geschaffen, die für niemanden von irgendwelchem Nutzen waren. Hier werden ihre Seelen weiterhin nach ihren wertlosen Scheinbildern leben müssen, sie irren ziellos umher in einer ergebnislosen Suche nach dem wirklichen Sinn und nach wesentlichen Werten, verstricken sich in dem verworrenen, zwecklosen und nun absolut richtig bewerteten Chaos ihrer eigenen Scheinwelt.

Der Kreis der trügerischen Hoffnungen

Die Seelen der Menschen, die zu ihren Lebzeiten wortbrüchig waren und ihre Versprechen nicht einhielten, die in anderen Menschen vergebliche Hoffnungen weckten, die zwar eine Menge guter Vorsätze, Möglichkeiten und Regungen hatten, diese jedoch aus Nachlässigkeit nie zu Ende führten, die es immer auf einen späteren Zeitpunkt aufschoben, sich zu bessern oder wirklich zu beten, sie leiden in diesem Teil des Fegefeuers unter der Hoffnung auf ihre baldige Erlösung. Sie glauben ständig daran, dem Ende ihrer Qualen nahe zu sein, jeden Augenblick scheint sich für sie die Tür zur vollkommenen Glückseligkeit öffnen zu wollen, als brauchten sie nur ihre Hand auszustrecken, ein paar Schritte zu gehen, doch plötzlich finden sie sich inmitten von abgrundtiefer Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung.

Es ist eine ständige Wiederholung einer immer gleichen Hoffnung und Enttäuschung. Wie ein anstrengendes Klettern auf einer gläsernen, senkrechten Wand, dem ein ohnmächtiges Hinabgleiten auf den Grund folgt. Sie können ihre ständige Marter nicht unterbrechen. Unzählige Male beginnen sie von vorn und unzählige Male trifft sie wieder dieselbe Enttäuschung.

Dieses Geschehen wiederholt sich so lange, bis jede einzelne — auch die geringste — Schuld aus diesem Bereich getilgt ist.

Der Kreis der einzig wahren Buße

Es ist der, wenn man es so ausdrücken kann, am weitesten ausgedehnte Teil des Fegefeuers. Alle Seelen, die etwas zu verbüßen haben, müssen durch diesen Kreis hindurchgehen.

Wenn die Seele in den anderen Regionen des Fegefeuers an ihrem eigenen Schaden, an der Verzögerung ihres eigenen Glücks, an ihrem eigenen Schmerz leidet und mit Hilfe von Vorstellungen, die ihr selbst Qualen bereiten, Stufe um Stufe ihrer Läuterung entgegengeht, so denkt sie hier, im Kreise der einzig wahren Buße, in dem sie für alles noch einmal leidet, nur noch an das eine: daß sie ihren Schöpfer beleidigt hat! Das Bewußtsein des eigenen Schadens verschwindet in diesem Kreis spurlos. Es bleibt nur das umfassende, vollkommene Verstehen der vernachlässigten Pflichten, die jeder Gott gegenüber hat.

Hier erlebt sie noch einmal mit aller Deutlichkeit und Pein ihr ganzes Leben, Tag für Tag, jeden einzelnen Augenblick und jeden einzelnen Gedanken. Nicht die kleinste sündhafte Herzensregung bleibt ihr erspart — soweit sie nicht bereits auf der Erde durch bewußtes Leiden verbüßt worden ist.

Ganz klar sieht die Seele jetzt die Momente, in denen sie sich von ihrem falschen Weg hätte abwenden können, sie erkennt die Lichter, mit denen Gott sie auf die Jämmerlichkeit ihrer Handlungsweise aufmerksam machen wollte. Sie begreift, daß sie mit ihrem freien Willen Dinge gewählt hat, die Gott beleidigen und die ihm fern sind. Dabei hätte sie oft schon mit einer ganz kleinen Anstrengung und Überlegungen das tun können, was die Dinge gewandelt und Gott zur Ehre gereicht hätte.

Eine Tatsache, die der Mensch zu Lebzeiten oft anzuzweifeln wagt, wird für die Seele hier deutlich: Jeder Mensch hat von seinem Schöpfer genug Licht und Kraft empfangen, daß er sich beherrschen und damit verhindern kann, ihn zu beleidigen.

Mit unerbittlicher Konsequenz und Intensität laufen die Bilder ihres eigenen Lebens nun vor den Augen der Seele ab, während sie, durch nichts abgelenkt und einsichtig, die ganze Heiligkeit, Schönheit, Lieblichkeit, Macht, Vollkommenheit und Gerechtigkeit Gottes begreift, die sie beleidigt hat. In den vorhergehenden Kreisen hat sie sich von allen persönlichen Dingen geläutert, sie ist jetzt durch all die Leiden und Qualen wie umgeschmolzen, ihre irdischen Gewohnheiten sind wie ausgespült. Hier harrt sie aus, mit den Gedanken ständig bei ihrem Herrn und Schöpfer, und bedauert zutiefst, seine ewige Herrlichkeit gekränkt zu haben. Ihr Schmerz und ihre Verzweiflung sind um so stärker, je zartfühlender und begabter sie ist, je näher ihr Kontakt zu Gott hätte sein können und je leichter sie seine Sache hätte begreifen können. Mit nichts lassen sich die Qualen der Scham und Reue vergleichen, die die Seele hier durchmachen muß! Wenn sie sterben könnte, in diesem Kreis würde sie sterben! Wenn sie wahnsinnig werden könnte, hier würde sie es werden!

Das dauert solange, bis jede, auch die letzte Schuld, die letzte Verfehlung und der verborgenste Gedanke von dieser tiefen, idealen Reue verbrannt sind. Dann erst sieht die Seele in die letzte Fegefeuerstufe ein, in den Neutralen Kreis.

Der Neutrale Kreis

Welche Erleichterung, welches Glück, welche unerhörte Gnade ist es für die Seele, wenn sie endlich, nachdem sie durch alle ihrer Buße entsprechenden Kreise hindurchgegangen ist, hier eingeht!

Die beste Vorstellung von der Intensität der bisher durchlittenen Qualen kann man sich machen, wenn man bedenkt, daß es für die Seele eine Gnade ist, nun nichts mehr zu empfinden. Sie begrüßt diesen Kreis wie ein mit letzter Kraft schwimmender Schiffbrüchiger die rettende Insel.

In diesem Kreis leidet man nicht, sondern man wartet. Man weiß zwar nicht, wie lange dieses Warten dauern wird, aber man leidet trotzdem nicht.

Manche Seelen bleiben hier so lange, bis sie sich — wenn man es so ausdrücken kann — von den durchlebten Qualen erholt und neue Kraft für den Übergang in den ersten Kreis des Himmels geschöpft haben. Andere warten, nachdem ihre ganze Strafe verbüßt ist, so lange, ohne zu leiden, bis jemand auf der Erde das, was sie zerstört oder vernachlässigt haben, repariert.

Unter anderen halten sich hier Priester auf, die die hl. Messe unordentlich zelebriert haben und mit ihren Gedanken nicht bei der Sache waren. Sie warten darauf, daß jemand auf der Erde mit voller Andacht eine hl. Messe für die Seelen eben solcher unachtsamen Priester feiert. Hierhin kommen auch jene, die zu Lebzeiten ein Vermögen mit den Tränen und dem Unrecht anderer erworben haben. Wenn jemand das von ihnen zugefügte Unrecht nicht wieder gutmacht oder — falls dies nicht möglich ist — für den Schuldigen eine gute Tat vollbringt, die dem ehemals zugefügten Unrecht gleichwertig ist, werden die Seelen dieser Menschen erst dann in die nächsthöhere Fegefeuerstufe eingehen, wenn auf der Erde sämtliche Folgen ihrer Fehler erloschen sind.

Die Seelen von Schriftstellern, die sich gegen die Gesetze Gottes geäußert haben, warten hier, bis jemand auf der Erde ihre Inspirationen aufgreift und diese zur Ehre Gottes umwandelt und weiterführt. Dieses Wirken einer büßenden Seele mit dein Ziel der Wiedergutmachung ist jedoch nur aus dem Neutralen Kreis heraus und nur nach Gottes Fügung möglich.

Es ist möglich, daß die wartenden Seelen durch innige, mit Entsagungen und Taten angereicherte Gebete von Lebenden höher steigen, aber nur dann, wenn die Lebenden ihre Opfer bewußt einer bestimmten Seele weihen.

Seelen, denen Gott dank der Fürsprache der heiligsten Jungfrau Maria, ihres Patrons oder dank der Gebete und Taten von Lebenden, die Qualen der vorhergehenden Fegefeuerstufen verkürzt hat, harren hier aus. Die Beschaffenheit ihrer Buße wurde gleichsam verändert, die kurze und schmerzliche Strafe ist nun in eine längere und mildere umgewandelt. Hier bleiben sie bis zu ihrer vollkommenen Reife und Läuterung, bis es ihnen also möglich ist, in den ersten Kreis des Himmels, den Kreis der Erkenntnis, einzugehen.

Wenn der Seele eine solche Amnestie gewährt wird und sie dadurch vorzeitig aus einer schmerzlicheren Fegefeuerstufe in den Neutralen Kreis gelangt, weiß sie trotz allem genau, welche Strafen sie noch abzubüßen gehabt hätte, die ihr ohne eigenes Verdienst erlassen worden sind. Sie braucht diese Qualen zwar nicht mehr zu fürchten, doch das reine Bewußtsein dessen, was sie noch alles vor sich hatte und wovor sie bewahrt worden ist, zwingt sie zur Dankbarkeit denen gegenüber, die für sie gebetet und ihr dadurch zum vorzeitigen Verlassen der härteren Kreise verholfen haben.

Manche glauben, daß ein Mensch unmittelbar nach seinem Tode in das Himmelreich eingehen kann, wenn er nur vorher eine ehrliche Beichte abgelegt hat. Sie irren sich.

Das Fegefeuer ist nicht nur ein „Ort“ der Läuterung, sondern auch der Reifung für alle, die zu Lebzeiten ihre inneren Lichter vernachlässigt oder gar nicht beachtet und dadurch ihren Geist nicht ausreichend entwickelt haben.

Im Fegefeuer entwickeln sie sich weiter durch das Leiden, das sie schließlich dazu fähig macht, den höchsten Punkt der Glückseligkeit zu erfassen, also zu erleben. Dieses Glück wartet seit ewigen Zeiten nach dem Willen Gottes auf sie. Da sie im Laufe ihres Lebens nicht reifen wollten, müssen sie nun, oft jahrhundertelang, im Leiden verharren und so erst nach ihrem Tode reifen.

Aus demselben Grunde müssen selbst die Menschen, die in ihrem Leben gut, opferbereit und edelmütig waren und stets nach ethischen Grundsätzen handelten, im Fegefeuer zunächst lernen, Gott zu lieben, wenn das Motiv ihres Handelns nicht in erster Linie in der Liebe zu Gott zu finden ist. Dann erst wird es ihnen — trotz ihrer zahlreichen und sogar verdienstvollen, jedoch aus anderen Beweggründen verübten Taten gegeben sein, ihn zu sehen.

Bei der Abrechnung im Jenseits wird nicht nur das zugrunde gelegt, was der Mensch in seinem Leben Gutes oder Böses getan hat, sondern es wird ebenfalls erwogen, ob er alle Möglichkeiten, Gutes zu tun, ausgeschöpft hat.

Was dann noch zur vollen Erfüllung der Ansprüche Gottes — je nach Ausstattung der Seele — fehlt, und was das Höchstmaß göttlicher Nachsicht unter Zugrundelegung der Schwäche des Körpers übersteigt, muß die Seele im Fegefeuer durch Qualen nachholen oder abarbeiten.

Nur sehr wenige Seelen umgehen das Fegefeuer, obwohl es jede könnte, wenn die Menschen sich nur folgendes klar bewußt machen wollten: Jede, auch die kleinste Sünde muß hier oder im Jenseits bewußt gesühnt werden.

Die bereitwillige Annahme seelischer oder physischer Leiden schon zu Lebzeiten, Demut und vertrauensvolle Ergebenheit in den Willen Gottes sind die erträglichsten Formen der Buße für alle Vergehen gegen sein Gesetz und der einfachste Weg zur Erlangung des Glücks nach dem Tode.

Wird Leiden schon zu Lebzeiten mit der Absicht der Buße angenommen, so gilt das als Beweis unseres guten Willens, und in diesem Fall verlangt Gott in seiner Barmherzigkeit für ein und dieselbe Sünde hier auf Erden eine leichtere und kürzere Buße im Fegefeuer.

Man könnte den Vorgang mit einer Dezimalwaage vergleichen. Wenn jemand in seinem Leben eine Schuld abbüßen will, kann er auf dieser Seite ruhig kleinere Gewichte auf die Waage legen, auf der anderen werden sie mehr als zentnerschwer sein! Genauso hat ein geringerer irdischer Verdienst „dort“ den zehnfachen Wert. Auf derselben Dezimalwaage wiegt Gott jedoch auch die Schuld des Menschen. Für ,jede Sünde, die „hier“ nicht gesühnt worden ist, wird man „dort“ eine mehrfach schwerere Strafe erdulden müssen, um die Waage auszugleichen. Wer nämlich die Buße bis zum Fegefeuer aufschiebt, wo er gezwungenermaßen leidet, steht außerhalb der Barmherzigkeit Gottes und kann nicht auf Erleichterung hoffen.

Wie wunderbar groß und gewaltig ist die Macht des bewußt angenommenen und Gott geopferten Leidens! Und wie klar begreifen es nach dem Tode all jene, die sogar in der erlösenden Marter des Gottmenschen und im Martyrium seiner Anhänger nur einen mystischen Irrtum sahen!

Andere meinen, die Erhebung des Leidens zum Verdienst sei eine geniale Erfindung des „edlen Revolutionärs“ aus Nazareth, der aus barmherzigen Motiven, um ihnen etwas zu versüßen, dem sie sowieso nicht entgehen können, den getrübten Geistern dieser Unglücklichen den trügerischen Glauben an eine ewige Belohnung für geduldig ertragene, irdisches Leid einredete. Man könne der Welt ihrer Ansicht nach straflos etwas versprechen, was sich erst nach dem Tode erfüllen sollte. Bei wem wollte man es wohl später einklagen?

Wie werden sich jene, die so denken, wundern, wie schrecklich wird es für sie sein, einmal Aug' in Aug' der Gerechtigkeit dessen gegenüberzustehen, der den Respekt vor seinen Versprechungen jederzeit einklagen kann!

Die Seelen im Fegefeuer können für sich nichts mehr tun, außer zu leiden. Leiden ist für sie Gebet, Arbeit und schließlich der Weg, auf den, sie sich ihrem Ziel nähern können.

Viel mehr hingegen können die Menschen für diese Seelen tun.

Gott läßt es in seiner Barmherzigkeit zu, daß die Streitende Kirche mit ihren Anstrengungen die schmerzhafte Passivität der Leidenden Kirche ausgleichen und ihr auf diese Weise helfen kann. Jede hl. Messe, jeder Gedanke, jedes Gebet, ein Verzicht oder Opfer in ihrem Sinne — all das hat für die Seelen im Fegefeuer eine geradezu enorme Bedeutung. Genauso unentbehrlich wie für den Körper die Nahrung, ist nämlich für die Seele das Gebet.

Die im Fegefeuer Leidenden sind wie Bettler. Sie warten, bis ihnen jemand ein Almosen hinwirft. Oft müssen sie ganze Jahrhunderte lang warten, und gäbe es nicht die ununterbrochen und für alle Seelen im Fegefeuer verrichteten Gebete der Kirche, würden viele dieser Unglücklichen vergeblich warten. Die Welt vergißt bald, die gegangen sind, dabei warten sie, nun von allen menschlichen Eitelkeiten, von ihrem falschen Stolz befreit, in unvorstellbar schmerzlicher Verlassenheit auf Hilfe! Sogar der bedauernswerteste, ärmste Mensch ist ein König gegen die leidende Seele. Durch Leiden, Krankheiten, Behinderungen, Hunger oder Verlassenheit kann man sich bei Gott noch verdient machen, kann, wenn man alles geduldig erträgt, seine Gnade erlangen und die eigene Schuld tilgen. Im Fegefeuer ist die Seele nur noch auf Almosen durch die Liebe und Erinnerung ihrer Lieben angewiesen, ein Almosen, um das sie nicht einmal mehr selbst bitten kann.

In einigen Kreisen des Fegefeuers haben die Seelen manchmal nach dem Willen Gottes die Möglichkeit, den Menschen im Traum oder am Tage zu erscheinen. Nur auf diese Art können sie um Hilfe bitten. Die Menschen beachten jedoch ihre Träume meistens nicht, und vor diesen unglückseligen Erscheinungen haben sie oft solche Angst, daß es nur selten jemandem in den Sinn kommt, für diese Seele zu beten, eine hl. Messe lesen zu lassen, ein Leid auf sich zu nehmen oder eine gute Tat zu vollbringen. Die Menschen kommen nicht darauf, daß uns ein Zeichen aus dem Jenseits nur mit dem Willen und der Erlaubnis Gottes gegeben werden kann und wir es aus diesem Grunde nicht mißachten dürfen.

Für Verstorbene zu beten, liegt sozusagen im gemeinsamen Interesse derjenigen, für die gebetet wird, und derjenigen, die beten. Die Not der büßenden Seelen ist so groß, daß sie sich sehr dankbar erweisen und es niemals vergessen, wenn ihnen jemand hilft, aus dem Fegefeuer hinauszugelangen. Später, im Kreise der Erkenntnis, wird es deshalb ihre erste Tätigkeit sein, die Engel im Ersten Kreis des Lichts zu bitten, sich ihrer Wohltäter anzunehmen. Die Höheren Geister geben dieses Anliegen dann an den nächsten, höher gelegenen Kreis weiter, und so wie der Wind durch die Saiten eines Instruments, erklingt diese Bitte durch alle Kreise des Himmels bis hin zu dem Thron des Allerhöchsten.

Seelen, die erlöst sind, also die Hellen Geister, können einem Menschen bei verschiedenen geistigen, aber auch bei materiellen Angelegenheiten auf ausgesprochen lohnende Weise behilflich sein.

Nichts belastet eine Seele im Fegefeuer mehr als Groll oder Haß der auf der Erde Zurückgebliebenen. Im Gegensatz zu dem beiderseitigen Nutzen, den das Gebet für den Verstorbenen bringt, ist ein solcher Haß für beide Seiten schädlich.

Wer in seinem Herzen Haß nährt, auch wenn dieser Haß durch einst erlittenes Unrecht begründet ist, wird seinen Schöpfer nicht eher sehen, bis er die gleichen Qualen durchlitten hat, die er seinem Missetäter durch eben diesen Groll beschert hat.

Es bringt der büßenden Seele enorme Erleichterung, wenn man — aus Liebe zu Gott und zueinander — einem Verstorbenen verzeiht. Gleichzeitig gewinnt man dadurch die Gnade Gottes. Wir sollten deshalb zu unseren Lebzeiten alles verzeihen, damit auch uns nach dem Tode alles verziehen wird.

Die barmherzigste, liebevollste und mächtigste Fürsprecherin der Seelen im Fegefeuer ist die heiligste Jungfrau Maria.

Voller Erbarmen beugt sie sich über das schreckliche Gedränge aus unaussprechlichen Qualen, und ihr überaus gutes Herz hat — obwohl sie die Gerechtigkeit Gottes demütig anerkennt — Mitleid mit diesen Unglücklichen und betet ohne Unterlaß für sie.

Sie genießt hohe Privilegien und hat das Recht und die Macht, an jedem ihrer wichtigeren Feiertage einige Seelen aus dem letzten Kreis des Fegefeuers zu befreien oder auch aus einem härteren Fegefeuerkreis in einen milderen zu befördern. Es gibt einen wundervollen Tag im Jahr, an dem alle Qualen des Fegefeuers für vierundzwanzig Stunden ausgesetzt werden. Es ist das Fest Allerseelen.

An diesem Tag herrscht in all den unzähligen Regionen, auf allen Ebenen und Etagen dieses riesigen Abgrundes aus Qualen festliche Stille und festlicher Friede. Die Seelen ruhen sich aus. Sie leiden nicht. Das an diesem Tage besonders intensive gemeinsame Gebet der Streitenden Kirche kühlt sie wie ein frischer Luftzug. Welch eine Erleichterung! Welch ein wohltuendes Aufatmen' Die gesamte christliche Welt betet in einem einzigen großen Anflug aus Mitleid, Sehnsucht und Liebe zum Himmel um die Gnade des Ewigen Lichts für die Verstorbenen.

Sogar Menschen, die sonst nie an ihre Verstorbenen denken, gehen an diesem Tag auf den Friedhof, um wenigstens kurz zu beten oder ein Lichtlein anzuzünden.

Wer an diesem Tage jedoch nicht zum Friedhof gehen kann, kann genauso gut fern von ihren Gräbern für die Verstorbenen beten und ihnen dadurch helfen. Das Wichtigste ist dabei die Opferbereitschaft. Die Anwesenheit am Grab ist nicht unbedingt notwendig. Ein aufrichtiges Gebet findet immer die entsprechende Seele und mildert ihre Qualen. Sehr wichtig ist auf einem Friedhof das richtige Benehmen. Durch den Friedhofs­eingang geht man gleichsam in das Haus der Verstorbenen ein, dort gelten ihre Rechte. Es tut den Seelen weh, wenn man die Andacht dieses Ortes gedankenlos durch laute Unterhaltung stört. Sie leiden darunter und fühlen sich gekränkt.

Am Allerseelentag wirken Geister besonders häufig und stark in der Welt. Wer fähig ist, seine volle Aufmerksamkeit dieser anderen, überirdischen Welt zuzuwenden, wird so manches verspüren.

Jedes Opfer, sei es moralischer, physischer oder materieller Natur, ist für die Seelen im Fegefeuer immer, besonders aber am Allerseelentag, von großem realem Wert. Sogar Kleinigkeiten kann man für sie opfern. Allein schon die Mühe des Gangs zum Friedhof, das Tragen des Blumenschmucks, das Gedränge in der Straßenbahn, Frieren, Naßwerden — alles! Man muß es ihnen nur bewußt weihen. Die Absicht erst verleiht jeder Anstrengung Gewicht und Bedeutung. Genauso wird das oft mechanisch gesprochene Gebet eines alten Bettlers, dem man ein Almosen gibt mit der Bitte, für einen Verstorbenen zu beten, durch die mitleidige Absicht geheiligt. Auch das Anzünden der kleinen Lichter hat als Opfer eine wichtige Bedeutung.

Der Mensch bringt Gott dieses Lichtlein dar — denn nur dieses kann er ihm geben — mit der Absicht, den Seelen der Verstorbenen Erleichterung zu verschaffen. Im Austausch dafür bittet er Gott um ewiges Licht für die Verstorbenen. Gott nimmt das Opfer an und tauscht das physische Licht in geistiges Licht um, mit dem er die qualvolle Dunkelheit dieser Seelen erhellt. Es gibt nämlich einen geheimnisvollen Zusammenhang zwischen dieser lebendigen, durch die Absicht geheiligten kleinen Flamme und der Dunkelheit der jenseitigen Welt.

Auch physische Schmerzen kann man für die Seelen im Fegefeuer auf sich nehmen. Ich kenne einen Fall, bei dem sich einige Personen opferten und bereiterklärten, am Allerseelentag zu leiden, um den Seelen ihrer Verstorbenen Erleichterung zu bringen. Obwohl sie vorher vollkommen gesund waren, wurden alle gleichzeitig krank, sobald sie diesen Entschluß gefaßt hatten. Es traten Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, Kreuzschmerzen auf, Reißen in den Gelenken, Krämpfe. Pünktlich um 12 Uhr in der Nacht verschwanden alle diese Beschwerden — wiederum gleichzeitig.

Von meinen heiligen Betreuern weiß ich, daß Gott für diese leichten und kurzen Leiden, die die Lebenden auf sich nehmen, um den büßenden Seelen zu helfen, den Verstorbenen oft langwierige und strenge Strafen erläßt.

Von ihnen weiß ich auch, was man tun kann, wenn man Gott für eine ganz bestimmte Tat eines Verstorbenen um Verzeihung bitten will. Man muß eine Überwindung opfern, die in genauem Gegensatz zu dieser Verschuldung steht. Für einen Geizhals z. B.: eine milde Gabe, für einen Atheisten ein aufrichtiges und inniges Gebet, für einen Lästerer Schweigen.

Die stärkste Wirkung haben Gebete von Kindern, durch sie wird den im Fegefeuer leidenden Seelen die größte Gnade zuteil. Ein Martyrium, das jemand aus Liebe zu Gott bewußt auf sich nimmt, löscht sofort alle Fegefeuerstrafen aus.

Der Himmel

Sehr viele Seelen verbleiben, nachdem sie den Neutralen Kreis verlassen haben, im Kreis der Erkenntnis — für immer.

Höheres zu begreifen, wären sie nicht fähig, mehr könnten sie nicht fassen. Sie sind mit Glück voll ausgefüllt und können deshalb nichts mehr wollen. Sie wissen einfach nicht, daß es noch einen höheren Glückszustand geben könnte als den, in dem sie sich befinden. Gleichzeitig begreifen sie, daß diese Belohnung, die Gott in seiner Liebe und Weisheit für sie bestimmt hat, überaus groß ist — sie haben sie noch nicht einmal verdient!

Gott hat den Seelen, an die er höhere Ansprüche gestellt und die er deshalb mit höheren geistigen Gaben ausgestattet hat, auch einen höheren Platz im Himmel zugewiesen, falls sie ihn nicht enttäuschen. Wenn sie zu ihren Lebzeiten nicht alle Anforderungen Gottes erfüllen, müssen sie sich durch das Leiden im Fegefeuer bis zur Erreichung der dem göttlichen Plan entsprechenden Stufe läutern. Diese Seelen gehen nach einem längeren oder kürzeren Aufenthalt im Kreis der Erkenntnis in den nächsten Kreis ein, den Ersten Kreis des Lichts.

Es geht dann immer so weiter. Entweder bleiben sie auf ewig, wo sie sind, oder sie steigen höher und höher, um für immer in dem Kreis des Himmels zu verbleiben, in dem die absolute Fülle des erreichten Glücks ihrem geistigen Fassungsvermögen entspricht.

Geradezu unübersehbar groß ist die Anzahl und unvorstellbar die Qualität dieser Hellen Kreise. Je höher, desto heller und schöner ist es in ihnen und desto mehr kann man in ihnen über Gott erfahren. So wie ein Klang auf einer Tonleiter konsequent, Ton für Ton, seinen höchsten Punkt erklimmt, werden viele Seelen eine helle Stufe der Vollkommenheit nach der anderen hochklettern, mit stets gleichbleibender Sehnsucht, durch immer höhere Kreise. So werden sie sich nach und nach an eine immer nähere Erkenntnis Gottes gewöhnen und den Punkt anstreben, an dem sie die vollkommene Erkenntnis und Seligkeit erreichen.

Auf diese Weise erreicht schließlich jede erlöste Seele, auf der Grundlage absoluter Gerechtigkeit, die sie versteht, anerkennt und achtet, die Stufe der ewigen Glückseligkeit, die dem göttlichen Plan entspricht. Nach einer ganzen Reihe von Kreisen des Lichts folgt der Kreis der Freude. In ihm halten sich die Seelen verstorbener Kinder und Seelen von Erwachsenen auf, die sich trotz ihres Alters ein kindliches Verhältnis zu Gott bewahrt haben, das voller Vertrauen, einfach und vollkommen ist.

Dem Kreis der Freude folgen der Kreis der Freiheit, des Lichts, der Güte und viele, viele andere.

Diese ranghohen Himmelskreise sind Aufenthaltsorte der Heiligen, und zwar nicht nur derjenigen, die heiliggesprochen sind. Ganze Scharen von stillen und auch schon zu ihren Lebzeiten Gott ergebenen Seelen, von deren Heiligkeit die Welt nichts weiß, bewundern und preisen in eben diesen ranghohen Kreisen des Himmels Gottes Allmacht und Heiligkeit.

Die hl. Magdalena‑Sofia erzählte mir z. B. von einer Waschfrau, die heilig ist. Sie hat ihr ganzes Leben am Waschzuber verbracht und verdiente durch ihre schwere Arbeit das karge tägliche Brot für sich und ihre Familie. Sie wehrte und beklagte sich nicht, sondern nahm voller Demut alles als Gottes offensichtliche Fügung an. Bei der Arbeit lobte sie Gott ohne Unterlaß mit jeder Anstrengung, mit ihrer Müdigkeit und allen Entbehrungen, ohne große Worte, still, unbemerkt, einfach. Sie lebte mit dem ständigen Gedanken an seine Gegenwart, für seine Liebe überstand sie frohgelaunt eine lange Reihe von Jahren voller Demütigungen und Mühsal. Dafür wurde sie von Gott belohnt, und ihre Seele darf sein Antlitz sehen. Diese Wäscherin ist heute eine Heilige im Himmel ...

In den Kreis der göttlichen Weisheit gehen die Heiligen ein, die ihre ganze Kraft, all ihr Verständnis und Wissen auf der Erde dafür verwendet haben, die Belange Gottes zu vertreten.

Im Kreis der Gaben des Hl. Geistes verweilen jene, die durch Gebet, Sehnsucht und Verzicht die Gaben des Heiligen Geistes in ihrer Seele voll zur Wirkung bringen konnten und dadurch schon zu Lebzeiten die höchstmögliche geistige Reife erreichten.

Der höchste Kreis, den eine menschliche Seele erreichen kann, ist der Kreis der Liebe oder der Jungfräuliche Kreis. Hier verweilen jene Heiligen, die die Liebe Gottes im heiligsten Herzen Jesu über alles stellten, die für ihn dem Leben entsagt haben und niemals mit der gewöhnlichen Liebe in Berührung kamen.

Der letzte, allerhöchste Kreis des Himmels ist der Kreis der Herrschaft der heiligen Dreifaltigkeit. Ihre Heiligkeit und unmittelbare Macht erfüllt den ganzen Himmel mit unaussprechlichem Glück. Eine starke konzentrierte Helligkeit, aus der drei eng miteinander verbundene Flammenherde lodern, wirkt mit unbeschreiblicher Liebeskraft. Der Schein dieser Liebe — das heißt des Lichts und der Macht ergießt sich aus dem konzentrischen Flammenherd in die benachbarten Kreise der höchsten Hellen Geister.

Mit zunehmender Entfernung vom Zentrum wird die Wirkung des Lichts immer schwächer, denn die entlegeneren Himmelsbereiche könnten die so überaus stark konzentrierte Heiligkeit nicht ertragen. Gott — die ewige Helligkeit — ist demnach überall gleichzeitig, er erfüllt, durchdringt, durchstrahlt und heiligt alles mit seiner göttlichen Gegenwart. Nur Jesus und seine unbefleckte Mutter halten sich in ihren Körpern im Himmel auf. Die Seelen aller anderen Menschen warten erst auf das Jüngste Gericht und den Tag der Auferstehung, um sich dann wieder mit ihren Körpern zu verbinden. Für die heiligste Mutter Maria gibt es im Himmel keinerlei Beschränkungen. Sie ist die höchste der Heiligen, die Königin des Himmels und genießt deshalb absolute Ausnahmerechte und Privilegien. Genauso wie sich einst die Erlösung der Welt zuerst in ihrem unbefleckten Körper konzentrierte, um dann durch ihn in die Welt einzugehen, müssen sich heute die Strahlen der Gnade, die vom Himmel auf die Erde herabfließen, zuerst — wie in einem reinen Prismakristall — in ihr konzentrieren und vereinigen. Erst dann verbreiten sie sich wie zu einem Farbspektrum auseinandergefaltet in der Welt.

Wie ist der Himmel? Will man es „auf unsere Art“ ausdrücken, muß man zuallererst sagen, daß der Himmel farbenfroh ist. Alles ist dort nämlich in Farben übersetzt.

Die Welt der menschlichen Sinne kennt nur einen verschwindend geringen Teil der im Universum vorkommenden Farben, nämlich den, den unsere sterblichen Augen wahrnehmen können. Die Augen der Seele können dagegen eine unendliche, unfaßbare Anzahl von Farben aufnehmen. Im Vergleich zu ihnen sind die Farben auf unserer Erde grau und schmutzig. Ihre Skala und Vielfalt sind so groß, daß wir uns nicht die kleinste Vorstellung davon machen können.

Heiligkeit ist weder schwach noch grau, sondern fröhlich und bunt! Genauso wie jedes Regiment seine eigenen Farben auf den Uniformen trägt, kann man im Jenseits an der jeweiligen Farbnuance die Beschaffenheit, den Charakter, die Art und Stufe der Heiligkeit erkennen. Für jede Eigenschaft, jede Tugend, jedes Verdienst findet man in der überreichlichen Skala der himmlischen Farben eine Entsprechung.

Die Seelen der Heiligen, die sich gegenseitig durchdringen, erkennen einander an ihren Farben. Man kann es mit dem Mischen von Farben bei uns vergleichen: Wir wissen z. B., daß Grün eine Mischung aus Gelb und Blau ist. Genauso erkennen die Geister an der Zusammensetzung der Aura, die den jeweiligen Heiligen umgibt, welche guten Eigenschaften zu seiner Heiligkeit beigetragen haben. Die Zusammenstellung und Intensität der jeweiligen Farben ergeben für jeden von ihnen ein individuelles, charakteristisches Licht. Aus diesem Grunde ist der Himmel farbenfroh.

Weil die schwache, unbeholfene Vorstellung des Menschen keine andere Beschreibung findet, sagt man, das ewige Glück bestehe aus Gesang, der die Ehre Gottes verkündet, und aus ununterbrochenem Schauen in das Antlitz Gottes.

Der Himmel ist alles andere als Stillstand und Tatenlosigkeit! Das „Schauen in das Antlitz Gottes“ ist ein Unvermögen, irgend etwas anders als seinem Willen gemäß zu tun. Um es etwas verständlicher für uns auszudrücken, könnte man den Zustand einer erlösten Seele mit einem gehorsamen, zielgerichteten und schöpferischen Kreisen ihres Bewußtseins im Herzschlagrhythmus der göttlichen Allmacht vergleichen. Welch ein Glück ist das!

Die erlöste Seele sieht und versteht, kennt und bewundert die Macht, Güte, Heiligkeit und Weisheit Gottes, und an dieser Weisheit erfreut sie sich, sie schöpft und lebt von ihr. Der Verstand kann, nachdem er durch das Erkennen der Wahrheit erhellt und vom Hl. Geist durchdrungen ist, nicht anders, als nur im Einklang mit der Weisheit Gottes zu denken. Ein hörender Mensch kann seine Ohren nicht so fest verdecken, daß das Donnern von Geschützen z. B. sie nicht erreichen würde. Sein Gehör muß dieses Geräusch naturgemäß aufnehmen. Genauso kann eine Seele, die mit Gnade bedacht und vom Hl. Geist durchdrungen ist, nicht aufhören, aufmerksam zu sein. Sie kann nichts anderes fassen. Das aufmerksame Betrachten, Verstehen und Bewundern der großartigen Harmonie und Ordnung der göttlichen Pläne, vollkommene Zufriedenheit und Begeisterung für sein Gesetz — das ist der Himmel! Alles ist gerecht. Alles ist gut und hell. Jeder besitzt das, was ihn ausfüllt, das, nach dem er sich während seiner irdischen Wanderung gesehnt hat, und das, nach dem er sich aufgrund geistiger Unzulänglichkeiten nicht sehnen konnte.

Hier auf der Erde verwirklicht sich alles, was wir uns vorstellen können. Alle Gedanken des Menschen nämlich, selbst die phantastischsten, sind kaum mehr als ein blasser, entfernter Reflex des göttlichen Erfindungsreichtums. Gottes Phantasie kennt keine Grenzen, und jeder Gedanke von ihm ist gleichzeitig ein schöpferischer Akt.

Im Himmel findet die Seele alles, was sie ersehnt und findet es in vollkommener Form. Sie entdeckt sogar, was unbeachtet als eine Sehnsucht in ihrem Innersten gelegen hat.

Nachdem die Seele alles besitzt, was sie bis an den Rand mit Glück ausfüllt, empfindet sie eine überaus große Liebe zum Spender dieser Gaben. Darüber hinaus bewirken die ständige Verbindung zu ihrem Schöpfer und der Empfang immer weiterer Gaben, daß das geistige Leben eine einzige Kette von Dankbarkeit und Begeisterung ist. Die Verbindung zu Gott ist um so intensiver und stärker, je mehr der Mensch ihn zu seinen Lebzeiten geliebt hat.

Die Menschen können außer der allmächtigen Fügung Gottes und der überaus liebevollen, großen Fürsprache der heiligsten Jungfrau Maria auch noch die Hilfe von himmlischen Geistern jeder Rangordnung für sich in Anspruch nehmen. Diese sind, um die Ehre Gottes zu mehren, jederzeit bereit, den Menschen auf der Erde zu helfen.

Die Triumphierende Kirche ist eine grenzenlose Sphäre der Helligkeit, des Glücks und der Macht, angefangen mit der heiligen Dreifaltigkeit bis hin zu der ärmsten, mit nur wenigen Gaben ausgestatteten Seele, die ihren Platz am äußersten Rand des Kreises der Erkenntnis hat. Aus dieser unermeßlichen Fülle hat Gott bestimmte Kräfte, bestimmte Kreise und bestimmte Kategorien der Geister zum unmittelbaren Wirken auf der Erde eingeteilt.

Auf diese Weise genießt in erster Linie der Mensch die Fürsorge von Schutzengeln, Patronen, Betreuern und einer ganzen Schar Heller Geister. Helle Geister sind die Seelen erlöster Menschen, die gemeinsam mit den Heiligen für die Ehre und Liebe Gottes „arbeiten“. Sie suchen sich auf der Erde Menschen aus, die ihren Fähigkeiten entsprechen, und diesen wollen sie helfen, Gott mit Freude zu dienen. Auf diese Weise wollen sie die ihnen nach dem Grad ihrer Heiligkeit, Helligkeit und Macht zuerkannten Möglichkeiten nutzen und zum Einsatz bringen.

Nachdem ein Heller Geist einen Menschen gefunden hat, der in seiner geistigen Entwicklung mit der Wirkung dieses Hellen Geistes übereinstimmt, bemüht er sich, ihn durch Inspiration für die Belange Gottes zu gewinnen. Wenn sich der Mensch von seinem guten Willen leiten läßt und vertrauensvoll dem Einfluß des Hellen Geistes unterwirft, entwickelt er sich geistig weiter und mit zunehmender geistiger Entwicklung gewinnt er auch an Fähigkeiten. Dann wechseln die ihn betreuenden Geister. Die einen haben ihre Aufgabe erfüllt und verabschieden sich, andere, stärkere, schweben herbei, um schließlich die Grundlage für den endgültigen und ständigen Betreuer der Seele herzustellen, der gewöhnlich ein Heiliger ist.

