Sehr geehrter Herr Müller
wir erachten es als positiv, dass das Thema
Exorzismus in einem offiziellen Organ der Kirche behandelt wird, nachdem es an
den Theologischen Hochschulen während Jahrzehnten beinahe systematisch
ausgeklammert wurde. Doch erlauben wir uns aus der seelsorglichen Praxis
heraus einige Anmerkungen.
Wie antworten Sie auf den Vorwurf freikirchlicher Kreise, dass die Landeskirchen
dem Auftrag «treibt Dämonen aus» heute nur noch in äußerst beschränktem Maß
nachkommen? Wie setzt die Römisch-Katholische Kirche Lk 9,1 um, wo es heißt:
Jesus «gab ihnen die Kraft und die Vollmacht, alle Dämonen auszutreiben und
die Kranken gesund zu machen». Ist der ganz selten zur Anwendung kommende
Exorzismus schon die Erfüllung dieses Auftrags? Wir müssen Ihnen nicht alle
Bibelstellen aufzählen, in welchen von Austreibung der Dämonen gesprochen
wird. Wie häufig kommen solche Texte in der Liturgie vor und wie oft versucht
man in der Predigt zu vermeiden, die Stellen «fundamentalistisch» auszulegen.
Wird man jedoch mit einer symbolischen Deutung diesen Stellen gerecht?
Und wie steht es mit Krankenheilungen in unserer Kirche? Wir finden sie fast
ausschließlich in «fundamentalistischen» Kreisen. Was immer der Grund solcher
Heilungen ist für die betroffenen Menschen sind sie gültige Erfahrungen!
Statt «fundamentalistische Kreise» (ist das ein Fachbegriff oder ein
Schimpfwort?) oberflächlich und verletzend anzuprangern, könnte man etwas von
ihnen lernen. Vielleicht haben diese Kreise auch eine prophetische Botschaft für
unsere Kirche.
Sie schreiben vom Beispiel der Anneliese Michel. Wir denken, es ist enorm
wichtig, sich im Rahmen einer theologischen Diskussion nicht auf
Sensationsberichte abzustützen, sondern wissenschaftliche Literatur
beizuziehen, zum Beispiel das aufschlussreiche Buch von Prof. Dr. Felicitas D.
Goodman, welche auf S. 294 zum Schluss kommt, dass letztlich die Verschreibung
von Tegretal zum Tod von Anneliese führte. Und selbst wenn sie tatsächlich an
den Folgen des Exorzismus gestorben wäre, könnte man niemals a priori auf die
Schlechtigkeit desselben schließen. Ansonsten müssten Ärzte und Psychiater
ihre Tätigkeiten sofort alle einstellen. Wie mancher Patient stirbt in der
psychiatrischen Behandlung? Wie manche Operation endet mit dem Tod? Deshalb darf
man ja weder Medizin noch Psychiatrie pauschal verurteilen!
Bedenklich scheint uns auch, den so genannten «Probe-Exorzismus» kategorisch
zu verbieten. Gabriele Amorth, ein erfahrener Exorzist mit unzähligen Erfolgen,
schreibt, dass manchmal die einfachste Methode festzustellen, ob eine
Besessenheit vorliegt, eben der Exorzismus sei.
Und zum Schluss geben wir Ihnen noch zwei Knacknüsse von Einzelfällen aus
unserem Bekanntenkreis: Eine Frau hatte plötzliche Ängste und schizophrene
Zustände (sie hörte Stimmen usw.). Von zwei Priestern, bei denen eine Freundin
von ihr angeklopft hat, wurde sie abgewiesen. Die Antwort war: «Gehen Sie zum
Psychiater». Wir sind anhand der Beschreibung des Falls überzeugt, dass sie
heute noch in Behandlung wäre. Jedenfalls griff ihre Freundin kurzerhand zum
Exorzismus: und mit Erfolg! Die Frau ist von Ängsten und schizophrenen Zuständen
befreit! Ob es hier nicht angesagt ist, mangels Erfüllung des Auftrags der «offiziellen»
Kirche, den Can. 1752 des CIC geltend zu machen (welcher ja von liberalen
Kreisen so gerne zitiert wird).
Der zweite Fall ist ein Mann, der oft zerstörerische Wutausbrüche hatte.
Nachdem eine Psychotherapie wegen zu hohen Kosten (und ohne geringsten Erfolg!)
abgebrochen wurde, suchte dieser Mann einen Bischof auf, welcher den Exorzismus
machte (also einer dieser Exorzismuswallfahrer!). Und siehe, der Erfolg war so
groß, dass der Mann selber staunte.
Wie gesagt es ist lobenswert, dass der Exorzismus in der Kirchenzeitung
thematisiert wurde. Wir wünschten uns jedoch mehr Unvoreingenommenheit in
dieser Sache. Die Einzelfälle müssten genauer untersucht werden, die Erfolge
des Exorzismus dürften nicht heruntergespielt werden, und Misserfolge von
Medizin, Psychiatrie und Psychologie müssten weit ernster genommen werden. Der
Forderung an die Seelsorger, Leute mit krankhaften Erscheinungen an den Arzt,
Psychiater, Psychologen weiter zu verweisen, müsste auch eine Forderung in die
andere Richtung entsprechen! In der Praxis stösst man zudem auf die
Schwierigkeit, Psychiater/Psychologen zu finden, welche die Möglichkeit dämonischer
Einflüsse ernst nehmen. Deshalb bleibt die Forderung einer Zusammenarbeit oft
frommes Wunschdenken.
Es ist uns sehr wohl bewusst, dass der unsachgemäße Gebrauch des Exorzismus
bei labilen Menschen großen Schaden anrichten kann. Ebenso ist es uns aber auch
bewusst, dass der «Abschied vom Teufel» und die damit verbundene Unterbindung
des Exorzismus weder dem Evangelium noch der Tradition unserer Kirche
entspricht. Die betroffenen Menschen werden von der Kirche allein gelassen und
in den Bereich der Illegalität gedrängt. Wenn schon so großes Gewicht darauf
gelegt wird, dass nur speziell vom Bischof beauftragte Priester den Exorzismus
vollziehen dürfen, ist es ein offensichtlicher Missstand, dass wie Sie
behaupten in der ganzen Schweiz nur ein einziger Bischof einen Exorzisten
ernannt hat. Überhaupt stellt sich die Frage, warum man über solche Leute so
hart urteilt, während permanente Verstöße gegen die Liturgischen Regeln (z.B.
selbstgemachte Hochgebete, Konzelebration von Laientheologen, Spendung von
Pseudo-Krankensalbungen usw.) schon längst zur Normalität gehören.
Dankbar für Ihren Beitrag grüßen wir Sie und bleiben im Gebet verbunden.