Der Geist des heiligen Betreuers muß in seinem Charakter und seinen Fähigkeiten der Wesensart des Menschen entsprechen, den er unter seine Obhut nimmt.

Der Heilige, der aufgrund seiner Verdienste eine bestimmte Stufe der Vollkommenheit erreicht hat, wirkt aus diesem hohen Niveau heraus. Er schöpft gewissermaßen von dem Kapital, über das er nach dem Willen Gottes verfügen darf, und in einer ihm ähnlichen und verwandten Seele kann er leichter und schneller wirken. Durch die Wärme und das Licht, die im Wirken des hl. Betreuers enthalten sind, entwickeln sich in dem Menschen alle die guten Anlagen, die Gott in seine Seele gesät hat.

Der Heilige kann ohne Wissen des Menschen zum Betreuer werden, wenn er weiß, daß dieser Mensch die Sache Gottes auf Erden wirkungsvoll vertreten und in diesem Zusammenhang, gefördert durch diese unverdiente Gnade, viel Gutes tun kann. Das kann aber auch geschehen, wenn der Mensch einen bestimmten Heiligen in sein Herz schließt und diesen andächtig bittet, sein Betreuer zu werden.

Ist ein Mensch innerlich schwankend und unentschlossen, hat er offensichtlich noch keinen starken Betreuer, oder — was noch schlimmer ist, er hat gleich einige davon, und diese kommen aus der Welt der Dunkelheit. Wenn der Mensch nämlich keinen starken Willen zum Guten hat, siegt in ihm meistens das Böse, oder er bleibt bis zu seinem Tode bestenfalls „lauwarm“. Zu einem Menschen ohne guten Willen der sich noch nie, nicht einmal versuchsweise, bemüht hat, diesen in sich auszubilden, hat der Heilige keinen Zugang. Durch Gebete und durch Liebe zu einem der Heiligen kann ein Mensch, auch wenn er noch so unsicher ist, einen starken Betreuer gewinnen und das Wirken dieses Betreuers läßt jegliche Unsicherheit bald spurlos verschwinden. Wenn man einen Heiligen um Betreuung bitten will, muß man eine willkürlich gewählte Novene, eine neuntägige Gebetsandacht, zu ihm verrichten. Man beendet sie mit der Beichte und der hl. Kommunion. Die ganze Zeit hindurch muß man aufrichtig und innig zu dem gewählten Heiligen beten. Wenn das Gebet von Herzen kommt, in reiner Absicht und ausschließlich an einen Heiligen gerichtet ist, geschieht es oft, daß man am neunten Tag, vollkommen real und deutlich, die Anwesenheit des hl. Betreuers neben sich spürt.

Ein Mensch mit verschiedenen Begabungen und Interessen kann auch mehrere Heilige — je nach ihren Fähigkeiten — wählen und sie alle gleichzeitig um Betreuung bitten. Es ist jedoch leichter, sich an einen einzigen hl. Betreuer zu gewöhnen und mit ihm vertraut zu werden. Es sollte der Heilige sein, zu dem uns unser Herz am stärksten hinzieht. Ein Namenspatron ist nicht automatisch der Betreuer seines Namensträgers auf der Erde. Er kann jedoch zum Betreuer werden, wenn man ihn im Gebet darum bittet. Doch auch vorher kennt der Namenspatron bereits jeden Menschen auf der Erde, der seinen Namen trägt und er kann mit seiner Inspiration den Wunsch nach einer ständigen Betreuung durch ihn in einem Menschen fördern.

Wenn ein Namenspatron zum Betreuer einer Seele wird, ist sein Wirken besonders stark und wird nach dem Tode fortgesetzt.

An dem Tag, an dem die Kirche das Fest eines bestimmten Heiligen begeht, werden alle innerhalb des letzten Jahres erreichten Ergebnisse seines Wirkens auf der Erde belohnt und der Heilige gewinnt an Ehre. Das „Namenstagskind“ steigt dann bis zu den untersten Kreisen des Himmels herab, um die Huldigungen und Danksagungen der Seelen entgegenzunehmen, denen er bei der Erreichung ihrer Glückseligkeit geholfen hat. An diesem Tag hat er außerdem die Möglichkeit, Gott um Gnade für die Seelen zu bitten, die noch unter großen Qualen im Fegefeuer leiden und die ihm zu ihren Lebzeiten besondere Verehrung entgegengebracht oder seinen Namen getragen haben.

Es ist von großer Bedeutung, eine hl. Messe für die Seele eines Verstorbenen am Tag seines Namenspatrons lesen zu lassen.

In dem gleichen Augenblick, in dem Gott die Seele eines Menschen erschafft, teilt er ihr auch einen Schutz­engel zu. Ein Schutzengel ist ein Geist, dessen Begabungen eng an die Begabungen der Seele angepaßt sind, die er betreuen soll.

Der Schutzengel, ein Wesen, das mit Gott verbunden ist und Gott begreift, besitzt aus eben diesem Grunde einen absolut unabhängigen, vollkommenen Verstand. Da er jedoch ein ständiger Begleiter des Menschen in allen Lebenslagen sein soll, ist die Intelligenz eines Schutzengels flexibel und in der Lage, sich jedem Lebensalter und jeder Entwicklungsstufe des Menschen anzupassen. Man könnte deshalb sagen, daß ein Schutzengel mit dem Menschen wächst, obwohl diese Bezeichnung natürlich nicht ganz richtig ist.

Wenn die Menschen ihr geistiges Leben voll ausschöpfen würden, könnten sie ihren überaus freundlichen, am besten zu ihnen passenden Begleiter neben sich wahrnehmen. Vom Säuglingsalter an — über Kindheit. Jugend, Erwachsensein bis zum Greisenalter — die ganze Zeit über könnten sie mit ihm zusammenleben wie mit einem besonders treuen, ergebenen und zuverlässigen Freund. Durch die Tatsache jedoch, daß die materielle Welt dem Menschen die Sicht auf die geistige Welt fast völlig verdeckt, kennt nur noch der Säugling den wundervollen Kontakt zu seinem Engel. Ein Lächeln, das fast unbemerkt über das Gesicht eines schlafenden Kindes huscht, ist der Abglanz dieses freudigen Kontaktes. Später verwischt sich dann durch die Schuld und Unvollkommenheit der menschlichen Natur, dieser deutliche Kontakt und nur in sehr seltenen Fällen schafft es ein Mensch, ihn wieder herzustellen.

Die Fürsorge des Schutzengels für den Menschen beschränkt sich darauf, ihn vor dem zu schützen, was ihm nach göttlicher Fügung begegnen könnte. In diesen Fällen hat der Schutzengel das Recht, bei der göttlichen Vorsehung zu intervenieren, und er kann den Menschen durch seine Fürsprache vor so manchem bewahren. Das kann jedoch nur dann geschehen, wenn der gute Wille des Menschen, zumindest im Unterbewußtsein, auf die inneren Eingebungen und Warnungen seines Schutzengels hört.

In psychischer Hinsicht hat der Schutzengel die Pflicht, den Menschen an die Eingebungen und Lichter zu erinnern, die ihm Gott durch die Vermittlung von Heiligen herabschickt, diese Eingebungen und Lichter festzuhalten und zu vertiefen, die der Mensch ohne das Wirken des Engels noch häufiger übersehen und vernachlässigen könnte, als es leider auch trotz dieses Wirkens geschieht.

Da der Schutzengel ständig mit einem Menschen zusammen ist, setzt ihn der Mensch großen Schmerzen, großer Traurigkeit und Qual aus, wenn er sündigt. Als ein Wesen, das Gott liebt und dessen Liebe zu Gott bewußt und absolut ist, kann er die Atmosphäre der Sünde nicht ertragen. Nach dem Willen Gottes jedoch reißt die Verbindung des Engels mit der Seele auch dann nicht ab, wenn der Mensch der Sünde verfällt, im Gegensatz zu der Verbindung mit Gott oder den Heiligen, die durch bewußte Wahl des Bösen getrennt wird. Ein Schutzengel liebt die Seele des Menschen wie eine Zwillingsschwester und wünscht ihre baldigste Erlösung, denn schließlich hängt der Grad seiner eigenen Glückseligkeit davon ab.

Wenn eine Seele ihre Fegefeuerstrafe verbüßt, wartet ihr Schutzengel sehnsüchtig auf sie auf der höchsten für sie bestimmten Stufe des Himmels, auf dem Niveau, das die Seele nach ihrer Läuterung erreicht. Er ist weiterhin mit ihr verbunden. Als vollkommener Geist kann er zwar nicht mit ihr gemeinsam leiden, aber solange der göttliche Plan in Bezug auf diese bestimmte Seele nicht ganz erfüllt ist, wird der Schutzengel auch kein absolutes Glück erleben.

Ein Schutzengel kann niemals eine höhere Stufe der ewigen Glückseligkeit erreichen als die ihm anvertraute Seele. Hier gilt gewissermaßen das Gesetz miteinander kommunizierender Gefäße. Sobald jedoch beide auf dem höchsten Punkt der ewigen Glückseligkeit angelangt sind, verändert sich ihr Verhältnis zueinander auf bestimmte Weise. Der Verstand einer erlösten Seele hat aufgrund des absoluten Begreifens und der Nähe zu Gott dieselbe Reife erreicht, die der Verstand des Schutzengels von Anfang an schon von Natur aus besaß. Man könnte es mit der Situation zweier Brüder vergleichen, von denen der eine um vieles älter ist als der andere. In der Kindheit und Jugend ist der Unterschied zwischen beiden auffällig, wenn jedoch beide eine gewisse Altersstufe überschritten haben, verwischt sich dieser Unterschied ganz.

Ein Schutzengel wird die erlöste Seele, die er beschützt hat, niemals verlassen. Er bleibt für die ganze Ewigkeit bei ihr. Da jedoch der Engel von Natur aus die Erkenntnis Gottes besitzt, die Seele sich dieses Glück aber durch ihre — gnädig unterstützten — Verdienste erarbeitet hat, wird der Schutzengel, sobald sie ihre Erlösung erreicht hat, der Seele in Freude, Liebe und unaufhörlicher Anbetung Gottes „dienen“. Gleichzeitig wird er für sie ein Führer durch die himmlische Glückseligkeit sein.

Das Band, das die Seele mit ihrem Schutzengel verbindet, ist so stark, daß die ewige Verdammnis der Seele — und nur die allein — es für immer durchreißen kann.

Der verwaiste Engel erhält dann von Gott eine andere Seele zur Pflege. Die Erinnerung an die erste, die sich trotz seiner Bemühungen, trotz Gottes Gnade und Hilfe, eigenwillig für das Böse entschieden hatte, verschwindet aus dem Bewußtsein des Schutzengels.

Neben der Betreuung von Menschen haben die Heiligen und Hellen Geister die Aufgabe, die Eucharistie auf der Erde ununterbrochen zu verehren. In jeder Kirche und Kapelle, in der das heiligste Sakrament aufbewahrt wird, wechseln sich — außer den Engeln — verschiedene Heilige in der Bewachung des Tabernakels ab. Diese Ehrenwache wird — voller Stolz und mit Liebe — am häufigsten vom Patron der jeweiligen Kirche gehalten. Nicht einen Augenblick lang sind der heiligste Leib und das heiligste Blut unseres Herrn ohne diese unsichtbare Assistenz.

Solange das Reich Gottes nicht auf die Erde kommt und unser Herr Jesus nur ein Gefangener des Tabernakels bleibt und nicht in allen menschlichen Seelen und Herzen zugegen ist, solange wird die Triumphierende Kirche dafür sorgen, daß die geheimnisvolle Gegenwart Gottes in Brot und Wein nicht einen Augenblick lang ohne Anbetung bleibt. Die unsichtbare Welt ist voll von Geistern verschiedener Art. Läßt ein Mensch freiwillig und für immer einen Geist, welcher Art auch immer an sich herankommen, wird dieser Geist zum Vertrauten, Ratgeber, Betreuer des Menschen — und schließlich zu seinem Herrn.

Es ist ein Irrtum zu glauben, daß unsere Gedanken — ob gut oder schlecht — unsere eigenen Gedanken seien. Ohne sich dessen bewußt zu sein, lauscht der Mensch jederzeit den Einflüsterungen der geistigen Welt, denen er entweder nachgibt oder widersteht.

Alle Wünsche, Gedanken, Ideen, schöpferischen Kräfte, die sich in jede beliebige Richtung bewegen können, all das, was der Mensch „sein“ zu nennen pflegt, es wird ihm lediglich von der ihn von allen Seiten umgebenden übernatürlichen Welt eingegeben.

Nicht ein einziger Gedanke entsteht in seinem Gehirn von selbst. Das Gehirn ist bloß ein — wenn man so sagen kann — Empfänger der im Jenseits ausgesandten Wellen. Die Urteilskraft des Menschen und sein freier Wille entscheiden lediglich darüber, ob er sich der jeweiligen Welle unterwirft, ob er sie akzeptiert und ihrem Wink folgt oder nicht. Die Geister, gute oder böse, können uns höchstens dies oder jenes raten, eingeben, können uns zureden, sie können uns jedoch zu nichts zwingen. Das einzige, was der Mensch nämlich wirklich besitzt, ist sein freier Wille. Nicht einmal Gott nimmt ihn uns weg, da er ihn uns einst mit voller Absicht zuerkannt hat.

Die Hölle

Wie der Himmel und das Fegefeuer, ist auch die Hölle in unzählige verschiedene Kreise eingeteilt. Je niedriger ein Kreis, desto schwerer und schrecklicher ist die Qual, die man in ihm erleidet. Eine zur ewigen Verdammnis verurteilte Seele weiß von der Größe Gottes, von all seiner Macht und Schönheit, und gleichzeitig weiß sie mit Sicherheit, daß sie ihn niemals sehen wird. Sie ist sich dessen bewußt, da ihr Leiden ewig dauert und daß diese Marter durch nichts verringert oder gelindert wird.

Es brennt in ihr ein unauslöschliches Feuer des Verlangens und der Sehnsucht nach dem Glück, das ihr niemals zuteil wird. Dieses Feuer frißt und zehrt an der verurteilten Seele, wird sie jedoch niemals ganz verzehren oder zerstören. Von allen Seiten lauert irgendein schreckliches, unerbittliches Niemals.

Die verurteilte Seele begreift vollkommen, welchen Schaden sie sich eigenwillig zugefügt hat, und sie hat auch volles Verständnis für die Gerechtigkeit der Strafe, die sie getroffen hat. Sie kann Gott nicht lieben, obwohl sie von seiner Macht und Vollkommenheit weiß. Sie kann weder Reue noch Wehmut empfinden. Diese Gefühle würden ihr Linderung bringen und den Eindruck erwecken, daß sie die Schuld, die sie der Liebe Gottes gegenüber auf sich genommen hat, wenigstens zu einem geringen Teil abzahlt. Lediglich negative Gefühle sind dieser Seele zugänglich, Verzweiflung, Schmerz, Hilflosigkeit, Verlassenheit, vor allem jedoch ein permanenter, quälender, grenzenloser Haß auf sich selbst und alles andere!

Wer zu seinen Lebzeiten bewußt Gott von sich weist, der wird nach seinem Tode durch ihn abgewiesen! Seine Seele wird in die „äußerste Dunkelheit“ eingehen, wo „Heulen und Zähneknirschen“ herrschen. Von dort gibt es kein Zurück und keine Erlösung. Qualen, die man mit Worten nicht beschreiben kann, bewußte, hoffnungslose, haßerfüllte und ewige Qualen — ein Zustand, aus dem sich die verurteilte Seele niemals mehr befreien kann.

Das ist die Hölle! Jeder Mensch ist, auch wenn er dieses nicht verspürt, ununterbrochen der Wirkung von Geistern aus der übernatürlichen Welt ausgesetzt. Da gibt es z. B. die Heiligen, Helle und besonders Helle Geister, aber auch armselige, besonders armselige oder böse Geister und schließlich Teufel, je nachdem, welchem von ihnen der Wille des Menschen zustimmt.

Ein Dämon oder Teufel ist ein ehemaliger Engel und hat als solcher die höchsten Fähigkeiten, jedoch in Gott entgegengesetzter Richtung.

Er stellt der Liebe den Haß entgegen, dem Guten das Böse, der Demut den Hochmut, dem Vertrauen die Verzweiflung, der Hoffnung die endgültige Verzweiflung. Er verfügt über die absolute Intelligenz eines vollkommenen Geistes, nur daß er seinen Sinn für das Gute nicht einsetzen will und kann.

Seine Kraft liegt einzig und allein im Bösen. Er hat das volle Bewußtsein der Größe und Macht Gottes und erinnert sich an die himmlische Glückseligkeit. Er hat göttliche Gerechtigkeit erfahren und haßt sie. Er liebt auch nicht das Böse, denn er kann überhaupt nichts lieben. Hochmütig wie er ist, muß er sich dem Willen des Allerhöchsten unterwerfen, der sein Wirken einschränkt und nur zu einem bestimmten Grad zuläßt. Unaussprechliche Pein bereitet ihm der Gedanke an die Vollkommenheit Gottes, die er kennt und die er glaubt untergraben zu können durch die Ausübung des Bösen, das er ebenfalls haßt. Andere Empfindungen passen in ihn nicht hinein. Er haßt seinen Haß genauso wie er sich selbst haßt. Von der erschreckenden Kraft dieses Hasses kann man sich ebenso wenig eine Vorstellung machen wie von dem Ausmaß seines Leidens. Er weiß auch, daß er die ganze Ewigkeit hindurch leiden muß und daß es für ihn Rettung nicht geben kann. Er hat das volle Bewußtsein seiner eigenen Böswilligkeit und seiner Schuld gegenüber der höchsten Macht, und am liebsten würde er — aus Haß und Rache — die ganze Menschheit zu sich in den Abgrund von Leid und Unglück hinabziehen, in dem er sich von Ewigkeit zu Ewigkeit quält. In dieser Richtung unternimmt er alle seine gewaltigen Anstrengungen.

Wenn die Menschen jedoch wüßten, welche grenzenlose Verachtung er für den empfindet, der ihm erliegt! Wie er diesen Menschen wegen seiner Schwäche, Erbärmlichkeit, Unterwürfigkeit und Dummheit haßt! Auf welch erschreckende Weise er sich dann — sobald er sein Ziel erreicht hat — an den Qualen dieser Seele weidet! Ein Dämon ist nämlich Gott gegenüber gerecht, weil er Angst hat; dem Menschen gegenüber fühlt er sich jedoch nicht zur Gerechtigkeit verpflichtet.

Es gibt unter den Dämonen mächtigere und schwächere Geister. Die Hierarchie in dieser Welt der Dunkelheit ist sehr umfangreich. Jeder Teufel hat seinen eigenen unverwechselbaren Charakter, seine Besonderheit. Die meisten von ihnen sind Vertreter irgendeines Triebes, wie Minister, die über dem Bösen amtieren; und jedem steht eine ganze Abteilung geschulter und ergebener Untertanen zur Verfügung.

Sehr selten und nur in Ausnahmefällen arbeitet ein Teufel — wenn man so sagen kann — persönlich an dem Untergang einer Seele. In der Regel schickt er, sobald er eine geeignete Seele erspäht hat, zunächst die armseligen Geister vor, die gewissermaßen eine Grundlage schaffen sollen. Nach ihnen schickt er dann stärkere und immer bösere Geister, und erst dann, wenn der Mensch schon äußerst geschwächt und schwankend ist, nähert er sich selbst einer Seele.

Es ist der Zeitpunkt, an dem der Mensch zum ersten Mal z. B. an ein Verbrechen denkt. Eine kleine Weile, ein kurzes Aufleuchten und schon zieht sich der Teufel wieder zurück. Der Mensch ist zunächst überrascht, erschrocken, hat für eine bestimmte Zeit die Orientierung verloren. Aus der einfachen Angstreaktion heraus ist er in einem solchen Augenblick bereit, zurückzuweichen und seine Gedanken sogar Gott zuzuwenden. So weit darf man es nicht kommen lassen. Dieses Mal erhalten die armseligen Geister den Auftrag, den Eindruck, den der vom Dämon eingegebene Gedanke hervorgerufen hat, abzuschwächen. Schenkt der Mensch ihnen Gehör, beginnt er nach einer gewissen Zeit, die gefühlsmäßigen Folgen des verbrecherischen Gedankens zu bagatellisieren und sich zuweilen darüber lustig zu machen. Indem er auf diese ihm vom Teufel aufgezwungene Weise an die Sache herangeht, gewöhnt er sich — nun entwaffnet und jeglicher Wachsamkeit beraubt — nach und nach an diesen Gedanken. Wenn dann der Dämon mit dem fertigen Plan für das Verbrechen an ihn herantritt, findet er den Menschen schon so sehr mit dieser Möglichkeit vertraut vor, daß eine Rückzugsreaktion nicht mehr zu befürchten ist. Nachdem er das Seine getan hat, zieht sich der Teufel wieder zurück und überläßt diese Seele der ständigen Obhut einer ganzen Schar von bösen Geistern. Diese, arbeitsam und unauffällig wie Termiten, untergraben dann und höhlen das ganze Moralgebäude des Menschen von innen aus, bis es in Trümmern liegt.

Nur dann, wenn die Gefahr bestehen sollte, daß sich der Mensch noch besinnt und aufgerüttelt wird, wenn er zögert und unruhig wird, wenn sein vergiftetes Gewissen, durch welchen Einfluß auch immer, sich zu regen beginnt, erscheint der Teufel zum dritten Mal. Falls nötig, ruft er noch mehr Teufel mit verschiedenen anderen Fähigkeiten zu Hilfe, sammelt ganze Horden böser Geister um sich und startet einen Generalangriff.

Falls der Teufel eine Niederlage erleidet, weil jemand für diesen Menschen gebetet hat oder durch andere segensreiche Einwirkung, leidet er in dem Maße, in welchem Helle Geister leiden, wenn sie den Untergang eines Menschen, den sie vorher betreut haben, mit ansehen müssen. Mit dem Teufel leiden alle in diesem Komplott verwickelten Geister. Der Teufel verliert durch diesen Mißerfolg genauso an Kraft, wie der Heilige an Ehre im Himmel gewinnt, wenn er jemandem hilft, sich aus dem Morast der Sünde zu erheben.

Wenn der Teufel einen Menschen durch seinen Generalangriff erobert hat, will er ihn in der Sünde festigen und verschafft ihm für einige Zeit Lebensbedingungen, die der Weiterentwicklung des Bösen förderlich sind. Erst dann, wenn der Mensch eine gewisse Grenze überschritten hat und sich in der Regel nicht mehr zurückziehen kann, entfernt sich der Teufel von ihm und liefert ihn der Verzweiflung und Einsamkeit aus. Die guten Geister haben ihn längst schon verlassen und die bösen wissen genau, daß er ihnen nicht mehr entkommt und sie quälen ohne jegliches Mitleid dieses nun wehrlose und ihnen voll und ganz ausgelieferte Opfer. Genauso wird diese Seele die ganze Ewigkeit hindurch von dem Gedanken an ihren freiwilligen Sturz ins Verderben gequält. Hinzu kommt noch das klare Bewußtsein dessen, daß es dabei nur auf ihren Willen ankam und sie einen anderen, zum wahren und ewigen Glück führenden Weg hätten wählen können.

Somit stammt jede Todsünde, vom ersten Aufflackern eines sündigen Gedankens an, direkt von einem Teufel. Die bösen und armseligen Geister verstärken diesen Gedanken im Menschen nur. Durch ihre Einwirkung schwächt der Teufel, sofern ihn der Mensch nicht rechtzeitig von sich stößt, mehr und mehr die geistigen Bestrebungen im Menschen zugunsten der materiellen Belange. Er befiehlt den bösen Geistern, den Konsumdrang in ihm zu entfesseln, ihn in dem Verlangen des Körpers nach gehobenem Komfort zu bestärken, seine Ambitionen zu nähren, ihn unaufhörlich zu bedrängen, die schier grenzenlosen Möglichkeiten des technischen Fortschritts jeder Art auszuschöpfen. Dem Dämon geht es dabei einzig und allein darum, dem Menschen keine Zeit für den Gedanken an seine Seele zu lassen. Der Dämon ist der Motor und die Konzentration des Bösen und als solcher läßt er es nicht zu, daß der Mensch rastet und ruht, denn schließlich erlebt auch er selbst niemals einen Augenblick der Ruhe.

Ein einziges Mal noch kommt der Teufel „persönlich“ zu dem Menschen, den er als seinen Besitz ansieht. Es kommt nämlich vor, daß sich sogar der größte Sünder noch im letzten Augenblick seines Lebens besinnt. Bestürzt durch seine eigene Sünde, ist er bereit, alles noch zu widerrufen und zurückzuziehen, ist bereit, zu bereuen und um Verzeihung zu bitten. In diesem Fall unternimmt der Teufel noch einen letzten Versuch, da er nicht gewillt ist zuzulassen, daß sein Opfer diesen großartigen Akt der Reue vollzieht, der seine ganze Arbeit zunichte machen könnte.

In diesem entscheidenden Augenblick will er den Menschen zum Aufgeben bewegen, indem er ihn an der Gnade Gottes zweifeln läßt. Er will ihm, wie einem Ertrunkenen, den schweren Stein der Sünde gegen den Hl. Geist um den Hals hängen, um ihn endgültig zugrunde zu richten.

Und sollte ihm dieses auch nicht gelingen, weil der Mensch die vollkommene Reue in sich erweckte oder die Beichte ablegte, so hat der Teufel — leider — auch so schon sein Ziel, nämlich die verspätete Ankunft des Reiches Gottes auf Erden zu einem großen Teil erreicht. Das ganze Leben dieses Menschen wurde vergeudet, viele gute Fähigkeiten hat er in sich zerstört, das schlechte Beispiel hat noch das Seine dazugetan, und auf seine Seele wartet eine schwere, oft jahrhundertelange läuternde Strafe.

Böse Geister sind die verurteilten Seelen von Menschen, die einst von Gott reichlich mit Gaben ausgestattet worden sind. Aus diesem Grunde sind sie auch so mächtig und stark in ihrer Wirkung, sobald sie in einem Menschen die geringste Neigung zum Bösen wahrgenommen haben. Sie eilen gern mit bequemen Ratschlägen zu Hilfe, wenn jemand lange überlegt und sich nicht entscheiden kann, welchen Weg er zu gehen hat. Auf diese Weise ziehen sie einen großen Nutzen aus menschlicher Unentschlossenheit.

Böse Geister sind in ihrer bösen Art hochrangige Geister und wirken bewußt, gekonnt, zielsicher. Genau wie ein Teufel, beschäftigen sie sich nur sehr selten mit einem Menschen, der schwach und leicht zu besiegen ist. Sie überlassen ihn den armseligen oder sehr armseligen Geistern. Diese haben ein leichtes Spiel mit ihm, reichen ihn dann an immer niedrigere Geister weiter, bis zu einer Stufe, auf der man so oder so zum Diener des Dämons wird.

Ein böser Geist wirkt demnach meistens in der Nähe von Menschen, die stark, begabt und sehr fähig sind, Menschen, die viel Übles auf der Welt tun und ihn damit in der Förderung des Reiches der Dunkelheit unterstützen können, nachdem sie sich einmal seiner Herrschaft unterstellt haben. Wie geschickt agiert der böse Geist, um einen solchen Menschen zu gewinnen! Sein ausgezeichnetes psychologisches Wissen, seine Kenntnis von den Neigungen und erblichen Belastungen des Menschen kommen ihm dabei sehr zugute. Welche erstaunliche Mühe er sich geben kann, dem Menschen ständig zu helfen und ihm alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen!

Damit wäre die Tatsache zu erklären, warum es schlechten Menschen oft so gut geht in der Welt. Sagen, Legenden, Volkserzählungen und Märchen enthalten manchmal viel mehr mit Poesie umkleidete Wahrheit und Weisheit, als es auf den ersten Blick scheint. Es ist in Märchen oft von diesem Menschen die Rede, der dem Teufel seine Seele verkauft und dafür überraschend reich wird. Damit sind die schmutzigen Spekulanten, Ausbeuter und schließlich all jene gemeint, die auf unehrlichem und unsauberem Wege ein Vermögen gemacht haben. Diese Leute irren sich, wenn sie glauben, ihren Erfolg der eigenen Pfiffigkeit, ihrem „glücklichen Händchen“ oder der günstigen Konjunktur zu verdanken. Manchen von ihnen ist es aus eigener Schuld und Unachtsamkeit nicht klar bewußt, wem sie dienen. Und in dem Glauben, stets gerade das zu tun, was sie selbst wollen, lassen sie sich vom bösen Geist führen. Andere haben sich bewußt und freiwillig für das Böse entschieden und tun, was der böse Geist ihnen zuflüstert, in der Überzeugung, er werde ihnen dafür weiterhin in allem behilflich sein.

Auf die Hilfe eines bösen Geistes können die Menschen jedoch nur solange zählen, solange sie sich für seine Belange als nützlich erweisen und bis sie erfüllt haben, was die Hölle von ihnen verlangt. Hinabgestoßen in einen Abgrund, aus dem sie sich in der Regel nicht mehr hocharbeiten können, werden sie auf ewig zu den jämmerlichsten Dienern der dunklen Mächte!

Wenn also ein Mensch behauptet, er lasse sich von keinem Glauben einschränken und keine Fesseln anlegen, er sei frei und gehöre nur „sich selbst“, ist er schon längst zu einem Sklaven des grausamsten aller Herren geworden!

Der böse Geist, in dessen Gewalt er sich befindet, verwischt in ihm jeglichen Gedanken an ein zukünftiges Leben und bestärkt ihn in der Überzeugung, daß mit dem Tode alles vorbei sei, damit sein Opfer ihm nicht noch im letzten Augenblick entkommt, wenn es sich entsetzt bewußt macht, was es erwartet.

Wenn sich so ein Mensch rechtzeitig daran erinnern würde, daß ihn die höchste Macht erschaffen hat, um ein wichtiges Ziel anzustreben, daß das Leben nur der Vorraum zu einer besseren Welt, eine Prüfung, ein manchmal verworrenes Rätsel ist, nur mit gutem Willen zu lösen, und daß man das Gesetz dieser höchsten Macht nicht frech und gedankenlos verletzen darf, um später nicht zur Verantwortung gezogen zu werden, er würde sich mit großer Verzweiflung wehren und weglaufen!

Leider hängt vor seinen Augen ein Vorhang, den er selbst zugelassen hat und dieser ist so dicht, daß es einer gewaltigen, bewußten Anstrengung bedarf, um ihn zur Seite zu schieben.

Armselige oder sehr armselige Geister sind niedrige verurteilte Seelen von wenig begabten Menschen, die ihr Leben in Faulheit und blasser Durchschnittlichkeit verbrachten und ihre Begabungen verkümmern ließen. Durch ihre Passivität haben sie das Böse zugelassen und nicht nur, daß sie die für sie bestimmte Stufe der Vollkommenheit nicht erreichten, sie haben sich auch nicht im geringsten darum bemüht. Ihr Bewußtsein ist genauso eingeschränkt wie ihr Wirken. In ihrem Wirken liegt so etwas wie Zufälligkeit und deshalb ist ein Mensch, der sich von ihnen beherrschen läßt, innerlich unentschlossen und unklar. Zuweilen versammeln sich ganze Scharen dieser armseligen Betreuer um einen Menschen, und da sie in verschiedenen Richtungen wirken, erwecken sie in seiner Seele Wünsche, Auffassungen und Bestrebungen, die ebenso verschiedenartig wie unvereinbar sind.

Die armseligen Geister sind es auch, die dem Menschen scheinbar vernünftige, nüchterne und sachliche Argumente zuflüstern, wenn sich sein Gewissen einmal deutlich zu Wort meldet. Sie weisen den Weg des geringsten Widerstandes und schieben jegliche Skrupel und Unsicherheiten beiseite.

Auf diese Weise ziehen die armseligen Geister einen Menschen, der seinen Willen nicht auf das Gute ausrichtet, seine Weiterentwicklung ablehnt und somit ständig zurückgeht, sozusagen automatisch in die Tiefe. Für die Psyche ist Bewegung genauso unerläßlich wie für den Körper: Wer sich nicht aufrichtet, muß fallen. In der unsichtbaren Welt sind armselige Geister so etwas wie Wasserpflanzen, denn sie erscheinen zunächst schwächlich, können jemanden aber umschlingen, hoffnungslos lähmen und so zu seinem Untergang beitragen. Sie sind sich ihres verwerflichen Tuns nicht einmal voll bewußt, wie der Teufel oder die bösen Geister, sondern sie tun es aus ihrer armseligen Natur heraus — genauso wie ein Mensch mit einem schwachen und minderwertigen Charakter seine Umgebung in die Passivität drängt und ihr auf diese Weise Schaden zufügt, da er keinen aktiven Einfluß auf sie hat.

Die bösen und armseligen Geister sind auch diejenigen, die bei spiritistischen Sitzungen am ehesten Kontakt zu den Menschen aufnehmen, obwohl es auch manchmal vorkommt, daß sich eine büßende Seele meldet.

All diese Seelen leiden und sind ständig auf der Suche nach Erleichterung. Wenn es ihnen gelingt, Kontakt zu einem Menschen zu knüpfen, spüren sie ihr Leiden nicht, solange dieser Kontakt andauert. Um diese Momente nach Möglichkeit zu verlängern, antworten sie bereitwillig auf alle während einer spiritistischen Sitzung gestellten Fragen. Böse Geister führen die Menschen dann bewußt in die Irre, während die armseligen, deren Bewußtsein eng eingegrenzt ist, irgend etwas dahersagen, nur um das Interesse der Menschen wachzuhalten und so lange wie möglich den Kontakt zu den Lebenden zu spüren, der ihnen Linderung und eine Atempause verschafft.

Es gibt einen anderen Weg, um Kontakt mit dem Jenseits herzustellen: Der aufrichtige, innige, ausschließliche Wunsch nach Erkenntnis, verbunden mit ausdauernden Gebeten, findet immer Anklang. Die Antwort kann in einer inneren Empfindung oder durch ein äußeres Zeichen zum Ausdruck kommen, wenn nur der Wunsch stark, rein und vollkommen ist.

Es irren sich jene, die behaupten, daß die Leiden ihrer Seele nicht ihre eigenen Leiden sein werden. Weil es so bequem ist, versuchen diese Menschen sich selbst einzureden, sie würden nach dem Tode das Gefühl des Einsseins mit ihrer — ob nun leidenden oder frohlockenden — Seele verlieren. Sie sagen, eine ewige Belohnung, die nicht sie selbst, sondern irgendein fremdes Bewußtsein erleben werde, gehe sie nichts an, und ebensowenig hätten sie die Absicht, aus Angst vor einem sozusagen fremden Leiden auf irgend etwas in ihrem Leben zu verzichten.

Der Mensch verliert seine Persönlichkeit niemals. Er wird in alle Ewigkeit wissen, wer er ist, welche Belohnung er erfahren hat oder wofür er leidet. Ein Schmetterling mag vielleicht nicht wissen, daß er einmal eine Raupe, ein Maikäfer nicht, daß er einmal ein Engerling war. Die unsterbliche Seele jedoch weiß und erinnert sich stets deutlich daran, daß sie dasselbe „Ich“, dieselbe Persönlichkeit ist, wie einst als Mensch.

Ein Mensch wird niemals gefragt, ob er leben will, und es wird ihn auch nie jemand fragen, ob er gewillt ist, die Konsequenzen seines Seins zu tragen. Tragen muß er sie so oder so. Einmal erschaffen, kann er sich diesem „Kreislauf“ nicht entziehen, denn genauso wie der Tod des irdischen Körpers, so ist auch das ewige Leben seiner unsterblichen Seele eine unvermeidliche Folge der Entstehung des Menschen. Es gibt Menschen, die behaupten, wenn sie in ihrem Leben Böses getan haben, müsse dies offensichtlich ihre Bestimmung gewesen sein. Einen größeren Irrtum gibt es nicht! Bestimmung — das ist die Qualität und Quantität der Fähigkeiten, die der Mensch von Gott erhalten hat. Diese Fähigkeiten kann er nach eigener Wahl zum Guten oder zum Bösen einsetzen. Eben darauf beruht der freie Wille!

Die Seele beginnt ihren weiteren Weg nicht an dem Punkt, an dem sie der Tod überrascht, denn Gott ist gnädig und erlaubt ihr, von ihrer höchsten im Leben erreichten Entwicklungsstufe auszugehen. Dies kann jedoch nur dann geschehen, wenn die Summe aller Bemühungen des menschlichen Willens zum Guten hin die Summe seiner bewußten Stürze nicht überschreitet und wenn er nicht im Zustand einer Todsünde stirbt.

Allein die göttliche Gerechtigkeit und Allwissenheit ist in der Lage, solche Berechnungen mit mathematischer Präzision durchführen und genauso macht sie es auch!

Manche Menschen wollen in der Möglichkeit der Reinkarnation die Weisheit und Gerechtigkeit Gottes sehen. Reinkarnation gibt es nicht!

Die  Seele kehrt niemals in einem anderen Körper auf die Erde zurück.

Jeder Mensch kann und sollte im Laufe eines Lebens das erfüllen, was Gott von ihm erwartet, d. h. alle seine Fähigkeiten bewußt einsetzen, um die für ihn bestimmte Stufe der ewigen Glückseligkeit zu erreichen. Es ist nicht wichtig, in welcher gesellschaftlichen Stellung er lebt, ob er begabt ist oder nicht, ob er gesund oder behindert ist, in welcher Umgebung oder in welchem Land er lebt und welche Lebensbedingungen er vorfindet. Der Mensch hat die Pflicht, im Rahmen seiner Möglichkeiten Gutes zu tun.

Die Ansprüche Gottes an jeden einzelnen Menschen richten sich nach den Begabungen, mit denen er den Menschen ausgestattet hat. Gott wird niemals mehr von einem Menschen verlangen, als dieser ihm geben kann. Der Mensch muß Gott jedoch alles geben, was er zu geben vermag! Die höchste Verpflichtung Gott gegenüber hat somit ein Mensch, der begabt, gesund und reich ist, im Gegensatz zum Behinderten und Armen, der Gott am wenigsten schuldet. Sogar ein Wahnsinniger empfängt in ausreichendem Maße Licht, sei es auch nur in einem kurzen Aufleuchten seines Bewußtseins. Wenn er es mit seinem guten Willen aufgreift, kann er, unter Umgehung der Fegefeuerstrafe, jene höchste, seit ewigen Zeiten für ihn bestimmte und seiner geistigen Kapazität genau angepaßte Stufe der ewigen Glückseligkeit erreichen.

Im göttlichen Plan war die Verurteilung einer Seele zur ewigen Verdammnis niemals vorgesehen.

Gott weiß zwar im voraus, da er ja allwissend ist, welche Seele zu welchem Zeitpunkt aufgrund ihrer eigenmächtigen Handlungen, das heißt nach ihrer Wahl, erlöst oder verurteilt wird. Dieses göttliche Wissen hat jedoch nicht den geringsten Einfluß auf den freien Willen eines Menschen.

Im ewigen göttlichen Plan ist klar und unumstößlich festgelegt, wie die Seelen beschaffen sind, die auf einer bestimmten Stufe des Himmels sein Lob verkünden sollen; es steht jedoch nicht genau fest, um wessen Seele es sich im einzelnen handelt. Indem er jede neu erschaffene Seele entsprechend mit allen erforderlichen Fähigkeiten und Vorzügen ausstattet, legt er gleichzeitig fest, daß diese Seele diesen und keinen anderen Platz im Himmel einnehmen soll. Im Austausch dafür verlangt er von ihr, diesen und keinen anderen Ton innerhalb seines himmlischen Chores mitzusingen. Von der Wahl des Menschen hängt es jedoch ab, ob es gerade seine Seele sein wird, die diesen für sie vorgesehenen, noch fehlenden und von Gott benötigten Ton annimmt.

Gott gibt jeder Seele Chancen, er kann aber seine göttlichen Pläne und ewigen Ziele nicht davon abhängig machen, wie sich der eigenwillig handelnde Mensch entwickelt. Davon unabhängig jedoch ist für jede Seele seit ewigen Zeiten ein Platz im Himmel vorgesehen.

Wenn die Seele, indem sie sich bewußt für das Böse entscheidet, den für sie vorgesehenen und ihr zugänglichen Gipfel nicht erreichen will, wird sie verdammt und findet sich in der Tiefe der Hölle, deren Dunkelheit und Qual genau dem Licht und Glück entspricht, das sie von sich stieß. Dabei gelangt auch sie bis an ihren höchsten Punkt, nur in der dem Licht entgegengesetzten Richtung, wie ein sich im Wasser spiegelnder Berggipfel; je höher in Wirklichkeit, desto tiefer im Spiegelbild.

Gott in seiner Allmacht erschafft anstelle der verurteilten Seele eine andere, die in gleichem Maße ausgestattet ist und die gleichen Möglichkeiten hat, damit sie irgendwann diesen leeren, seit Ewigkeiten auf eine solche Seele wartenden Platz im Himmel ausfüllt. In der großen Symphonie der Seelen, die die Ehre Gottes in Ewigkeit verkünden sollen, darf nämlich kein einziger Ton fehlen.

Die Seele, die bis zu ihrer höchsten Stufe hinaufgekommen ist, weiß nichts von der Existenz höhergelegener Kreise. Das Begreifen eines Glücks, das umfangreicher ist als das, welches sie erlebt, übersteigt ihr Verständnis.

Dafür sieht sie alle unter ihr gelegenen Kreise. In ihnen kann sie helfend wirken, genauso wie sie mit göttlicher Erlaubnis den im Fegefeuer leidenden Seelen und den Menschen auf der Erde durch ihre Fürsprache bei Gott helfen kann. Wie die körperlichen Augen einst Licht, Formen und Farben wahrnehmen konnten, sehen die Augen der Seele jetzt auf geistige Weise alles, was in der Welt des Geistes geschieht. Sie erkennen Verwandte und Bekannte, was ganz einfach für sie ist, denn die eine Seele ist für die andere Seele das, was der eine Mensch für den anderen Menschen ist. Jede Seele behält ihre Form, Farbe und Eigenschaften. Die Seelen von Menschen, deren Bestrebungen sich auf gleichem Niveau bewegten, halten sich später in dem gleichen Himmelskreis auf. Entscheidend hierbei sind weder Intelligenz noch Blutsverwandtschaft oder Gefühle, die ihre Herzen zu Lebzeiten verbanden, sondern in erster Linie ihre gemeinsamen geistigen Bestrebungen.

Die Intensität der Liebe zu Gott, die Willensanstrengungen, mit denen sie in seine Richtung strebten, die Anzahl und Qualität der ihm zu Lebzeiten geweihten Entsagungen und Opfer — daraus besteht die einzige Brüderschaft, Verwandtschaft und Gemeinsamkeit, durch welche eine so starke Bindung an eine andere Seele möglich ist, daß man sie sogar in der Ewigkeit wiedererkennt.

Wenn die Seelen zweier Menschen, die sich auf Erden geliebt haben, später getrennt werden, weil es ihnen bestimmt ist, ihr ewiges Leben in zwei verschiedenen Kreisen zu verbringen, so wird diese Trennung das Ausmaß ihrer ewigen Glückseligkeit keinesfalls verringern. Das Glück der Seele hängt nämlich ausschließlich von ihrem Verhältnis zu der höchsten Vollkommenheit ab, und nur aus diesem Blickwinkel kann sie alles wahrnehmen. Folglich würde ihr die Nähe einer Seele, in der die Liebe zu Gott nicht in dem gleichen Maße ausgeprägt ist, nur Schmerz, Qualen und Unruhe bereiten. Das ewige Glück jedoch muß vollkommen sein!

Der Blick einer erlösten Seele auf die Erde ist durchdringend wie Röntgenstrahlen. Er gelangt durch die Materie in die Seele eines lebenden Menschen und sieht sie so, wie sie wirklich ist. Die Augen der Seele haben dann uneingeschränkten Einblick in diese andere Seele. Eine solche Betrachtung ist frei von Gefühlsregungen jeder Art. Es ist dann nicht mehr möglich, jemanden falsch zu beurteilen, sich in ihm zu täuschen oder ihn zu über‑ oder zu unterschätzen. Die unvollkommenen menschlichen Gefühle können die Sicht nicht trüben oder verstellen. Die erlöste Seele weiß alles über die Seele eines Lebenden, sofern Gott ihr diesen Blick gestattet.

Die Seele eines Selbstmörders, der in geistiger Umnachtung handelt und somit für seine Tat nicht voll verantwortlich ist, wird dank der vollkommenen Gerechtigkeit Gottes nicht auf ewig verdammt.

Er muß aber in einer schmerzlich‑traurigen Verlassenheit, die darüber hinaus im Hinblick auf sein künftiges Glück völlig nutzlos ist, die gleiche Anzahl von Jahren abwarten, die der Mensch bis zu seinem natürlichen Tode noch zu leben gehabt hätte. Erst dann kann sie an die Bewältigung der ihr gebührenden und gerechten Strafe herangehen.

Ein Selbstmörder kann also weder vor irgendwelchen Leiden davonlaufen noch Zeit gewinnen. Er tauscht lediglich einen geringeren Schmerz, den er kennt, gegen einen neuen, unvorstellbar starken aus. Er streicht einige der Verdienste, die er sich bis zu diesem Zeitpunkt bereits erworben hatte, fügt den überstandenen irdischen Sorgen und zukünftigen Qualen im Fegefeuer (oder gar den ewigen!) freiwillig jene Jahre hinzu, die ihm noch bis zu einem natürlichen Tod gefehlt hätten und die bestimmt mit größeren Leiden ausgefüllt sind, als die, die er zu vermeiden suchte.

5. Kapitel

„Und ich habe die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, ihnen gegeben ...“ (Joh 17, 22)

Die Gemeinschaft der Heiligen

Wenn die Menschen mehr und intensiver über die Gemeinschaft der Heiligen nachdenken und sich dadurch selbst davon überzeugen würden, wie wundervoll, lebendig und wirklich sie ist, kämen sie schließlich darauf, daß man statt „ich glaube“, „ich weiß“ sagen kann.

Oh, könnten sie sich entschließen, den immer dichter werdenden materiellen Nebel, der sie umgibt, durch Glauben und Liebe zu durchbrechen, damit ihr Geist in die Unermeßlichkeit der übersinnlichen Welt hineinreiche! Wenn sie doch wenigstens den Versuch machen würden, sozusagen „gegen den Strom“ all dessen zu schwimmen, was in ihnen menschlich, weltlich und vergänglich ist! Anstatt auf der Welle ihrer eigenen verdorbenen Triebe dahinzugleiten und sich damit immer weiter von der Quelle des Lebens zu entfernen — oh, wenn sie doch wenigstens versuchen würden umzukehren!

Ein Mensch, der nur in dem seinen Sinnen zugänglichen Bereich lebt, ist wie ein Embryo, das man in einen engen dunklen Raum eingeschlossen hat und das deshalb abstirbt, bevor es sich entwickeln kann. Erst wenn dieser Mensch tot ist, wird er begreifen, daß es nur eine einzige Wahrheit gibt: die unendliche Welt des Geistes. Diese hat er jedoch nie gesehen, weil er die enge und dunkle Welt seiner Sinne davor gestellt hatte.

Wie kraftlos doch Worte sind! Wie hilflos dieses Rufen; die es hören sollen, sind taub! Welche Verzweiflung ergreift den Menschen, der weiß, und sich von ganzem Herzen wünscht, die Gedankenlosen und Schlafenden zu wecken, aufzurütteln und zu warnen — während er die stumpfsinnige Gleichgültigkeit und Trägheit der Menschen mit ansehen muß!

Das Leben des Menschen ist kurz, es geht also vorüber. Die Leiden im Fegefeuer sind lang und schlimmer noch als ein Leben unter den schwierigsten Bedingungen! Die ewigen Qualen einer zur Verdammnis verurteilten Seele übertreffen in ihrer Grausamkeit alles, was ein Mensch sich vorstellen kann. In unserer Begriffswelt gibt es nichts, das vergleichbar wäre.

Das ewige Glück hingegen, das Gott den Erlösten bereitet und von dem mir diejenigen, die es bereits erleben, erzählten, übertrifft bei weitem jegliche Vorstellung. Es lohnt sich deshalb, die Schwachheit unserer verdorbenen Natur zu überwinden, um es zu erreichen!

Gott hat allen, die ihn lieben, die ewige Glückseligkeit versprochen und er hält sein Versprechen! Er wird sein Wort, das durch sein heiliges Blut besiegelt ist, nicht brechen noch zurückziehen. Deshalb muß man ihm blind vertrauen, auch wenn man es nicht genau weiß und sich eine solche Glückseligkeit nicht einmal annähernd vorstellen kann, auch wenn es, außer seinem Wort, keinen anderen Beweis für ihre Existenz gibt. Man muß ganz einfach glauben, vertrauen und dieses Glück anstreben — auf einem klar vorgezeichneten Weg, den Gott uns persönlich zu zeigen geruhte.

Könnte er denn noch mehr tun? Könnte er es liebevoller und für uns verständlicher tun? Er hat die unermeßliche Fülle seiner göttlichen Macht im Menschensohn konzentriert und als erster alles das erfüllt, was er dann von der Menschheit forderte. Durch ein verworrenes Netz aus vielen verschiedenen Wegen hat er einen geraden Pfad geschlagen, den er mit den Abdrücken seiner eigenen Füße kennzeichnete, damit wir ihn besser erkennen. Er hat nur den einen Wunsch, daß wir diese heiligen Spuren nicht aus den Augen verlieren und ihm so in seine Herrlichkeit folgen!

Obwohl er absolut gerecht ist, ging er selbst auch nicht anders wieder in sein Reich ein, das er zuvor aus Liebe zu uns verlassen hat, als durch schlimmste Qualen und Tod. Und er wird jeden, der vertrauensvoll seinen Spuren folgt, königlich beschenken! Wie verschwindend klein ist doch die Mühe, die er verlangt — im Vergleich zur unendliche Fülle des verheißenen Lohnes! Wie kurz doch diese Probezeit ist! Wie großzügig bemessen die Freuden, mit denen er uns unterwegs stärkt! Oh, wenn die Menschen das doch endlich verstehen wollten!

Um dieses Verstehen kämpft die Triumphierende Kirche seit zwei Jahrtausenden gegen die Unwissenheit und den Eigensinn der Menschen. Die Heiligen, die Gott in vollkommener und absoluter Weise lieben und die ewige Seligkeit bereits kennen, flehen Gott mit all den Verdiensten, die sie sich erworben haben, an, auf der Erde wirken zu dürfen.

Leider ist dieses Wirken in höchstem Maße abhängig von dem Willen und der Einstellung des Menschen. Durch einen bewußt bösen Willen wird es unmöglich gemacht und durch Gleichgültigkeit gegenüber seelischen Belangen wesentlich erschwert. Ist der Wille eines Menschen jedoch nicht vollkommen böse, dann können Gebete oder gute Taten eines Heiligen das Gute in ihm hervorheben und fördern.

Jeder, der seine eigene Vervollkommnung anstrebt, sollte die Triumphierende Kirche durch inniges Gebet um Hilfe bitten und sich voller Vertrauen dem Wirken der Hellen Geister und Heiligen unterwerfen. Wie sehnsüchtig und mit welcher Freude begrüßen die Heiligen einen solchen Hilferuf, und wie überaus glücklich sind sie, wenn ihnen der Mensch erlaubt, in ihrer Seele zu walten und zu wirken, solange sie nicht durch eine Todsünde vergiftet ist!

Jede Epoche hat ihre eigenen Heiligen. Meistens sind jedoch die Heiligen ihrer Epoche voraus. Ihr irdisches Leben verläuft gewöhnlich vor der Zeit, in der es ihnen nach dem Willen Gottes gegeben ist, auf der Erde zu wirken. Es geschieht deshalb oft, daß der Typ eines neuen Heiligen seinen Zeitgenossen zu Anfang sehr fremd erscheint. Sie verstehen ihn nicht. Die Fügungen Gottes beinhalten jedoch stets den vollkommenen Zeitpunkt und den vollkommenen Zweck. Der Heilige „von morgen“ muß während seines irdischen Lebens zunächst selbst danach streben, die göttlichen Anforderungen zu erfüllen. In diesem für ihn richtigen Zeitabschnitt kann er sich die Verdienste erwerben, durch die er dann nach seinem Tode — von der Herrlichkeit Gottes herab — den Menschen helfen kann. Das geistige Wirken ist nämlich vollkommener, intensiver und ausgedehnter als das Wirken des Heiligen zu seinen Lebzeiten.

Die Epochen, die also mit einer gewissen Verspätung dem Einfluß der entsprechenden, für diese Zeit bestimmten Heiligen unterliegen, entziehen sich dann, wiederum mit einer gewissen Verspätung, dem Einfluß der Heiligen, die ihre Mission bereits erfüllt haben. „Der gestrige Heilige“ entfernt sich deshalb mit jedem Jahrhundert mehr und mehr von unserem „Heute“. Sein heiliges Wesen wird uns mit der Zeit fremd und immer unverständlicher.

Anders kann es jedoch nicht sein. Nach dem Willen Gottes ist jeder Heilige in Bezug auf Typ, Charakter, Wirkungsbereich und Spezialität genau an die Epoche angepaßt, in der er wirken soll. Ist seine Aufgabe erfüllt, entfernt sich der Heilige sozusagen von der Erde, was einerseits mit der Zunahme seiner Ehre im Himmel, andererseits mit der Abnahme seiner Wirkung auf die Welt zusammenhängt.

Heilige, deren Körper Gott durch die Zeiten hindurch unverwest ließ, können, auch wenn ihr Leben schon sehr lange zurückliegt, ihren Kontakt zu den Lebenden leichter, länger und intensiver gestalten. An dem Tag, an dem die Kirche das Fest eines Heiligen feiert, hat dieser die Möglichkeit seines vollen Wirkens, unabhängig davon, in welchem Zeitalter er gewirkt hat.

Wie sieht das Wirken der Heiligen aus? Gott ist jederzeit und überall. Seine Allmacht wirkt im ganzen Universum, an jedem Ort mit derselben Kraft. Heilige können, je nach dem Grad ihrer Heiligkeit, an vielen Orten gleichzeitig wirken. Genauso verhält es sich mit den erlösten Seelen, obwohl die Wirkung der letzteren — wenn man es so sagen kann — blasser, leiser und schwächer als die der Heiligen ist.

Die Seele eines Heiligen sendet ständig unsichtbare Strahlen aus, wie Sensoren, mit denen sie mit der Welt der Sinne verbunden ist. Die Strahlung geht in verschiedene Richtungen hinaus, während ihr Zentrum, das heißt die Seele des Heiligen, im Himmel bleibt. Die Breite und Intensität dieser Verbindungslinien hängt vom Willen, manchmal auch von der Macht des bestimmten Heiligen ab, ebenso wie die Farbe dieser wunderbaren Bänder, die den Charakter seines heiligen Wesens erkennen läßt. Alle Heiligen, wie auch jeder Helle Geist, haben ihre eigenen, ganz besonderen Wellenbereiche, die gleichzeitig für jeden von ihnen eine individuelle Farbe bilden. Aus Lichtstreifen eben dieser Farbe besteht die Wirkung der Heiligen und Hellen Geister.

In dem Augenblick, in dem ein Mensch einen bestimmten Heiligen ruft, beginnen dessen Strahlen zu vibrieren. Jeder Gedanke, jedes Seufzen, jedes Rufen seines Namens, auch Schmähungen, werden im Himmel direkt wahrgenommen, denn die ganze Erde ist wie umsponnen von diesem wundervollen Netz aus verschiedenfarbigen Fäden, die entsprechende Wellen auffangen. Es funktioniert ähnlich wie eine Abhöranlage, jeder Ruf eines menschlichen Herzens wird sofort in der jenseitigen Welt vernommen und zwingt den angerufenen Geist, sich dem Rufenden zuzuwenden. Dank dieses dicht gewebten Netzes aus höchstempfindlichen Antennen um die ganze Erde herum können die Heiligen die Gebete aus allen Teilen der Welt gleichzeitig hören, auch wenn ihre Aufmerksamkeit dadurch sozusagen geteilt ist.

Wenn ein Heiliger auf der Erde erscheint, heißt das nicht, daß er den Himmel verlassen hat. Durch starke Konzentration eines Teils seines Wesens (man könnte es mit einem breiten Band, das aus vielen dieser unsichtbaren Verbindungslinien geflochten ist, vergleichen) nähert er sich zwar dem Menschen, sein Ich weilt jedoch weiterhin im Lichte Gottes. Aus der Materie, die auf seinem Wege liegt, bildet er eine den Erfordernissen des Augenblicks entsprechende Gestalt, um auf diese Weise für den Menschen wahrnehmbar zu sein.

Ein so materialisierter Geist wird von einer wunderbaren himmlischen Aura umgeben, die durch alles, was auf seinem Wege liegt, hindurchgeht. Wie ein Taucher, der auf den Grund des Meeres hinabsteigt, ist er sozusagen eingeschlossen in eine unsichtbare Glocke aus der Aura des Jenseits. Daher dieses himmlische Wohlgefühl und die überirdische Atmosphäre, die den umgibt, der eine Erscheinung erlebt. Es ist etwas, das ihn in seinem Menschsein beglückt, manchmal aber auch lähmt und zeitweise sogar vernichtet, da dieses Menschsein an eine mit einer Mischung aus Bosheit und Elend geladene Atmosphäre gewöhnt ist. Um wiederum nach Vergleichen zu suchen, und man kann es höchstens durch unzulängliche Vergleiche erklären, würde ich sagen, es ist wie ein Geruch, den man ganz in sich aufsaugt und der auch dann noch, wenn der Geist nicht mehr da ist, für lange Zeit in der Seele des Menschen als eine unbekannte, berauschende Empfindung verbleibt.

Die Gegenwart eines Heiligen wird in ihrer Wirkung dadurch gedämpft, daß er sich niemals in der Fülle seiner Macht und Helligkeit zeigt. Seine Heiligkeit geht durch einen subtilen Regler hindurch und erglüht nur soweit, wie es für den menschlichen Geist noch erträglich ist. Ein Heiliger kann sich niemals so zeigen, wie er wirklich ist, wir würden es nicht ertragen.

Ein Mensch, der sich in die Obhut von Hellen Geistern und Heiligen begibt, muß durch verschiedene Formen und Stufen ihres Wirkens hindurchgehen, um mit ihrer Hilfe bereits in diesem Leben die höchstmögliche geistige Entwicklung zu erreichen. Dieser Mensch ist bei allem, was er tut, gewissermaßen umgeben von der heiligen Aura, die für andere zuweilen spürbar, manchmal sogar sichtbar sein kann.

Trotz all dieses hilfreichen Wirkens ist der freie Wille des Menschen weiterhin in keiner Weise eingeschränkt, und bis zum letzten Atemzug hängt alles von seiner Wahl ab. Aus diesem Grunde können die Geister der Heiligen nur dort dauerhaft wirken, wo der Wille des Menschen in allem standhaft und bewußt aufwärts strebt. Sie harren bei ihm aus, wenn er schwächer zu werden beginnt, schwankt und zögert. Besorgt und aufopfernd bemühen sie sich, ihm durch Eingebungen zu helfen, ihn durch Licht zu stärken, aufzurichten, zu stützen. Wenn der Mensch diese Hilfe jedoch beharrlich ablehnt, wenn er sich auf seine eigenen Kräfte verläßt und bewußt das Böse wählt, ziehen sich die guten Geister zurück.

Durch eine Todsünde nämlich reißt die Verbindung der Seele zum Himmel augenblicklich ab.

Waren die Verdienste des Menschen vor seinem Fall größer als seine jetzige Schuld, ist es den Heiligen kraft der unerschütterlichen Gerechtigkeit Gottes erlaubt, ihn noch durch innere Lichter und Eingebungen zur Reue zu bewegen. Wenn er diese dann aufgreift, sich demütig besinnt, seinen Fehltritt bekennt und echte Reue entwickelt, verbinden sich die beiden durchtrennten Enden des segensreichen Bandes wieder miteinander und tropfenweise dringen erneut Ruhe und göttlicher Friede in das Herz des Menschen ein.

Die Heiligen wirken auf Menschen, sogar auf die gläubigen, sehr feierlich, distanziert und hoheitsvoll in all ihrer Würde. Dabei wollen sie nicht so sein! Sie wünschen sich von uns nicht nur Ehrerbietung, sondern vor allem vertrauensvolle, herzliche Freundschaft. Sie wollen nicht auf den Altären der Kirchen zurückgelassen werden, wenn der Mensch nach Hause geht, sondern sie wollen, daß wir sie mitnehmen! Daß sie zu jeder Stunde des Tages mit uns zusammen sein können. Wie schwierig ist es aber für die Menschen, die Heiligen ganz einfach, mutig und voller Vertrauen zu lieben!

Und deshalb gibt es im Himmel viele Heilige, die traurig sind! Ich muß dieses Wort gebrauchen, obwohl es so nicht ganz stimmt. Niemand, der in der Herrlichkeit Gottes lebt, kann ein Gefühl der Traurigkeit entwickeln. Das, was die Heiligen beim Anblick der Ablehnung gegenüber der himmlischen Gnade und Unwissenheit der Menschen empfinden, ist ein so vollkommenes und komplexes Gefühl, daß in unserer engen Ausdrucks‑ und Begriffswelt keine Entsprechung dafür zu finden ist.

Die Heiligen sind also — auf unsere Art ausgedrückt — oft traurig. Sie wünschen sich sehnlichst, zu wirken, aber wie, wenn die Menschen den richtigen Weg zu ihnen nicht finden können! Von Zeit zu Zeit erreicht sie ein heftiges Gebet, meistens jedoch im Zusammenhang mit materiellen Dingen! Nur wenige bitten um Gnade und Hilfe für ihre Seelen. Und auch die, welche um irdische Dinge bitten, zeigen keine Ausdauer. Wird die Bitte eines Menschen erhört, ist er seinem Wohltäter noch eine Zeitlang dankbar, besonders, wenn er um weitere Geschenke bittet. Bekommt er diese jedoch nicht, sucht er bald nach einem anderen Heiligen, der sich in seinem Sinne als „fair“ erweisen könnte.

Wie traurig und unklug ist dieses Verhalten! Wie schwierig ist es für die Menschen, zu glauben, daß nicht alles, was sie erbitten, gut für sie ist, auch wenn es ihr irdisches Dasein betrifft. Der beste Vater wird doch einem Kind, das bittet, keinen Stein anstelle eines Fisches und auch keine Schlange anstatt eines Brotes geben. (Lk 11, 11) Oft jedoch legt er dem Kind, das um eine Schlange und einen Stein bittet, immer wieder geduldig das abgewiesene Brot in die Hand! Wie wenig Vertrauen haben doch die Menschen in die Allwissenheit der göttlichen Vorsehung! Gott schlägt niemals eine Bitte ab, von der er weiß — und nur er allein kann es wissen, daß ihre Erfüllung für die Seele des Bittenden von Vorteil sein könnte. Deshalb können auch die Heiligen, die doch nur mit göttlicher Erlaubnis wirken, nicht jedes Gebet erhören! So kommt es, daß meistens nicht sie, sondern die bösen und armseligen Geister leichter Zugang zu einem Menschen finden. Es ist nämlich einfacher, sich — bewußt oder unbewußt — mit denen anzufreunden, die unsere Schwachheit begünstigen und uns das zuschieben, was gerade mühelos und auf dem Wege des geringsten Widerstandes erreichbar ist und damit unserer verdorbenen menschlichen Natur auf jeden Fall näher steht.

Dabei kann die Freundschaft mit einem Heiligen die wahrhafteste, treueste und sicherste Freundschaft der Welt sein.

Es handelt sich hierbei weder um eine Metapher noch um ein hohes Geheimnis, das vielleicht nur wenigen auserwählten Seelen zugänglich wäre. Jeder, auch der einfachste Mensch, kann, wenn er es wirklich will und bereit ist, dafür zu arbeiten, eine mehr oder weniger intime, auf jeden Fall aber äußerst angenehme und wahre Freundschaft mit einem Heiligen pflegen.

Dank der mir erwiesenen, unverdienten und unergründlichen Gnade weiß ich viel über die Gemeinschaft der Heiligen. Ich weiß aber auch daß es absolut nicht leicht ist, darüber zu sprechen. Im allgemeinen haben die Menschen eine so verkehrte, verworrene und falsche Vorstellung von dem Verhältnis, das die Seele eines lebenden Menschen mit der jenseitigen Welt verbinden soll, daß es jemanden verwundern oder sogar empören könnte, wie herzlich und freundschaftlich mein Umgang mit ihnen ist.

Das Erscheinen eines Heiligen ist in keiner Weise unheimlich. Man hat gar keine Zeit, Angst zu haben, sich zu wundern oder über das, was gerade geschieht, nachzudenken. Liebe, Glück, Vertrauen, Bewunderung und Dankbarkeit, dies sind die Gefühle, die man dabei ausschließlich empfindet.

Jene himmlische Aura des Heiligen wirkt dabei auch auf den Menschen. Er ist ganz durchdrungen von ihr, er und der Heilige sind gemeinsam umgeben von einer unsichtbaren Glocke aus Gnade.

In dieser Aura kann sich der Mensch völlig frei bewegen, er kann gehen, aufstehen, Gegenstände in der Nähe anfassen, Straßengeräusche und die Tür hören, kann alles sehen, was außerhalb von dieser Aura geschieht. Es handelt sich dabei nicht etwa um einen Zustand der Ekstase, bei dem man das Bewußtsein für die äußere Welt ganz verliert, sondern es ist ganz einfach ein mit Freude und bei vollem Bewußtsein wahrgenommenes Sein in der heiligen Gegenwart eines anderen.

Neben der hl. Magdalena‑Sofia und Kardinal Mercier erscheinen mir oft auch andere Heilige. In der Regel hängt es mit dem Kalender des Kirchenjahres zusammen. Zum ersten Mal erschienen sie mir meistens an ihrem Feiertag, später kamen sie dann, wann sie wollten. Einige von ihnen haben mir zwar versprochen, auch auf meine herzliche Bitte hin zu erscheinen, aber ich habe es nie gewagt, sie zu rufen. Trotz aller Vertrautheit und Ungezwungenheit meines Umgangs mit ihnen geht eine solche Bitte meiner Ansicht nach zu weit. Wenn ich also von einem besonderen Heiligen Hilfe brauche, bete ich ganz einfach zu ihm. Es ist jedoch auch schon vorgekommen, daß dieser Heilige mir dann von selbst erschienen ist, obwohl ich es nicht gewagt hätte, darum zu bitten.

Heute, nach mehr als drei Jahren des Kontaktes mit der jenseitigen Welt, kann ich zwar mit dem Verstand das volle Ausmaß der Gnade und des Wunderbaren, das mir widerfährt, erkennen, kann aber nicht mehr fühlen, daß diese Besuche etwas Merkwürdiges oder Außerordentliches sind. Für mich sind sie ganz natürlich. Es ist fast umgekehrt so, als ob gerade alles andere fremd, verwunderlich und unbekannt wäre! Der Kontakt mit dem Jenseits ist ganz einfach.

Was ich kurz vor der Erscheinung eines Heiligen fühle, kann ich nicht beschreiben. Ich kenne dieses Gefühl jedoch gut, und wenn es herannaht, knie ich vor meinem kleinen Altar nieder. Noch bevor ich mich sammeln und ein kurzes Gebet sprechen kann, geschieht es oft, daß mich die Schwingungen dieses schon bekannten heißen Stroms ganz ergreifen. Ich versuche gar nicht erst, dies zu erklären, denn es ist nicht möglich. Man kann es höchstens annähernd mit einer Farbe oder einem Geruch vergleichen und diese lassen sich auch nicht beschreiben. Der Strom verstärkt sich, wird intensiver, durchdringt mich und füllt mich ganz aus. In diesem Moment weiß ich, daß ich meinen Gast erblicke, sobald ich den Kopf hebe.

Sie erscheinen meistens rechts neben meinem kleinen Altar. Ich sehe sie deutlich und ganz normal, so wie ich jeden lebenden Menschen sehe. Es gehen keine sichtbaren Strahlen von ihnen aus. Sie schweben nicht in der Luft. Sie stehen ganz einfach auf dem Fußboden, wie jeder Mensch. Sie sind auch nicht durchsichtig, sondern verstellen mit ihrer Gestalt das kleine Tischchen mit der Maschine und jedesmal, wenn ich nach dem dort liegenden Heft greifen soll, gehen sie ein wenig zur Seite.

Zeit ist das einzige, was mir in ihrer Gegenwart nicht bewußt ist. Für mich ist es immer zu wenig — zu selten — zu kurz, aber ob erst ein kurzer Augenblick oder bereits eine Stunde vergangen ist, könnte ich nicht sagen.

Dagegen spüre ich genau, wenn der Zeitpunkt ihres Abschieds herannaht. In dem Moment, in dem sie mich segnen — und sie segnen mich jedesmal, wenn sie gehen, muß ich mich bis auf die Erde verneigen. Wenn ich mich dann wieder erhebe, ist niemand mehr bei mir.

Ich darf bei diesen überirdischen Besuchen meistens nicht knien. Zu Anfang hat es mich schrecklich verlegen gemacht, daß ich in Gegenwart von Heiligen sitzen sollte. Dann aber, als jene niedergeschriebenen Diktate immer länger wurden, mußte ich sitzen, um das Heft auf den Knien halten zu können. Mit der Zeit ist es zu einer Gewohnheit geworden, daß ich nicht auf dem Stuhl, sondern auf der Kopfrolle meines Sofas Platz nehme.

Diese heiligen Visiten werden weder vom Licht noch von irgendeiner Tageszeit, noch von Bucias Gegenwart im Nebenzimmer beeinträchtigt. Einmal kam mein hl. Mütterchen sogar im Wald zu mir, als ich mich gerade auf einem einsamen Spaziergang befand. Überwiegend und am liebsten jedoch — und das weiß ich von ihr selbst — erscheint sie neben dem kleinen Altar, in der Nähe des Bildes, das ich von ihr gemalt habe, und zwar immer dann, wenn sie weiß, daß wir ungestört sind.

Die Heiligen sprechen zu mir mit ganz gewöhnlichen menschlichen Stimmen. Ich weiß, daß es nicht irgendeine innere Stimme in mir selbst ist, denn ich kann sie mit meinem Gehör deutlich unterscheiden. Der Lärm eines auf der Straße vorbeifahrenden Wagens z. B. kann die Worte, die sie gerade sprechen, übertönen.

Die Bewegungen der Heiligen sind ungezwungen und natürlich. Sie zwinkern mit den Augen, atmen, lächeln. Kardinal Mercier hat z. B. die Angewohnheit, während des Gesprächs an den Knöpfen seiner Soutane zu drehen. Möglicherweise hat er das in seinem Leben auch getan. Außerdem muß er mir jedesmal zum Abschied — zart, gütig und in Eile — mit der Handfläche über die Wange streichen. Auch sein bagatellisierendes „ba, ba“, verbunden mit dem charakteristischen Hervorschieben seiner Unterlippe, ist mir vertraut.

Die Heiligen sind alle verschieden, nicht nur äußerlich, sondern auch in ihrem Temperament. Manche bewegen sich lebhaft und gestikulieren ausdrucksvoll, andere sind unbeweglich und ruhig. Genauso deutlich sind die Unterschiede in ihrer Sprechweise. Heilige aus weit zurückliegenden Epochen reden in einem etwas unbeholfenen, archaischen, erhabenen Stil. Ihre Sprache ist für unsere Ohren genauso fremd wie der Anblick ihrer mittelalterlichen Buchstaben und der entsprechenden Rechtschreibung für unsere Augen. Bei der Angabe des Inhalts einiger Gespräche mit Heiligen, die ich im weiteren Verlauf anführe, konnte ich die Eigentümlichkeiten der verschiedenen Stile nicht festhalten.

Obwohl alle Heiligen mir nahestehen und obwohl sie mir alle vertraut und teuer sind, fühle ich mich bei manchen doch etwas befangen. Mit einigen von ihnen, vor allem mit denen aus früheren Epochen, kann ich mich nicht so gut verständigen. Man liebt sie jedoch alle, ganz einfach, voller Vertrauen und mit einem Gefühl der Verbundenheit, das einen freundschaftlichen und beinahe intimen Gesprächston aufkommen läßt. Man hat sogar das Bedürfnis, sie mit der Verkleinerungsform ihres Namens anzureden. Sie tun es schließlich auch. Nahezu jeder Heilige verdreht meinen Namen auf seine ganz eigentümliche Weise. Ich mag es und zuweilen ist es auch amüsant.

Die Heiligen sind nämlich fröhlich! Der Geist behält die charakteristischen Merkmale des Menschen, in dem er auf der Erde gelebt hat, für immer bei, seine Mentalität, seine Vorlieben, sein Temperament, also auch den Sinn für Humor, soweit er ihn früher besessen hat.

Ich kann mich nicht mehr genau an die Reihenfolge erinnern, in welcher mir die einzelnen Heiligen erschienen sind, denn leider habe ich das jeweilige Datum nicht notiert, sondern nur den Inhalt dessen, was sie sagten.

Die hl. Magdalena‑Sofia, Kardinal Mercier und der hl. Januarius diktierten mir bei ihren Besuchen immer, was sie mir zu sagen hatten, deshalb kann ich ihre Reden im folgenden Wort für Wort anführen. Den Inhalt der Gespräche mit den anderen Heiligen habe ich nach jedem Besuch kurz aus dem Gedächtnis zusammengefaßt, und zwar sinngemäß in Bezug auf die geäußerten Gedanken, jedoch nicht genau mit ihren Worten. Die Ausdrücke, die ich mir genau gemerkt habe, habe ich in Anführungsstriche gesetzt.

Ich könnte nicht über jeden Heiligen, der mir erschienen ist, viel berichten. Einige waren nur für eine kleine Weile bei mir zu Gast.

So erschien mir z. B. am letzten Tag des Jahres der hl. Silvester, ein früherer Papst. Er beklagte und bedauerte, daß sein Fest in der Welt nicht auf die richtige Weise begangen wird. Den Status des Heiligen hat er durch Entsagung und Aufopferung erworben, aus Liebe zu Gott. Heute wird sein Name in Bars und Vergnügungslokalen verunglimpft! Nur wenige wissen, daß ein heiliger Diener Gottes, ein Stellvertreter Christi, diesen Namen trug. Er bat mich, in seinem Sinne jedesmal an diesem Tag um gute Priester zu beten und darum, daß die Menschen, anstatt sich ausgelassen und sinnlos zu amüsieren, die Jahreswende dazu nutzen mögen, ihr Gewissen zu befragen, was sie im vergangenen Jahr für Gott und zum Wohle ihrer Seele getan haben. Daß sie ernsthaft darüber nachdenken mögen, ob es nicht an der Zeit sei, ihr Leben zu ändern. Daß sie sich fragen mögen, ob sie den nächsten „Silvester“ überhaupt noch erleben werden. Er bat mich, den Menschen nahezulegen, die Verabschiedung des alten und die Begrüßung des neuen Jahres jedesmal ernsthafter und religiöser zu gestalten. Die Gebete um gute Geistliche will er stets erhören. Er war ganz in weiß gekleidet, sein Kopf war nicht bedeckt.

Der hl. Andrzej Bobola erschien mir zum ersten Mal am 3. Mai 1938. „Gelobt sei Jesus Christus“, sagte er. Ich fragte ihn, ob er der Schutzpatron Polens sein werde. „Ich bin es bereits, es kommen nämlich erneut harte und schwierige Zeiten auf euch zu. Ich werde euch helfen. Wenn die Situation für Polen sehr gefährlich wird, werde ich vor großen Menschenmassen erscheinen. Polen wird gegenwärtig von zwei Feinden bedroht.“

„Welche Feinde sind das"„

„Das darf ich nicht sagen. Wenn es sich als erforderlich erweisen sollte und Gott es erlaubt, werde ich es verraten. Die Menschen wenden sich an mich nicht so, wie es sein sollte, nicht andächtig genug. Ich kann euch sehr dabei helfen, große Katastrophen abzuwenden. Ich kann Leiden mildern.“

„War dein Martyrium sehr schmerzhaft?

„Am Anfang ja. Meine Leiden konnten nicht gemildert werden, weil ich sie freiwillig auf mich genommen hatte. Nach einer gewissen Zeit wurden meine Schmerzen dadurch betäubt, daß ich vor meinem inneren Auge das zukünftige Leben sehen konnte, das Gott mit seinem Leiden, schlimmer als alle irdischen Qualen, erkauft hat. Die Liebe und Gnade Gottes machen den Menschen sehr stark. Bereitet euch auf die kommenden schweren Zeiten vor. Es wird ein Kampf des Guten gegen das Böse, der Erleuchteten gegen die Unwissenden sein. Sage den Menschen, daß ihnen schreckliche Dinge bevorstehen, weil sie ihre Seelen vernachlässigen. Du kannst dich jederzeit an mich wenden, ich werde dich anhören. Ich übermittle dir den Segen Gottes.“

Der hl. Johannes Vianney, Pfarrer von Ars: Ungewöhnlich groß, von schlanker, knochiger Gestalt. Er vermittelte den Eindruck von Kraft und Beharrlichkeit. Er sagte mir, ich solle die Menschen auffordern, um gute Geistliche zu beten. Von schlechten Priestern könne man die Liebe zu Gott nicht lernen. Sie haben den Schlüssel zum Himmel gegen irdische Belange eingetauscht. Ein Sünder, der ihnen seine Sünden bekennt, wird oft noch zu weiteren Sünden ermuntert. Schlechte Priester sind schlimmer als Judas. Judas hat seine Sünde bekannt — sie aber geben vor, gerecht zu sein. Judas hat den Henkersknechten die Silberstücke zurückgegeben — sie behalten sie. Judas hat Gott vor der Erlösung verkauft — sie verkaufen ihn bis heute.

Wie leicht wäre es für die Menschen, Gott zu sehen, an Gott zu glauben, wenn er sie sichtbar strafen würde, wenn ein Gottloser kurz nach dem Sündigen eines schrecklichen Todes stürbe. In der Barmherzigkeit jedoch wollen die Menschen Gott nicht sehen!

Das Wasser des Meeres teilte sich vor ihnen, sie wurden von der Erde und vom Himmel ernährt, doch sie verfälschen die Wahrheit! Sie genießen seine Gaben, wollen ihn aber nicht kennen! Sie verschmähen ihn, während sie die Dinge, die er geschaffen hat, verehren! Sie haben alles von ihm erhalten und lieben alles, nur nicht ihn.

Es nahen sehr schwere Zeiten. Die Liebe und die Seele müssen wieder in das Bewußtsein der Menschen gerufen werden. Ihren wertvolIsten und ewigen Schatz, die Seele, haben sie gegen irdische Dinge eingetauscht. Sie beschäftigen sich immer wieder mit dem Vergänglichen und setzen ihren Verstand für all das ein, was sie nicht brauchen. Sie wissen nicht mehr, wofür er ihnen gegeben wurde.

Es gibt Menschen, die sogar damit prahlen, Feinde Gottes zu sein. Wie leichtfertig von ihnen! Nicht sie werden Gott verurteilen, sondern er wird das Urteil über sie sprechen, wenn sie einst vor ihm stehen, allein und voller Furcht. Wenn es soweit ist, können sie weder durch ihr Wissen, noch durch Reichtum, noch durch weltliche Protektion gerettet werden.

„Nutzt die Barmherzigkeit Gottes, solange es Zeit ist! Solange es Zeit ist!“

Die selige Anna Katharina Emmerich kam sehr glücklich und fröhlich zu mir. Sie ist klein und zierlich. Ich kann mich noch gut an ihre kleinen Hände erinnern. Sie war in ein weißes Gewand gekleidet. Der Blick ihrer großen, schönen Augen ist strahlend und gütig. Sie sagte mir, wenn jemand zu den Wunden unseres Herrn Jesus beten wolle, könne er sich auf sie beziehen, besonders in schwierigen Lebenssituationen. Das Glück, das sie erlebe, könne man nicht beschreiben. Deshalb sei sie auch froh, über ihre Visionen nichts mehr erzählen und schreiben zu müssen, wie zu ihren Lebzeiten. Sie könne denen sehr behilflich sein, die alles das aus dem irdischen Leben unseres Erlösers kennenlernen und verstehen wollen, was für den menschlichen Geist begreiflich ist. Sie werde ihre Hilfe denen, die sich an sie wenden, niemals versagen, denn sie wolle die Erde dem Himmel nahebringen.

Der hl. Januarius ist irgendwie anders als alle anderen Heiligen. Ich sehe ihn als den Inbegriff von Kraft und glühendem Eifer. Er ist untersetzt, breitschultrig, stark, hat eine auffällig dunkle Hautfarbe und einen schwarz‑blauen Bartwuchs. Sein lockiges Haar ist dicht wie ein Pelz. In diesem dunkelhäutigen, unrasierten Gesicht funkeln seine Augen wie zwei Kohlen, riesig groß, schwarz, und ihr Blick ist so feurig, daß ich an die Farbe des Feuers denken muß, will ich sie mir ins Gedächtnis rufen. Ja, der Blick des hl. Januarius ist glühend!

Er trug einen olivfarbenen Kaftan, der unten ausgefranst war. Durch diese Fransen hindurch war irgendein glänzendes Gewand zu sehen, das seine Knie freiließ. An den Füßen trug er geflochtene Ledersandalen, die bis zur Mitte des Schienbeins reichten. Die Ärmel seines Kaftans waren lang. Sein Kopf war nicht bedeckt.

Seine Heiligkeit ist einschüchternd. Ich habe ihn niemals lächeln gesehen. Der Ausdruck seines Gesichts ist streng, fast drohend. Seine Art ist schwerfällig, wortkarg und zuweilen so merkwürdig, daß ich bestimmt oft lachen würde, wenn ich nicht immer ein wenig Angst vor ihm hätte. In seiner Sprache kommt sein eigenartiger Stil noch viel deutlicher zum Ausdruck als in den am Ende dieses Buches angeführten Schreiben.

Er sagte, daß der Welt noch nie dagewesene Katastrophen drohten, und da er eigentlich ein Heiliger sei, der Donnerschläge abwende, würde er gerne helfen, wenn man ihn darum bitte. Obwohl er in einer sehr fernen Zeit gelebt habe, könne er sich mir so deutlich zeigen, weil sein Blut auf der Erde noch lebendig erhalten sei. Dadurch habe seine Seele den Kontakt zur Erde nicht verloren.

„Meine Sprache ist nicht leicht“, sagte er, als er bemerkte, daß es mir manchmal wirklich schwerfiel, ihn zu verstehen. „Setze dich hin und schreibe!“

Auf die schon gewohnte, unergründliche Weise schrieb ich, ohne etwas zu hören, nieder, was er mir diktierte. Ich weiß, daß er einmal nach einem passenden Ausdruck suchte, und daß es Kardinal Mercier war, der ihm das Wort „Lampenschirm“ unterschob, das sich kraß von dem Stil des gesamten Schreibens abhob. Er gab es später selbst zu und sagte, ihm sei kein besserer Ausdruck eingefallen.

Die im folgenden aufgeführten Schreiben waren für Bucia (Sofia) bestimmt, die den hl. Januarius gebeten hatte, ihr Betreuer zu sein. Er erklärte sich zunächst gern dazu bereit, später stellte sich jedoch heraus, daß sein Stil zu schwierig und unverständlich für sie war. Sie konnte ihn nicht verstehen. Er erkannte dies selbst und empfahl ihr, sich einen anderen Betreuer zu wählen.

Der hl. Januarius. Im Jahr des Herrn 1936, am 5. September. Meine liebe Sofia! Denke daran, was der hl. Thomas gesagt hat: ,Gott ist als die höchste Wahrheit in einem Akt der Vernunft zu erkennen.' Die Bescheidenen sind weise, denn sie sehen das Weltall und darin Gott und seine Weisheit. Der Gelehrte stützt sein Urteil und sein Verständnis auf seine Vorstellung und seinen Stolz, als einzelner oder mit einigen anderen zusammen. Vertraue nur, Sofia. Du kannst mich alles fragen, ich werde dir bei Problemen helfen und immer eine Antwort geben. Das heilige Mütterchen Magdalena‑Sofia hat uns einander zugewiesen. Laß uns aufrichtig sein in unseren Bestrebungen. Schaue aufmerksam und unbeirrt auf Jesus, dann wirst du keinen Schmerz verspüren, dafür aber mehr Freude empfinden. Du weinst viel, weil du schwach bist. Versprich mir als erstes, deine Augen bis Sonntag trocken zu halten.

Die Unbefleckte besitzt alle Tugenden und alle Gnadengaben. Ich werde dich lehren, von ihrer Güte zu profitieren. Deine Demut und die wunderbare Liebe zu den Menschen haben dich uns nähergebracht, es genügt jedoch nicht, daß du diese großartigen Tugenden nur selten in deinem Leben zum Einsatz bringst, denn sie können verblassen und sogar schwinden.

Aus Liebe zu meinem Erlöser habe ich den Tod erlitten und dafür die sonnige Ewigkeit gewonnen. Ich tauche in die Liebe ein. Ich bin stark. Es ist schon lange her, daß ich in der Welt gelebt habe und ganz selten kehre ich wieder auf die Erde zurück. Wir können uns aber in mehrere Aufgabenbereiche aufteilen und euch tatkräftig helfen.

Fulla ist stark und schwach zugleich. Stark ist sie durch den Himmel, das heißt durch die Geister der Helligkeit, zuweilen aber schwächt der Geist des Hochmuts ihre Glieder, ihren Willen, ihren Verstand und ihre Tugenden. Unser Gott Jesus duldet keinen Widerstand, und wenn er jemanden erwählt und an sich zieht, macht er ihn vollkommen rein, selbst wenn er dabei alle Mittel ausschöpfen muß. Es ist deshalb besser, vernünftig und demütig zu sein, um eventuellen schrecklichen und schmerzlichen Schlägen zu entgehen.

Liebt Gott und tut seinen Willen! Sofia, reiche mir deine Hand und laß dich führen. Ich mache deine Seele gesund. Fulla! Unser Herr Jesus hat der Welt ein neues Gebot der Liebe gebracht. Diejenigen, die es angenommen haben, erfüllte er mit göttlichem Feuer. Sie warfen daraufhin auf einmal oder nach und nach ihren Hochmut ab, hüllten sich in den Mantel der Demut Christi und ihr Sinn für die Ewigkeit öffnete sich. Liebe und Demut stammen vom Sohn Gottes. Im Herzen Fullas brennt zwar die Flamme der Liebe, aber dieser häßliche Lampenschirm aus Hochmut verdeckt oft diesen Feuerschein. Nachher wundert sie sich, daß der Herr Jesus weit entfernt zu sein scheint, da er so wenig hilft. Ihr Kopf ist leer, ihre Seele betrübt. Falls es sie lebhaft interessiert, kann ich ihr alles ganz langsam erklären, ich oder Deza. Mein altmodischer Stil ist ihr nicht geheuer. Deza ist geschickter darin. Ich segne euch mit dem Frieden Gottes — der hl. Januarius.“

„Der hl. Januarius, im Jahr des Herrn 1936, am 20. November. Sofia! Warum denkst du nicht an mich? Ich will dir helfen. Ich will dir einen geraden Weg weisen. Fulla ist ihren Betreuern treu, sie betet zu ihnen, und sie helfen ihr. Sie bindet sie an sich, läßt sie nicht los und deshalb lebt sie mehr mit ihnen als mit sich selbst. Ich bin Januarius, ein Heiliger. Rufe mich an! Bete, sprich zu mir, Sofia, und du wirst mich kennenlernen.

Wir werden uns nicht mehr lange auf diese Weise verständigen. Ich bleibe weiterhin dein Betreuer, aber Anweisungen und Erklärungen wirst du durch Fulla von einer anderen heiligen Gestalt erhalten, die sich ebenfalls deiner annehmen wird, Sofia. In einigen Wochen werde ich es dir offenbaren. Ich habe dies für dich getan, denn du brauchst ein Wesen, das deiner Seele und deiner Vorstellung mehr entspricht. Bleibe unserem Herrn Jesus innig verbunden und bete morgens kniend mit folgenden Worten:

'Herr Jesus! Erhöre mich! Ich liebe dich über alles und ich bete zu deiner reinen Mutter um die Hilfe des Himmels. Meine Natur ist schwach, deshalb rufe ich in Liebe und Ehrfurcht eure heiligen Namen, Jesus und Maria, damit sie mich den ganzen Tag über begleiten und ich ihn zum Wohle meiner Seele und meiner Mitmenschen verbringen kann. Heiliger Januarius, bete für uns!‘“

„Der hl. Januarius, im Jahr des Herrn 1937, am 18. März. Friede sei mit euch, liebe Kinder! Gott verlangt nicht viel von euch. Macht euch keine Sorgen. Unser Herr Jesus liebt euch und es reicht ihm, wenn ihr jeden Tag mindestens eine gute Tat für ihn vollbringt. Diese kann z. B. darin bestehen, einen Mitmenschen zu erfreuen oder keinen Unwillen ihm gegenüber zu äußern, wenn er sich schlecht benimmt. Man kann auch vor dem Bild des hl. Mütterchens ein kurzes gemeinsames Gebet sprechen. Tag für Tag ergeben sich immer wieder viele Möglichkeiten — Überwindung von Faulheit, Zurückhaltung im Sprechen, etwas für den Nächsten tun oder ihm eine Kleinigkeit schenken. Am besten ist es aber, eine negative Neigung in uns bewußt für Jesus zu besiegen. Daraus erwächst etwas sehr Wertvolles, und die Zukunft dauert ewig.

Ich bitte euch beide, meine Kinder, an jedem Tag der Karwoche frühmorgens die Namen‑Jesu‑Litanei laut zu beten. Das wird eure irdische Schuld auswischen. Ihr könnt noch ein kurzes Gebet anhängen, eines von den Gebeten an Herrn Jesus, die euch das hl. Mütterchen beigebracht hat, als Zeichen eurer Anbetung und Verehrung für ihn. Möge der liebste und gütigste Jesus euch niemals verlassen, möge er euch reichlich von seiner Gnade zukommen lassen und euch segnen. Fulla! Liebe deine Betreuer, die vom Himmel aus über dir wachen. Wendet euch täglich mit einem Gebet an mich. Ich segne euch, Fulla und Sofia. Ihre neue Betreuerin, die hl. Kleine ,Theresia', segnet sie ebenfalls — Der hl. Januarius.“

Seit dem Tage, an dem ich erfuhr, daß die hl. Magdalena‑Sofia im selben Jahr wie die hl. Theresia vom Kinde Jesu heiliggesprochen wurde, war ich über die „kleine Heilige“ verärgert und hegte Groll gegen sie. Warum hat sie die ganze Popularität für sich allein in Anspruch genommen? Warum ist sie so berühmt geworden, daß andere neben ihr verblaßten? Konnte sie denn in ihrem kurzen Leben mehr für Gott tun als Magdalena‑Sofia, die ihr überaus schweres Kreuz ganze 86 Jahre lang geduldig und still trug? Warum hat der fröhliche „Rosenregen“ das Heldentum eines anderen Lebens für die Welt unsichtbar gemacht? Um all diese Fragen führte ich, etwas kindlich vielleicht, aber dafür verbissen, in meinem Herzen einen Rechtsstreit gegen die fröhliche kleine Heilige. Ich wollte sie weder kennen noch lieben, denn ich war der Ansicht, daß sie meinem hl. Mütterchen Unrecht getan hat — wenn auch ungewollt.

Dies hielt ich vor meiner Heiligen auch nicht geheim. Sooft sie die kleine Theresia ins Gespräch brachte, platzte ich mit immer neuen Klagen heraus. Als diese mich einmal durch mein hl. Mütterchen fragen ließ, ob ich möchte, daß sie zu mir kommt, antwortete ich ihr sogar, ich wolle sie nicht sehen, ich liebte sie nicht und würde sie auch niemals lieben.

Einige Tage später sah ich dann, kurz bevor mein hl. Mütterchen zu mir kam, die hl. Theresia vor mir stehen. Ich war völlig überrascht. Sie lief fröhlich, rosig und wunderschön auf mich zu, küßte mich lachend auf die Wange und entschwand lachend wieder. Sie wirkte so mädchenhaft, so hell und angenehm, daß ich mit einem Mal spürte, wie mein ganzer Groll und mein Widerwille mit ihr zusammen verschwanden. Mein hl. Mütterchen erschien gleich danach, und ich hatte den Eindruck, daß auch sie sich amüsierte. Sie lächelte und fragte, ob ich jetzt endlich die kleine Heilige auch so lieb haben könne wie der ganze Himmel. Ich sagte ja und bat darum, daß sie irgendwann einmal wiederkommen und länger bleiben möge.

Sie kam dann auch öfter und erzählte mir viele verschiedene Dinge. Man kann sich niemanden vorstellen, der angenehmer, lieblicher, fröhlicher sein könnte als dieser Liebling des Himmels. Sie ist wunderschön! Ihre Augen blicken unschuldig und voller Freude, ihr Teint ist rosig. In ihrem Verhalten ist etwas von der fröhlichen Vertrautheit eines geliebten, verwöhnten Kindes. Ich sehe sie jedesmal in der Ordenstracht, genau so, wie man sie von den Altären her kennt. Seitdem sie mir aber erschienen ist, finde ich sämtliche Abbildungen von ihr grau, nichtssagend und unähnlich. Wer die kleine hl. Therese noch nie lachen sah, weiß nichts über sie! Sie ist das Lächeln selbst. Vielleicht haftet an ihr noch der Abglanz des Lächelns der heiligsten Jungfrau, das sie als Kind gesehen hat?

Sie sagte, sie wolle und werde mir sehr dabei helfen, die Verehrung meines hl. Mütterchens zu fördern. Sie erklärte mir, daß es ihr bestimmt gewesen wäre, als erste auf der Erde zu wirken, obwohl sie später gelebt habe und die Jüngere sei. Erst jetzt sei mein hl. Mütterchen an der Reihe. Sie lachte über meine menschliche Beurteilung dieser Angelegenheit. Der Himmel habe Zeit für alles und alles geschehe zur rechten Zeit.

Sie sagte, daß sie im Kreis der Freude wohne, weil nach dem Gesetz jeder, der im Leben keine sorglose Kindheit gehabt habe, im Himmel eine überaus freudige und angenehme Kindheit erlebe. Der Kreis der Freude sei ihr jedoch nicht genug. Da sie besondere Privilegien genieße, wandere sie von Kreis zu Kreis, und in jedem werde sie mit gleich großer Freude empfangen. Einmal sagte mein hl. Mütterchen über sie:

„Du kannst dir nicht vorstellen, was für eine das ist, diese kleine Theresia! Sie ist überall. Alles muß sie wissen, wohin man sich auch wendet, sie ist schon da! Aber alle sind verrückt nach ihr. Sie ist unser Nesthäkchen.“

Ich weiß auch, daß die kleine hl. Theresia so etwas wie eine himmlische Kindergärtnerin ist. Sie betreut die Seelen aller verstorbenen Kinder. Sie ist auch die Beschützerin kindlicher Freude. Und Kinder, die auf der Erde traurig oder krank sind, finden bei ihr immer Schutz. Einmal sagte sie mir, daß ihr Rosenregen zwar in die Hände der Menschen gefallen sei, ihre Herzen aber nicht erreicht habe. Jeder, dem sie etwas Gutes getan habe, sei schnell weitergegangen, ohne zu bedenken, daß erwiesene Gnade dazu verpflichtet, zumindest einen Augenblick lang über das künftige jenseitige Leben nachzudenken. Die größte Freude habe sie an denen, die ihre Freundschaft wünschen, ohne von ihr zu profitieren, die nicht um materielle Hilfe bitten, denn darum bitten die meisten, sondern die sich aus Liebe zu ihr bemühen, ihre innere Einstellung der Einstellung ihrer Freundin anzupassen.

Ihrer Ansicht nach macht sich zur Zeit unter den Ungläubigen auf der Erde eine gewisse Unruhe bemerkbar. Diese Unruhe wirft sie aus ihrem faulen, inneren Gleichgewicht, verwirrt ihre falsche Art zu denken, zwingt sie, da sie nun beunruhigt und verunsichert sind, nach den ewigen Gesetzen Gottes zu suchen, sich nach ihnen zu sehnen, um schließlich doch noch zu ihnen zu gelangen.

Es wundert mich gar nicht, daß sie im ganzen Himmel so sehr beliebt ist! Wen dieses überaus fröhliche Kind des Himmels einmal ansieht, wen es einmal anlächelt, der muß es für immer auf eine freudige und kindliche Art liebhaben.

Einmal brachte mir jemand ein Buch über Pierre‑Giorgio Frassati. Diese hübsche jugendliche Gestalt interessierte und beschäftigte mich sehr, und ich fragte mein hl. Mütterlein, ob ich ihn vielleicht sehen könne. Einige Zeit später erschien er mir, fröhlich und glücklich. Er erzählte, daß er Gott über alles geliebt habe und daß es ihm deshalb jetzt im Himmel so gut gehe. Ich sagte ihm daraufhin, daß es für ihn leicht gewesen sein müsse, sich der Armen anzunehmen und ihnen Gutes zu tun, denn er sei schließlich reich und beliebt gewesen. Er entgegnete, alle seine Freunde hätten ihn wirklich geliebt, aber nicht wegen seines Reichtums, sondern wegen seine Werke und Entsagungen. Viele hätten ihn für einen Sonderling gehalten. Er habe das Leben gemocht, und die Menschen hätten ihn zum Leben hingezogen. Er sei nicht immer fröhlich und gutgelaunt gewesen, habe sich jedoch stets bemüht, den anderen zu gefallen, denn je mehr er die Sympathie seiner Freunde gewonnen habe, desto größeren Einfluß habe er auf ihre Seelen nehmen können. Sein Leben sei zwar nicht besonders genußvoll, aber zumindest ruhig verlaufen. Er habe den Armen und Unglücklichen mehr freie Zeit gewidmet als dem Vergnügen. Er habe sich immer bemüht, anderen Freude zu bereiten und zum Dank dafür habe er nach und nach von ihnen gefordert, ihr Leben zu verändern. Er wünsche sich sehr, den Menschen, vor allem seinen lebenden Kollegen zu helfen. Er sagte mir, ich sei ihm physisch etwas ähnlich und er wolle mich seiner Schwester vorstellen. Diese Ähnlichkeit würde sie erfreuen.

Die hl. Jeanne d'Arc erschien mir auf eine höchst merkwürdige Weise. Sie stand wortlos vor mir und hielt irgend eine flammende Blume in der Hand. Nach einer Weile brachen um sie herum lodernde Flammen aus. Sie ergossen sich über den Fußboden, wurden größer, intensiver, kamen zu meinem höchsten Erstaunen bis an mich heran und schließlich stand das ganze Zimmer in Flammen. Obwohl es jetzt vom Fußboden bis zur Decke mit zitternden Feuerzungen ausgefüllt war, spürte ich überhaupt keine Hitze.

Die Röte des Feuerscheins drang durch die Spalten ins Nebenzimmer, wo Bucia sich gerade aufhielt. Erschrocken schrie sie auf, weil sie dachte, das Zimmer habe von der Lampe auf meinem kleinen Altar Feuer gefangen. Ich weiß selbst nicht mehr, mit welchen Worten ich sie durch die geschlossene Tür hindurch beruhigte, denn ich starrte wie gebannt auf diese herrliche Gestalt inmitten der Flammen. Sie hatte keine Waffen bei sich und trug nur ein weißes Gewand. Im ersten Moment dachte ich, daß sie auf dem Kopf einen engen Helm aus Kupfer trägt. Erst später stellte ich fest, daß dieser glänzende Helm ihre Haare waren. Die hl. Johanna hat überaus hübsches goldglänzend‑rotes Haar. Pechschwarze, schräggestellte Augen schauen mit leuchtender, durchdringender Kraft unter schwarzen, ungewöhnlich schräggestellten Augenbrauen hervor. Sie strahlt eine absolut außergewöhnliche Würde aus. Und Kraft. Vor allem Kraft. Wie eine Mischung aus Frau und Erzengel zugleich. Ich kann es nicht erklären.

„Der Scheiterhaufen ist bereits vorbereitet, doch nichts verbrennt in seiner Glut“, hörte ich. „Es ist die Glut der Liebe im Herzen Jesu. Wer von diesem Feuer erfaßt wird, wird ewig glücklich sein. Es kommen sehr schwierige und bedrückende Zeiten heran. Um zu siegen, bedarf es ritterlicher Kraft, sowohl geistig als auch körperlich. Denke daran, nicht allein Frankreich, sondern jedes Land, das sich im Namen Jesu Christi an mich wendet, wird meine Hilfe erhalten. In deinem Land Polen werden Helle Geister die Menschen seelisch und körperlich stärken. In Zeiten der Gefahr wird sich das ganze Land in der Obhut von Geistern befinden. Wer den hellen Geistern folgt, wird siegen. Die dunklen führen euch in Schmach, Schande und Unfreiheit. In wichtigen Augenblicken werde ich selbst zu dir kommen. Ich segne dich, Fulla, und ganz Polen.“

Kein anderer Heiliger ist mir jemals auf so merkwürdige Weise erschienen wie sie. Und auch sie war nur beim ersten Mal so. Später kam sie dann schon ganz normal, wie die anderen.

Ich habe meinen Namen nie gemocht. Seit frühester Kindheit nannte man mich Fulla, deshalb hat mich auch der hl. Stephan nie besonders interessiert, obwohl ich wußte, daß er mein Namenspatron ist.

Und selbst als meine Beziehungen zu den Heiligen auf so ungewöhnliche Art immer enger wurden, dachte ich noch nicht an ihn. Erst mein hl. Mütterchen machte mich auf ihn aufmerksam und sagte, daß der hl. Stephan den starken Wunsch habe, zu mir zu kommen, ich müsse ihn aber selbst innig darum bitten.

Das erste Mal erschien er mir in einem königlichen Gewand. Auf dem Kopf trug er die heilige Krone Ungarns. Seine ganze Gestalt strahlte Intelligenz und Würde aus. Er sagte mir, daß er mich schon seit langem betreue, daß er mir helfen wolle und könne, da er selbst ein hervorragender Organisator gewesen sei. Wenn man ihn anrufe, schenke er nicht nur positive Impulse, sondern verstärke auch das Denkvermögen, den Scharfsinn und die Schnelligkeit des Handelns.

Ich fragte, ob es für ihn angenehm gewesen sei, König zu sein. Daraufhin sagte er, dies habe ihn gewaltig an seiner geistigen Entwicklung gehindert. Er habe leichten Zugang zu den Genüssen dieser Welt gehabt, zu denen ihn seine Jugend und das Beispiel seiner Umgebung hingezogen hätten. Deshalb sei es schmerzhaft für ihn gewesen, die Genußsucht, den Hang zu Bequemlichkeit und Luxus in sich zu bezähmen. Ein König müsse schließlich Reichtum zeigen, genauso wie er im Stillen wirken, weise sein und sein Volk lieben müsse. Christus sei unter allen Königen der reichste, denn er könne großzügig geben, ohne daß sein Reichtum abnehme. Weiter sei er der leiseste, denn er sei bereit, den Menschen insgeheim alles zu geben, worum sie ihn bitten. Der weiseste, denn er gebe stets genau das, was jemand nötig hat. Der barmherzigste, denn er gebe gern, obwohl es den Menschen nicht immer in den Sinn komme, zu bitten.

König Stephan war ein unerschrockener, unbeugsamer Ritter und durch ihn können labile Menschen innerlich sehr stark werden. Man muß ihn nur in einem innigen Gebet anrufen.

Wenn du meine ständige Betreuung wünschst, mußt du mich oft bitten, zu dir zu kommen. Es genügt, wenn du sprichst: Heiliger Stephan, ich empfehle mich deiner Obhut!

Ich sehe ihn oft, meistens wie ein Ritter gekleidet. Er verhält sich mir gegenüber stets gütig und herzlich. In ihm sind die Sanftmut eines Heiligen und die Kraft eines Ritters vereint. Ich liebe den hl. Stephan sehr! Dem hl. Nikolaus war ich schon als Kind sehr zugetan. Natürlich war es damals jener Nikolaus, der den Kindern die Geschenke unter das Kopfkissen legte. Als mir mein hl. Mütterchen verkündete, daß der wirkliche hl. Nikolaus zu mir kommen wolle, bat ich darum, er möge sich nicht so zeigen, wie er wirklich ist, sondern so, wie ich ihn mir als Kind vorgestellt habe.

Also kam er als ein grauhaariger, pausbäckiger alter Mann mit Bischofsmütze und Bischofsstab — genau so, aber auch ganz genau so, wie ihn Kinder lieben. Er ist der Liebste der Welt! Ich mag ihn schrecklich gern. Er ist überhaupt nicht einschüchternd — im Gegenteil, er scheint selbst etwas schüchtern zu sein. Er spricht sehr schnell und hat es immer eilig. Mich nennt er „Fulka“. Er wollte, daß ich ihn „hl. Miku“ nenne, das sei kürzer, aber ich sage lieber „Mikolajek“. Er ist sehr temperamentvoll und lustig und hat permanent zu wenig Zeit. Er habe so viele Sachen im Kopf, sagt er. Unglaublich lieb ist er!

Er sagte mir, daß es falsch sei, Kinder wegen der Legende über ihn und seine Geschenke zu enttäuschen. Warum erzählt man ihnen, daß nicht er es sei, der die Gaben bringt? Aber er ist es doch! Wer gibt den Menschen wohl die richtigen Ideen ein, damit sie den Kindern gerade das schenken, was diese sich am meisten wünschen? Wer hat denn bewirkt, daß der Brauch, sich an seinem Feiertag gegenseitig zu beschenken, in der Welt so verbreitet ist? Kein anderer als er!

„Sage den Menschen, Fulla, daß ich ein Heiliger der Gaben bin. Nicht nur Kinder können mich bitten, auch Erwachsene. Ganz gleich, wer es ist, der sich gläubig an mich wendet und um etwas bittet, er wird es bekommen! Ich bereite den Menschen so gern Freude! Sie müssen mich nur bitten.“

Und wirklich, sooft jemand, der sehr arm war, zu mir kam und um Geld, Kleidung oder Essen bat, betete ich, wenn ich selbst nicht helfen konnte, zum hl. Nikolaus. Es geschah in solchen Fällen jedesmal, daß andere von selbst zu mir kamen, um mir genau das zu bringen, was ich für die Armen gerade brauchte. Kurze Zeit später pflegte dann der hl. Nikolaus zu erscheinen, vergnügt und äußerst zufrieden mit sich selbst. Sobald ich dann aber versuchte, ihm zu danken, wehrte er jovial und ungeduldig ab. Er erscheint mir ziemlich oft, wahrscheinlich deshalb, weil er weiß, daß ich ihn so sehr liebe. Auf naive, kindgerechte Art erklärt er mir manchmal Dinge, die ich nicht verstehe. In solchen Fällen, meint er, müsse man sich nach dem Herzen, nicht nach dem Kopf richten.

„Fulka, Fulka, sage mir, was du brauchst! Ich kann es dir geben! Hier und da flüstere ich etwas ein, inspiriere und lenke ein wenig — und schon geschieht es! Ich mag dich, Fulka. Sprich, denn ich muß mich beeilen!“

Wenn ich ihn in wenigen Worten beschreiben müßte, würde ich sagen, daß er aus Güte, Großzügigkeit, Freude und Eile besteht. Er erscheint nicht und entschwindet, sondern er stürzt herein und hinaus. Immer beschäftigt, immer in Eile, immer an andere denkend, mein allerliebster heiliger „Mikolajek“!

Als der hl. Johannes Bosco mir zum ersten Mal erschien, kannte ich seinen Lebenslauf noch nicht. Erst später, als ich ihn liebgewonnen hatte, las ich viele Bücher über ihn. Keines der Bücher über ihn vermittelt jedoch auch nur annähernd einen Eindruck von seiner Person. Die Begeisterung, den Witz und die funkelnde Freude, die seine dunklen Augen ausstrahlen, kann niemand beschreiben. Er ist so lebhaft und temperamentvoll, daß er nicht einen Augenblick lang stillstehen kann. Es interessiert ihn alles gleichzeitig. Wenn er etwas fragt, beantwortet er seine Frage sofort selbst, weil es ihm zu lange dauert, eine Antwort abzuwarten. Er ist sehr gesprächig und wirkt so natürlich und lebendig, daß man in seiner Gegenwart tatsächlich vergißt, einen Geist und nicht einen Menschen vor sich zu haben. Man könnte ihn als die Verkörperung von Energie, Erfindungsgabe und Intelligenz bezeichnen. Er hat mir viel über sein Leben erzählt, besonders über seinen Umgang mit Heiligen. Er habe sein Leben lang regen Kontakt zum Himmel gehabt, da jedoch der überwiegende Teil seiner Aufzeichnungen vernichtet worden sei, enthielten die Bücher über ihn keine eindeutigen Aussagen darüber. Er möchte mir die wundervolle „Kunst des Zauberns“ beibringen, die ihm alles im Leben erleichtert und die er sich durch Selbstlosigkeit erworben habe. Es sei die Belohnung dafür gewesen, daß er sich selbst vergaß. Er sei sozusagen unbemerkt durchs Leben gegangen, sichtbar sei nur sein großes Werk gewesen.

„Der Glaube vermag alles, Fulla, alles! Nur daß die Menschen nicht glauben können. Ich habe geglaubt, und deshalb war alles so, wie es war.“

Der heilige Johannes Bosco hat sehr großen Einfluß im Himmel. Die stets hilfreiche heiligste Jungfrau liebt ihren vertrauten „Zauberkünstler“, ihren fröhlichen „Pfiffikus“, den unnachgiebigen Bittsteller von einst, der mit seinem Gebet — um was auch immer — nicht aufzuhören pflegte, bevor es von ihr erhört worden war! Gegen jegliche Vernunft und ungeachtet der wahren Zustände, betete er unaufhörlich — und bekam! Genauso macht er es auch jetzt im Himmel!

Andere Heilige sind fröhlich, der hl. Johannes aber ist lustig. Sein Humor könnte die schwärzeste Trauer und Depression vertreiben. Er hat bei mir schon viel Überraschendes und Merkwürdiges getan. Er sagt immer, er habe seine Karriere mit artistischen Gaukeleien begonnen und auf diese verzichte er bis heute nicht. Manchmal verspricht er mir beim Weggehen, er werde einen kunstvollen Streich spielen, wenn irgendwelche Zweifler da sind.

Ich erinnere mich, daß sich einmal eine bestimmte Dame über meinen „Kult um irgend so eine französische Heilige“ wunderte und daraufhin das über dem Sofa hängende Bild auf ihre Knie fiel, nachdem es sich einige Male in der Luft gedreht hatte. Der Nagel war nicht herausgefallen, die Öse war unbeschädigt und das Bild hatte sich auch nicht an der Wand entlanggeschoben, sondern es kam durch die Luft geflogen etwa einen halben Meter von der Wand entfernt. Ein anderes Mal, als sich jemand nicht würdevoll genug über die hl. Teresia äußerte, fiel ihm eine Schachtel auf den Kopf, obwohl er von dem Schrank, auf dem sie stand, weit entfernt saß. An einen weiteren Fall kann ich mich erinnern, daß eine Dame sich bei mir beklagte, daß sie niemals „solche Dinge“ erlebe. In diesem Augenblick begannen von allen Kerzen auf meinem kleinen Altar Funken aufzusteigen, gerade und in gleichmäßigen Abständen nach oben, bis an die Decke. Das dauerte gut einige Sekunden. Später bekannte sich der hl. Johannes von selbst zu diesen naiven Scherzen.

„Es macht nichts, wenn du kein Geld hast! Du brauchst nur einen guten Willen, Liebe und Demut, dann erreichst du alles, was du willst. Zu einem passenden Zeitpunkt werde ich dir helfen, einen schönen Altar für dein hl. Mütterchen zu bekommen.“

Der hl. Johannes ist mir ein überaus angenehmer, lieber Freund! Auf seine „magische“ Art bringt er Menschen, die sonst schwer zu gewinnen sind, dazu, ihre widerstrebende Haltung der himmlischen Gnade gegenüber aufzugeben.

Kardinal Mercier scherzt auch sehr gerne. Er macht es anders als der hl. Don Bosco, und zwar ist er ganz ernst dabei. Das bringt mich manchmal in Verlegenheit, da ich nicht weiß, ob er das, was er in diesem Augenblick sagt, ernst meint oder ob er scherzt.

In seiner Art zu scherzen ist — zumindest war es am Anfang so — ein bestimmtes System und ein Ziel. Heute verstehe ich es, damals jedoch wurde ich oft verwirrt und aus dem Gleichgewicht gebracht.

Sowohl mein hl. Mütterlein als auch Kardinal Mercier hatten die Aufgabe, mich quasi geistig zu erziehen und auszubilden. Ich absolvierte, wie es der Kardinal selbst beschrieb, ein Studium an der „himmlischen Universität“, und die Liebe, die mein schwach gewordenes Herz für mein hl. Mütterlein empfand, die Heftigkeit und Habgier dieser Liebe waren meiner inneren Entwicklung offenbar nicht förderlich.

Es gab eine Zeit, da mich jeder Besuch von ihr, jede Erinnerung an sie und jede Kleinigkeit, die in irgendeinem Zusammenhang mit ihr stand, dermaßen aufwühlten, daß meine Nerven dadurch geschwächt wurden. Ich brauchte nur zu denken, daß sie einmal klein war, und schon brach ich in Tränen aus. Ich weinte aus Wehmut, daß ich nicht nach Jette fahren und ihr Grab besuchen konnte und der Gedanke, daß ich ihren unversehrt gebliebenen Körper in einem gläsernen Sarg hätte sehen können und mich dann doch wieder von diesem Sarg hätte losreißen müssen, lähmte mich geradezu. Da das sanfte und liebevolle Zureden meines geliebten hl. Mütterleins diese Zustände nur für sehr kurze Zeit beseitigen konnte, trat hier der Kardinal auf den Plan und machte sich auf seine Weise daran, für Ausgeglichenheit in mir zu sorgen.

Sein nüchterner, oft sogar leicht spöttischer Ton und seine Scherze bewirkten bald, daß ich mich dieser Äußerungen meiner Liebe zu schämen begann. Mit seinem klugen, gutmütigen Lächeln hielt er mir nämlich jeden, sogar den geheimsten diesbezüglichen Gedanken, jedes übertriebene Zeichen von Rührung und jedes allzu wehmütige Wort vor. Ich war seinem durchdringenden Blick wehrlos ausgeliefert. Nichts konnte ich verbergen. Es war, als ob alle meine Reaktionen von ihm kontrolliert würden. Ich fühlte mich wie jemand, der weiß, daß er ständig aufmerksam beobachtet wird, auch wenn er es nicht merkt. Sachlich, wie ein Lehrer, der mit seinem Schüler die Hausaufgaben bespricht, zählte er mir dann jedes falsche Verhalten auf und betonte die Lächerlichkeit dieser gefühlsmäßigen Übertreibung — mit einem Wort, er pflegte mich jedesmal mit kaltem Wasser zu übergießen.

Am Anfang tat es mir nur weh, aber dann begann ich ärgerlich zu werden. Durch das liebevolle und geduldige Verhalten meines hl. Mütterchens arg verwöhnt, sträubte ich mich gegen die Vorhaltungen des Kardinals. Zwar stand er mir nahe und ich mochte ihn sehr, ich fühlte mich jedoch als ausschließliches Eigentum meines hl. Mütterchens und war der Ansicht, niemand außer ihr habe das Recht, sich in dieser Angelegenheit zu äußern. Sie gingen beide sehr unterschiedlich mit mir um und dieser Unterschied kam so deutlich zum Ausdruck, daß meine trotzige, eigensinnige Natur heftig protestierte. Bis ich schließlich, nach einem strengeren Auftritt des Kardinals, endgültig beleidigt war. Weinend verkündete ich ihm, ich wünsche nicht mehr, daß er zu mir käme, da er mich ja doch nur wegen meiner Liebe zu meinem hl. Mütterlein auslachen und verspotten wolle.

Ganz ruhig erklärte er mir daraufhin, er werde mich also solange nicht mehr besuchen, bis ich ihn selbst darum bitten würde — und verschwand.

Ich verharrte im Trotz. Wie ein Bock. Ich litt sehr darunter, denn ich hatte meinen guten Deza sehr lieb. Ich sehnte mich nach ihm und zitterte gleichzeitig bei dem Gedanken, daß er auch diese Sehnsucht wie alles andere in mir sehen könne, daß er also von ihr wisse, sich bestimmt auf seine Art darüber lustig mache und geradezu froh sei über meine selbst verursachte Traurigkeit.

Meine liebste hl. Mutter hatte damals viel Mühe mit mir und machte sich große Sorgen. Wenn sie mir geheißen hätte, mich bei meinem Betreuer zu entschuldigen, hätte ich es selbstverständlich ohne zu zögern getan. Sie wollte jedoch, daß ich mich selbst überwinde und nicht unter dem Druck ihres Befehls handle. Sanft und geduldig versuchte sie mich deshalb, auf unterschiedliche Weise zu beeinflussen. Sie mißbilligte grundsätzlich jede Widerspenstigkeit und Bockigkeit, sprach vom Wert der Reue und vom Nutzen, der aus jeder Überwindung der eigenen Natur erwächst — umsonst! Meiner eigenen Sehnsucht zum Trotz und nicht auf die innere Stimme hörend, die mir sagte, daß ich es doch eigentlich machen sollte, blieb ich weiterhin verbissen und stur.

Zu diesem Zeitpunkt nahm sich der hl. Januarius dieser Sache an. Er kam, um zwischen uns zu vermitteln. In ernstem, gewichtigem Ton teilte er mir zu allererst mit, daß mein Deza mir trotz allem nicht böse, aber traurig sei über meine Hartnäckigkeit. Obwohl ich mich nicht bei ihm entschuldigen wolle, stehe er mir nach wie vor helfend zur Seite und habe mich inzwischen vor einem Unfall bewahrt. Er warte geduldig auf den Sieg meiner Vernunft und meines Herzens.

Mit dem hl. Januarius kann man keine Scherze machen. In seiner Gegenwart erschien mir mein Konflikt mit dem Kardinal plötzlich nichtig, und ich hätte nicht gewagt, ihm von meiner Kränkung oder Traurigkeit zu erzählen, wie ich es z. B. meinem heiligen Mütterchen erzählen konnte. Er hätte es überhaupt nicht verstanden. Deshalb versuchte ich gar nicht erst, ihm etwas zu erklären. Als ich aber hörte, was Deza für mich getan hatte, fing ich an zu weinen. Wahrscheinlich habe ich damals so deutlich wie noch nie gespürt, wie sehr ich diesen allerbesten Betreuer liebe. Ich war sofort bereit, ihn um Verzeihung zu bitten, wußte aber noch nicht, wie ich mich ehrenhaft aus der Affäre ziehen konnte.

Und da — ganz unerwartet, ohne jeglichen Übergang — sah ich statt des hl. Januarius Deza vor mir stehen. Er lächelte nachsichtig, benahm sich etwas steif und abwartend, aber sonst war er wie immer, ausgesprochen freundlich, und ich hatte ihn so lange nicht gesehen!

Ich kann mich selbst nicht mehr erinnern, wie meine Entschuldigung aussah. Ich weiß nur, daß ich weinen mußte und der Kardinal dann meinen Kopf zärtlich an seine Brust drückte und meine Wange streichelte, um mich zu beruhigen. Er tat es auf seine Art, nicht sentimental, nicht rührselig. Er schaute mich augenzwinkernd an und sagte mit bewußt übertriebenem Triumph in der Stimme: „Siehst du, du kannst doch nicht ohne mich leben!“ Da lachten wir beide. Dank der systematischen Führung durch den Kardinal sah ich mit der Zeit selbst, wie komisch meine übertriebenen Gefühlsausbrüche waren. Da war nichts zu machen, man mußte sich beherrschen und es sich abgewöhnen.

Obwohl er nun sein Ziel erreicht hatte, änderte der Kardinal sein Verhalten mir gegenüber nicht. Dies geschehe, um die Güte und Nachsicht meines hl. Mütterchens auszugleichen, das mich seiner Meinung nach zu sehr verwöhne, behauptet er. Ihm selbst käme so etwas nicht in den Sinn. Er sagt immer deutlich und gerade heraus, was er mir vorzuwerfen hat, was er von mir verlangt und wie ich sein sollte. Er nimmt kein Blatt vor den Mund. Außerdem spricht er entweder sehr ernsthaft oder im Scherz, einen dazwischen liegenden Ton scheint er nicht zu kennen. Manchmal liebt er es, mich zu necken. Dann nennt er mich „Stefania“, weil er weiß, daß ich meinen Vornamen nicht leiden kann. „Du darfst dafür ,Desiderius' zu mir sagen. Das mag ich auch nicht.“ So ist er, mein Deza!

Und wie könnte man mein hl. Mütterchen beschreiben?

Nein, ich versuche es erst gar nicht! Das geht nicht. Ich liebe, verehre, und bewundere sie zu sehr. Ihre Schönheit, Lieblichkeit, Intelligenz und Güte blenden mich zu sehr, als daß ich versuchen könnte, Worte dafür zu finden. Ich liebe sie.

Diese Liebe hat mich ohne jegliche Vorbereitung überfallen. Ich habe sie direkt vom Himmel empfangen, ohne mein eigenes Verdienst, ohne jegliche Vorwarnung — plötzlich. Nicht ganz auf einmal erhielt ich sie, denn das hätte ich nicht ertragen. Langsam, Tag für Tag, Monat für Monat, wurde ich mit ihrer zunehmenden Intensität vertraut.

Erst nach dieser Liebe floß die einzige Wahrheit der Welt, die Liebe Jesu, auf mich herab! Ich habe sie mir nicht erarbeitet oder durch irgendwelche Taten erworben. Wer diese Liebe nicht kennt, weiß überhaupt nichts über die Liebe. Heute besitze ich alles, wonach die Menschen suchen. Ich bekam alles durch die Vermittlung des hl. Mütterchens. Kann es überhaupt Worte geben, die ich als ihrer würdig erachten könnte? Ich liebe sie, darin ist alles enthalten, was ich über sie sagen könnte.

Dagegen konnte mir ihr Bruder, der Priester Louis Barat, viel über sie berichten. Er erschien mir einige Male und erzählte auf meine innige Bitte hin von ihrer Kindheit. Ich habe alles notiert:

„Sie war sehr hübsch, schon als kleines Kind. Ihr Mund war vollkommen rund, sie hatte helles Haar und schöne Augen, mit denen sie sehr aufmerksam blicken konnte, besonders auf Erwachsene. Sie ist nahezu ,wild' aufgewachsen. Zuerst hat sich niemand mit ihr befaßt. Sie konnte herumlaufen, wo sie wollte, im Garten und im Weinberg. Dort, in der Natur, hat sie auch das meiste gelernt.

Ungewöhnliche Gutmütigkeit, Gehorsam ihren Eltern gegenüber und Bescheidenheit — das war es, was vor allem anderen auffällig war an ihr. Sie besaß eine Ernsthaftigkeit, die für ein Kind selten ist, und war gleichzeitig fröhlich und gut gelaunt. Ihre Liebe zur Wahrheit, ihre Anmut und Natürlichkeit erstaunten jeden, der sie kennenlernte.

Auch als sie noch nicht sprechen konnte, empfand sie schon tiefe Dankbarkeit Gott gegenüber für all die Schönheit der Natur, in der sie aufwuchs und lebte. Diese Dankbarkeit füllte ihre kleine, leidenschaftliche Seele aus, seit sie zu denken begann. Als kleines Kind saß sie oft da, in Gedanken versunken, und schaute mit weit geöffneten Augen in die Welt. Überall und mit jedem Schritt sah sie nämlich die Allmacht des Schöpfers und machte sich diese bewußt. Sie konnte auch schon als ganz kleines Mädchen die große Macht der Liebe des Herzens Jesu zu den Menschen begreifen. Deshalb wollte sie ihm mit ihrem ganzen Herzen, an jedem Tag und in jeder Stunde ihres Lebens ihre Dankbarkeit erweisen. Sie wollte ihm dienen, wollte ihm helfen, wollte ihn immer mehr lieben...

Sie liebte im übrigen alles, was Gott erschaffen hat, und hatte zu Tieren ein freundschaftliches Verhältnis. Sie hatte ein Schaf, das ihr wie ein Hund nachlief. Es war der treueste Freund ihrer Kindheit. Mit zunehmendem Alter wurde ihre Demut und Liebe zu Gott immer tiefer. Je älter sie wurde, desto gebildeter und reifer wurde ihr Verstand.

Später gehörte sie zu den meistgebildeten Frauen ihrer Epoche. Sie sprach fließend spanisch, deutsch, englisch und italienisch. Griechisch und Latein konnte sie so gut, daß es ihr keine Schwierigkeiten bereitete, die alten Originaltexte zu lesen. Sie war eine unvergleichlich gute Organisatorin. Sie war eine der fähigsten Pädagogen ihrer Zeit.

In Krisenzeiten, die Gott ihr reichlich zukommen ließ, verlor sie nie den Mut. Sie gab sich nie der Verzweiflung hin, sondern vertiefte sich mit noch größerem Glauben und noch größerer Andacht in das Gebet zum Heiligsten Herzen.

Als sie im Alter von fünfzig Jahren des Lebens müde war und sich mit ganzem Herzen nach der Verbindung mit Gott sehnte, wurde sie schwer krank. Da erschien ihr unser Herr Jesus und fragte, ob sie lieber den Tod oder weitere Arbeit für ihn wählen wolle. Ihre opferbereite Liebe überwand diese große Todessehnsucht. Sie wählte das Leben. Noch sechsunddreißig Jahre lang, bis ins hohe Alter, arbeitete sie ohne Rast für die Belange Gottes auf Erden. Sie starb am Himmelfahrtstag des Jahres 1865. Gott gestattete nicht, daß ihr jungfräulicher Körper der Verwesung anheimfiel.

Die hl. Magdalena‑Sofia ist eine Heilige, deren Wirken in das jetzt herankommende Zeitalter fällt. Sie soll die Fackel der weltumfassenden Liebe des Herzens Jesu auf der Erde entzünden. Die hl. Magdalena‑Sofia wird einst die Patronin der weiblichen Jugend der ganzen Welt sein. Die hl. Magdalena‑Sofia soll die Menschen mit der Gemeinschaft der Heiligen vertraut machen und ihnen den richtigen Weg zu einer geistgen Verbindung mit der Triumphierenden Kirche weisen. Sie soll die Grundlage für die neue, dritte Epoche des heiligen Geistes schaffen, die jetzt naht.“

6. Kapitel

„Suchet zuerst das Reich Gottes, dann wird euch all dies hinzugegeben werden ...“ (Lk 12, 31)

In den nachfolgend angeführten Antworten der hl. Magdalena‑Sofia auf eine ganze Reihe von Fragen und Problemen wurden die Vornamen, zuweilen auch die näheren Lebensumstände der betreffenden Personen geändert, um ihre Anonymität zu wahren. Von dieser Änderung sind selbstverständlich nur Einzelheiten betroffen, die auf den Sinn der Frage wie auch der Antwort keinerlei Einfluß haben. Es ging lediglich darum, jeden möglichen Hinweis auf eine der Personen zu verwischen.

Mit dem Frühjahr des Jahres 1936 begann Eva X., regelmäßig zu mir zu kommen und um Rat in einer schwierigen familiären Situation zu bitten. Sie war eine sehr vornehme, freiheitlich gesinnte Frau mit einem breitgefächerten Interesse für Kunst, Mutter eines Mädchens im Teenageralter und Ehefrau eines bekannten, sozial engagierten Funktionärs, mit dem sie seit 18 Jahren nur eine standesamtliche Trauung verband. Ihr Haus trug ein ausgesprochen antiklerikales Gepräge, es versammelten sich dort Menschen, die durch keinerlei religiöse „Vorurteile“ eingeengt waren, Menschen, deren einzige Religion die allgemein‑menschliche Ethik war. Eva wußte zunächst nicht, aus welcher Quelle meine Ratschläge kamen und bat mich, ihr bei familiären Schwierigkeiten zu helfen.

Ihr Vertrauen zu mir verdanke ich einem seltsamen Umstand. Einige Tage, bevor wir uns kennenlernten, träumte sie, sie sei auf einem Bahnhof. Als sie fieberhaft, aber ergebnislos ihren Zug suchte, traf sie eine junge Frau in einem grauen Mantel, die sie eine Zeitlang durch einen langen dunklen Tunnel führte und ihr dann den richtigen Weg zeigte. Der Traum war so deutlich, daß sie sich die Gesichtszüge dieser Jungen Frau merken konnte. Die Tatsache, daß sie in mir eben diese Führerin aus ihrem Traum erkannte, erschütterte sie heftig und bestätigte sie in der Meinung, mich um Rat und Hilfe bitten zu können. Als ICH mein hl. Mütterlein in dieser Angelegenheit befragte, erhielt ich folgende Antwort:

„Überlege es dir gut, Kind, ob du einer so schwierigen Aufgabe gewachsen bist. Du weißt bereits, wie falsch das Fundament ist, auf dem sie ihr Haus errichtet haben, und welche Dämonen dadurch ihre Seelen verfolgen. Das ist ihre Sache, beziehungsweise die des Ehemannes. Wenn du dich dazu entschließt, Fulla, wenn du es schaffst, deine persönlichen Ansichten über diese Familie zu überwinden, dann geh' und tue es, Kleines. Schaue nicht auf das Jetzt. Dein heiliger Betreuer wird dich besuchen und dir vernünftige Ratschläge geben. Geh' langsam, mit Klugheit und großer Herzlichkeit vor. Ich werde dir helfen. Es handelt sich um eine wichtige Angelegenheit, für die man ruhig ein wenig Leid auf sich nehmen kann. Überlege es dir bis Freitag, dann kannst du mir sagen, ob du diese Arbeit auf dich nehmen willst. Fühlst du dich stark genug, um zu verhindern, daß der Schaden eines anderen noch vermehrt wird? Wirst du bei allem, was du tust, diskret und gelassen bleiben können, und willst du diese Sache ohne jeglichen Egoismus behandeln? Ja, meine Kleine, ich belaste dich für unseren geliebten Herrn Jesus, aber wie angenehm es bei ihm ist, wie wohl es tut, mit ihm zusammenzuarbeiten, wirst du am Ende deines irdischen Weges nach einem guten Leben, erfahren.“

Mit Hilfe meines hl. Mütterchens wurde Eva nach kurzer Zeit gläubig, und ihr Glaube wurde immer tiefer und tiefer. Die standesamtliche Heirat, die sie vorher nicht störte, war plötzlich zu einem Hindernis geworden, das sie von der vollen Teilnahme am religiösen Leben abhielt. Viele Jahre lang hielt sie freiwillig die Tür vor Jesus verschlossen. Genauso wahrte er jetzt, während er sie an sich zog, kraft des Gesetzes seiner Kirche einen gewissen Abstand, um ihr die Möglichkeit zur Wiedergutmachung zu geben.

In der Karwoche suchte ich näheren Kontakt zu Evas Familie und bemühte mich, die Sympathie ihres Mannes zu gewinnen. Wir entdeckten viele gemeinsame Interessen und wurden sehr bald Freunde. Freilich verriet ich mit keinem Wort, mit welcher Absicht ich eigentlich zu ihnen gekommen war. Man konnte feststellen, daß die Sache hier nicht einfach werden würde, denn seine anderslautenden Überzeugungen waren in ihm tief verwurzelt und gründeten sich auf seine langjährige, durch absolut edle Gesinnung motivierte Tätigkeit. Ich war sehr vorsichtig und gab ihm Bücher zu lesen, die in ihrer Tendenz nicht so deutlich waren und trotzdem das ihre bewirken konnten. Es konnte ihm damals nicht entgangen sein, daß sich seine Frau immer mehr für religiöse Fragen interessierte, aber er hielt diese Tatsache nicht für besonders wichtig.

Mein hl. Mütterchen diktierte mir zu dieser Zeit das folgende Schreiben: „Sage Eva, daß es verschiede Arten von Idealisten gibt. In erster Linie streben sie Ruhm und geschäftliche Interessen an. Ihr Ehemann ist jedoch ein Mann, der die Menschen liebt, mit ihnen fühlt und das Gute für die anderen im Sinn hat. Er hat entdeckt, wo wirklich Unrecht geschieht. Er wurde vom Elend und Leid der Massen tief erschüttert und mußte leider feststellen, daß selbst diejenigen, die zur Nächstenliebe aufrufen, in Wirklichkeit oft anders handeln und kein gutes Beispiel abgeben. Und was ist aus all dem geworden? Nun, er hat sehr menschlich reagiert, war empört und verärgert, wollte strafen und wählte die falsche Arznei. Mit der Spreu entfernte er, unüberlegt und jähzornig, auch das Korn, das Wort Gottes. Mit seiner falschen Arznei vergiftete er viele, auch sein eigenes Haus, seine Familie. Zum Glück wirkt dieses Gift nicht sofort tödlich, es betäubt nur, und es ist deshalb möglich, ein Gegengift einzusetzen und das Übel, das er anderen zugefügt hat, wieder gutzumachen. Man muß unserem Herrn Jesus vertrauen. Er entlohnt auf königliche Weise. Für starke und gute Werke braucht man sich nicht zu schämen. Gott spricht schon seit langem zu seiner Seele. Er spricht und ruft, regt zu Taten an, solange es Zeit ist. Der Schaden muß repariert werden, zuerst bei ihm selbst, dann bei anderen. Die Huld Gottes und die Dankbarkeit der Menschen werden ihn bereits auf Erden von der Existenz des ewigen Lebens überzeugen.“ Eva gehörte verschiedenen Vereinen und Gesellschaften an, die eine klare antireligiöse Tendenz aufwiesen. Jetzt wünschte sie sich sehnlichst, offiziell aus diesen Institutionen auszutreten und diesen Schritt in Zeitungen öffentlich bekanntzugeben. Da diktierte mir mein hl. Mütterlein wie folgt:

„Eva soll sich etwas vorsichtiger verhalten. Aus Rücksicht auf ihre Familie muß sie gut überlegen, was sie tut. Zu allererst muß sie dahingehend wirken, daß der barmherzige Gott ihre Eheschließung in der Kirche segnet. Unser Herr Jesus wird für Eva noch in diesem Jahr viel Gutes bewirken, später dann noch mehr. Sie soll nur in allem entschlossen und aufrichtig vorgehen, sich ihrem Ehemann gegenüber liebevoll verhalten und mit nicht allzu großer Eile das Licht Gottes anstreben, dann wird sie ihre Trauung erreichen.“

Einige Zeit später diktierte mir mein hl. Mütterlein im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit:

„Eva ist von Angst ergriffen, aber ihre Seele befindet sich zu Füßen des Erlösers. Der Heilige Geist ist mit ihr, mit ihm wird sie durchhalten. Muntere sie ein wenig auf, meine Kleine. Der hl. Johannes vom Kreuz ist ihr Betreuer. Er hält sie ganz fest bei der Hand. Noch eine kleine Weile, und sie wird sich im heiligsten Herzen unseres Königs wiederfinden, ins Gebet versunken, gesund, den richtigen Weg beschreitend, nicht rückwärts schauend. Diese schnelle Reaktion auf den Ruf unseres barmherzigen Erlösers und Königs wird er selbst aufnehmen und belohnen. Die heiligsten Hände sind für Evas Sünden durchstochen worden, doch dieselben Hände werden sich ihr verzeihend und mit größter Liebe entgegenstrecken. Ich verrate dir nicht, was unser Herr Jesus für sie beschlossen hat, nur soviel, daß es für seine Belange von großem Nutzen sein wird.“

Mehr und mehr wurde Eva nun bewußt, wie groß die Schwierigkeiten auf dem Weg zur Regelung ihrer Ehe im Sinne der Kirche waren. Sie betete inständig und bat Gott verzweifelt um Hilfe. Während eines dieser Gebete erlebte sie eine Ekstase, die ihren Wunsch nach einer Verbindung mit Jesus in der Eucharistie noch verstärkte.

„Ich bin bei Eva“, diktierte mir mein hl. Mütterchen, „sie hat ihre Seele dem wahren Feuer zugewandt, und die Glut des heiligsten Herzens hat ihr Herz entflammt. Eva hat Gott erfahren. Vor dem König des Himmels und der Erde hat sie die Beichte bereits abgelegt. Jetzt soll noch die Reue und Buße vor dem Vertreter Jesu, einem Beichtvater, folgen. Nach dem Gebet des Herrn und dem Engelsgruß wird ihr der Heilige Geist helfen, sich ihre Sünden in einer Gewissenserforschung bewußt zu machen. Eva soll weit zurückdenken, an eine Zeit, als das Leben ihr viele Möglichkeiten bot. Eva weiß schon. Sie suchte Gott, ohne den Kopf dabei zu heben, suchte ihn auf der Erde und beugte ihre Knie vor Götzenbildern. Menschen, die ihr nahestanden, suchte sie in ähnlicher Weise zu beeinflussen. Wie war das mit den Feiertagen? Wo sind alle die ungehörten hl. Messen, das geistige Unrecht an der Familie, die Tötung göttlicher Grundsätze in ihrer eigenen und in fremden Seelen, ihre Wünsche, Gedanken, Reden und Taten, die die Reinheit ihrer Seele zunichte machten? Das Einverständnis zum Zusammenleben mit einem Mann ohne den Willen Jesu und ohne seinen Segen? Verärgerung, Hochmut, Faulheit, Eitelkeit, Zorn, Gleichgültigkeit, Versäumnisse im Hinblick auf gute Vorsätze? Möge sie herzliche Reue in sich wecken. Der liebende Jesus verzeiht doch und ruft dir von seinem Kreuz herab zu: ‘Komm, Eva!' Im Bußsakrament wird deine Seele geläutert, Tränen werden aus deinen Augen fließen, und die Sünde fällt von dir ab. Du wirst leicht und klar! Deine Augen werden vor Freude strahlen. Eva! Gehe hin zum Thron der Liebe, nimm unseren liebsten König in deine Seele auf und bleibe ohne Unterlaß mit ihm zusammen. Verhalte dich wie immer, vernachlässige deine Pflichten nicht. Wenn sie dich des Fanatismus und des Mystizismus beschuldigen, dich vielleicht sogar für nervenkrank halten, dann bleibe standhaft! Zeige ihnen, daß Gott mit seiner Liebe nicht tötet, sondern Frieden, Gelassenheit und inneres Gleichgewicht verleiht und die Arbeitsfähigkeit erhöht. Erfülle alle deine Pflichten gewissenhaft, die Kirche und religiöse Praktiken dürfen dich nicht davon abhalten. Ich werde bei dir sein. Fulla steht dir zur Seite. Mein geliebtes Kind hört meine Stimme und wird dir, Eva, eine Schwester sein.“

Als Eva ihr Problem dann endlich ihrem Mann schilderte und ihn um sein Einverständnis bat, ihre Verbindung durch die Kirche bestätigen zu lassen, traf sie auf eine entschiedene Absage. Auf die Empfehlung meines hl. Mütterchens verreiste sie daraufhin, um in völliger Einsamkeit ihr inneres Gleichgewicht zu finden und über ihr weiteres Vorgehen nachzudenken. Sie schrieb mir jeden Tag, und aus ihren Briefen sprach eine immer inniger werdende Sehnsucht nach Jesus.

Schließlich hatte ich das Gefühl, daß sie nun bereit war, das größte  Opfer für ihn zu bringen. Ich fragte sie, ob ihre Liebe zu Jesus stark genug sei, um ihm ihren Ehemann, ihr Vermögen, ihr Haus und sogar ihr Kind zu opfern. Ohne zu zögern antwortete sie mir mit ja und schrieb gleichzeitig ihrem Mann einen Brief, in dem sie ihn liebevoll, ergeben und freundlich anflehte, diesen Weg, der als einziger zur Erfüllung führt, nicht abzuweisen. Darüber hinaus stellte sie ihm ein Ultimatum: Entweder er läßt sich mit ihr kirchlich trauen, oder sie kehrt nie mehr zu ihm zurück. Als sie darauf keine Antwort erhielt, kam sie selbst nach Lemberg, um sich diese persönlich abzuholen, und hier erkrankte sie.

Mein hl. Mütterchen diktierte mir damals: „Meine kleine Fulla! Freue dich mit deiner Bozienia! Du kannst deutlich sehen, daß Eva büßt. Sie leidet der Reihe nach für alle ihre Sünden, bis sie gesühnt sind. Danach hat die Buße ein Ende und nichts wird mehr an sie erinnern. Es hilft ihrem Ehemann nicht, wenn er dich für den gestörten Frieden in seinem Hause und für Evas Krankheit verantwortlich macht. Je mehr er sich bemüht, das ganze Gewicht auf dich abzuwälzen, desto stärker erdrückt ihn dieses Kreuz. In seiner Seele tobt ein heftiger Kampf. Gott spricht überaus gnädig und barmherzig zu ihm. Zuweilen verspürt er eine seltsame Kraft in sich, doch fast immer lehnt er sich dagegen auf. Er verwischt die Reste seines Glaubens, will Gott und die Ewigkeit nicht sehen. Er sucht sich selbst und leidet, weil eine dunkle Leere in ihm ist. Er kämpft gegen sich selbst und sucht nach einem Schuldigen. Du brauchst seine Drohungen, daß du die Konsequenzen für alles tragen sollst, nicht zu fürchten. Gleich morgen kannst du in die Kirche gehen und das ganze Gewicht dieses Kreuzes Jesus zu Füßen legen. Sag' ihm, daß du ihn liebst und daß du diesen bescheidenen Beweis deiner Liebe mit Freude in sein heiligstes Herz legst. Bitte Jesus, dir bei deinem weiteren Vorgehen zu helfen. Zögere nicht und gehe mutig weiter. Hab' keine Angst, er liebt dich jetzt noch mehr. Diese Sache geht vorbei, und du wirst für Jesus noch andere Gewichte auf deine Schultern heben. Immer leichter und fröhlicher wirst du dich auf deinem Weg in die liebevollen Arme des gekreuzigten Königs fühlen.“ Da die Ärzte erklärten, daß Eva nicht körperlich krank sei, sondern an einer seelischen Erschütterung leide, verlangte ihr Mann von mir, ich solle in Ordnung bringen, was ich zerstört hätte: „Sie haben sie in eine andere Welt geführt, also holen sie sie jetzt wieder auf die Erde zurück!“

„Aber wenn ich Sie doch auch dort hinführen möchte“, gab ich zurück, „und wenn Eva auch nach einer kirchlichen Trauung nicht gesund wird, bin ich bereit, die Verantwortung für ihre Krankheit auf mich zu nehmen.“

Im Dezember desselben Jahres fand Evas kirchliche Trauung dann wirklich statt. In diesem Zusammenhang erhielt ich von meinem hl. Mütterchen folgendes Schreiben:

„Auf Evas Wunsch gebe ich dir hier einige Vermerke und Ratschläge für das durch Gottes Gesetz geregelte eheliche Zusammenleben und das Verhältnis der Eheleute zueinander. Ich will ganz offen sein. Sei nicht böse, mein Kind, aber gerade du mußt alle Gesetze Gottes kennen, um auf alle Fragen jederzeit entschieden und reinen Gewissens antworten zu können. Aus diesem Grunde mußt du es genau wissen und sicher sein.

Wenn Evas neues Leben in allem gottgefällig sein soll, muß sie nach dem im Sakrament der Ehe gegebenen Versprechen jede Sünde, der sie sich bewußt wird, abwehren — nicht von ihrer Seele, sondern auch von ihrem Ehemann. Mit Liebe, Verständnis, Taktgefühl und auf schonende Weise muß sie alles Böse auch von ihm fernhalten.

Es ist ihr außerdem unter gar keinen Umständen erlaubt, eine Empfängnis anders als durch sexuelle Enthaltsamkeit zu verhüten. Jedes Kind hat direkt nach der Empfängnis seinen — zuweilen sehr bedeutenden — Platz im göttlichen Plan, und wenn die Eltern es bewußt nicht auf die Welt kommen lassen, sei es durch Verhütung oder durch Mord, begehen sie eine schreckliche Sünde. Dafür werden sie streng bestraft, denn: 1. Widersetzen sie sich dem Willen Gottes. 2. Brechen sie den ehelichen Eid. 3. Fügen sie dem Kind ein Unrecht zu, weil es niemals die Erde und die Sonne erblickt und weil es sich das unermeßliche ewige Glück nicht verdienen kann.

Gott hat die Natur so geplant und gestaltet, daß es für den Menschen trotz aller Leiden recht erträglich, ja sogar angenehm ist. Zu einer Blume beugen wir uns mit unserem Geruchssinn (es gibt also den Genuß durch das Riechen). Unsere Nahrung genießen wir mit unserem Geschmackssinn (Genuß durch Geschmack). Kinder zu bekommen ist aber für die Ehefrau mit Schmerzen, für den Ehemann mit materiellen Sorgen verbunden. Es ist nicht leicht, damit einverstanden zu sein. Gott in seiner Weisheit hat der menschlichen Natur den Genuß beim Liebesakt gegeben. Ohne wichtige Gründe darf man sich dem Ehemann nicht verweigern, wenn er eine Vereinigung wünscht, höchstens dann, wenn diese physische Schmerzen oder eine Krankheit hervorrufen kann, oder wenn der Ehemann vorhat, in sündhafter Weise zu übertreiben. Dies darf man nicht zulassen! Eine Empfängnis verhüten darf man bei wichtigen Gründen nur durch Enthaltsamkeit oder durch ein gegenseitiges Reinheitsversprechen vor Gott.

Für das Leben und die Seele eines Kindes ist der geistige und physische Zustand der Eltern bei seiner Empfängnis ungeheuer wichtig. Genauso entscheidet die Zeit der Schwangerschaft, besonders in den ersten drei Monaten, in hohem Maße über Eigenschaften, Begabungen, Gesundheit und künftige Interessen des Kindes.

Eva! Ich wünsche dir ab jetzt ein wundervolles Leben. Du hast eine schöne weibliche Seele, sei die Sonne in deinem Haus, versüße das Leben deines Mannes, werde immer besser, liebevoller, treusorgender. Morgens und abends soll man dich bei einem kurzen Gebet antreffen, zu dem du auch deine Familie einladen kannst, aber bedränge sie nicht. Mögen die heiligsten Herzen Jesu und Marias eure Verbindung segnen, möge keine Sünde von euch ausgehen. Ich segne euer ganzes Leben und alles, was du für das göttliche Herz tust, Eva.“ Die folgenden drei Schreiben habe ich zu verschiedenen Zeitpunkten im Zusammenhang mit Evas Angelegenheit erhalten:

„Liebe kleine Fulla, liebe Eva! Unser Herr Jesus wartet ständig, jede Sekunde, bis wir auf seine übermächtige Liebe antworten, die sich durch seinen Kreuzestod äußert! Denkt nach: Er hat uns erschaffen und unseren Weg vorgezeichnet. Ihr hattet euch verirrt. Ich habe euch wiedergefunden und zu Jesus geführt. So wartet er auf jeden. Er ist gnädig und sorgt für uns, will die verschlafenen Seelen aufrütteln. Wann werden sie endlich aufwachen? Wann schlägt diese glückliche Stunde, da der so geliebte und freigekaufte Mensch seinen Blick bewußt der Liebe Gottes zuwendet? Jesus will unsere Liebe! Legt euren Beitrag an Nächstenliebe in die Ewige Kasse ein, die den ewigen Zins bringt. Auf ewig kann nur der aus ihr schöpfen, der auch etwas eingezahlt hat.

Meine Kinder! Ihr müßt wissen, daß jede Erfahrung, die ihr mit anderen Menschen macht, eine Gnade ist. Es ist die Möglichkeit, seinen Beitrag in die ewige königliche Kasse zu entrichten. Eva's Herz tut weh, wird immer bitterer und bitterer, ähnelt schon bald dem Herzen der hl. Monika, die über das Verhalten ihres Sohnes, des hl. Augustinus, weinte. Evas Tochter will nichts von Gott wissen. Eva! Weißt du, wieviele Jahre lang diese Heilige ohne zu klagen, ohne Trost, in großem Schmerz um seine Bekehrung bat? Für dich hat der barmherzige Gott keinen so langen Zeitraum vorgesehen. Fürchte dich nicht, Eva! Es kommen Prüfungen auf euch zu. Du mußt in deinem Hause Petrus der Fels sein. Ich habe dir einmal einen Rat aufgeschrieben, den ich jetzt wiederhole: Religiöse Praktiken sollen das Leben bei dir zu Hause in keiner Weise stören. Erzähle niemandem von deinen Lieben, was in deiner Seele vor sich geht und was du aus Liebe zu unserem König tust. Lerne zu schweigen.

Du hast eine geistige Schwester, der du dich anvertrauen kannst und die wie du diese Liebe empfindet. Das soll dir vorläufig genügen.

Die Sache mit dem gefundenen kleinen Kreuz soll dich nicht beunruhigen, Eva. Du bist bereits die einundzwanzigste, die im Besitz dieses Kreuzes ist. Die Reliquien darin sind echt. Behalte es, denn die Person, der dieses Kreuz lieb und wert war, lebt nicht mehr. Bete für sie.

Verweile mit Freude bei deinem König. Wenn du ihn nicht an jedem Tag empfangen kannst, empfange ihn bei dir zu Hause im Geiste. Weine nicht, Jesus liebt und braucht dich. Alles geschieht zur rechten Zeit, und auch für dich wird die Sonne des häuslichen Glücks und Verstehens scheinen — es wird dich um so mehr freuen, da du es selbst entzündet hast. Den Frieden des Herrn gebe ich euren Seelen. Ich umarme und grüße euch, Eva, Bucia und meine demütige kleine Fulla.“

„Für Eva beginnt ein wundervolles neues Leben. Sie öffnete die Tür ihres Hauses weit für Jesus. Der König und Freund trat ein und erfüllte ihr Herz mit himmlischer Liebe und Güte. Langsam ergreift er auch die Herzen ihrer Familienmitglieder. Die Liebe glüht im Herzen Evas wie ein Öllämpchen, das mit der ewigen Flamme angezündet wurde, und ihr Herz läßt das Licht nicht ausgehen. Du hast gut daran getan, Eva, unseren Herrn Jesus in deinem Hause ausruhen zu lassen. Viele Jahre lang hat er an eure Tür geklopft und geduldig gewartet. Schließlich ging er hinein und brachte den Frieden. Du wiederum hast deine Mission deinem Stand entsprechend richtig verstanden. Jede Anstrengung, die du für dein Haus und deine Familie vollbringst, ist die Erfüllung des göttlichen Willens. Du bringst dem Herrn alles dar — im Gebet oder in einer Hymne der Dankbarkeit. Mach' nur so weiter, liebe Eva, und du wirst sehen, daß unser Herr Jesus dir gern bei allem hilft. Die wiedergefundenen Kinder, die verloren waren, bringen ihm viel Freude. Wie schön und vollkommen ist unsere Eva zurückgekehrt! Sie klagt, daß sie Martha sei und Maria sein möchte. Eva! Für Jesus bist du Maria und Martha zugleich.“

Dr. Jozef X fragt, warum es in der Welt Leid gibt und warum jeder leiden muß.

„Die Antwort auf eine so wichtige und sachliche Frage muß man in unumstößlicher, mathematischer Weisheit suchen. Diese ist der Intelligenz des Menschen zugänglich, doch man muß die Möglichkeiten des eigenen Verstandes für sie zu öffnen und dieses Problem gerecht bewerten.

Das leidende Individuum findet hier keine Befriedigung, es wird die Berechtigung der Gründe, durch die es leidet, auf keinen Fall anerkennen — und leidet deshalb. Bevor wir dazu kommen, den Sinn des Leidens zu verstehen, müssen wir uns vor allem die Frage stellen: Woher kommt das Leiden und warum existiert es?

Es gibt das Gute und das Böse, genauso wie es Schönheit und Häßlichkeit, Licht und Dunkel gibt. Daran glauben wir, weil wir es ständig erfahren. Die höchste Macht, von der alles abhängt und von der alle, im ganzen Weltall mit mathematischer Präzision eingerichtet worden ist, hat alle Regungen, das Leben selbst und sämtliche Möglichkeiten des Erlangens von Glück auf dem hellen Weg des Guten untergebracht. Eine zweite Macht, die um vieles niedriger ist, hat in gleicher Weise auf dem dunklen Weg des Bösen alle Möglichkeiten zur Erzeugung von Chaos, Leiden, Verzweiflung und Verderben ausgebreitet. Für einen intelligenten Menschen mit einem guten Willen ist dies nicht ungerecht. Haben wir denn nicht genug leuchtende Beispiele, Chancen und Hinweise dafür erhalten, wie man leben und sich verhalten soll, um dem Unglück und dem Leiden zu entgehen? Seien wir gerecht! Wir haben das Böse und die dunklen Wege gewählt. Seit Tausenden von Jahren schreiten wir auf ihnen fort, stecken fest, töten die Reste unseres Wissens über die Möglichkeiten zur Rettung und zur Umkehr in uns, und nun, angesichts der deutlich gewordenen Konsequenzen unseres Lebens und unserer Taten wollen wir die Schuld von uns abwälzen und Gott Grausamkeit und Ungerechtigkeit vorwerfen. Dadurch geben wir ein Zeugnis ab über unseren eigenen Verstand, der die Fähigkeit zum klaren Denken und zur Vernunft bereits eingebüßt hat. Wir haben uns selbst ein feindliches Fundament errichtet und ein gewaltiges Bauwerk, eine Art gigantisches Labor des allgemeinen Bösen, darauf gestellt. In ihm nun stellen Hunderte von Millionen erschöpfter und entstellter Wesen alle Abarten von Krankheiten, Leiden, Perversionen, Unglücke und grausamer, verzweiflungsvoller Tode her.

Ein unschuldiges Wesen leidet. Dieses unschuldige Wesen stammt von schlechten Eltern, die gut daran getan hätten, alle ihre Gewohnheiten, Neigungen, Krankheiten, ihr Blut und ihre geerbten Eigenschaften zu bedenken, dann hätten sie im voraus über das Los ihrer Nachkommen Bescheid gewußt.

Das Leugnen der eigenen Schuld kann man mit folgender Situation vergleichen: Wenn z. B. ein Schneider einen herrlichen Mantel nähen will und für diese Arbeit zerrissene, nicht zueinander passende, schmutzige Lappen verwendet, sich dann aber später über Ungerechtigkeit beklagt, weil der Mantel trotz all seiner Mühe und Arbeit scheußlich ausgefallen ist.

Und nun der Zweck des Leidens: Gott ist barmherzig. Er will Menschen, die arm sind, Suchende und Erschöpfte, erlösen und dem Glück näherbringen. Er hat ihnen einen freien Willen gegeben. Wir haben das Böse gewählt. Dadurch haben wir unendlich viel Leid und unendlich viele Qualen erleiden müssen. Vielleicht ist es nun an der Zeit, vielleicht wachen wir endlich auf und gestatten, daß Gott uns aufrichtet und hebt. Das Böse und seine Folgen haben wir kennengelernt. Wir wissen, daß Leiden schmerzlich ist. Auf diesem dunklen Wege wollen wir nicht mehr weitergehen. Wenn wir nur gerecht über uns selbst urteilen, wenn wir unsere Augen flehentlich zum Himmel erheben, werden wir fühlen, daß wir von der Macht Gottes abhängig sind, wir werden in die Sphäre reinigender Gedanken eingehen und ein neues Leben beginnen, gemäß uralter Regeln, die Gott auserwählten Menschen schon längst offenbart hat. Oh, wenn es doch so wäre! Noch tausend Jahre und keiner von den jetzt Lebenden würde die Erde wiedererkennen. Alle physischen Leiden wären verschwunden. Sie würden nicht mehr existieren. Die neuen Menschen hätten strahlende Augen, wären gesund, ehrlich, voller Vertrauen, aufrichtig und intelligent, dabei noch stark und schön. Es gäbe keine Krüppel mehr und keine Vergehen. Alle würden Gott fühlen, alle wüßten, daß er gut ist und würden ihm dafür voller Freude danken.

Wenn Leiden einmal zu einer solchen Veränderung führt, ist es wert zu existieren, wert, die verdorbene Menschheit zu heilen, die freiwillig das Böse gewählt hat und bis zum heutigen Tage darin steckt.“

Antwort auf die Frage: Soll sich die künstlerische Arbeit eines Katholiken auf den religiösen Bereich beschränken?

„Sage Maria, daß Arbeit zu ganz gewöhnlichen weltlichen Zwecken auch notwendig ist. Sie soll sie nicht ablehnen, denn man kann oft viel für Gott durch sie tun. Nur, wenn der in der Kunst enthaltene Gedanke sündhaft ist, sollte man sich von ihr fernhalten. Bei künstlerischen Arbeiten, die nur aus religiösen Gründen ausgeführt werden, ist Gott durch die entsprechenden Heiligen behilflich, und diese Arbeiten zählt er zu den ausschließlichen Verdiensten. Die weltliche Kunst ist jedoch nicht vollkommen abzulehnen.“

Antwort an jemanden, dessen künstlerische Arbeit verworfen wurde: „Sofia ist jetzt unglücklich. Sie soll sich jedoch um Kraft bemühen und auf die Fügung des Himmels vertrauen, um diesen unangenehmen Schicksalsschlag zu ertragen, wie es sich gehört. Du kannst ihr sagen, meine Kleine, daß Jesus dem, der Unannehmlichkeiten geduldig und klaglos erträgt, unerwartet Trost schickt und besondere Gunst erweist. Wenn Sofia ihren Mitmenschen — auch denen, die sie vielleicht nicht mag — helfen und sich um sie sorgen könnte, würde Gott es mit Freude registrieren und sehr zufrieden sein, daß sein kleines Geschöpf auf den Spuren seines Sohnes, des Erlösers, wandelt. Sie soll nicht mehr traurig sein. Trotz ihres persönlichen Mißgeschicks soll sie zu Hause gute Laune zeigen. Die anderen sollen sehen, daß sie mit dem Willen Gottes einverstanden ist, ihrer Familie soll sie zeigen, wie gut es tut, neben unserem allerbesten König zu leben, wie sehr sie unserem Herrn Jesus vertraut und wie sehr sie ihn liebt. Dann werden alle wahrnehmen, daß Gott nach jedem Schicksalsschlag große Freude gewährt.“

Antwort an eine Mutter, die ihren einzigen 16jährigen Sohn durch einen plötzlichen, tragischen Tod verlor:

„Sage Helena, daß der junge Bohdan im Reich Gottes glücklich ist. Erinnere sie daran, daß viele berufen, wenige aber auserwählt sind. Unser Herr Jesus hat ihn zu sich gerufen, um ihn die ewige Freude erleben zu lassen. Bohdan sollte sich bis zu diesem Alter entwickeln. Seine Seele war rein und weiß und befand sich in einem lieben Körper an der Schwelle des Lebens. Seine wunderbaren Tugenden hätten bald in diese in hohem Maße verdorbene Arena treten müssen. Sein leidenschaftliches Herz war mit der ganzen Kraft seiner Jugend bereit für große Gefühle, bereit zu lieben. Seine Mutter möge bedenken: Was hätte dieses Herz lieben können? Bohdan hätte durch die heiße Asche der irdischen Gefühle hindurchgehen müssen, und da er ein geradliniger, gläubiger, ehrlicher Junge war, hätte er die Bosheit der anderen nicht bemerkt und wäre inmitten der Irrtümer und Lügen all der bösen und hinterlistigen Menschen verloren gewesen. Auf diese Weise hätte dieses wunderschöne Werk des Schöpfers ein schlechtes Ende genommen. Der Schmerz seiner Mutter wäre dann noch größer, denn dann würde nicht nur sie ihren Sohn für immer verloren haben, sie wüßte auch, daß er nicht bei Gott wäre. Nun soll sie sich freuen und Gott innig darum bitten, daß er auch sie irgendwann in die ewige Glückseligkeit hineinführen möge. Dort wird sie ihren Bohdan wiedersehen.“

Antwort auf die Frage, ob man heiraten solle:

„Jaroslawa muß erst noch an sich arbeiten, ihren Geist stärken und ihren Charakter verfeinern, um zu wissen, was sie will. Es gibt viel eitlen Schein, von dem sich junge Menschen beeindrucken lassen, der ihren Eifer schwächt oder sie zum Zweifeln bringt.

Die Ehe ist eine Institution, ähnlich wie ein Orden, man muß sich zu ihr ernsthaft berufen fühlen. Bei Jaroslawa ist dies noch nicht ersichtlich, deshalb hat es damit noch etwas Zeit. Sie soll sich daran erinnern, daß sie einen guten Vater im Himmel hat. Innige Liebe zu ihm und der Glaube an seine Kraft und Macht werden ihr die Bewältigung der großen Herausforderungen ihres Lebens erleichtern und den Weg erhellen, den sie geht.“

Auf die Frage einer Mutter, wie man der Apathie ihres Sohnes begegnen soll — hier die Antwort:

1. „Bei jungen Menschen ist Apathie sehr häufig zu finden. Sie entstellt als Folge dessen, daß der Mensch sich selbst ablehnt. Henryk hat noch keinen eindeutigen Weg für sich gefunden, er befindet sich in einem inneren Zwiespalt, der ihm zu einem kleinen Teil bewußt, im wesentlichen jedoch nicht bewußt ist. Erst wenn die Idee des Guten in ihm herangereift ist, wenn er sich von selbst Jesus zuwendet, wenn er Demut in sich aufkommen läßt und sein Herz durch die Erkenntnis der göttlichen Wahrheit erwärmt, wenn er schließlich begreift, daß er ein Kind des allmächtigen Vaters ist, dann erwacht seine Lust am Leben, und die Unlust vergeht. Dann wird er sein kaltes Herz für die heilende Wirkung der göttlichen Gnade öffnen, wird zum wahren Kind des Vaters und empfängt seine Gaben. Mit Freude wird er dann den Lebenskampf und seine Arbeit wieder aufnehmen, denn sie werden ihm leichtfallen. Die Apathie verschwindet, und sein lächelndes Gesicht wird innere Zufriedenheit ausstrahlen.“

2. „Henryk muß beten, wenn er will, daß ihm bei der Lösung seiner Lernprobleme und seiner Prüfungsangst geholfen wird. Er soll seinen Geist erheben und unserem Herrn Jesus vertrauen, dessen Verständnis über allem steht. Er soll versuchen, bei ihm Weisheit zu schöpfen, dann wird er alles leicht bewältigen können, so daß es für ihn selbst verwunderlich sein wird. Zur Zeit sieht es nicht gut aus mit ihm. Der böse Geist verläßt ihn nicht für einen Augenblick und verwehrt den hellen, schönen Geistern den Zugang, die so gern und mit großem Eifer helfen und zu Gott führen können. Wenn sich Henryk nur dazu durchringen könnte, zu vertrauen und einen Versuch zu machen! Dieser Versuch müßte jedoch vollkommen sein, das heißt Henryk müßte den Wunsch haben, sich auf die Seite Gottes zu stellen, sich von ihm führen zu lassen, sich ganz seinem Willen zu ergeben. Er würde nicht enttäuscht werden. Sein Geist würde sich anders fühlen, wie neu geboren, gesund, und auch sein Körper würde dann bald von Ausgeglichenheit und freudiger Schaffenskraft erfüllt sein. Man muß nur beten, vertrauen und arbeiten!“

3. „Der kleine Henryk schafft es, wenn er nur will, seinen Willen zu stärken und schon bald zu einem Herrn ,Henryk' zu werden. Deshalb rate ich ihm wie einem Erwachsenen. In erster Linie muß er einen Teil seiner Unzulänglichkeiten ignorieren und früher aufstehen. Drei Minuten lang im Knien andächtig beten. Dann das Fenster öffnen, sich rasch waschen und 10 Minuten lang gymnastische Übungen verrichten. Anschließend soll er sich anziehen, frühstücken, eine halbe Stunde spazieren gehen. Danach kann er mit seiner Arbeit beginnen.“

4. „Henryk weiß sehr wohl, daß es auf dieser Welt seltsamerweise so ist, daß man seine Seele selbst, mit seinem eigenen Willen, zur Wahrheit und Freude erwecken muß. Eine solche Erneuerung geht dann auch auf den Körper über, man fühlt sich wieder normal, zufrieden, Gedächtnis und Fähigkeiten kehren zurück. Man könnte es versuchen! Ich rate Henryk, die eine Hälfte seiner Person nicht zu bestrafen, sondern sich als Ganzes mit einen kräftigen Ruck zu erheben. Die Liebe unseres Herrn Jesus möge seine Seele, seinen Verstand und sein Herz erwärmen und erhellen.“

5. „Ich habe Henryk schon einmal entsprechende Anweisungen gegeben. Er soll nur alles genau befolgen, dann wird alles gut. Sage ihm nur noch, daß man selbst den schwächsten Willen aufrichten und sehr stark machen kann, denn die Quellen des Willens befinden sich in allen Teilen der menschlichen Seele. Bis jetzt schöpfte Henryk, indem er stets seinen Launen nachgab, aus der kümmerliche Quelle der zur Faulheit verführenden Bequemlichkeit. Möge sie bald für immer versiegen. Vielleicht sollte man jetzt einmal versuchen, ein wenig aus der Quelle der Vernunft zu schöpfen? So ein kluger Versuch wird ihn Pflichtbewußtsein lehren, seine Seele und seinen Körper stärken, wird von unschätzbarem Vorteil für sein weiteres, möglicherweise schwieriges und hartes, auf jeden Fall aber sinnvolles und fröhliches Leben sein.

Nach dem Wachwerden sofort aufstehen, einen ersten Gedanken und die ersten Worte an den Schöpfer richten, ihn um Unterstützung und Segen für alle Mühen dieses Tages bitten. Eine solche Lebensweise bewirkt, daß schon nach wenigen Wochen aus einem launischen, wenn auch großen Kind ein ernsthafter Mann wird.“

Marysia X. betete zur hl. Magdalena‑Sofia um die Rückkehr ihres Verlobten, der sie verlassen hatte. Nachdem er zurückgekehrt war, hatte sie eines Nachts folgenden Traum: Sie erblickte mein hl. Mütterchen, das zu ihr nur „Ich warte“ sagte und wieder verschwand. Marysia kam verweint zu mir und fragte, was dies wohl bedeuten solle. Die Antwort meines hl. Mütterchens lautete:

„Das heiligste Herz ist traurig, daß Marysia so wenig davon weiß, was Beleidigung Gottes und Sünde bedeuten. Frage sie, ob sie wissen möchte, wofür unser Herr Jesus schreckliche Qualen gelitten, warum er den Juden erlaubt hat, ihm die Kleider auszuziehen? Glaubt Marysia an Jesus? Möchte sie ihn so lieben, wie er sie liebt? Er hat sich für die Sünden der Menschen die Hände und Füße durchschlagen lassen, damit Gott sich des menschlichen Elends erbarme und die schrecklichen Strafen zu Lebzeiten und nach dem Tode abwende.

Warum hat sie so aufrichtig und innig um die Rückkehr ihres Verlobten gebetet — nur, um mit ihm zusammen zu sündigen? Ich habe zu Marysia gesagt: ,Ich warte' — aber unser Herr Jesus wird vielleicht nicht so lange warten wollen. In seiner Liebe schenkt er ihr Gesundheit, Arbeit, bewahrt sie vor schlechten Erfahrungen und Unfällen. Marysia dagegen vergißt das sechste Gebot. Sie beschmutzt ihre Reinheit, läßt freiwillig die Sünde zu. Jesus ist derweil traurig und wartet! Du kannst ihr sagen, Fulla, daß dein hl. Mütterlein bis heute für sie betet und sich bei unserem Herrn Jesus für sie einsetzt. Ich weiß, daß Marysias Seele nicht so böse und verdorben ist, und daß sie den Gekreuzigten Erlöser und seine heiligste Mutter lieben könnte. Marysia hat sich in guten Zeiten viele Verdienste erworben. Du mußt ihr verständlich machen, meine Kleine, daß diese Sünde in den Augen Gottes schmutzig und abscheulich ist, daß Gott ihr seinen Segen das ganze Leben lang versagen könnte! Und daß er ihr schwere Strafen schicken könnte, wenn sie so weitermacht. Wenn Frauen unglücklich oder krank sind, wenn sie mit ihrem Haushalt nicht zurechtkommen, wenn ihre Kinder nicht gut geraten, so sind das in erster Linie die Folgen dieser einen Sünde. Schau, liebe Marysia, du hast das hl. Mütterlein oft angefleht und innig um etwas gebeten, es hat dich gehört und erhört — von dir bekam sie dafür Kerzenlicht und ein kaltes kleines Herz aus Silber. Jesus will dein lebendiges Herz und deine Liebe. Er vergibt dir auf der Stelle, aber du darfst nicht mehr sündigen! Erkläre deinem Bräutigam, daß es Sünde ist und daß Gott schließlich das Sakrament der Ehe eingerichtet hat. Du bist nicht so schwach und ängstlich, daß du es ihm nicht sagen könntest. Wenn er dich wirklich und aufrichtig liebt, wird er dich deshalb nicht verlassen. Falls es aber nur die Leidenschaft ist, die ihn zu dir treibt, wird er als Ehemann nicht viel taugen! Solche sinnlichen Liebschaften gehen nämlich schnell vorbei, und zurück bleiben ein Leben lang oft nur Haß und Abscheu. Du hast Talente, wie nur wenige Mädchen sie haben, Marysia. Du bist fürsorglich, geschickt, gutmütig und fleißig. Wende dich liebevoll Jesus zu, versäume die hl. Messe nicht und vermeide Unkeuschheit. Ich weiß jetzt, daß dein Herz weiß sein möchte, damit die Augen Jesu und Marias mit Freude hineinschauen können. Wenn du mich liebst, nimm diesen Rat an!“

Die zweite Antwort: „Du siehst selbst, Marysia, mit was für einer Frau ein Mann gern verheiratet wäre. Wladyslaw ist, wie ich es dir auch schon früher gesagt habe, noch ein ungehobelter, unausgeglichener Junge. Du weißt selbst nicht, wie sehr du ihn schon zu seinem Vorteil verändert hast, doch es ist noch lange nicht so weit, ihn vorbehaltlos als Verlobten bezeichnen zu können. Wenn dein Gefühl für ihn stark und beständig ist, mußt du sein unhöfliches Benehmen und seine schlechte Laune noch etwas ertragen, bevor dein Verhalten ihn noch weiter verändert und ich dir sagen kann, er würde bestimmt ein guter Ehemann werden. Zur Zeit trägt er einen inneren Kampf aus und beginnt erst jetzt, über sich und dich nachzudenken. Wenn dir etwas an ihm liegt, verhalte dich weiterhin taktvoll, mache ihm keine Vorwürfe, verärgere ihn nicht, denn er ist schrecklich jähzornig und aufbrausend. Er wird bald selbst anerkennend feststellen, wie gut du bist, wird dich um so mehr achten und um so heißer und herzlicher lieben. Jetzt laß ihm erst einmal freie Hand, er soll sich seiner eigenen Fehler bewußt werden, denn diese sind es, die sich an ihm rächen. Da er übertrieben ehrgeizig ist, reagiert er jedesmal gereizt, wenn sich ihm jemand heftig widersetzt. Er wird zu seinem Feind. Von dir und von deiner Familie fühlt er sich stark angezogen, denn hier findet er die Ruhe, die von dir ausgeht und direkt in sein Herz und seine Seele dringt, Marysia. Nur so kannst du ihn für dich gewinnen.

Nun möchte ich dich noch vor deiner eigenen Heftigkeit anderen Menschen gegenüber warnen. Du läßt dich manchmal zu unangenehmen und häßlichen Worten hinreißen, die unseren Herrn Jesus und seine heiligste Mutter beleidigen. Ich rate dir, beherrsche dich; auch wenn dich die Menschen noch so sehr reizen, explodiere nicht gleich. Tue es um deiner eigenen Gesundheit und Ausgeglichenheit willen, Gott wird dir in allem helfen. Bleibe dem heiligsten Herzen unseres Herrn Jesus stets in Liebe verbunden und bete für Wladyslaw.“

Helena bittet um einen Rat, da sie keinen Glauben finden kann:

„Helena geht mit unserem besten himmlischen Vater um wie mit einem irdischen Vater — dieses große, unartige Kind! Erst richtet sie jede Menge Unheil an, und dann schmollt sie dem Vater gegenüber und weigert sich, um Verzeihung zu bitten, aus Angst vor einer Strafe. Dieses verirrte Schäfchen hat zwar schon den geraden Weg vor Augen, will ihn aber nicht freiwillig betreten.

Der Sohn Gottes ist für die Menschen, die der Sünde verfallen waren, vom Himmel herabgestiegen. Er kam voller Güte und Opferbereitschaft, nahm unseren Willen und unsere Sorgen auf seine heiligen Schultern und streckte am Kreuz seine Arme aus, damit alle seine Liebe sehen konnten. Warum reißt du den teuflischen Vorhang nicht herab, mit dem deine Augen bedeckt sind, arme Helena? Sieh doch einmal ganz ehrlich hin und entdecke, wer dich liebt und ruft. Fasse Vertrauen zu dem, der dir vergeben und dich aus deinem Elend erheben kann und will. Hier, zu Füßen des Kreuzes, ist Vergebung und Liebe, hier muß man nicht lange verhandeln und zu Gericht gehen! Unser König ist die Liebe selbst. Er wird dich, Helena, in seine Arme schließen und dir nicht einmal einen Vorwurf machen. Doch nur jetzt und hier, solange du auf der Erde lebst, steht dir die Barmherzigkeit Gottes zur Seite! Lasse zu, daß Jesus erst einmal deine Seele heilt, und dann bemühe dich betend um die Gesundheit deines Leibes. Jedes Unrecht kann zu Lebzeiten wiedergutgemacht oder abgebüßt werden. Sünden gegen den heiligen Geist jedoch werden weder in diesem noch im künftigen Leben erlassen, wenn man bewußt und trotzig bis zum Ende seines Lebens an ihnen festhält. Wenn es dir schwerfällt, Helena, selbst an unseren Herrn Jesus heranzutreten, kann ich dir helfen. Darum zögere nicht und fasse einen Entschluß.“

Die zweite Antwort: „Um ihren Glauben und ihre Liebe zu vertiefen, muß Helena zunächst intensiv über das Wesen unseres Herrn Jesus nachdenken. Man könnte ihr ein gutes Buch zu lesen geben. Wenn sie eine gute Beichte ablegen will, sollte sie demütig und gottesfürchtig auf ihr Leben bis zu ihrer letzten guten Beichte zurückschauen und ihre Seele gründlich erforschen. Wo ist mein guter Gott? Wen habe ich mir zum Herrn gewählt, da es mein bester himmlischer Vater nicht ist? Demnach habe ich Satan gedient! Was habe ich für Satan getan? Ich habe Gott bewußt und boshaft verschmäht. Ich habe ihn verleugnet und gehaßt.

Wenn ich seinen Namen aussprach, tat ich es mit Haß und Spott. Nicht einmal seine Barmherzigkeit ließ ich in meine Seele hinein. Ich war verzweifelt und hatte kein Vertrauen, hörte nicht auf die Stimme meines Gewissens. Kirchliche Feiertage waren mir gleichgültig. Ich habe nicht gebetet, habe Gott und der Kirche nicht den nötigen Respekt erwiesen. Und in welcher Weise habe ich meiner Eltern gedacht? Wie habe ich auf die Ratschläge frommer Menschen reagiert? Und wie habe ich die Menschen um mich herum behandelt? War mein Herz rachsüchtig? Unrecht anderen gegenüber, Verwünschungen, Haß, Tränen Verzweiflung und Sünde meines Nächsten durch mich? Gab es Unkeuschheit oder diesbezügliche Wünsche, Gespräche, Taten?

Ist meinem Nächsten durch mich materielles Unrecht geschehen? Dies wäre genauso, als ob ich sein Hab und Gut gestohlen hätte. Noch schlimmer wäre es jedoch, wenn mein Nächster durch mich, aufgrund übler Nachrede oder Verleumdung, moralischen Schaden erlitten hätte.

All dies muß man sich ins Gedächtnis rufen und dem Beichtvater ehrlich sagen. Frage ihn, wie du Unrecht wiedergutmachen kannst, und all seine Anweisungen mußt du demütig erfüllen. Die Gewissenserforschung wird dir ganz leicht fallen, wenn du nur vorher einige Male die zehn Gebote Gottes durchgehst. Denke auch über die Bedeutung von Hochmut, Faulheit, Groll, Neid, Aberglauben, Schädigung der eigenen Gesundheit, Selbstmordgedanken u. ä. nach. Man muß alles zusammen genau erwägen und sich dabei an die hier vorgegebene Ordnung halten, nicht wie bisher in verschiedene Hefte Sünden und Kleinigkeiten schreiben.

Vor der Beichte muß man aufrichtig und mit wirklicher Reue beten, denn schließlich hat Jesus, unser guter Erlöser, gelitten. Man muß den Entschluß fassen und ihm andächtig versprechen, sich wirklich und beständig zu bessern und ihn bis zum Lebensende zu lieben. Als Strafe muß man Leiden annehmen, dann kommt uns der gütigste Herr Jesus selbst zu Hilfe. Seine Liebe erwärmt das Herz, lehrt zu lieben, schenkt Segen und Glück. Seine heiligste Mutter möge dir helfen, Helena. Vertraue ihr und geh' zu Jesus.“

Die dritte Antwort: „Lies Helena dieses Schreiben vor, damit sie erfährt, in welchem Verhältnis der böse Geist zu ihrer Seele steht.

In der heutigen Zeit läßt der barmherzige Gott solche Qualen nicht mehr zu, daß jemand z. B. vom Teufel besessen wird, höchstens in Ausnahmefällen. Ein Mensch, der von einem bösen Geist beherrscht wird, ist sehr unglücklich. Neben physischen Schmerzen leidet er auch seelisch sehr, wenn er eine Kirche, einen Priester oder das heiligste Sakrament sieht. Er wirft sich herum, schlägt um sich, windet sich, fühlt ein schreckliches Brennen in sich, bäumt sich auf, schreit, reißt an seiner Kleidung und an seiner eigenen Haut. Er erträgt weder geistig noch körperlich, wenn etwas mit Heiligkeit in Verbindung steht.

Gott sei Dank befindet sich Helena nicht in einem solchen Zustand. Da sie sich aber fast freiwillig der Macht des Bösen überlassen hat, bleibt sie noch unter ziemlich starkem Einfluß des Satans, bis sie sich ganz und aus ihrem eigenen freien Willen von ihm abwendet, bis sie mit ihrem ganzen Herzen, ihrer gereinigten Seele, sich liebevoll auf die Seite des Kreuzes, des Erlösers, auf die Seite seiner Liebe stellt und beschließt, für immer bei ihm zu bleiben. Einzig und allein aus dem heiligsten Herzen heraus kann wohltuender Friede in das Herz Helenas fließen. Obwohl Helena leidet, verschließt sie ihre Seele oft vor der Wirkung der himmlischen Gnade: Rate ihr, sich nun ein für allemal für die Liebe und das Vertrauen zu unserem Herrn Jesus zu entscheiden. Sie soll zu ihm gehen! Als König hat er soviel Gutes und so viele Gaben zu verteilen.“

Antwort an jemanden, der um die Betreuung der hl. Magdalena‑Sofia bittet:

„Sofia wünscht, daß ich sie in meine Obhut nehme. Dies ist möglich, denn ihr Wille neigt sich inniglich zur Verehrung und Liebe für das heiligste Herz. Sofia soll eine Novene verrichten und diese mit einer Beichte und der hl. Kommunion beenden — und sie wird meine Gegenwart ganz real verspüren. Wenn sie sich entsprechend bemüht, ihren Geist zu vervollkommnen, verspreche ich, ihre Intuition für verschiedene Bedürfnisse ihrer Seele, ihres Körpers und ihres Tuns zu verstärken. Neben meiner zukünftigen Betreuung genießt sie seit ihrer Kindheit bereits die allerstärkste Betreuung, nämlich durch die heiligste Jungfrau Maria. Außerdem kümmert sich noch eine verstorbene Freundin ihrer Mutter um sie. Ihre Mutter hat sie aufrichtig geliebt. Sofia soll ihrer Mutter darüber schreiben, dann wird sie erfahren, um wen es sich handelt.“

Dr. Szymon bittet um einen Rat: „Szymon ist ein leidenschaftlicher Mensch, der nach Wahrheit sucht. Er wird sie finden, wenn er sie im Ganzen sucht. Aufgeteilt ist sie unvollständig, zerstreut, rätselhaft, eben nur ein kleiner Teil, der den wirklich Suchenden nicht zufriedenstellt, ihn nichts Neues lehrt, ihm weder Freude noch einen Sieg bringt. Du hast doch gute Bücher, meine Kleine. Empfehle ihm z. B. „Das Leben Jesu“ von Papini oder „Das heilige Leichentuch“ oder auch ein anderes Werk, auf das Deza dich vielleicht hinweisen kann.

Vor dem Angesicht Jesu wird Szymon erleuchtet, er wird die Wahrheit erblicken und den einzigen Weg erkennen, der zu ihr führt, die Liebe. Möge sein Wille von dem gelenkt und gesegnet werden, der uns das einzige und unfehlbare Licht gebracht hat, an dem sich die irrende Menschheit orientieren kann.“

Jemand bittet um Rat in Vermögensangelegenheiten:

„Sage Nina, daß jeder Mensch, der auf Gott vertraut und andächtig betend auf seine heiligste Gnade hofft, zuerst um Licht bitten sollte, damit er sich über den Zustand seiner Seele klar wird. Irdische Angelegenheiten sind zwar wichtig und oft sogar hilfreich für die Entwicklung des Geistes, aber man kann sie erst dann genau bewerten und führen, wenn der allmächtige Gott den Verstand erleuchtet und stärkt. Ihre Mutter Eleonora trauerte, kurz bevor sie starb, schmerzlich all der, Gelegenheiten nach, die Gott ihr angeboten und die sie verpaßt hatte. Für jeden Menschen kommt beim Sterben der Augenblick, da er einsieht, was er vernachlässigt hat und wieviele Chancen, sich Verdienste zu erwerben, er unwiederbringlich verstreichen ließ. Der barmherzige Gott vergibt Eleonora viel, wenn dafür drei wirkliche Akte der Nächstenliebe ausgeführt werden. Ihre Seele braucht noch vieles, bevor das Leiden für sie ein Ende hat. Heilige Messen, Almosen, physische Schmerzen als Opfer. Das Engelsgebet soll man oft für ihre Seele beten, wenigstens einmal in der Woche, am Tag ihres Todes. Nina sollte eine Novene abhalten. Ich möchte ihr helfen. Sie soll stets daran denken, daß das heiligste Herz niemanden verläßt, der vertrauensvoll und mit kindlichem Herzen zu ihm betet.“

Jadwiga klagt über ihre eigene Gefühllosigkeit: „Opfere unserem Herrn Jesus morgen aus gutem Willen ein wenig Zeit, Jadwiga! Erlaube ihm, deine Seele, dein Herz und sogar deinen Verstand zu durchdringen. Unterstelle dich Jesus. Denke nur solange an ihn, wie es deine Zeit erlaubt. Das heiligste Herz wird deine Fehler auffangen und deine innere Zerrissenheit schlichten. Denke nur an die bitteren Worte, die Jesus auf dem Höhepunkt seines Leidens sprach: ,Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?' Die Augen Jesu, seine guten heiligen Augen sehen dich an, wenn deine Seele sich verkrampft. Liebe diese Augen!“

Antwort an einen eifersüchtigen Ehemann: „Roman soll nicht eifersüchtig sein. Seine Frau ist zwar eitel, sie entfernt sich von der Liebe Gottes und hat einen schwankenden Glauben, aber sie hat kein böses Herz und kann sich zum Guten verändern. Roman soll eine Novene für die Stärkung des Charakters und des Glaubens seiner Frau beten. Durch Entschlossenheit und Würde soll er ihre Achtung erwerben.“

Die zweite Antwort: „Meine kleine Fulla! Ich muß dir erklären, warum es in der Ehe von Iza und Roman so oft zu Mißverständnissen kommt. Sie scheinen beide gute Menschen zu sein. Iza ist recht energisch, oft aufbrausend und leicht gereizt. Wenn sie aber, wie es sich gehört, einen Teil der Streitigkeiten oder Mißverständnisse, die sie mit ihrem Mann hat, vor ihrer Mutter geheimhalten könnte, würde sie sich viele Unannehmlichkeiten und mißliche Situationen im eigenen Hause ersparen. Iza liebt es, oft recht zu haben, will sich durchsetzen, vergißt aber dabei, daß gerade Geduld und Nachsicht zu den besonderen Eigenschaften einer guten Frau gehören, die sogar Mutter ist. Sie soll Gott für ihren Sohn, für die Mutterschaft danken, soll sich in den Tugenden der Geduld und Hingabe üben, denn ohne diese wird sie ihr Kind nicht zu einem für Gott und sich selbst nützlichen Menschen erziehen. Sie soll unserem Herrn Jesus und seiner heiligsten Mutter vertrauen, dann werden sie sie segnen. Roman muß lernen, sich dem Willen Gottes zu fügen, denn nicht alles, worum er bittet, ist notwendig und nützlich. Ein Mann sollte sich mehr beherrschen, mit Worten zurückhalten können und nicht so kleinlich sein.“

Auf die Frage über ein längst überholtes, nicht erfülltes Versprechen an Gott:

„Wenn man dem Himmel etwas verspricht, sollte man es entweder erfüllen oder aber gelassen die Konsequenzen tragen. Unser Herr Jesus ist gut und verzeiht immer dem, der sich selbst erniedrigt.“

Antwort an Teresa, die nicht fähig war, zu leiden:

„Jeresa ist wirklich sehr leidend, oft physisch, noch öfter aber nervlich und psychisch. Wenn sie mit Jesus gemeinsam leiden könnte, würde ihre Seele nicht so schmerzen und auch physisch würde sie sich von Tag zu Tag besser fühlen. Die Menschen leiden oft aus eigener Schuld, und das ist eine große Gnade. Wenn ein Mensch jedoch fühlt, daß er unschuldig und gut ist, möge er doch wenigstens ein bißchen mit unserem geliebten Jesus leiden, für die Schuld seiner näheren oder entfernteren Freunde. Wir gehören doch alle der großen christlichen Familie an!

Ja, es stimmt, viele Male schon hat unser Herr Jesus Teresa auf die Probe gestellt! Er hat ihr ein mitleidiges Herz und die Fähigkeit verliehen, das Leben intensiver zu erfahren. Wie oft hat er ihr jedoch auch schon besondere Vorteile zuteil werden lassen! Sie konnte sie nur nicht immer nutzen.“

Antwort an einen Anhänger von Kant: „Zbigniew! Du hast deinen Geist systematisch mit falschen Lehrmeinungen vergiftet. Anstatt nach dem Schöpfer des Guten, der Schönheit und der Liebe zu suchen, wolltest du eher den Beweis dafür finden, daß es weder Gott noch ein jenseitiges Leben gibt.“

Klementyna bittet um Rat und Hilfe: „Klementyna kam zu dir, ohne großes Vertrauen zu Gott zu haben. Sage ihr, meine kleine Fulla, daß ein Mensch, der sich nur auf seine eigenen Kräfte verläßt und nicht um die Hilfe der übernatürlichen Welt bittet, mittelmäßig und schwach ist und nichts fertigbringt. Über ihm ist nämlich Gott, von dem wir abhängig sind.

Eine gute katholische Ehefrau, die sieht, wie ihr Ehemann von einen, Schicksalsschlag getroffen wird, sollte sich bedingungslos an den um Hilfe wenden, der in seiner Allmacht unser aller Schicksal bestimmt, Wenn Klementyna Gott vertrauen will, soll sie eine Novene andächtig beten, außerdem soll sie eine hl. Messe für ihren Mann lesen lassen. Darüber hinaus soll sie gläubig und reumütig beichten und die hl. Kommunion empfangen. Dann wird ihr das heiligste Herz unseres Herrn Jesus bestimmt helfen. Sie kann ihre Bitten auch zu Füßen der heiligsten Jungfrau vorbringen, wenn ihr dies leichter fällt. Mit ihrer Fürsprache versagt Gott niemandem seine Gnade. Die Zufälligkeit des von ihrem Mann begangenen Totschlags wird an den Tag kommen.“

Antwort an Waleria: „Waleria hat genug Kummer und ein Mensch hat um so schwerer an allem zu tragen, je mehr er allein ist. Muß denn ein menschliches Wesen, das den gütigsten Vater hat, überhaupt allein sein? Ist es nicht so, daß unser Herr Jesus und seine Mutter Sorgen lindern und denen zu Hilfe eilen, die ihnen die Beschwernisse des Lebens zu Füßen legen und vertrauensvoll um Rat und Hilfe bitten? Deshalb möge auch sie sich als Kind Gottes fühlen. Er hat ihr das Leben gegeben, kennt alle ihre Sorgen und wartet, bis sein Kind sich an ihn wendet und mit vertrauensvollem Herzen beharrlich betet.

Sie muß andächtig für ihren 16jährigen Bruder beten. Er durchlebt gerade eine Phase der Reifung und leidet nervlich darunter. In diesem Lebensabschnitt werden Jungen verschlossen, faul, mißtrauisch, neigen zum Lügen und nehmen leicht schlechte Angewohnheiten an. Man muß sehr zartfühlend und vorsichtig mit ihm umgehen, ihm alles sanft erklären; und wenn er dann auch trotzig wird — das geht vorbei. Was er in diesem Jahr versäumt, wird er im nächsten nachholen.

Um ihren Glauben zu vertiefen, sollte Waleria mindestens einmal in der Woche einige Minuten kniend vor dem heiligsten Sakrament verweilen, sich auf das wunderbare Geheimnis der Wandlung konzentrieren und unseren Herrn Jesus und den heiligen Geist demütig um festen Glauben bitten. Es ist unbedingt notwendig, sich um wertvolle religiöse Bücher zu bemühen und an das ewige Leben zu denken. Eine Novene für den Glauben und die Liebe Gottes beten.“

Antwort an Anna, die ihre unangenehmen Gedanken nicht abwehren konnte: „Wenn Anna wirklich und aufrichtig der Versuchung widerstehen will, muß sie von sich aus Situationen meiden, die ihre Vorstellungskraft reizen. Jedesmal, wenn die Verlockungen laut werden, soll sie ein Stoßgebet zur heiligsten Jungfrau schicken mit den Worten: ,Mutter Gottes, ich bitte dich andächtig, nimm die Versuchung von mir. Ich will nicht einmal in Gedanken sündigen, denn ich liebe meinen Herrn Jesus.'

Anna hat genug Kraft und Energie dafür; darüber hinaus kann sie beständig dem Antlitz unseres geliebten Erlösers zugewandt wachsam bleiben. War etwa unser Herr Jesus als Gott‑Mensch frei von Satans Versuchungen? Jedesmal, wenn Anna über sich selbst siegt, wenn sie durch ihren eigenen Willen den bösen Geist abweist, kann sie daraus ein wertvolles Geschenk machen und es jeden Abend als Beweis ihrer Liebe dem heiligsten Herzen darbringen. Wenn sie nur aufrichtig um die Hilfe der heiligsten Mutter betet, wird sich die ganze Schar der Dämonen, die mit Vorliebe die wahrheitsliebenden Menschen umkreisen, von ihr entfernen. Jesus selbst wird ihr dann Erleichterung und Frieden bringen.“

Gustav möchte bei Gott wiedergutmachen, was er vernachlässigt hat: „Wenn Gustav seine früheren Vergehen ehrlich und offen bekennen und büßen will, wird es der Herr annehmen, denn er sieht die Abscheu vor den damaligen Taten und die vollkommene Reue in seiner Seele. Nichts erfreut unseren Herrn Jesus so sehr wie eine demütige Rückkehr zu seinem Herzen und zu seiner Liebe. Am besten ist es, wenn jemand freiwillig etwas wiedergutmachen will. Auf diesem Wege gibt es zahlreiche Möglichkeiten.

Gustav soll Jesus jeden Abend solche Geschenke machen wie z. B. die Überwindung des eigenen ,Ich', ein herzliches und zärtliches Verhalten seiner Ehefrau gegenüber gerade dann, wenn diese ungeduldig oder verärgert ist; eine Gabe an eine lästige Bettlerin; ein Gebet für alle jene, die durch ihn gesündigt haben; die Teilnahme an einer hl. Messe an Werktagen; das Beten eines Rosenkranzabschnitts und ähnliches. Unser Erlöser wird alles mit Freude annehmen und täglich auf neue Beweise der Reue, Liebe und Sühne warten. Jesus sieht auf das Herz und die Absichten. Er hört nicht auf zu lieben und wartet auf die Stimme der Seele. Stufenweise schenkt er tieferes Verstehen, nähert sich uns immer herzlicher, gibt sich zu erkennen, vereinigt sich immer deutlicher mit unserer Seele. Und derjenige, der Gott auf ewig lieben lernt, wird die größte Wonne erleben.“

Antwort an Wanda, die beschlossen hat, als Buße für die Seele ihres Vaters jedes Kreuz auf sich zu nehmen:

„Ihr Vater leidet noch. Wandas Opfer ist zwar ganz aufgenommen worden, um jedoch eine schnelle und deutliche Erleichterung zu bewirken, muß man einen reinen, katholischen Glauben haben, darf man nicht nach fremden Göttern Ausschau halten, sondern muß vertrauensvoll der Religion treu bleiben, die Gott‑Vater durch seinen Sohn Jesus Christus auf der Erde verkündet hat. Wanda soll sich trösten, soll in Ordnung bringen, was sie früher achtlos übersehen hat. Ihre Bekannten, die sich auf einem Irrweg befinden, soll sie nach Möglichkeit vom Unglauben und vom Bösen abhalten. Sie soll ihnen klar und deutlich vom ewigen Leben erzählen. Sie selbst soll täglich zur Mutter Gottes beten, sie wird sich ihrer annehmen und sie ganz bestimmt anhören. Darüber hinaus soll sie das geweihte Bild von mir über ihrem Bett aufhängen. Ich verspreche, ihr jedesmal, wenn sie mich um etwas bittet, zu helfen.“

Antwort auf die Frage, wo man das beim Umzug verlorengegangene wertvolle Bild suchen solle:

„Joanna soll nicht nach verlorenen Gegenständen fragen und ihnen nicht nachtrauern. Solche Fragen beantworte ich nie. Sie hat wichtigere Probleme, die ungelöst sind. Sage ihr, meine Kleine, daß ich ihre Fragen gern beantworte, soweit es sich nicht um Wahrsagen oder unwürdige Prophezeihungen handelt.“

Antwort auf die Frage, wo sich die Seelen nach dem Tode aufhalten:

„Wo die Seelen sich aufhalten? Vielleicht auf den Planeten? Das müssen die Menschen nicht wissen. Der Glaube ist dazu da, um darauf zu vertrauen, daß wir zur ewigen Freude gelangen, wenn wir uns im Sinne der Offenbarungen Gottes verhalten, d. h. wenn wir Gott und die Menschen lieben.“

Antwort an einen verheirateten Mann, der plötzlich den Wunsch hatte, Priester zu werden:

„Kamil besitzt in seiner Seele die Gaben des heiligen Geistes, die er im Augenblick der Empfängnis erhielt. Er ist Arzt geworden und heilt menschliche Körper ist jedoch auch fähig, Seelen zu heilen, nach dem Vorbild großer heiliger Priester, die in der Liebe Gottes wandelten und von Beruf Seelenärzte waren. Das hinderte sie jedoch nicht daran, auch die körperlichen Beschwerden der Menschen erfolgreich und oft auf wunderbare Weise zu heilen. Ähnliches könnte auch Kamil mit Leichtigkeit vollbringen! Das erscheint vielleicht ungewöhnlich, ist es aber nicht. Wer sowohl in seiner äußeren Gestalt als auch in seiner geistigen Gesinnung so viel wohltuende Zärtlichkeit und Liebe besitzt, für den müßte es ganz einfach sein, alles Schablonenhafte und Aufgesetzte abzuwerfen, den richtigen Weg einzuschlagen, aus der Tiefe seiner Seele alles Schöne, Starke, Gute hervorzuholen und langsam, nach und nach auf geistreiche, zuweilen auch humorvolle Weise den kranken Seelen die frohe Kunde von der Liebe Gottes einzuimpfen. Die Tätigkeit eines Priesters ist auf der Erde wirklich besonders schön. Das Lesen der hl. Messe ist das schönste Zusammenleben mit Gott, nicht jeder aber hat das Glück, sich mit dem Priester in das unblutige Opfer hineinfühlen zu können. Kamil ist begnadet, sich Jesus zu nähern, und diese Fähigkeit sollte er nutzen. Er sollte die Aufmerksamkeit seiner Mitmenschen wecken und sie zur Teilnahme an der hl. Messe einladen. Er soll ihnen ein gutes Beispiel geben, indem er selbst andächtig und aufmerksam das heilige Opfer mitfeiert. Dadurch wird er zum besten Schüler und Priester Gottes. Kleingläubige Menschen werden volles Vertrauen zu ihm finden, und hier schafft er ein neues Tätigkeitsfeld, in dem er für Gott und für sich selbst nützlich wirken kann. Am Anfang wird es nicht leicht sein, wenn aber jemand die Fülle der Liebe in sich trägt, die von selbst ausströmen möchte, schickt ihm Gott erstaunlich viel Hilfe. Kamils Beispiel wird viele überzeugen. Man muß entschlossen zur Tat schreiten, um die wunderbaren Werke der Liebe zu vollbringen, denn in der heutigen Zeit sind sie für den allmächtigen Gott besonders wichtig. Ganz gleich, welche ehrliche Arbeit und welchen Beruf man auf der Erde ausübt, in allem kann man auch noch als Apostel und Priester Christi wirken.

Kamils Mutter ist bereits von ihren Qualen erlöst, doch die Freude ihrer Seele wäre noch größer, wenn Kamil seine Fehler bekämpfen und damit ein Opfer für die Liebe des heiligsten Herzens bringen würde. Dieses Opfer sollte so vollbracht werden, daß es die Entwicklung und Vervollkommnung seines Geistes fördert. Die daraus erwachsenden Schwierigkeiten sind der Seele der Mutter zu weihen. Jeden Tag sollte man etwas Gutes aus seiner eigenen Seele an den Tag bringen, wenigstens ein kleines Teilchen, dann verändert sich der Mensch und schon nach kurzer Zeit wird er wie neu geboren, sein Antlitz erstrahlt durch die Liebe, die in ihm leuchtet.“

Antwort an Violetta und ihre Tochter Liliana:

„Sage ihr, meine Kleine, daß jemand, dessen Seele von Geburt an mit so wunderschönen Gaben ausgestattet ist, diese zur Ehre Gottes verwenden sollte. Ihre seelischen Vorzüge bestehen aus einem feinen Sinn für Schönheit und Kunst und aus der Fähigkeit, über ihre tiefen Gefühle sprechen zu können. Violetta weiß selbst, was sie damit alles für unseren Herrn Jesus tun könnte. Sie muß ihre Gedanken nur in die entsprechende Richtung bringen. Gemeinsam mit meiner lieben Fulla könnte sie überlegen, wie sie vorzugehen hat, um sich Verdienste zu erwerben und den Himmel zu erfreuen.

Wenn Liliana den aufrichtigen Wunsch hat, wahres Glück mit dem Segen Gottes zu erlangen, soll sie niemals eine unrechtmäßige Verbindung mit einem anderen Menschen eingehen. Es ist nun einmal göttliches Gesetz, daß eine Trauung als ein Sakrament zu vollziehen ist, und zwar durch zwei freie Menschen. Alle anderen ehelichen Verbindungen sind als große Sünde zu betrachten und schnellstens zu trennen, um der Strafe Gottes vorzubeugen. Erwins Seele ist reich mit den Gaben Gottes ausgestattet. Er sollte auf Gott vertrauen, der ihm alle Probleme abnehmen kann, sobald er seine aufrichtigen und reinen Bestrebungen wahrnimmt. Violetta soll für sich und Erwin um das Licht des heiligen Geistes beten, damit sie beide einen Sinn für die Ewigkeit bekommen. Man muß an das zukünftige Leben denken, das nie endet!“

Antwort an Teresa: „Gib ihr diese Worte, mein Kind, möge sie sie mit Aufmerksamkeit lesen, sowohl heute als auch in Zeiten, da sie dazu neigt, sich ihrer täglichen Schwäche hinzugeben. Diese Schwäche ist auswendig gelernt, ihr hat sie sich ergeben. Wenn sie sich von ihr beherrschen läßt, verzögert sie damit nur ihre Genesung. Teresa war immer sehr intelligent, warum hält sie jetzt, da sich ihre physische Gesundheit bessert, an einer negativen Suggestion fest und läßt zu, daß diese zu einer schlechten Gewohnheit wird? Also: Wenn man so gerne leben und gesund sein möchte, darf man doch nicht so hartnäckig an Unglücke und neue Krankheiten denken, die man überhaupt nicht hat! Das behindert die Erneuerung der organischen Zellen und dadurch ist der Körper krank, fühlt sich schwach, und das zerrt an den Nerven. Hat die kluge Teresa vergessen, welche Macht Suggestion besitzt? Zu ihrem eigenen Wohl muß Teresa ab sofort ihre falsche Taktik bewußt ändern. Sobald sie die Neigung verspürt, irgendwelche traurigen Vermutungen über ihre Gesundheit aufzustellen, soll sie statt dessen sagen: ,Mein geliebter Jesus! Du kannst mich gesund machen! Ich weiß und glaube, daß mir nichts Böses geschieht, denn du willst und hilfst mir, daß ich wieder ganz gesund werde!‘ Es wäre angebracht, daß sich Teresa trotz ihres Zustandes aktiv engagiert und nützlich macht. Vielleicht hat sie Lust, irgend einer armen Schülerin, der das Lernen schwerfällt, bei sich zu Hause Unterricht zu erteilen. Einverstanden?“

Susanna, die ihre Arbeit verloren hat, bittet um Rat: „Du siehst, mein Kind, wie schwierig es ist, zu leben und sich den menschlichen Erfordernissen und Bedingungen anzupassen. Da du dich aber mit deiner Sorge an Gott gewandt hast, beachte dieses Schreiben. Zeige es niemandem, es ist nur für dich und deine Seele bestimmt. Unser Herr Jesus ist nicht beleidigt, er weist einen Menschen nicht ab, der einen Fehler begangen hat, als er seinen Erlöser vergaß. Bei dir, Susanna, war es so, daß du dich zum Teil nicht klüger verhalten konntest, als du noch Arbeit hattest, zum Teil wolltest du es aber auch nicht. Das heißt nicht, daß du dich bei deinen Vorgesetzten einschmeicheln oder — Gott bewahre — dich von ihnen zu etwas Bösem verleiten lassen solltest. Es geht hier darum, daß du dich nicht sanftmütig, sondern oft schroff und spöttisch verhalten hast. Außerdem warst du einer Kollegin gegenüber allzu offen und mitteilsam, zu den anderen wiederum allzu hochmütig. So etwas mögen und verzeihen die Menschen nicht, denn sie sind selbst schwach, mißtrauisch und neidisch. Die Situation spitzte sich immer mehr zu, bis es soweit kam, daß sich drei Kolleginnen beim Direktor über dich beschwerten. Da er selbst dich auch als hochmütig erlebt hat und dir deshalb böse war, geschah es schließlich — und nun bist du arbeitslos.

Sorge dich nicht mehr! Ich verspreche, dir zu helfen, und einen Wintermantel bekommst du auch. Unterdessen nimm irgend eine Arbeit an. In ein paar Tagen werde ich meiner Kleinen einen Hinweis geben, wo sie sich für dich einsetzen soll, damit du in deinem Beruf arbeiten kannst. Jetzt ist gerade nicht die richtige Zeit dafür. Verzweifle nicht, vertraue, bete, und ich werde dir helfen!“

Antwort an eine Tochter, deren Mutter die Konfession gewechselt hat: „Maria soll nur ganz auf das heiligste Herz Jesu vertrauen, denn nur dieses allein kann ihr wirklich helfen. Wenn sie innig betet, wird sie sowohl geistig als auch materiell reich beschenkt werden. Dann werden ihre Augen strahlen und ihr Gesicht wird die innere Zufriedenheit widerspiegeln. Es bedarf ständiger und ausdauernder Gebete, damit die Mutter ihre eigene Verblendung und Leugnung des Glaubens Christi abwerfen und sich wieder dem wahren Glauben zuwenden kann, den er selbst den Seinen verkündete, zu verbreiten empfahl. Außer dem Gebet, das von Herzen kommt, ist es unbedingt notwendig, von den eigenen Sorgen und Mühen täglich etwas zu opfern, damit Gott sich ihrer Mutter erbarmt und sie in den Schoß der Katholischen Kirche zurückkehrt. Maria soll ihre Nerven bewußt beruhigen, sich jeden Abend aufrichtig an unseren Herrn Jesus wenden und ihm versprechen, sich am nächsten Tag um ein gutes Werk für ihn zu bemühen. Dies kann im Zurückhalten des eigenen Zorns, in Vergebung oder Schweigen einem Mitmenschen gegenüber liegen. Unser Herr Jesus liebt solche ergebenen Seelen und erhört ihre Bitten jederzeit gern. Wenn Marias Seele durch das Gebet gestärkt und gefestigt ist, wird sie die Seele ihrer Mutter von den falschen Wegen abbringen können.“

Antwort an Emilla: „Emilia soll sich und ihren Verlobten nicht durch ihren Mangel an Vertrauen quälen, sondern sich ruhig und taktvoll verhalten, um das Band aufrichtiger Liebe wieder neu aufleben zu lassen. Nach einiger Zeit wird er — angesichts ihrer Herzlichkeit — ihren wahren Wert und ihre geistige Überlegenheit erkennen und auch anerkennen. Der Vorgeschmack auf den häuslichen Herd und die Vorahnung des künftigen Zusammenlebens voller Freude, Ruhe, Befriedigung; die Hoffnung auf die Zuwendung eines guten Frauenherzens werden ihn dazu bringen, ihr allein treu und ergeben zu sein. Um dies zu erreichen, muß man gegen den eigenen Egoismus ankämpfen, sich um Verständnis bemühen und sich in die Seele des jungen Mannes hineinversetzen, der trotz seiner Zuneigung nicht aufhört zu kritisieren. Er wird erst aufmerksam beobachten, vergleichen, kombinieren und überlegen, ob er die richtige Frau für sein Leben gewählt hat. Und erst wenn er sich von den Tugenden seiner Verlobten überzeugt hat, wird er sich ihr vertrauensvoll zuwenden. Das Wichtigste ist jedoch, dem himmlischen Vater zu vertrauen, denn ohne triftigen Grund wird dieser seinem Kind das erbetene Geschenk nicht wieder wegnehmen. In diesem Sinne muß man den eigenen Geist weiterentwickeln, indem man die eigenen Fehler und Schwächen täglich überwindet. Die Seele eines liebenden Menschen spürt, was tief in der Seele des anderen verborgen ist, und jeder kann nur das geben, was er besitzt.“

Aniela bittet um Rat, wie sie ihren Geist vervollkommnen kann: „Aniela gebe ich den Rat, stets ernsthaft darüber nachzudenken und den Spuren unseres Erlösers zu folgen. In Golgatha hat er uns mit seiner übergroßen Liebe und durch seinen qualvollen Kreuzestod den richtigen Weg zum Himmel gewiesen. Durch Leiden, Opferbereitschaft, Vergebung, Sanftmut, Schweigen und Gebete in Gedanken an das Kreuz kann man alle Schwierigkeiten und Mißgeschicke bewältigen, alle Hindernisse beseitigen und die eigene Seele veredeln. Das Losungswort Christi lautet: ,Vertrauen, glauben — lieben — und vergeben'. Das heiligste Herz möge Anielas Seele und Körper segnen und stärken.“

Antwort an die Ehefrau eines Mordopfers: „Seine Seele hat, nachdem sie seinen Körper verlassen hat, nicht im Fegefeuer gelitten. Aufgrund der für ihn abgehaltenen hl. Messen und Gebete kam sie in den Kreis der Höheren, dies ist aber noch nicht der Ort ihrer Erlösung und endgültigen Freude. Sein Geist wird stark sein, und er wird die Möglichkeit haben, seiner Familie zu helfen und über ihr zu wachen. Die Menschen, seine auf der Erde lebende Familie, können und sollen ihm helfen, dieses Glück zu erreichen. Am besten und wirkungsvollsten wäre ein Opfer für Missionszwecke und ein gleichzeitiges Opfer des Schweigens, in Gedanken verbunden mit einem Gebet. Dies kann man sogar bei der Arbeit verrichten, wöchentlich eine Stunde lang, an jedem Freitag. Nach einiger Zeit wird der selige Verstorbene seine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen und die Wirksamkeit des dargebrachten Opfers bestätigen, indem er einem seiner Angehörigen im Traum erscheint.“

Auf die Frage eines Priesters nach Piotrs Berufung: „Piotr ist nicht zum Geistlichen berufen, er könnte kein guter Priester sein. Man sollte die Schar der ungeeigneten Priester nicht noch vergrößern. Die Schwachheit einiger von ihnen wird schon zur Genüge von böswilligen Menschen ausgenutzt, die die Würde der Kirche herabsetzen wollen. Warum sollte man ihnen noch mehr zum Fraß vorwerfen? Niemand leidet mehr unter den Fehlern seiner Diener und niemandem wird durch sie ein größeres Unrecht zugefügt als Jesus, doch die Menschen, anstatt es zu verstehen und mit ihm zu fühlen, greifen nach diesem Vorwand und wenden sich sogar von ihm ab! In religiösen Dingen unerfahren, identifizieren sie den Klerus mit der Kirche, dabei sollten sie beachten, daß die Kirche alles überdauert hat und trotz der Einwirkung übler und unwürdiger Beamter bestehen bleibt. Gerade in dieser Tatsache ist die Bestätigung für die Göttlichkeit dieser Kirche zu sehen.

Priester fallen nicht vom Himmel wie Sterne, sie sind Menschen und nur Menschen. Darum sollte ihr Tun auch nicht von Menschen beurteilt werden, sondern allein von Gott, vor dem jeder Rechenschaft ablegen muß. ,Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet'. Sollte man sich nicht ein Beispiel nehmen an der Geduld Gottes, der es zuläßt, daß sein Leib von zuweilen unwürdigen Händen angefaßt wird? Wenn Gott in so hohem Maße nachsichtig ist, warum regen sich die Menschen dann auf? Wenn Gott gewollt hätte, hätte er Engel zu seinen Dienern in der Welt berufen können. Er wußte jedoch, daß ein Engel, von der vollkommenen Liebe zu Gott erfüllt, die Frechheit der Welt gegenüber der Allmacht Gottes nicht ertragen, nicht verstehen, folglich auch nicht verzeihen könnte. Deshalb müssen die, denen er die Macht zur Vergebung von Sünden verliehen hat, solch fehlerhafte Menschen sein. Da jedoch der Priesterstand privilegiert ist und freiwillig angenommen wird, steht seine Verantwortlichkeit in einem absoluten Verhältnis zu den empfangenen Gaben und übernommenen Verpflichtungen.“

Ksawery fragt, ob er den Willen Gottes richtig verstanden hat: „Man sollte nicht nur tiefer in die Geheimnisse des Glaubens und der Liebe Gottes eindringen, nicht nur die eigene Seele weiterentwickeln, sondern auch ernsthaft auf die anderen Patres einwirken, damit sie ihrer hohen Bestimmung würdig und zu reinen Seelenführern werden. Damit werden sie auch zu wahren Schülern und Aposteln des idealen Vorbildes — Jesus. Jeder christliche Orden ist genauso wertvoll wie alle anderen. Über irgendwelche Änderungen sollte er sich keine Gedanken machen, sondern vielmehr an dem Platz bleiben, auf den ihn die himmlische Vorsehung als Priester gestellt hat. Hier kann man viel, sogar sehr viel für Gott tun, indem man dem Beispiel des hl. Pfarrers von Ars folgt. Wenn sich doch alle Geistlichen diesen Pfarrer zum Vorbild nehmen würden! Ksawery hat die besondere Gabe, Menschen zu beeindrucken, er ist sympathisch und liebenswürdig, was für seine Arbeit als Hirte und Lehrer von großem Vorteil sein kann.“

Antwort an Rosalia, die sich ihrer eigenen Schwäche bewußt ist: „Rosalia! Ich weiß, daß du in Kürze ein gutes, liebendes Kind unseres Herrn Jesus und Marias sein wirst. Gott erkennt deine Bemühungen an. Du mußt nur jederzeit an die Gegenwart unseres geliebten Erlösers denken, darfst niemals zulassen, daß Gott beleidigt wird, mußt in Freude und im Leid bei ihm verweilen. Das heiligste Herz Jesu erwidert jede Bemühung im Sinne seiner Liebe, doch ebenso sieht und leidet es wenn sein Wille und seine Lehre mißachtet werden. Bete, Rosalia, und denke stets daran, daß jemand, der so viel über unseren Herrn Jesus weiß, alles hat und um alles bitten darf.“

Antwort an die Mutter eines 14jährigen Gymnasiasten, der gestohlen hat: „Antonina kannst du sagen, liebe Fulla, sie solle ihrem Sohn ihre Trauer zeigen und ihm in Ruhe die schlimmen Folgen seiner Vergehen vor Augen führen. Man sollte ihn jedoch nicht vor Freunden und Bekannten beschämen, damit er seine Haltung nicht vollends verliert. Man muß ihn auch nicht allzu streng tadeln oder bestrafen, da er selbst schon über die Traurigkeit seiner Mutter und seine eigene Situation sehr bestürzt und beschämt ist. Antonina soll innig zur heiligsten Jungfrau Maria von Tschenstochau um die Rückkehr ihres Sohnes in die Schule beten. Sie soll der heiligsten Mutter etwas versprechen und dieses Versprechen dann auch erfüllen! Außerdem muß sie mit den Lehrern und dem Direktor reden, vielleicht sogar mehrmals. Ihr Sohn soll mitgehen, sich für seine Tat entschuldigen und versprechen, es nie wieder zu tun. Darüber hinaus soll sie in diesem Sinne eine Novene beten, da man die Situation nicht so belassen kann. Die Entwicklung des Jungen könnte für sein ganzes Leben ruiniert sein. In diesem Alter haben Jungen oft bösartige Ideen, einer überredet den anderen und es kann böse enden. Mögen also unser Herr Jesus und die Mutter Gottes diese ganze Angelegenheit zum Wohle des armen Jungen lenken ...“

Antwort an Anna: „Schreibe Anna einen Brief, liebe Fulla, sie kennt dich nicht persönlich und hat dir doch so ehrlich und demütig ihre Seele geöffnet. Schreibe mit inniger Liebe und sage ihr zum Schluß, daß ich sie in ihrem Streben nach Wahrheit unterstützen, erfreuen und festigen werde. Füge das folgende Gebet zur heiligsten unbefleckten Mutter bei:

,Du reinste, auserkorene Jungfrau Maria! Komm mir zu Hilfe und halte Verlockungen und Sünden von mir fern, die meine Seele und meinen Körper beschmutzen. Mach, daß die reine Liebe des heiligsten Herzens unseres Herrn Jesus meine Seele ganz ausfüllt und nichts Unwürdiges mehr in sie hineinpaßt. Möge das heiligste Herz meine Leere und Einsamkeit ausgleichen und mich zur Wahrheit, Liebe und Demut führen. Heiligstes Herz Marias, sei meine Rettung.'

Schreibe ihr noch, daß ich sie segne.“

Antwort an Jolanta: „Sage Jolanta, daß sie nicht zum Klosterleben berufen ist. Ihre Gedanken und Wünsche, Gott allein zu dienen und in seinem Sinne zu wirken, sind nicht einheitlich. Ihre weltlichen Bindungen überwiegen, obwohl ihre Seele rechtschaffen ist und sich zuweilen erheben kann. Sie kann in der Welt nützlicher wirken und soll die Prinzipien der Liebe zu Gott und den Menschen sorgfältig vertiefen. Sie kann außerdem andächtig beten und Opfer bringen, damit Gott ihr den richtigen Weg zeigt oder sie mit einer wirklichen Berufung bedenkt.“

Die Schwester der verstorbenen Leonia erkundigt sich nach Leonias Seele: „Leonia verrichtet ihre Buße im Fegefeuer, diese ist jedoch nicht allzu schrecklich. Durch ihre temperamentvolle und fröhliche Art war die Verstorbene zu ihren Lebzeiten oft bereit, Gutes zu tun. Sie leidet für ihr allzu oberflächliches Verhalten im religiösen Leben. Man sollte ihrer Seele gedenken, besonders an jedem Freitag, und für sie beten, während man aufmerksam die hl. Messe hört.“

Elzbieta erkundigt sich nach den Seelen ihrer Eltern: „Durch die Barmherzigkeit Gottes und die Fürsprache der heiligsten Mutter leiden Elzbietas Eltern zum Glück nicht allzu sehr, aber sie haben noch einen langen Weg vor sich, bevor sie die Glückseligkeit erreichen. Ihre Seelen, die sich nebeneinander auf einem Weg befinden, sehnen sich nach Hilfe von der Erde, warten auf Gebete, um die Erlaubnis Gottes zur Abkürzung dieses traurigen und weiten Weges zu erhalten. Nach Möglichkeit sollte eine hl. Messe für ihre Seelen abgehalten und jeden Tag der Engelsgruß gebetet werden. Elzbieta soll zur Beichte und hl. Kommunion gehen und sich um Arbeit bemühen. Ich werde ihr helfen. Sie sollte unseren Herr Jesus um Verzeihung für sich und den Mann bitten, den Willen Gottes akzeptieren und andächtig beten.“

Wanda bittet um Rat: „Aufgrund ihrer eigenen Sünde und durch die Sünde des Menschen, der sein sakramentales Gelübde gebrochen hat, hat Wanda ein schweres Leben. Sie sollte sich nicht mehr mit ihm treffen, sondern ihn durch einen katholischen Anwalt schriftlich auffordern, Alimente für die Kinder zu zahlen. Er muß die Konsequenzen seines unwürdigen Tuns tragen, da es um unschuldige Wesen geht, denen er das Leben gab. Man sollte dem Anwalt die ganze Angelegenheit erzählen, eine gerichtliche Klage jedoch nur dann vorbringen, wenn sich der Schuldige trotz der schriftlichen Aufforderung nicht bereit erklärt, freiwillig zu zahlen.

Stanislawa bittet um Rat: „Stanislawa soll ihren Ehemann Andrzej ohne zu klagen der Obhut unseres Herrn Jesus anvertrauen, da er physisch und psychisch krank ist. Alles, was ihn zu dieser fremden Frau hinzieht, hat einen krankhaften Charakter. Wenn sich Stanislawa also beruhigen und zur Güte durchringen kann, soll sie sich ihrem Mann gegenüber sehr herzlich verhalten. Da ist nichts zu machen, man muß der eigenen Liebe entsagen und darf nicht verzweifeln. Von Kindheit an war ihr Mann nicht gesund. Man sollte vertrauensvoll und innig für ihn beten. Eine Novene beten, beichten und zur hl. Kommunion gehen und das kleine geweihte Bild des heiligsten Herzens Jesu oder ein Skapulier in das Kleidungsstück des Ehemannes nähen, das dieser meistens trägt. Mit dem Beten nicht aufhören, bis Jesus sich erbarmt. Wer ihm vertraut und seine Sorgen anvertraut, wird niemals eine Enttäuschung erleben. Der Erlöser läßt einen Gläubigen niemals ohne Trost zurück. Stanislawa ist fähig, unserem Herrn Jesus nahe zu bleiben, ihr Kreuz geduldig zu tragen und liebevoll an den zu denken, der uns liebt, erlöst und belohnt. Darüber hinaus soll sie ernsthaft beginnen, um seelische und körperliche Gesundheit ihres Mannes zu bitten und demütig hinzuzufügen: Möge unser Herr Jesus seinem Willen gemäß handeln, sein Wille geschehe.“

Wladyslawa erkundigt sich nach der Seele ihrer Schwester, der seligen Schwester Kazimiera, die in einem Benediktiner‑Orden lebte: „Die verstorbene Kazimiera kann bei Gott vieles erbitten, da sie der höchsten Ehrerbietung nahe ist. Wladyslawa soll jedesmal, wenn sie für die Seelen ihrer verstorbener Verwandten und Bekannten betet, Kazimieras Namen erwähnen und durch deren Verdienste um die Erlösung der anderen bitten.“

Antwort an Karolina: „Fulla, meine liebe kleine Sekretärin, gib Karolina zur Antwort, daß ich mich ihrer Kinder annehme. Als gute Mutter soll sie jetzt, solange es Zeit ist, die Liebe zu Gott und den Menschen in der Erziehung ihrer Kinder intensiv und ohne Egoismus beachten. Sie soll ihren jungen Herzen auf vorbildliche und geschickte Weise die festen und soliden Grundsätze der Güte, Sanftmut, Warmherzigkeit und Ehrlichkeit einflößen. Das gemeinsame tägliche Gebet soll niemals ausgelassen werden. Sie sollen pflichtbewußt, gehorsam und pünktlich sein, die älteren sollen im Haushalt helfen, und auch die jüngsten können schon kleine Aufgaben übernehmen und systematisch beschäftigt werden.

Karolina selbst kannst du sagen, wenn man die eigenen Fehler kennt, sei es leicht, sie zu bekämpfen. Unordnung und Unpünktlichkeit seien bei ihr nicht angeboren, sondern mit der Zeit entstanden und durch eine nachgiebige Umgebung, bequemen Lebenswandel und Denkfaulheit gefestigt worden. Jemand, der unter schwierigen Bedingungen aufgewachsen ist, wird besser mit solchen Fehlern fertig und es ist nicht verwunderlich, daß Karolina Mühe hat, an sich selbst zu arbeiten, denn langjährige Gewohnheit wird zur Natur. Die Folge davon ist der Verlust an Konzentrationsfähigkeit. Ihr rechtschaffener Charakter fühlt, daß etwas nicht in Ordnung ist und verliert sich. Mit einem guten Willen läßt sich alles ergänzen und erneuern. Man muß nur systematisch und ehrlich an sich selbst arbeiten und die anfänglichen Schwierigkeiten und Mißgeschicke schnellstens unserem Herrn Jesus als Opfer darbringen, für das Glück der Kinder oder für den Ehemann.

Niemals zuviel auf einmal! Für den Anfang reicht es, zu einer bestimmten Zeit aufzustehen und sich zu verpflichten, täglich eine Stunde lang eine möglicherweise ungeliebte, aber notwendige Arbeit im Haushalt zu verrichten. Sie soll es bitte eine Woche lang so versuchen. Danach soll sie mehr und mehr selbstgewählte Verpflichtungen auf sich nehmen, stets mit dem Gedanken an das Glück ihrer Lieben. Solche systematischen und regelmäßigen Übungen werden sich für ihren Geist und ihren Charakter als praktisch und nützlich erweisen.“

Eine Mutter klagt über den Egoismus ihrer Söhne: „Sage ihr, Fulla, daß das Schicksal nahezu aller Mütter nun einmal so ist. Die heiligste Mutter hatte den heiligsten Sohn, dennoch weinte sie und suchte ihn drei Tage lang, als er verlorenging und sich freiwillig im Tempel aufhielt. Allein durch große Liebe, Nachsicht und Geduld wird die mühsame Arbeit der Kindererziehung erleichtert. Gott wird eine liebende Mutter, die betet, immer erhören. Und irgendwann wird er auch jede Träne aus ihren Augen wischen.“

Filomena beklagt sich darüber, daß ihre Bekannten nicht an Fullas Erscheinungen glauben: „Das macht nichts. Fehlender Glaube an private Erscheinungen ist keine Sünde. Da aber diese Erscheinungen den Menschen helfen können, die Gemeinschaft der Heiligen eher zu begreifen und an deren Hilfe bei den Problemen des irdischen Lebens zu glauben, wäre hier der Glaube für sie von Vorteil. Die Heiligen sind am ehesten in der Lage, von unserem Herrn Jesus Hilfe zu erbitten. Fulla kann gewöhnlich erst dann verstärkt wirken, wenn sie vorher persönlichen Kontakt mit ihnen hatte. Man kann sie auch aus der Ferne um ein Gebet bitten.“

Halinas Freundin bittet um Hilfe bei deren Bekehrung: „Halina hat weder an den Belangen Gottes noch an ihrer eigenen Seele großes Interesse. Sie steckt tief in dem irdischen Durcheinander, ja sie ist bereits darin versunken. Der Nebel weltlicher Trugbilder versperrt ihr die Sicht auf die Wahrheit und Schönheit und in Anbetracht dessen bedarf es vieler Gebete, damit die Gnade Gottes ihre Seele berührt.“

Antwort an Halina, die später selbst fragte: „Jeder Mensch hat einen freien Willen. Halina sündigt und versteht den Sinn des menschlichen Lebens in der Welt nicht, weil sie nicht verstehen will und sich nicht um Verständnis bemüht. Sie sollte ihr falsches Verhalten aus der Sicht Gottes betrachten, andernfalls wird sie bald seine Strafe erfahren. Man muß intensiv beten, wachsam sein, die eigenen Wünsche von den trügerischen, vergänglichen Freuden abwenden, die zu Schande und Unglück führen. So ist es im irdischen Leben immer. Ihr Ehemann sollte tatkräftig dazu beitragen, daß sich in der Seele seiner Frau ein Wandel vollzieht, indem er eine Novene betet.“

Die Zweite Antwort an Halina: „Sage ihr, meine Kleine, daß unser bester Herr Jesus auf sie wartet. Mit Worten kann man ihr schlecht erklären, welche Befriedigung und Freude ihr unser Erlöser schickt, der die Seelen der Menschen so gut kennt! Ein einfacher, ehrlicher Schritt in seine Richtung wird für sie eine goldene Lichtkaskade öffnen, die ihre Seele und ihr unruhiges Herz durchdringt. Langsam erwacht dann in ihr eine Liebe, die ihr ganzes Wesen erfüllt, und als wiedergeborenes Kind Gottes erkennt sie den Wert dieser Liebe, im Gegensatz zu der Liebe, die ihr die verlogene Welt und die scheinheiligen Verlockungen Satans geben können. Nur eine kleine Anstrengung, den Willen zur Wahrheit richten, danach die Seele im Sakrament der Buße reinigen, verstehen, bereuen — und schon kommt Jesus, unser König, voller Liebe und Vergebung! Er lädt uns freundlich zum Opfermahl ein. Zum Beweis seiner Liebe gelobt er, uns seine Fürsorge und Hilfe zukommen zu lassen — jetzt und auf ewig! Diese Einladung muß man ausnutzen! Den Unglauben abwerfen! Die Welt kann nichts anderes geben als Verrat, Illusion und Enttäuschung! Ich werde ihr helfen und alles erleichtern!“

An eine Verzweifelte: „Wenn Alicja die Hilfe unseres Herrn Jesus wünscht, soll sie ihre verzweifelten, selbstmörderischen Gedanken abweisen. Sie soll an all die angenehmen, hellen Augenblicke denken, die Gott ihr bis jetzt geschickt hat, an die Erfolge und Möglichkeiten, die sie oft schlecht genutzt hat. Auch viele andere haben es so gemacht. Kann man denn nicht ein vorübergehendes Leiden von unserem besten Vater annehmen? Er will die Seele seines Kindes aufrütteln, damit es an wahre und ewige Dinge denkt. Alicja soll unserem Herrn Jesus vertrauen, denn sein heiligstes Herz allein kann und will sie erfreuen.“

In der Angelegenheit eines Diebstahls, dessen ein Hausgenosse beschuldigt wurde: „Josef ist ein anständiger Mensch. Man darf niemanden verurteilen, weil dadurch einem unschuldig Verdächtigten Unrecht geschehen würde. Ich darf nicht sagen, wer gestohlen hat ...“

Anita fragt, ob man zwei Männer gleichzeitig lieben kann: „Ja. Man kann beide lieben, ohne einen von ihnen zu benachteiligen, sofern der Sünde hier kein Platz eingeräumt wird. Man kann auch eine größere Anzahl von Menschen wirklich lieben. Ein Herz, das sich nach Liebe sehnt und diese sucht, hat offenbar auch Liebe zu geben, deshalb kann auch ein Mensch andere Menschen desto mehr lieben, je mehr Liebe in seiner Seele ist.“

An Dolores, die seit drei Jahren schwer krank war: „Dolores ist überaus reich mit kostbaren göttlichen Gaben gesegnet und es ist schlimm, daß sie diese vergeudet. Man darf niemals schablonenhaft denken. Sie soll sie selbst sein und kann es auch. Die Menschen wurden schon immer von den schlimmsten Behinderungen heimgesucht, trotzdem gab und gibt es viele Fälle, in denen sich ein blindes, taubes und stummes Wesen zu einem genialen Menschen entwickelt hat und der Menschheit großen Nutzen brachte. Dolores hat ihren Nerven freien Lauf gelassen, sie hat alte, ausgetretene Wege betreten und fühlt sich nun unglücklich. Dabei handelt es sich nur um ein Festhalten an trüben Gedanken, wie sie ein geistig labiler und kranker Mensch hervorbringt. Sie muß unbedingt von diesem Wege abkommen. Der Zeitraum der Krankheit ist für Dolores sehr wichtig, und wenn Gott ihn verlängert, soll sie es ausnutzen! Kopf hoch, und nicht zulassen, daß sich die anderen in seichtem Mitleid und in Klagen über dieses Los ergehen! Man muß dem vertrauen, der Tote auferweckt und Aussätzige geheilt hat! Dort allein hinsehen, denn nur von unserem Erlöser kann Hilfe kommen. Dolores leidet für die Schuld ihrer Vorfahren, zum großen Teil aber auch für ihre eigene Schuld.“

Die zweite Antwort: „Dolores soll ihre Seele täglich in vollkommener Liebe und im Glauben üben und veredeln. Erst einmal soll sie danach streben, das Verhältnis zu ihrer Umgebung systematisch zu verbessern. Dies ist nicht so schwer, wenn sie nur mit gutem Willen an die Sache herangeht. Ich werde ihr helfen. Zum Glück kann man Dolores die Wahrheit ins Gesicht sagen, deshalb möchte ich sie hier an etwas erinnern: Wie war ihre Umgebung bis vor kurzem? Sind wirklich nur die anderen an allem schuld? Möge die liebe Dolores Güte und Gerechtigkeit walten lassen und als Frau Vergebung üben.

Warum du dich unserem Herrn Jesus zuwenden sollst, fragst du, Dolores? Er verlangst von dir, daß du dich deinem Mann näherst. Dies wird dir nicht sofort gelingen, aber lohnt es sich denn nicht, sich zu einem Akt der Opferbereitschaft und Hingabe an das heiligste Herz durchzuringen, das dich im Gegenzug dafür reich beschenkt? Du kannst das, was zerstört ist, nach und nach wieder aufbauen. Es war nicht auf einem soliden Fundament gebaut, deshalb ist dieses nach außen schöne Gebäude zusammengefallen. Schaue nicht zur Seite, Dolores, suche nicht nach anderen, neuen Gefühlen. Damit könntest du deine Seele beschmutzen und Gott würde dir dadurch Freude und Gesundheit versagen. Denke darüber nach und wir können vielleicht gemeinsam mit der Arbeit für unseren Herrn Jesus beginnen. Du systematisch, mit Güte und Liebe an der Erfüllung deines Versprechens beim Ehesakrament und das hl. Mütterchen an der Genesung der von unserem Herrn Jesus geschätzten und geliebten Dolores.“

Die dritte Antwort: „Sage Dolores, daß der gute Herr Jesus ihr die großartige Gabe verliehen hat, sich den Wert ihrer Seele bewußtmachen zu können. Dolores fragt, in welchem Verhältnis unser Herr Jesus zu ihr steht? Er sieht mit barmherzigen Augen in ihr Herz, sieht, wie krank und verlassen das arme Kind ist und wie es leidet. Jesus wartet mit reichlichen Gaben, wartet, bis Dolores' Seele vollends aufwacht, er will ihr Herz ganz, sie soll den Wert des Leidens verstehen und richtig einschätzen. Sie soll also dieses wirkliche Verstehen nicht jetzt schon mit Gewalt abweisen, noch bevor es sie erreichen konnte. Für die Rückkehr der Menschen, um die es ihr geht, soll sie jeden Tag ein selbstgewähltes Gebet beten.

Vor unreinen Gedanken, Worten und Taten wird sie die heiligste reine Jungfrau sicher beschützen, deshalb sollte sie sich in Zeiten der Versuchung stets vertrauensvoll an sie wenden. Ich, das hl. Mütterchen, liebe und segne Dolores; ihr leidenschaftliches Bekenntnis und ihre Ausdauer gefallen mir.“

An Felix, der sich einer Krankheit unterwarf: „Felix unterwirft sich der Krankheit und glaubt, sie auf diese Weise bezwingen zu können. Wenn ein Gedanke ständig um eine Sache kreist, wird diese stärker und beherrscht schließlich die Gedanken und den Willen. Bei Krankheiten oder Fehlschlägen darf man seinen Willen nicht noch schwächen, sondern man muß sich bemühen, diesen gefährlichen Feind zu mißachten.“

Eine verlassene Ehefrau fragt, ob sie ihr Einverständnis zu einer gerichtlichen Scheidung geben darf: „Sage Sofia, als Katholikin dürfe sie ein solches Einverständnis nicht unterschreiben. Ihr Ehemann belastet sein Gewissen in hohem Maße. Es ist schade um ihn, denn er hat von Gott große Tugenden empfangen, die er jetzt leider vergeudet! Er könnte viel Gutes tun, statt dessen sät er Sünde und Verärgerung. Sofias einzige Rettung kann die unbefleckte Mutter sein, die ihr Kraft gibt. Sofia soll eine hl. Messe lesen lassen, vor ihrem Altar andächtig und vertrauensvoll eine Novene beten und jeden Tag am Ende hinzufügen: ,Heiligstes Herz unseres Herrn Jesus, du ewige Flamme der Liebe Gottes.' Wenn Sofia dieses Problem unserem Herrn Jesus anvertraut und nicht in die Scheidung einwilligt, wird sich nach dem Willen Gottes ein anderer Weg finden und alles löst sich auf unerwartete Weise. Eine Trennung ist erlaubt. Ständiges inniges Gebet kann der ganzen Geschichte eine neue Wendung geben.“

Julia fragt, ob man die Generalbeichte wiederholen solle: „Eine Generalbeichte muß nicht mehr abgelegt werden. Unser Herr Jesus hat die früheren Sünden vergeben und die Absolution erteilt. Der Weg, den Julia beschreitet, ist gut und erfreut das heiligste Herz. Falls sie trotz allem zuweilen von Gewissensbissen geplagt wird, kann sie Buße tun, indem sie bei der Beichte die früher begangene und bereits bekannte Sünde wiederholt, die sie am meisten beschämt. Man muß es dem Priester aber mitteilen, daß man zum Zwecke der Buße ein zweites Mal bekennt. Man kann auch aus Liebe zu unserem Herrn Jesus freiwillig eine andere Buße auf sich nehmen und die Herz‑Jesu‑Litanei auf den Knien beten, neun Tage hintereinander.“

Aniela klagt über Gleichgültigkeit beim Beten: „Früher konnte Aniela andere so nett zum Beten auffordern, sie mit sanften Ermahnungen und durch eigenes Vorbild zu Gott führen — doch jetzt sind ihre Nerven und ihre Gesundheit zerrüttet, ihre Energien aufgebraucht. Deshalb muß sie sich wieder als ein schwaches und bedrücktes Kind vor Gott fühlen. Er sieht ihre Schwäche und Erschöpfung. Soviel Kraft hat Aniela aber noch, um jeden Tag an den himmlischen Vater die Worte zu richten: ,Gott, segne heute mein ganzes Haus, meinen Mann, meine Kinder und mich, nimm alle Sorgen und Mühen dieses Tages als ein Gebet von mir an.' Abends noch einmal kurz zu Gott beten, für den überstandenen Tag danken und das ganze Haus der Obhut des Herrn für die kommende Nacht anvertrauen. Das ist nicht schwer und in kurzer Zeit wird sie wieder wie früher Freude am Gebet haben, und das stille Gespräch mit dem Herrn der Welten wird sie befriedigen. Unser Herr Jesus wird den Menschen, den er am Kreuz durch seine Liebe freigekauft hat, zärtlich beruhigen.“

Antwort an Henryka, die mehrmals versuchte, Selbstmord zu begehen: „Henryka steht bei Gott in hoher Gnade! Dies allein sollte ihr schon genügen, um ihren Glauben zu stärken, denn es ist klar ersichtlich, daß der barmherzige Gott ihren Untergang nicht will, da er ihre Seele und ihren Körper schon einige Male vor einem schrecklichen Tode bewahrt hat, in den sie freiwillig trieb. Gott schickt uns Leiden — die Liebe Jesu ist jedoch groß. Anscheinend ist Henryka dem Himmel viel wert, da es dem Herrn gefallen hat, ihren Tod aufzuhalten, und da er ihr erlaubt, bereits hier auf der Erde Bedrängnisse und Qualen zu erleiden, die denen im Fegefeuer ähnlich sind.

Hier noch eine Gnade. Henryka wendet sich freiwillig und gern an dich, meine kleine Fulla, und nun mußt du ihr an meiner Stelle helfen. Nimm unsere Notizen mit den Ausführungen über den Wert des Leidens und lies sie Henryka vor. Möge sie ihre Aufmerksamkeit langsam auf die Ewigkeit richten. Das bisherige Leben, die schweren Sünden gegen Gott, die Menschen und sich selbst können ganz vergeben werden. Man braucht nachher nicht mehr an sie zu denken. Die leidgeprüften Arme ausstrecken und auf die verwundeten Hände unseres Herrn Jesus zugehen. Er wird hier, zu Lebzeiten, nicht als grausamer Richter auftreten, sondern Verständnis haben, verzeihen, keine Vorwürfe mehr machen. Die physischen und moralischen Qualen werden die Schuld ausgleichen, wiedergutmachen, die Seele beruhigen, zu Verständnis, Reue und Liebe führen und neue Kraft schenken. Henryka kann zu einem neuen Menschen werden.

Ihr unpassender Ehemann hat sie enttäuscht, ebenso wie der zweite und wie die anderen Menschen. Reichtum und Genußsucht haben die Unglückliche in einen Abgrund aus Verzweiflung geführt, diese hat sie das Gift finden lassen, das ihre Menschlichkeit langsam, aber systematisch ruinierte. Es scheint, als ob Henryka bereits alles erlebt hat, was auf der Erde „gut“ und was „schlecht“ ist. Beinahe hätte sie ihren Verstand verloren. Trotzdem möge sie in Gedanken in die Zeit zurückgehen, da sie jung war und sich dann fragen: War die kleine Henryka etwa ein böses Mädchen? Wurde sie von Gott nicht reichlicher mit Gaben beschenkt als die anderen? Das kleine, unschuldige Mädchen war gesund, schön, intelligent, geschickt und hatte ein zärtliches und liebevolles Herz. Was hätte man alles tun können, welchen Weg hätte man gehen sollen? Heute hat Henryka keine Ahnung davon, wie sich ein Mensch fühlt, der vorwärts geht und nicht vom klarer Weg abweicht.

Das bedeutet aber gar nichts! Zum Glück haben wir jemanden, der uns verwandeln und erneuern kann. Wir haben einen vertrauten und lieben Freund Jesus. Er ist gekommen, um unsere Pfade zu ebnen, um zu retten und zu erlösen. Bevor wir an die Wiederherstellung der Gesundheit herangehen, muß der Wille dahingehend ausgerichtet werden, daß er alles, was neu auf uns zukommt, als von Gott kommend annimmt. Will Henryka, daß ihr Körper und ihre Seele gesund werden oder wünscht sie, daß entweder ihr Körper oder ihre Seele heilt? Sie soll eine ehrliche Antwort darauf geben.“

Kann die selige Anna Katharina Emmerich Wandas Betreuerin sein? „Katharina Emmerich ist im Himmel eine Heilige. Sie kann eine ständige und sehr starke Betreuerin für Wanda werden. Man muß nur eine Novene zu ihr beten. Dazu kann man selbst ein Gebet verfassen oder aber neun Tage hintereinander das ,Vater Unser' und ,Gegrüßet seist du Maria' beten, stets mit dem Wunsch, diese Heilige möge Wanda doch in ihre Obhut nehmen. Am neunten Tage wird Wanda ganz sicher mit ihr Kontakt haben und sie wird es deutlich verspüren. Danach kann die Katharina ihr jederzeit behilflich sein, indem sie sich bei Gott für sie einsetzt.“

Magdalena klagt über den Mangel an Enthusiasmus für die Belange Gottes: „Sage Magdalena, sie solle in ihrem Eifer nicht nachlassen und sich weiterhin für die Sache Gottes einsetzen. Die Menschen waren, sind und werden auch noch lange gleichgültig und kalt gegenüber den Worten unseres Herrn Jesus sein. Magdalena ist uns schon sehr nahe und ihr aufrichtiges, kindliches Herz macht dem Himmel große Freude. Können ihr denn die Spötter bei ihren Sorgen und Kümmernissen helfen? Unser Herr Jesus ist der einzige Freund, der sie versteht, ihre Arbeit segnet und ihr bei der Erziehung der Kinder zu seiner und ihrer Freude behilflich ist. Ich will mich um Madzia und die ihrigen kümmern und sie freundschaftlich betreuen. Sie soll nur alle ihre Sorgen nehmen und unserem Erlöser darbringen — ich werde ihn um die notwendigen Gaben bitten. Madzia weiß, daß Wahrheit allein bei Gott ist. Sie glaubt, also ist sie glücklich. Für eine Seele, die Gott liebt, haben weltliche Strömungen keine Bedeutung, sie können sie nicht zu Fall bringen. Die Verdienste einer Mutter, die sich um ihre eigene Seele und um die Seelen ihrer Kinder sorgt, sind groß, und Gott beschenkt eine solche Mutter liebevoll mit seiner Gnade.

Madzia muß die Mutter Jesu noch näher kennenlernen. Sie muß Maria unbedingt in ihr Herz schließen. Diese wird das Herz einer Mutter am besten verstehen, wird sie mit Klugheit segnen, damit Madzia sich in schweren Augenblicken zu helfen weiß. Die heiligste Mutter hat ihren einzigen, geliebten Sohn liebevoll erzogen und ihn für uns geopfert. Mit ihrem Tun hat sie bewiesen, daß sie uns liebt. Folglich müssen auch wir sie lieben. Marias Herz ist für uns offen und die Gnade Jesu geht durch ihr Herz hindurch. Vergessen wir also nicht, unsere Bitten jeden Tag durch Maria zum Himmel zu schicken, denn ihre Fürsprache hat die stärkste Kraft und Wirkung.“

An einen Zweifler, der zum Beweis verlangte, die hl. Theresia möge ihm erscheinen: „Mit Gott oder den Heiligen darf man aus Neugier keine Experimente machen, denn zum einen wird die Neugier dadurch nicht gestillt, zum anderen kann man eine strenge Strafe auf sich ziehen. Wenn X. ehrlich und ernsthaft in die Sphäre des Geistes hineinschauen wollte, würde er — stufenweise — immer mehr sehen und am Ende Gott erkennen.“

An einen verzweifelten Witwer: „Das gemeinsame Leben mit der geliebten Ehefrau ist vorbei. Offenbar sollte es so sein. Ihre Seele sorgt sich jedoch um die Seele und das Glück ihres Mannes, deshalb seine plötzliche Wendung in die Richtung seiner inneren Weiterentwicklung. Andrzej sollte den neuen, hellen Weg so freudig wie möglich beschreiten und die Wahrheit anstreben, in der sich seine geliebte Ehefrau befindet. Er sollte sich wegen irgendwelcher Nachlässigkeiten keine Vorwürfe machen. Ihr Tod wird ihm klarmachen, was es bedeutet, eine Seele zu lieben. Sie ist erlöst und will ihrem Geliebten dort einen Weg bahnen. Auf der Erde wäre ihr dies nicht gelungen, auch wenn sie sich noch so sehr bemüht hätte. Erst aus der Höhe der Wahrheit herab, gestärkt durch Weisheit, kann sie ihrem Mann ihre ganze Liebe erweisen, indem sie ihn ohne Umwege ins Ziel, in den ewigen Tempel der Freude führt. Sie selbst weilt dort und wartet sehnsüchtig auf ihn.

Man kann einen regen Umgang mit Heiligen pflegen und diesen Kontakt zum Wohle der eigenen Seele nutzen. Es ist möglich, sich eine Heilige oder einen Heiligen auszusuchen, von der oder dem man am meisten überzeugt ist, und da wir wie Menschen fühlen und denken, sollte man zur Erleichterung des Kontaktes ein Bildnis des bestimmten Heiligen neben sich stellen und ihn als Freund und Ratgeber betrachten. Bei Schwierigkeiten und Problemen kann man sich vertrauensvoll an den selbstgewählten Betreuer und Führer wenden, ihn um Rat, um eine Anregung und um alles bitten, was man im Leben benötigt. Und langsam, nach und nach, entsteht ein herzliches Bündnis.“

Antwort an eine Frau, die keine praktizierende Katholikin war, sich in keiner Weise mit geistigen Dingen befaßte und trotzdem dringend eine Beratung bei finanziellen Problemen forderte: „Wenn Teofila sich an Heilige wenden und um etwas bitten möchte, muß sie unbedingt selbst im Zustand der Gnade sein. Ein andächtiges Gebet erhört unser Herr Jesus immer, wenn das, um was wir bitten, unserer Seele nicht schadet. In gleicher Weise, wie der Mensch sich an Gott wendet, wendet sich auch das heiligste Herz dem Menschen zu. Was beabsichtigt der Mensch, dem Erlöser zu geben? Einen kleinen Teil oder aber sein ganzes Herz? Er sieht die reine Absicht und teilt seine Gaben großzügig aus. Um alles kann man unseren Herrn Jesus bitten — aber mit Liebe und Vertrauen!“

Antwort an eine rauschgiftsüchtige Frau: „Wiera ist eine Frau, die für fremde, stärkere Einflüsse anfällig ist. Sie hat niemals etwas für die Entwicklung ihrer Seele getan, sondern sich immer von momentanen Launen leiten lassen. Man kann folgendes von ihr sagen: Nicht nur, daß sie niemals über ihr inneres Leben nachgedacht hat, sie hat auch ein chaotisches Verständnis vom weltlichen Leben. Sie hält sich leichtfertig an den äußeren Schein, findet keine Befriedigung in dem, was sie tut, weiß oft im voraus oder empfindet geradezu, daß sie eine Niederlage erwartet. Wer oft mit ihr zusammen ist, sollte das Gespräch geschickt auf wahre, wichtige Dinge richten, sie auf die Lage der Welt aufmerksam machen, die sich wie ein Gewitter ankündigt und zur Besinnung mahnt. Darüber hinaus sollte man für sie und ihr Kind beten. Die Kleine hat mehr Eigenschaften von ihrem Vater, ist aber trotzdem ganz anders als ihre Eltern. Sie sollte sorgfältig erzogen werden, damit die positiven Seiten ihres Geistes nicht entstellt und die ungünstigen Eigenschaften, die sie von ihren Vorfahren geerbt hat, nicht noch stärker werden.“

Jemand bittet um die Betreuung durch das heiligen Kind Anna de Guigné: „Die kleine Anna befindet sich im Kreis der Freude. Sie selbst kann keine Betreuung übernehmen. Wenn sich Sofia aber geistig mit ihr in Verbindung setzt, wird sie sich an einen stärkeren Geist wenden, der dann zu gegebener Zeit ihre Bitte erfüllen oder ihr eine gute Idee eingeben kann. Sofia ist in der Lage, sich in bestimmten Augenblicken aus dem täglichen Einerlei zu erheben und die unsichtbare Leitung aus dem Jenseits zu erreichen. Von dort können ihr die von ihr geliebten Hellen Geister zeitweise große Vorteile zukommen lassen.

Sofias Betreuung kann von der großen hl. Theresia, vom hl. Andrzej Bobola oder vom hl. Johannes vom Kreuz übernommen werden. Die Art ihrer Heiligkeit entspricht Sofias Wesen. Sie können ihr vieles erklären, vieles nahebringen und so manches Lebensproblem durch nützliche Eingebungen erleichtern. Jeden Abend kann man seinem Betreuer die Bitten und Sorgen des ganzen Tages mitteilen. Durch ein Bild oder eine Reliquie werden die heiligen Betreuer gewissermaßen zu ständiger Wachsamkeit und unaufhörlicher Hilfe gebeten.“

An die verzweifelte Krystyna: „Krystyna soll nicht verzweifeln. Sie muß ihren Willen beherrschen. Depression, Apathie und Verzweiflung, das alles ist nichts für sie. Sie und ihre Lieben genießen die höchste und barmherzigste Betreuung durch unseren Herrn Jesus. Sie hat schon so vieles überwunden und verschmerzt. Ist denn das Kreuz, das unser Herr Jesus ihr jetzt schickt, gar so schwer? Es scheint vielleicht so. In Augenblicken der Bedrängnis und des Schmerzes, mein Kind, versuche dich kurz hinzuknien und deine Last demütig und still unserem Herrn Jesus darzubringen. Zur heiligen Jungfrau bete um Hilfe. Den ganzen Monat Mai lang zeigt sich Maria besonders huldvoll. Sie war selbst Mutter und ist bis zum heutigen Tage eine Mutter für uns alle. Sie liebt uns sehr und ihre Kraft dringt in unsere unruhigen Herzen ein.“

Antwort an einen Professor, der nicht an eine übernatürliche Welt glaubt: „Professor X. weiß selbst sehr gut, wieviel Arbeit und Mühe, wieviel Selbstüberwindung und Entsagung es kostet, in irgendeinem Zweig der Wissenschaft zu einer Erkenntnis zu gelangen. Also möge er auch hier seinen Hochmut und seine Faulheit ablegen und ehrlich in die Tiefe seines Geistes hineinsehen. In dieser Hinsicht hat er bisher freiwillig nur wenig getan. Dazu ist es notwendig, Eigenschaften wie Einfachheit und Kindlichkeit zu entwickeln, deren man sich vor dem Schöpfer und Herrn allen Seins und aller Dinge absolut nicht schämen muß. Man sollte etwas aus diesem göttlichen Bereich lesen und zuweilen auch Kontakt zu Menschen suchen, die Gott erfahren haben... Die unbegründete Skepsis den Dingen des ewigen Lebens gegenüber ist abzulegen, weil dieses Problem wichtiger als alle modernen Thesen und technischen Errungenschaften ist. Für einen solchen Schritt braucht man guten Willen und den Sinn für inneren Frieden und das eigene Glück, das doch irgendwo existiert und das unseren eigenen Einsatz wert ist und auch erfordert! Gott selbst unterstützt solche menschlichen Bemühungen sehr, denn er selbst hat dem Menschen das Glück bereitet — aus Liebe!“

Ist August Czartoryski ein Heiliger? „August hält sich bei den Heiligen im Himmel auf. Seine Fürsprache kann bei schwierigen und verworrenen geistigen Problemen sehr hilfreich sein. Man kann zu ihm wie zu den anderen Heiligen um Hilfe bei Zerwürfnissen, um Erleuchtung, Glauben, um besseres Verstehen des Wesens Jesu und schließlich auch um Überwindung des Egoismus zugunsten der Nächstenliebe beten. Der hl. Don Bosco und der hl. Pfarrer von Ars haben August sehr gern.“

Antonina, die mit einem verheirateten Mann zusammenlebt und selbst geschieden ist, bittet um Lebensberatung: „Antonina hat einen freien Willen und kann tun, was sie will, aber das Leben, das sie führt, ist geradezu übel und sündig. Der Segen Gottes fehlt hier und wird solange fehlen, bis sie die sündhafte Verbindung auflöst. Die Barmherzigkeit Gottes ist groß, voller Vergebung und Gnade, doch seine Gerechtigkeit ist ebenso groß! Widerspenstigkeit und böser Wille können von ihm in einer Weise bestraft werden, daß man keine Zeit zur Besinnung, mehr findet. Das Leben kann bestenfalls lang sein, die Ewigkeit jedoch hat kein Ende!“

Ein Arzt bittet um Hinweise zur Bekämpfung von Krebs: „Wissenschaftliche Forschungen und Untersuchungen werden niemals von Erfolg gekrönt sein, wenn sie einseitig, streng nach den Regeln der Wissenschaft durchgeführt werden. Was hier dringend gebraucht wird, ist Intuition, Intuition im Hinblick auf vernünftige Überlegung. An Krebserkrankungen kann man z. B. folgendermaßen herangehen: Es gibt Länder, die dicht bevölkert sind und in denen die Menschen selten an dieser schrecklichen Krankheit leiden. Warum? Es kann sein, daß die Luft dort anders ist, die Menschen andere Nahrung zu sich nehmen oder aber die Mineralschicht, durch die das Wasser hindurchfließt, eine besondere Beschaffenheit aufweist. Vielleicht wachsen dort auch irgendwelche Kakteen oder andere Pflanzen, die dem Menschen helfen, obwohl er nichts davon weiß.

Leider! Kein Heiliger ist bisher dazu berechtigt, auf eine solche Entdeckung direkt hinzuweisen. Diese wichtige Idee darf dem Menschen nicht vorweg genommen werden, denn sie spornt ihn an, aktiv zu werden und diese wahrscheinlich edelste und nützlichste Herausforderung des Lebens anzunehmen. Mit Gott forschen. Gott hilft! Deshalb sollte man schon den bloßen Gedanken, der sich bei unseren Überlegungen herauskristallisiert, als höhere Eingebung ansehen und in dieser Richtung weiterarbeiten, versuchen, forschen.“

Wie kann man festen Glauben in sich erwecken? „Um einen festen Glauben und die Liebe zu Gott in uns zu wecken, sollte man öfter das Wort unseres Herrn Jesus und die Aufzeichnungen von Heiligen lesen und sich in sein und ihr Leben hineinfühlen. Jederzeit an die Gegenwart des Erlösers denken, denn seine gütigen Augen sehen uns barmherzig an und beobachten jeden unserer Schritte.“

Wie gelangt man zu innerem Frieden? „Um inneres Gleichgewicht und Frieden zu erlangen, muß man nur alles, was sich täglich für uns im Hinblick auf Gott und die Menschen zu tun ergibt, gewissenhaft erfüllen. Nur wenn wir alles, was in unser Macht steht, auch tun, wird unser Herz wirklich froh, dann ist Frieden in uns. Böse Menschen werden diese Erfahrung niemals machen.“

Wie kann man seinen Willen stärken? „Jeder kann seinen eigenen Willen stärken. Die Überlegung, daß es sich doch lohnt, die Faulheit des eigenen Geistes für Gott zu bezwingen, macht es uns leicht möglich. Wie oft haben wir schon größere Anstrengungen für uns selbst oder für andere unternommen? Unsere Mühe für die Sache Gottes wird niemals mißachtet, sondern stets aufs großzügigste belohnt.“

Wie ordnet man sein inneres Chaos? „Wenn wir unter unserem Chaos leiden, sind die Ursachen dafür fast immer im physischen Bereich zu suchen. Wenn unsere Gesundheit angegriffen ist, fühlen wir uns nicht nur körperlich, sondern auch in unserer Seele unwohl. Es ist deshalb unsere Pflicht, im Rahmen unserer Möglichkeiten auf unsere Gesundheit zu achten.“

Warum bewirken Bemühungen in guter Absicht manchmal das Gegenteil? „Jede Anstrengung, die man aus reiner Nächstenliebe vollbringt, hat vor Gott einen unschätzbaren Wert, auch wenn sie scheinbar zu einem schlechten Ende führt. Gute Taten werden zum Teil bereits hier auf der Erde belohnt durch innere Zufriedenheit.“

Wie kann man seinen Egoismus bekämpfen? „Egoismus, auch wenn er noch so stark ist, kann man überwinden, wenn man sich seine Folgen vor Augen führt und diese vernünftig analysiert. Am schnellsten wird man ihn los, indem man sich in die Güte des heiligsten Herzens Jesu vertieft. Er lehrt uns mit jedem Wort, welchen Segen für unsere Seele und welche Freude uns der Verzicht auf unser ,Ich' bringt. Wir empfangen dafür von guten Menschen reine Liebe und Dankbarkeit; die schlechten werden durch ein solches Verhalten in Erstaunen versetzt und oft sogar bekehrt.“

Darf man anthroposophische Werke studieren? „Anthroposophische Werke haben keinerlei Bedeutung für die Suche nach der reinen Wahrheit. Im Gegenteil, sie richten sogar großen Schaden an durch das Chaos, das sie zunächst in unserer Seele erzeugen. Sie führen nicht zur Aufklärung, sondern bringen Unklarheit und Zweifel, weisen einen Weg ohne Ziel und verursachen schließlich sinnlose Verzweiflung und Qualen.“

Marta bittet um Hinweise. „Martas Seele ist dabei, sich zu entwickeln. Sie befindet sich auf dem Weg zur Wahrheit. Die Einfachheit ihres Denkens und ihr rechtschaffener Charakter eröffnen ihr viele Möglichkeiten zur Vervollkommnung. Besonders wichtig sind für sie diese unauffälligen, scheinbar kleinen Dinge, die sie täglich erlebt. Marta irrt sich, wenn sie glaubt, die Anpassung an ihren Ehemann und die Überwindung ihres eigenen ,Ich' zu seinen Gunsten hätten keine große Bedeutung. Im Gegenteil! Auf der Erde leben, den ganzen Zeitraum hindurch, den Gott für uns bestimmt hat, bedeutet nicht, unbedingt für eine ausgesuchte, große Idee zu leben.

Der Mensch muß dort, wo ihn sein Schicksal hingestellt hat, sein Bestes leisten. Das Haus, der Ehemann, die Familie, das Kind — alle unterstehen der Aufsicht einer Hausfrau, Ehefrau und Mutter. Je stärker Marta ihren Egoismus besiegen kann, je mehr sie den Wunsch hat, sich geistig zu entwickeln, desto mehr gewinnt sie in ihrem Hause an Einfluß.

Neben ihrer ganzheitlichen Tätigkeit im Rahmen des häuslichen Herdes kann sie, falls ihr noch Zeit bleibt, außerhalb ihres Hauses wirken. Marta ist ein aktiver Mensch und möchte sich nützlich machen. Welche Fülle an guten Ratschlägen kann sie schwachen und schwankenden Naturen geben! Ungeachtet ihrer eigenen Sorgen — und die hat jeder! — kann sie für andere eine willkommene moralische Stütze und für unseren Herrn Jesus eine Hilfe sein. Die Menschen lieben, sie nach dem Vorbild Christi angesichts ihres Elends mit einem Lächeln erfreuen; unter dem Gesichtspunkt der brüderlichen Liebe betrachten und mit Güte zu Gott hinführen — das ist eine große Idee!

Nicht jeder ist dazu berufen, doch solche Seelen, wie Marta sie hat, sind dafür wie geschaffen. In dem Maße, in dem sie sich ständig weiterentwickeln, haben sie die Fähigkeit, auch andere Menschen zu bessern, denn sie haben einen mächtigen Führer in sich — unseren Erlöser! Jesus selbst möge Marta darüber belehren, wie man richtig lebt und welchen endgültigen Sinn dieses Leben hat. Man soll diese unerläßliche irdische Wanderung so nutzbringend wie möglich durchleben, um dann mit vollen Händen vor den Pforten der Ewigkeit zu stehen.“

Ein Mönch aus der Provinz fragt, wie er die Belästigungen durch seine Mitbrüder ertragen soll: „Auch Jesus konnte nicht immer mit dem verhalten seiner Apostel einverstanden sein, als er noch unter ihnen auf der Erde lebte. War denn immer alles gut und rein um das heiligste Sakrament in den Tempeln des Herrn herum? Oh, meine geliebten Brüder! Denkt daran, daß Selbstüberwindung, Stillschweigen und ein Akt der Demut denen gegenüber, die euch Unrecht tun dort, bei Jesus, hell wie die Sterne leuchten! Eure Traurigkeit, eure Schmerzen und das unangenehme Gefühl in euren Seelen könnt ihr sogleich unserem Erlöser darbringen. Er beobachtet euch liebevoll!“

Ausführung auf Annas Frage, ob der Katholizismus auf den Klerus Rücksicht nehmen müsse: „Nur diese eine Kirche, die Christus selbst gegründet und aufgebaut hat, ist die Kirche Gottes! Unser Herr Jesus zeigte auf sich selbst, als er sagte: ,Ich bin die Kirche, wenn ihr sie zerstört, werde ich sie in drei Tagen wieder aufbauen!' Unter den zwölf Aposteln unseres Herrn gab es einen Verräter — Judas.

Heute sieht es besser aus, denn der Prozentsatz der schlechten Vertreter unseres Herrn in der Welt ist nicht mehr so hoch, und selbst die, die nach Ansicht der Menschen schlecht sind, wollen es hinsichtlich ihrer Fehler nur den Laien gleichmachen. Sie haben Angst davor, sonst ausgelacht oder für unzurechnungsfähig gehalten zu werden. Geht also nicht zu hart mit ihnen ins Gericht. Bei anderen läßt sich alles leichter durchführen als bei sich selbst.

Wahre Katholiken, d. h. Menschen, die sich von der Lehre Christi leiten lassen, nehmen jedoch wahr, daß man nicht blind alles gutheißt, was sich einige Mitglieder des Klerus leisten. Sie fassen bald wieder Vertrauen und haben den aufrichtigen Wunsch, daß sich eben dieser Klerus bald ausnahmslos als würdig erweist, eine riesige Menge menschlicher Seelen zu führen. Ihr müßt bedenken, daß ohne die Kirche und ohne ihr Gesetz die schlimmste Anarchie herrschen würde, und diese würde gerade jene treffen und vernichten, die gegen die Kirche kämpfen.“

7. Kapitel

„Herr, lehre uns beten ...“ (Lk 11, 1)

Außer dem Gebet zum heiligen Geist, das von Kardinal Mercier stammt, und den zwei Gebeten vom hl. Januarius wurden mir alle nachstehend aufgeführten Gebete von der hl. Magdalena‑Sofia diktiert. Sie waren entweder für mich selbst oder für andere bestimmt, die durch mich um ein persönliches Gebet ersucht haben.

***

„Heiligstes Herz unseres Herrn Jesus, du ewige Flamme der Liebe Gottes, wir bitten dich — durch deine ergebene Dienerin, die hl. Magdalena‑Sofia schenke uns etwas von ihrem Verständnis für deine göttliche Lehre der Liebe zu Gott und den Menschen. Erlaube uns, gemeinsam mit deiner geliebten Heiligen deinen blutigen Spuren zu folgen und unser tägliches Kreuz lautlos und friedfertig zu tragen. Weise uns den Weg der Demut, den deine überaus reine Mutter gegangen ist. Möge die Flamme der Liebe des heiligsten Herzens bald die ganze Welt umgarnen, trösten und beruhigen ...“

***

„Heiligste Mutter Maria, in Demut bitte ich dich, erbarme dich meiner. Ich liebe dich und glaube an deine Macht, heiligste Jungfrau, du meine Königin! Lehre mich zu leben, zu arbeiten, zu beten und unseren Herrn Jesus zu lieben. Mach, daß ich nach deinem Vorbild demütig, bescheiden, aufrichtig und fleißig werde. Deine Gnade möge mich den ganzen heutigen Tag hindurch beleben, damit ich meine Pflicht erfülle und der Wahrheit, Liebe und Demut um eine Stufe näherkomme.“

***

„Herr Jesus! Ich liebe dein heiligstes Herz, dein Kreuz, dein Leiden, deine heiligsten Wunden, dein Leben voller Liebe! Ich liebe deinen Tod und deine wunderbare Auferstehung! Jesus, ich liebe dich! Verlasse mich nicht! Sieh heute gnädig und barmherzig auf mich herab, vergib mir und behüte mich.“

***

„Jesus, unser König! Komm zu uns durch dein heiligstes Herz voller Liebe! Wir, deine unwürdigen Untertanen, sehen und fühlen, wie schlecht es uns ohne dich geht. Schon oft haben wir dein Königreich und deine barmherzige Herrschaft abgewiesen. Vergib uns, und denke nicht mehr daran, unser geliebter Jesus, denn du bist der gütigste König! Wir flehen dich an, komm!

Wir haben Sehnsucht nach dir, und du, unser Jesus, hilfst uns, deinen heiligen Willen auf immer zu erfüllen.“

***

„Heiligste Mutter unseres Herrn Jesus und aller durch das Leiden deines Sohnes freigekauften Kinder! Erhöre gnädig mein Gebet! Sei mein einziges Vorbild und zeige mir, wie ich unter Menschen leben soll. Gib, daß dein reines, heiliges Leben, die Tugenden deines mütterlichen und jungfräulichen Herzens in der Tiefe meiner Seele leuchten und all meine Sinne und mein Tun erhellen. In dem Glauben, daß ich durch deine Führung den Weg der Besonnenheit und Gottesfurcht beschreite, werde ich während dieser mühsamen irdischen Wanderung nicht mehr so oft straucheln; ich werde mich meiner trügerischen Begierden enthalten, um auf direktem Wege deinem Sohn und meinem geliebten König in die ewige Anbetung und das wahre Glück zu folgen.“

***

„Geliebter Deza, du mein außergewöhnlicher Freund! Du hast vor nicht langer Zeit unter uns gelebt und kennst deshalb alle Schwächen des menschlichen Willens und unserer Natur. Ich danke dir, daß du für mich erreichbar bist, mein lieber Freund, und ich bitte dich: Stärke meinen Verstand und meinen Willen durch die höchste Erkenntnis der   wesentlichen und wahren Dinge, verbinde mich mit der ewigen Weisheit, mit unserem Vater, auf daß ich, durch dich gestärkt, schmerzliche Irrtümer vermeide und klug und nützlich handle. Du wiederum, mein geliebter Deza, bleibe mir mein ganzes Leben lang ein guter Freund und Berater in göttlichen Dingen!“

***

„Ich danke dir, o Herr, daß du mich Unwürdige mit dem geheimnisvollen Licht des Verstehens deiner Macht, Liebe und Göttlichkeit erleuchtet hast! Dein heiligstes Herz, oh Jesu, umfaßt alle Weisheit und unendliche Liebe! Ich preise dich und gehe mit dir, vom Abendmahl bis nach Golgatha! Durch deinen Schmerz, deine Einsamkeit und dein Schweigen hast du uns irrenden Menschen auf ewig deine übergroße Liebe und Barmherzigkeit gezeigt ... Oh mein barmherziger Jesus, ich liebe dich! Mach, daß mein Leben von nun an eine dankbare Antwort auf deinen Ruf ist! Erlaube mir, meinen Mitmenschen bei ihrer Suche nach Wahrheit und Glück mit Freude und Herzlichkeit zu helfen. Ich flehe dich an: Hilf mir, deine Worte, an die ich glaube, vollkommen zu verstehen, damit ich nur noch dir allein, o Jesu, helfe und all die verirrten Schäfchen in das Reich deiner Liebe führen kann. Heiligstes Herz unseres Herrn Jesus, nimm mein Herz für immer an!“

***

„Du reinste, auserkorene Jungfrau Maria! Komm mir zu Hilfe und halte Verlockungen und Sünden von mir fern, die meine Seele und meinen Körper beschmutzen. Mach, daß die reine Liebe des heiligsten Herzens unseres Herrn Jesus meine Seele ganz ausfüllt und nichts Unwürdiges mehr in sie hineinpaßt. Möge das heiligste Herz meine Leere und Einsamkeit ausgleichen und mich zur Wahrheit, Liebe und Demut führen. Heiligstes Herz Marias, sei meine Rettung.“

***

Bitte um Bekehrung: „Geliebter Jesus, du mein König! Meine Seele ist dir in Demut ergeben. Mit Freude erfüllt und von Dankbarkeit ergriffen, preist sie dich und unterstellt sich für immer deinem Befehl. Stärke deine Dienerin, o Herr, und lasse nicht zu, daß mich Furcht oder das Gespenst des Todes von dir entfernen! Im Schein deiner grenzenlose Liebe kniend, bringe ich dir furchtlos, jedoch demütig meine Bitte vor. Erfülle mir diesen innigen Wunsch, o König. Ziehe X. ganz in dein Herz hinein... Heilige Magdalena‑Sofia, bleibe für immer meine Vermittlerin vor unserem Christkönig!“

***

Morgengebet (nach dem hl. Januarius): „Herr Jesus, ich danke dir für die ruhige Nacht. Demütig knie ich vor deinem heiligsten Herzen voller Liebe und Huld ... Ich bringe dir, Herr, all meinen Kummer und meine Sorgen, die Arbeit und alle Freuden des heutigen Tages dar. Ich bitte dich inniglich, laß mich stets daran denken, daß du bei mir bist, o Herr, damit ich heute, gestärkt durch deine heilige Gnade, jeglichen Zorn, Faulheit, Ungehorsam und all diese Dinge, die deinem heiligen Willen nicht entsprechen, vermeide. Auch meine Familie und alle, die mir nahestehen, vertraue ich der Obhut des heiligsten Herzens an! O lieblichstes Herz Marias, sei mein Retter! Heiliger Januarius, bitte für uns ...“

***

Bitte um Demut (nach dem hl. Januarius): „Oh, heiligste unbefleckte Jungfrau! Ich bitte dich inständig, lehre mich, durch die Fürsprache der hl. Magdalena‑Sofia, demütig zu sein! Ich will dir nacheifern, und wie es bei dir ist, Heiligste Mutter, so sei Jesus auch meine einzige Zierde und mein Stolz — möge in meiner Seele kein anderes Verlangen mehr sein als nur noch der Wunsch, den Willen meines geliebten Erlösers, des Christkönigs, zu erfüllen!“

***

„Heiliger Geist, du einziger, ewiger Gott! Wir sehnen uns danach, dich auf unserer Erde, die voller Leid und Unglück ist, als den versprochenen Tröster zu empfangen. Lasse dich herab, o heiligster Geist, komme zu uns und durchdringe die arme, geknechtete und vom Joch der Sünde unterdrückte Menschheit. Allein schaffen wir es nicht! Komm deshalb, erleuchte und stärke uns mit dem Licht der göttlichen Gnade, erfülle uns mit der Vernunft, die uns verlassen hat, erwärme unsere Herzen für die große Liebe, mache, daß Gottesfurcht und Frömmigkeit in unseren Seelen herrschen, damit sie von jeglicher Sünde, jeglichem Undank und Irrtum frei bleibe. Dann kann die heilige Dreifaltigkeit — Vater, Sohn und Heiliger Geist — liebevoll über uns walten! Heiliger Geist, unser Tröster, durchdringe uns und erneuere die ganze Erde!“